15 Kulturelles Leben nach 1945

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Konrad Ruh: Das Münstertal in den ersten Nachkriegsjahren
(15)
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Das kulturelle Leben in den Gemeinden beginnt wieder
Nach der Machtübernahme der Franzosen im Mai 1945 war zunächst jegliche Vereinstätigkeit
-sportlich wie kulturell- verboten. Viele Münstertäler Vereine hatten ohnehin kriegsbedingt
die Arbeit einstellen müssen, da die Mehrheit der Aktiven im Kriegseinsatz war.
Im Dezember 1945 erließ die Militärverwaltung die „Verordnung über die Wiederherstellung
der Vereinsrechte in der französisch besetzten Zone“. Jetzt konnte die Bevölkerung wieder
um die Gründung von Vereinen nachsuchen.
Die Münstertäler griffen diese Möglichkeit sofort auf. Sie waren während der sechs
Kriegsjahre des Feierns entwöhnt worden und sehnten sich trotz großer materieller
Einschränkungen dankbar nach jeder sich bietenden Art von kulturellen und sportlichen
Veranstaltungen und Aktivitäten. Auf diese Weise konnte man die düstere Realität wenigstens
für ein paar Stunden vergessen.
So kam es bereits im Juli 1946 -wie schon beschrieben- zur Gründung der „Sportvereinigung
Münstertal“ . Die beiden Musikvereine von Unter- und Obermünstertal sowie der
Gesangverein Untermünstertal gründeten sich in den Herbstmonaten des gleichen Jahres
wieder.
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Viele Hindernisse sind bei den Vereinsgründungen zu überwinden
Während heute eine Vereinsgründung ohne größere Formalitäten möglich ist, waren in den
ersten Nachkriegsjahren viele Hürden zu überwinden.
So musste jeder Verein vor der Gründungsversammlung beim „Gouvernement Militaire
d`occupation en Allemagne“ in Müllheim den Antrag auf Genehmigung stellen, musste
Zweck und Ziele des Vereins benennen und die vorgesehenen Vorstandsmitglieder
namentlich der Militärverwaltung melden. Die Anträge mussten in dreifacher Ausfertigung
sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache gestellt werden. Nur deutschsprachig
eingereichte Unterlagen wurden grundsätzlich nicht bearbeitet. Bei der Übersetzung des
Schriftwechsels mit den französischen Besatzungsbehörden half im Münstertal Frau Dr.
Erika Ohlmer, geb. Riesterer den Vereinen tatkräftig mit.
Für eine Genehmigung erteilte die Behörde bestimmte Auflagen. So durfte keine Person, die
in der NSDAP oder in einer ihrer angegliederten Formationen eine Funktion ausgeübt hatte,
in den Vorstand eines Vereins gewählt werden. Dies galt auch für alle Personen, die einer
„Reinigungsmaßnahme“ (Entnazifizierung) nach den damals geltenden Bestimmungen zu
unterziehen waren.
Und: Vor jeder Veranstaltung -und sei es nur ein Platzkonzert- musste die Genehmigung vom
Gouvernement eingeholt werden.
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Der Gesangverein Untermünstertal macht den Anfang
Einen kleinen Startvorteil
Untermünstertal. Ein Teil
eingezogen worden. Die
Beerdigungen gesungen.
Guggenbühler aus. Auch
gegenüber anderen kulturellen Vereinen hatte der Gesangverein
der Sänger war aus Altersgründen nicht mehr zum Kriegsdienst
„Daheimgebliebenen“ hatten während des Krieges noch bei
Als Dirigent half damals der pensionierte Lehrer Felix
am Weihnachtsfest 1945 sangen 20 Sänger im Gottesdienst vom
„Frieden auf Erden“. Vielen standen dabei Tränen der Erinnerung an ihre 23 gefallenen
Sängerkameraden in den Augen.
Die eigentliche Wiedergründung des seit 1888 bestehenden Vereins erfolgte am 14.
September 1946. Das Militärgouvernement in Müllheim hatte die Genehmigung zur
Gründung der „Societé de chant d`Untermünstertal“ erteilt. Antragsteller waren Emil Ortlieb,
Bernhard Birkel, Franz Anton Riesterer, Ernst Pfefferle (alle aus der Rotte Münster) und
Dominik Ruh (Neuhäuser).
Die Sänger wählten Gemeinderechner Josef Riesterer einstimmig zu ihrem 1. Vorsitzenden.
Josef Riesterer hatte bereits von 1919 bis 1933 an der Spitze des Vereins gestanden und war
1933 sowohl als Gemeinderechner wie als Vereinsvorsitzender abgesetzt und verhaftet
worden. Jetzt führte er die Sängerschar bis zu seiner schweren Erkrankung im Jahre 1947.
Sein Stellvertreter Karl Groß führte das Amt bis zu seiner offiziellen Wahl (1948)
kommissarisch weiter.
Dirigent der Sänger wurde Dr. med. Albert Burget, der bereits in den 1930er-Jahren als
Medizinstudent die gesangliche Leitung des Vereins innehatte.
Hauptzweck des Vereins sollte „die Pflege des schönen, edlen Liedes sowie die Mitwirkung
bei kirchlichen und geselligen Veranstaltungen“ sein. Den Mitgliedern wurde untersagt,
„außerhalb des Vereins“ (z. B. in Wirtshäusern) ohne Genehmigung des Vorstandes Lieder
aus den Vereinsheften zu singen. Bereits drei Wochen nach der Gründung fand die erste
Chorprobe im Probelokal „Löwen“ statt.
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Das Chorwerk „Sancta Elisabeth“ wird zum ersten kulturellen Höhepunkt
In den Folgejahren beteiligte sich der Gesangverein Untermünstertal an den kirchlichen und
weltlichen Feiern, führte aber auch regelmäßig gut besuchte Liederabende durch. Auch diese
mussten bis 1948 vom Militärgouvernement genehmigt werden. Wegen der Arbeit in der
Landwirtschaft und der weiten Fußwege begannen die Nachkriegsveranstaltungen aller
Vereine erst um 20.30 Uhr, meist im „Saalbau Matheis“.
Absoluter Höhepunkt nicht nur im Vereinsleben der Sänger sondern auch im Münstertal der
ersten Nachkriegsjahre waren die Feierlichkeiten anlässlich des 60-jährigen Vereinsbestehens
des Gesangvereins im Juni 1948.
Dirigent Dr. Albert Burget wagte sich mit insgesamt 280 Mitwirkenden (Männer- und
Frauenchor, Kinderchor, Bläser und Solisten) an die Aufführung des monumentalen
Chorwerkes „Sancta Elisabeth“ von Professor Franz Philipp, der als Komponist selbst den
Part an der Orgel übernahm. Die Aufführung fand am 6. Juni 1948 um 15 Uhr in der
überfüllten Pfarrkirche statt. Allgemein wurde die große Aufgabe, der sich die Sänger gestellt
hatten, bewundert. Ein Sonderzug brachte viele Gäste aus Freiburg und der Region nach St.
Trudpert. Der Uraufführung folgte eine zweite in St. Trudpert, deren Erlös der Familie
Augustin Schmiedle, die ihr Haus durch einen Bombenangriff verloren hatte, zugute kam.
Eine dritte Aufführung fand 1949 in Schönau, dem Geburtsort von Professor Franz Philipp
statt.
Im Jahre 1949 kam es zu einem ersten „Sänger-Freundschaftstreffen“ zwischen den Sängern
aus Sulzburg und Untermünstertal. Die Gäste aus dem Nachbartal kamen mit dem Zug und
wurden am Bahnhof von den Untertäler Sängern und dem Musikverein Untermünstertal
herzlich begrüßt und
(natürlich zu Fuß) zum „Saalbau Matheis“ geleitet. Zum
nachmittäglichen Unterhaltungsprogramm trugen beide Chöre, der Musikverein und eine
kleine Tanzkapelle bei. Am späten Nachmittag traten die Gäste mit der Eisenbahn ihre
Heimreise an.
Im Jahre 1949 stellte der dem Verein angegliederte Frauenchor seine Arbeit ein. Der Verein
nannte sich fortan „Männergesangverein Untermünstertal“.
Wie bei den anderen Vereinen war auch bei den Sängern die Weihnachtsfeier ein
Jahreshöhepunkt. St. Nikolaus besuchte die Sänger, Theaterstücke kamen zur Aufführung, der
Christbaum wurde versteigert.
Zu allen Veranstaltungen wurden persönlich sowohl die Kriegsheimkehrer als auch die im
„Hof“ wohnenden deutschen Kriegsgefangenen und die im Tal wohnenden Flüchtlings- und
Vertriebenenfamilien eingeladen.
Unabhängig davon gestalteten die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen eigene
Weihnachtsfeiern mit Krippenspielen und Liedern aus ihrer Heimat. Als die Aussicht auf eine
Rückkehr in ihre Heimat (spätestens nach Beginn des „Kalten Krieges im Jahre 1952)
verloren war, gaben sie ihre eigenen Feiern auf und integrierten sich vorbildlich in den
Münstertäler Vereinen.
Eigene Weihnachtsfeiern gestalteten auch die beiden „VDK“-Ortsvereine Unter- und
Obermünstertal, jeweils unterstützt von den Musikvereinen.
Nächste Woche: Neubeginn bei den Musikvereinen
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