Theater Text 6.–15. Mai 2015 Lettrétage Berlin Autorschaft Theater Text RealFiktionen Theater Text Autorschaft 6.–15. Mai 2015 Lettrétage Berlin Mit: Jörg Albrecht, Hannes Becker, Nolte Decar (Michel Decar und Jakob Nolte), Olga Grjasnowa, Wolfram Lotz, Maxi Obexer, Kathrin Röggla, Gerhild Steinbuch und Deniz Utlu. Projektentwicklung und Leitung: Carolin Beutel und Thomas Köck. Grafik: Manuel Rickert Blog: http://www.realfiktionen.wordpress.com Facebook: https://www.facebook.com/realfiktionen Pressekontakt: RealFiktionen c/o Carolin Beutel Pflügerstraße 64 12047 Berlin Tel: 0176 / 31435981 Mail: [email protected] Veranstaltungsort: Lettrétage, das Literaturhaus in Berlin-Kreuzberg Mehringdamm 61 10961 Berlin Website: http://www.lettretage.de Eintritt zu den Veranstaltungen frei. Mit freundlicher Unterstützung der Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten Medienpartner: Edit Autorschaft Theater Text RealFiktionen Theater Text Autorschaft Was ist die Rolle von AutorInnen und Texten im Theater heute? Wie greifen sie auf Realität zu? Und wie kann eine Auseinandersetzung über Theatertexte abseits des Theaterbetriebs überhaupt geschaffen werden? Können Theatertexte für sich sprechen? Und warum gibt es immer wieder Missverständnisse wenn Theater und Texte sich begegnen? RealFiktionen ist ein Symposium für zeitgenössischen Theatertext. Nach einem vorangegangen Workshop im Februar 2015 werden nun vom 6. bis 15. Mai 2015 an drei Abenden in der Lettrétage, dem Literaturhaus in Berlin-Kreuzberg am Mehringdamm 61, Lesungen, Haltungen, Meinungen und Missstände präsentiert. Ziel ist es Theatertexte außerhalb des Theaters als eigenständige, literarische Form in ihrer Vielfalt vorzustellen. Die Beteiligten von RealFiktionen arbeiten an der Schnittstelle von Theater / Prosa und Performance. Einige Teilnehmende verfassen explizit Texte für das Theater, die Texte anderer streiften bislang nur peripher seinen Bereich und einige der geladenen AutorInnen schreiben sowohl Prosa als auch Dramentexte – und ein Teil von ihnen nimmt die Trennung zwischen den Textformen überhaupt nicht als eine solche wahr. Manche von ihnen sind schon länger im Betrieb unterwegs, andere sogenannte NewcomerInnen – in diesem Sinne freuen wir uns sehr Jörg Albrecht, Hannes Becker, Nolte Decar (Michel Decar und Jakob Nolte), Olga Grjasnowa, Wolfram Lotz, Maxi Obexer, Kathrin Röggla, Gerhild Steinbuch und Deniz Utlu für RealFiktionen gewonnen zu haben. Das von der Literaturveranstalterin Carolin Beutel und dem Autor Thomas Köck konzipierte Projekt möchte für den in der Regel auf Prosa und Lyrik konzentrierten Berliner Literaturbetrieb ein neues Feld erschließen – nämlich das des (post-) drama­tischen Diskurses. Umgekehrt soll damit der Theatertext wieder dort zur Sprache gebracht werden, wo von ihm in den letzten Jahre selten bis gar nichts zu hören war: in der „Literatur“. Lange Zeit wurden Theatertexte in großer Zahl gelesen, was momentan kaum noch passiert. Sie werden kaum publiziert und falls doch, im Literaturbetrieb kaum wahrgenommen. Gleichzeitig wird im Theater­betrieb gerade über die neue Rolle von AutorInnen gesprochen. Nicht ohne viel Kritik und Verwirrung. Ist die neue AutorInnenschaft als Erweiterung zu verstehen, oder ist der literarische Theatertext als eigenständige, gearbeitete Form im Begriff, aus dem Theater auszuziehen? Autorschaft Theater Text In einem gemeinsamen Workshop im Februar 2015 wurde laut nachgedacht – vor allem über den momentanen Umgang mit AutorInnen im Theater: ihre Marginalisierung, ihre Ersetzbarkeit, und ihr Anspruch auf einen eigenständigen, literarischen Wert ihrer Texte. Aus AutorInnenperspektive wurde gefragt, was Theatertext ist, war, sein könnte und vielleicht einmal gewesen sein wird. Immer wieder wurde dabei der Wunsch laut, eine Lanze für den Text zu brechen. So entstand die Idee, an drei verschiedenen Abenden in kleinen Formaten den Theaterbetrieb, den Begriff der AutorInnenschaft, das literarische Sprechen, und die Arbeitsbedingungen von AutorInnen zu hinterfragen. Vom 6. bis 15. März werden die eingeladenen AutorInnen an drei Abenden ihre für RealFiktionen jeweils in Zweiergruppen entwickelten Projekte präsentieren. Die Bandbreite von Arbeitsweisen, Zugriffen, Themen und Präsentationsweisen, welche hierbei transparent werden, ist beeindruckend umfassend: Fiktion/Spiel am 6. Mai wird von Gerhild Steinbuch und Jörg Albrecht („Memory der Fiktionen“) sowie Nolte Decar („Helmut Kohl läuft durch Hongkong“) gestaltet. Während Steinbuch und Albrecht in einem dem Zufall überlassenen Fiktionsmemory nach der Verantwortung von Fiktionen gegenüber der Realität fragen, werden sich Nolte Decar in einer Skandal-Performance mit dem immer noch wenig vorhandenen Nachspielen neuer Texte auseinandersetzen. Am 13. Mai werden Deniz Utlu und Olga Grjasnowa („Romane auf der Bühne“) sowie Wolfram Lotz und Hannes Becker („Die Hand vom Intendant, die Band vom Inspizient“) dem Thema Text/ Theater nachgehen. Utlu und Grjasnowa wollen in einem öffentlichen Arbeitsgespräch mit ihren RegisseurInnen herausfinden wie man mit Romanen eigentlich am Theater verfährt. Wolfram Lotz und Hannes Becker stellen danach die fundamentalen Fragen: Was will der Text im Theater? Und was sieht er da? Und dann, was macht er da? Abschließend fragen Kathrin Röggla und Maxi Obexer („Das unspielbare Sprechen“) am 15. Mai unter dem Motto Realität/ Sprache wie sich die fiktiven, inszenierten Strukturen unserer Realität in der Sprache abbilden lassen. Durch die Gestaltungsfreiheit, die den AkteurInnen bei der Konzeption ihrer jeweili­ gen Präsentationen ermöglicht wurde, birgt das bei RealFiktionen Gezeigte großes Innovationspotential, das Gattungsgrenzen aufbricht. Das Symposium möchte den Blick auf Theatertexte öffnen und erweitern: außerhalb des üblichen Wahr­nehmungs­ spektrums der Öffentlichkeit. Dass viele zeitgenössische Texte dieser Form sich auch durch eine hohe Lesequalität auszeichnen, dass es vor allem sehr viele Theatertexte gibt, die nicht nur von Fachpublikum, Jurys und Dramaturgien gelesen werden wollen, sondern umgekehrt wichtige Impulse für ein zeitgenössisches Sprechen und Schreiben über Realität liefern können, und dass zeitgenössische AutorInnenschaft wesentlich mehr ist, als eine vermeintliche Schreibtischtäterschaft, dass ohne AutorInnen und deren Sprach- und Diskurskritik das Theater sich bloß reproduziert und die An­bindung an die Öffentlichkeit verliert, ist bei RealFiktionen die feste Überzeugung. Autorschaft Theater Text Programm RealFiktionen: Fiktion/Spiel Mi 6. Mai, 20 Uhr Gerhild Steinbuch und Jörg Albrecht – „Memory der Fiktionen“ Nolte Decar – „Helmut Kohl läuft durch Hongkong“ Welche Verantwortung haben Fiktionen eigentlich der Realität gegenüber? Aber vor allen Dingen welche Realität, wenn alles fiktiv erscheint? Gerhild Steinbuch und Jörg Albrecht, die zusammen Arbeiten über popmoderne Medienmythen entwickelt haben (zuletzt„You‘re not the same, Batman!“), fragen diesmal in einem dem Zufall überlassenen Fiktionsmemory nach der Verantwortung von Fiktionen gegenüber der Realität und lassen nebenbei mögliche unmögliche Geschichten und mögliche unmögliche Realitäten entstehen. Nolte Decar, die selbsternannten Schreckgespenster des bürgerlichen Feuilletons, setzen sich in einer Skandal­Performance mit dem immer noch wenig vorhandenen Nachspielen neuer Texte auseinander. Dazu nehmen sie ihr Stück „Helmut Kohl läuft durch Bonn“auseinander, rauchen französischen Käse, trinken Gitanes, lesen Rotwein und essen Deleuze, das alles unter dem Titel: „Helmut Kohl läuft durch Hongkong“. RealFiktionen: Text/Theater Mi 13. Mai, 20 Uhr Deniz Utlu und Olga Grjasnowa – „Romane auf der Bühne“ Wolfram Lotz und Hannes Becker – ­„Die Hand vom Intendant, die Band vom Inspizient“ Romanadaptionen als Alternative / Erweiterung / Herausforderung / Publikumsfänger für das Theater? Zwei AutorInnen, Olga Grjasnowa (­„Die juristische Unschärfe einer Ehe“) und Deniz Utlu (­„Die Ungehaltenen“), deren Romane gerade für die Bühne bearbeitet werden, bringen ihre Regisseure Nurkan Erpulat und Hakan Savaş Mican mit zu einem öffentlichen Arbeitsgespräch, um herauszufinden, wie man mit Romanen eigentlich im Theater verfährt. Welche Möglichkeiten gibt es, welche Anforderungen, welche Realität strukturiert einen Roman und wie kommt diese auf der Bühne rüber? Und wer hat eigentlich die wichtigste Szene gestrichen? Wolfram Lotz, der spätestens mit dem Stück ­„Die lächerliche Finsternis“ die Bühnen für sich gewonnen hat und Hannes Becker, der als Autor (­„Westliche Werte“) und Übersetzer (u.a. von Pamela Carter) arbeitet, publizieren zusammen unregelmäßig über unmögliche Theaterformen. Zuletzt erschien der Katalog „­27 Forderungen an das Theater“und so beschäftigen sie auch heute Abend folgende Fragen: Was will der Text im Theater? Und was sieht er da? Und dann, was macht er dann? Hannes Becker und Wolfram Lotz lesen, sprechen, zeigen, machen. Autorschaft Theater Text RealFiktionen: Realität/Sprache Fr 15. Mai, 20 Uhr Kathrin Röggla und Maxi Obexer –„Das unspielbare Sprechen“ Kathrin Röggla, seit Jahren unterwegs an der Schnittstelle von dokumentarischen, sprachkritischen Formen und Maxi Obexer, die gerade mit ­„Illegale Helfer“ einen Text über Flüchtlingshelfer aus Gesprächen, die vier europäische Länder umfassen, vorgelegt hat, gehen der Frage nach was das Literarische im Text eigentlich genau ist. Was ist ein Text, den sich eine Bühne sowohl als Form, wie als Inhalt erst einmal einverleiben muss, welche Widerstände bleiben erhalten und welche Verantwortung im Zugriff auf Realität entwickelt sich aus diesen Widerständen heraus? Was ist das Verhältnis von realen / fiktiven Figuren, wenn beide im gleichen Text zur Sprache kommen? Wie lassen sich die fiktiven, inszenierten Strukturen unserer Realität abbilden als etwas anderes, etwas zwischen Fiktion und Realität in der Sprache? Was aber wäre ein Sprechen, das Widerstand leistet? Autorschaft Theater Text Beteiligte AutorInnen Jörg Albrecht wurde 1981 in Bonn geboren und lebt in Berlin. Er studierte Komparatistik, Neuere Deutsche Literatur, Geschichte und Theaterwissenschaft in Bochum und Wien. Gemeinsam mit dem Musiker Matthias Grübel inszeniert er als Duo phonofixHörspiele und multimediale Literaturperformances. Er ist Mitbegründer des Theaterkollektivs copy & waste, das 2014 gemeinsam mit dem Ringlokschuppen Mühlheim in die DoppelpassFörderung der Kulturstiftung des Bundes aufgenommen wurde. In Arbeiten wie Die Versteigerung von No. 36 im WestGermany Berlin oder Berlin Ernstreuterplatz sucht copy & waste konsequente Auseinandersetzungen mit den Fragen der städtischen Identität. Daneben arbeitet Albrecht vor allem als Autor, bislang sind vier Romane beim Wallstein Verlag erschienen: Drei Herzen (2006), Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif (2008), Beim Anblick des Bildes vom Wolf (2012) über das kreative Prekariat in Berlin und zuletzt­A ­narchie in Ruhrstadt (2014), eine Zukunftsvision über das derzeitige Ruhrgebiet. Jörg Albrecht wurde mit seinen Texten mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem 2. Preis beim 13. open mike der Literaturwerkstatt Berlin, dem Literaturförderpreis der Stadt Dortmund, außerdem war er zu den Werkstatt-Tagen des Wiener Burgtheaters und zum Ingeborg-Bachmann-Preis 2007 eingeladen und war 2010/11 Stadtschreiber von Graz. Seine Theaterstücke, die er zumeist mit copy & waste erarbeitet, bevor sie an anderen Häusern uraufgeführt werden, erscheinen beim Rowohlt Verlag. Sie wurden am Schauspielhaus Wien, am Maxim Gorki Theater Berlin oder im Ringlokschuppen Mühlheim uraufgeführt. http://www.fotofixautomat.de/ http://copyandwaste.de/ Hannes Becker wurde 1982 in Frankfurt am Main geboren und lebt in Berlin. Er studierte Neuere Deutsche Literatur, Geschichte und Amerikanistik in Berlin sowie Literarisches Schreiben in Leipzig. Momentan promoviert er zum Thema Präventionsfantasien im Forschungsprojekt Sicherheit und Zukunft am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin. Er ist Mitglied des Iltis-Projektchor und der Autorenvereinigung 1. Februar. Von 2005 - 2007 war er Mitherausgeber des GOLDliteraturmagazins. 2009 - 2010 war er Redakteur der Literaturzeitschrift EDIT. Er veröffentlichte in Magazinen wie EDIT, Lauter Niemand, Neue Rundschau und Tippgemeinschaft. Außerdem betreut er den Weblog http://www.dasuntergehendeschiff.blogspot.de, übersetzte Theaterstücke von Pamela Carter für den Suhrkamp Verlag und trat selbst als Dramatiker in Erscheinung. Zuletzt erschienen 27 Forderungen an das Theater (gemeinsam mit Wolfram Lotz), in: Theater Heute, Jahrbuch 2014 (abrufbar auf http://www.editonline.de/ blog/27-forderungen-das-theater/). Autorschaft Theater Text Die Autoren Michel Decar und Jakob Nolte wurden Ende der 1980er Jahre in west­ deutschen Kleinstädten geboren und großgezogen. Ab 2010 studierten sie Szenisches Schreiben an der UdK in Berlin. Nolte Decars Stück Das Tierreich wurde 2013 mit dem Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin ausgezeichnet und für den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts 2014 nominiert. Helmut Kohl läuft durch Bonn wurde zu den Autorentheatertagen 2014 am Deutschen Theater Berlin eingeladen. Im Frühjahr feierte Der Volkshai seine Premiere am Theater Bonn. Jakob Noltes Debütroman ALFF erschien 2014 in Deutsch und Englisch beim Verlagsprojekt Fiktion. Er hat Texte in etlichen Anthologien veröffentlicht. Die Rechte an seinen Theaterstücken sind beim S. Fischer Verlag. Michel Decar wurde für das Theaterstück Jonas Jagow mit dem Förderpreis für neue Dramatik des Stückemarktes im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2012 ausgezeichnet. Das Stück Jenny Jannowitz erhielt den Kleistförderpreis 2014. Im Moment arbeitet er an seinem ersten Roman. Michel Decars und Nolte Decars Texte erscheinen beim Rowohlt Verlag. Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku, Aserbaidschan geboren und wuchs im Kaukasus auf. Längere Auslandsaufenthalte in Polen, Russland und Israel. Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. 2011 erhielt sie das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung. Derzeit studiert sie Tanzwissenschaften an der FU Berlin. Für ihren vielbeachteten Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt wurde sie zuletzt 2012 mit dem Klaus-Michael Kühne-Preis und Anna Seghers-Preis ausgezeichnet. Der Roman wurde am Maxim Gorki Theater Berlin inszeniert. Außerdem erhielt sie das Hermann-LenzStipendium. 2014 erschien der Roman Die juristische Unschärfe einer Ehe, der 2015 am Maxim Gorki Theater uraufgeführt wird. 2014 erhielt sie ein Arbeitsstipendium für Schriftsteller der Kulturverwaltung des Berliner Senats und 2015 den ChamissoFörderpreis für ihren zweiten Roman. Wolfram Lotz wurde 1981 in Hamburg geboren und wuchs im Schwarzwald in Bad ­Rippoldsau auf. Er studierte Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaft in Konstanz, und Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Er schreibt Theaterstücke, Hörspiele, Lyrik und Prosa und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. Er erhielt u.a. den Werkauftrag und den Publikumspreis des Stückemarkts des Berliner Theatertreffens sowie den Kleistförderpreis für das Stück Der große Marsch. Er war Nachwuchsdramatiker 2011 in der Kritikerumfrage des Jahrbuchs von Theater Heute, nahm an den Werkstatttagen des Burgtheaters Wien teil und erhielt den Dramatikerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft e.V. sowie den Kasseler Förderpreis Komische Literatur zum Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor für das Stück Einige Nachrichten an das All. 2011 erschien der Text Fusseln bei der Parasitenpresse Köln und 2014 das Buch Monologe bei Spector Books, Leipzig. Gemeinsam mit Hannes Becker verfasste er 27 Forderungen an das Theater in: Theater Heute, Jahrbuch 2014 (abrufbar auf http://www.editonline.de/ blog/27-forderungen-das-theater/). Seine Theaterstücke erscheinen alle beim S. Fischer Verlag und werden deutschland- und österreichweit inszeniert. So feierte sein letztes Stück Die lächerliche Finsternis 2014 am Burgtheater in Wien seine Uraufführung, wurde 2015 für den Mühlheimer Dramatikerpreis nominiert und in der Burgtheaterinszenierung zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Autorschaft Theater Text Maxi Obexer wurde in Südtirol, Italien geboren. Sie studierte Vergleichende Literaturwissen­ schaft, Philosophie und Theaterwissenschaft in Wien und Berlin. Für ihre Theaterstücke und Hörspiele erhielt sie Preise und Stipendien, u.a. vom Literarischen Colloquium Berlin, von der Akademie der Künste, sowie der Akademie Schloss Solitude. Sie war Gastprofessorin am Dartmouth College, USA, an der Universität der Künste in Berlin und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Von Januar bis April 2016 lehrt sie als Gastprofessorin an der Georgetown University in Washington D.C. Zu ihren bekanntesten Werken gehören Die Liebenden, Das Geisterschiff und Gletscher sowie der 2011 erschienene Roman Wenn gefährliche Hunde lachen. Zu ihren meist politischen Stücken zählt auch ihr jüngstes Stück Illegale Helfer. Maxi Obexer engagiert sich seit langem für die Vermittlung der dramatischen Kunst. 2014 begründete sie mit Marianna Salzmann das Neue Institut für Dramatisches Schreiben - NIDS. http://www.m-obexer.de/ Kathrin Röggla wurde 1971 in Salzburg geboren und lebt als freie Schriftstellerin in Berlin. Seit 1990 publiziert sie literarisch, zunächst in Literaturzeitschriften und Anthologien. 1995 erfolgte ihre erste selbstständige Veröffentlichung niemand lacht rückwärts (S. Fischer, 2010). Seit 1998 verfasst und produziert sie Radioarbeiten (Hörspiele, akustische Installationen, Netzradio), u.a. für den Bayrischen Rundfunk und für das Berliner Netzradiokollektiv convextv. Seit 2002 schreibt sie auch fürs Theater. Zuletzt erschienen die alarmbereiten (S. Fischer, 2010), Essays besser wäre: keine (S. Fischer, 2013) und im Dezember 2014 erschien Die falsche Frage im Theater der Zeit-Verlag. Außerdem erschienen Hörspiele und Theatertexte, sowie der Dokumentarfilm Die bewegliche Zukunft. Eine Reise ins Risikomanagement (ZDF, 2012). Für ihre literarischen Arbeiten, denen zumeist umfangreiche Recherchen zugrunde liegen, wurde sie mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Nestroy-Theaterpreis, der Franz-Hessel-Preis oder der Arthur-Schnitzler-Preis 2012. Sie war zweimal für den Mühlheimer Dramatikerpreis nominiert, der wichtigsten Auszeichnung für deutschsprachige Gegenwartsdramatik. In ihren Texten arbeitet sie häufig medienübergreifend und mit dokumentarischen Verfahren, durch die sie die zeitgenössische literarische Sprache experimentell und kritisch erweitert. Im Mai 2012 wurde Röggla als neues Mitglied in die Akademie der Künste Berlin berufen. http://www.kathrin-roeggla.de/ Autorschaft Theater Text Gerhild Steinbuch wurde 1983 in Mödling (Österreich) geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Szenisches Schreiben in Graz und im Master Dramaturgie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin. 2004 gewann sie den Stückewettbewerb der Schaubühne Berlin mit kopftot. Ihre Stücke werden vom Rowohlt Theater Verlag vertreten. Sie nahm an den Werkstatttagen des Wiener Burgtheaters, der International Residency am Royal Court Theatre London, am Bachmannpreis und an der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin teil. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, u.a. eines des Schloss Solitude Stuttgart und war in der Spielzeit 2008/09 Hausautorin am Schauspielhaus Wien. Neben ihrer Arbeit als Dramatikerin arbeitet sie an ihrem ersten Roman, sowie als freie Dramaturgin und entwickelt gemeinsam mit dem Autor Jörg Albrecht Lecture-Performances, zuletzt You´re not the same, Batman! für den Steirischen Herbst 2014. 2013 wird Sleepless In My Dreams –Ein DornröschenErweckungskuss, am Schauspiel Frankfurt in der Regie von Pedro Martins Beja uraufgeführt wie auch Pocahontas in der Spielzeit 2014/15 in Frankfurt im Rahmen des Autorenstudios. Im April 2015 folgt die Uraufführung von Überschreibung II am Schauspiel Leipzig. Derzeit schreibt sie im Auftrag der Opéra de Lille an einem Libretto für eine Oper von Wolfgang Mitterer, deren Uraufführung für die Spielzeit 2015/16 geplant ist. Deniz Utlu wurde 1983 in Hannover geboren. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin und Paris und lebt als freier Autor in Berlin. 2014 erschien sein Roman Die Ungehaltenen im Graf Verlag. Seine Stücke Tod eines Superhelden und Fahrräder könnten eine Rolle spielen wurden 2011 und 2012 im Ballhaus Naunynstraße uraufgeführt. Diese hatte er im Schreibduo Angry Birds mit Marianna Salzmann geschrieben, mit der er 2013 die Literaturwerkstatt RAUŞ - NEUE DEUTSCHE STÜCKE leitete. Im Maxim Gorki Theater kuratiert er seit 2013 die Lesereihe gegen sätze. Seit 2003 gibt er das Kultur- und Gesellschaftsmagazin freitext heraus. Seine Arbeiten wurden vielfach gewürdigt, zuletzt im Rahmen des Kranichsteiner Literaturförderpreises 2014. Dieses Jahr wird er sich für zwei Monate im Künstlerdorf Schöppingen aufhalten. Autorschaft Theater Text Künstlerische und organisatorische Leitung Carolin Beutel wurde 1987 in Berlin-Friedrichshain geboren. BA-Studium der Kunstgeschichte und Deutschen Philologie und derzeitig Masterstudium der Kunstgeschichte im globalen Kontext an der Freien Universität Berlin. 2008-2011 journalistische Tätigkeit, u.a. redaktionelle Mitarbeiterin bei Die Berliner Literaturkritik. 2010-2014 Organisatorin der zweiwöchigen bzw. später monatlich stattfindenden Berliner Lesereihe Kreuzwort (zus. mit Kristoffer P. Cornils) und 2011 Konzeption, Koordination und Organisation des 10 Einzelprojekte umfassenden Literatur- und Kunstfestivals außerbetrieb im jungen Literaturhaus Lettrétage (zus. mit Kristoffer P. Cornils). 2012-2013 Konzeption, Herausgabe und Lektorat der Prosa-Anthologie RE-COVERED (Verlag Lettrétage, 2013). Moderation von Lesungen, u.a. des poets corner des poesiefestivals 2012 und 2014. Seit 2011 Arbeit in der Kunstvermittlung u.a. am Hamburger Bahnhof Berlin, bei Daimler Contemporary Berlin und am Gorki-Theater (Führungen, Konzeption von Workshops) und seit 2013 Tätigkeit als Galerie- und Ausstellungsassistenz. 2012-2013 war sie Tutorin an der FU Berlin, 20132014 studentische Mitarbeiterin am Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin und seit 2015 ist sie Forschungsstudentin am Internationalen Graduiertenkolleg InterArt (FU Berlin). Zuletzt war sie Profi-Leserin beim Literaturvermittlungsprojekt „comment“ und Ende 2014 performte sie zusammen mit Anne Welenc Strohfeuer: tales of a coming savior im Literaturhaus Lettrétage. Thomas Köck wurde 1986 in Steyr, Oberösterreich geboren, schreibt Prosa, Theater- und Radiotexte. Er studierte an der Universität Wien und an der FU Berlin Philosophie und Literaturwissenschaft und seit 2012 Szenisches Schreiben an der UdK Berlin mit Aufenthalt am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Zuvor Arbeit bei der Austria Presse Agentur, als Mitarbeiter / Performer von Claudia Bosse / theatercombinat und als Produktionsassistent am wuk wien. Lektoratsassistent beim diaphanes Verlag Berlin. Er organisierte Lesungen & Performances in Wien und Berlin, begleitete die European Theatre Convention am Theater an der Parkaue in Berlin für nachtkritik.de und entwickelte Theaterprojekte am HAU Berlin, BAT Berlin und Maxim Gorki Theater Berlin. Werkstattinszenierungen eigener Texte am DT Berlin und dem schauspielhaus wien. Eingeladen zum Literaturkurs der 39. Tage der deutschsprachigen Literatur (im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Preises), zum Autorenforum der Theaterbiennale Neue Stücke aus Europa in Wiesbaden und der Kaltstart Autorenlounge in Hamburg. Längere Recherche und Aufenthalt in Beirut für eine Dokumentation über den gescheiterten Wiederaufbau von Beirut. Nominierung für den Filmförderpreis der Robert-Bosch-Stiftung und Einladung zu Berlinale Talents als Bosch Guest. Das Stück jenseits von fukuyama erhält den Osnabrücker Dramatikerpreis, wird 2014 ebendort uraufgeführt. Der Text Isabelle H. (geopfert wird immer) wird 2014 mit dem Else Lasker-Schüler Stückepreis ausgezeichnet und im Herbst 2015 am Pfalztheater Kaiserslautern uraufgeführt. 2015 erhält er das Thomas Bernhard-Stipendiums des Landestheaters Linz und das Wiener Dramatik Stipendium. Veröffentlichungen in div. Anthologien. Seine Theatertexte erscheinen im Suhrkamp Verlag. http://www.toterpraktikant.tumblr.com Autorschaft Theater Text RealFiktionen – Der Workshop Es gibt Gesprächsbedarf. Am 17. Februar 2015 kamen die zehn an RealFiktionen beteiligten AutorInnen Jörg ­ Albrecht, Hannes Becker, Nolte Decar (Michel Decar und Jakob Nolte), Olga Grjasnowa, Wolfram Lotz, Maxi Obexer, Kathrin Röggla, Gerhild Steinbuch und Deniz Utlu, und die VeranstalterInnen Carolin Beutel und Thomas Köck in der Lettrétage, dem Kreuzberger Literaturhaus zusammen, um sich kennenzulernen, und Lesungen und Gespräche für den Mai zu planen, aber vor allem: um sich zu unterhalten. Denn es gab Gesprächsbedarf. Aus dem eigentlichen Thema, der Frage nach dem Verhältnis von Realität und Fiktion in Prosa und Theatertexten vor dem Hintergrund unzähliger, digital verfügbarer Hybride von „realen Fiktionen“, wuchs stattdessen rasch eine grundsätzliche Debatte über die Rolle von Literatur bzw. dramatischem oder postdramatischem Text im Theater. Es wurde über Themen, Zugriffe und Sprache diskutiert, wesentlich war aber dann die Frage nach dem Standort – oder eher der Ecke in die der Text bzw. AutorInnen im Zuge einer vermeintlichen „Öffnung“ für neue Formen immer wieder geschoben werden. Gefragt wurde nach der Rolle von AutorInnen in einem kriselnden Theaterbetrieb, und in der literarischen Öffentlichkeit, von ökonomischen Bedingungen, nach dem Wert von verdichteter, gearbeiteter Sprache, von widerständiger Sprache, von Sprache, die eine Verantwortung gegenüber der Realität einfordert, einer Sprache, die nicht den schnellen Projektformaten entspricht, sondern als Widerstand und gearbeiteter Stoff eine eigene Qualität besitzt und der Verantwortung von Theatern, dieser Sprache Raum zu geben. Der folgende Bericht ist auf keinen Fall vollständig und wird sicherlich nicht allen Ansichten gerecht. Er besteht aus mindestens zehn verschiedenen, zum Teil sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen, Erwartungshaltungen, Produktionsbedingungen, letztlich Sprachen und aus mindestens genauso vielen komplett widersprüchlichen Meinungen. Es ist also eher der Versuch eines Querschnitts einer siebenstündigen Diskussion. Es ist ein Versuch, all diese Stimmen in ihrer Widersprüchlichkeit zu bündeln, um Überlegungen, Fragen und Probleme, die diskutiert wurden, auch nach draußen zu tragen. Es ist also mehr ein lautes Nachdenken als ein konzentriertes Wühlen. Wieso fallen AutorInnen immer als Erste unter den Tisch? Der Begriff der AutorInnenschaft hat sich erweitert. Interessanterweise fällt in vielen Debatten und Gesprächen über diese neue Autorschaft unter den Tisch, dass sich der Begriff auch und zu weiten Teilen aufgrund einer veränderten Schreib- und Produktionspraxis, einer Formulierung eines anderen Theaters, eines veränderten Zugriffs auf eine medialisierte Wirklichkeit usw. gerade von AutorInnen erweitert hat. Gemeint ist damit eine Auseinandersetzung von AutorInnen mit dem Theater, mit seinen Anforderungen, mit seiner Praxis, mit seinen Produktionsbedingungen. Dieser für die jüngere, deutsche Theatertradition scheinbar identitätsstiftende, uralte Streit zwischen AutorInnen und dem Theater, der Wirklichkeit und der Bühne, der Sprache und dem Körper ist nicht der einzige Weg, der zu dieser heutigen, erweiterten AutorInnenschaft geführt hat, es ist allerdings einer, der gern unter den Tisch geredet wird. Autorschaft Theater Text Warum schämt sich das Theater immer, wenn es vom Text sprechen soll? Dass man den Beitrag von AutorInnen zu einem erweiterten Text- und AutorInnenschaftsbegriff unterschlägt, korrespondiert mit einer diskursiven Hilflosigkeit, zeitgenössischen Theatertext zu verhandeln. Der Betrieb, der sich gern erweitert gibt, müht sich recht unbeholfen von Begriff zu Begriff, um diese Erweiterung auf den Punkt zu bringen. Dabei lässt sich in der Sprache fast eine Scham vor selbstständigen Theatertexten beobachten. Von „szenischen Vorlagen“ ist die Rede, von „Materialanlagen“, usw. Dem Theatertext wird sein literarischer Charakter dabei wiederholt abgesprochen - Ausnahmen von Reclam-Klassikern bestätigen natürlich die Regel. Dass allerdings neue, zeitgenössische Theatertexte schlichtweg außerhalb des Theaters kaum eine eigenständige Rezeption erfahren - weder in den Literaturwissenschaften, noch in den Theaterwissenschaften - wird übersehen. Theatertext - erweitert oder marginalisiert? Die Literaturwissenschaft liest Theatertexte genauso wie die stark marginalisierte Lyrik eher als Nebenprodukt schriftstellerischer Tätigkeit, selten als eigenständiges Format und durchläuft das Drama in Riesenschritten im Einführungsproseminar einmal quer von der aristotelischen Dramatik zur nicht-aristotelischen. Dann ist meistens Schluss. Dass gerade Theatertexte der letzten Jahrzehnte in ihrer Vielfältigkeit (eben auch Texte, die ganz unklassisch nicht am Schreibtisch erarbeitet wurden, sondern in unterschiedlichsten Prozessen, aus unterschiedlichstem Material) mit dafür verantwortlich waren, den Textbegriff zu erweitern, fällt wieder unter den Tisch. Die Theaterwissenschaft hingegen will offensichtlich wenig von einem „klassischen“ Theatertext (ein Begriff, der in sich schon sinnlos ist, als hätte man es je mit einem klassischen Theatertext zu tun gehabt) wissen - seit sie, im Versuch sich als eigenständige Disziplin zu behaupten, den Textbegriff erweitert hat. Von Schauspiel- und Regieschulen sowieso ganz zu schweigen. Zurückbleibt ein seltsam aus der Welt gefallener Theatertext in seiner Vielfalt, der allerdings nur noch in den Theatern eine Auseinandersetzung findet, die schnell von neuen Formen überfordert sind, weil Ästhetiken zeitgenössischer Texte selten bis gar nicht unterrichtet, diskutiert, in Frage gestellt werden, sondern schlichtweg hingenommen. Warum werden Theatertexte eigentlich nicht mehr gelesen? Nicht nur findet keine Auseinandersetzung statt, Theatertexte werden auch kaum als eigenständige Texte gelesen. Nur wenige AutorInnen können sich darüber freuen, dass ihren Texten das Siegel des literarischen, lesbaren Textes zugesprochen wird und dass die Texte gedruckt werden. Die meisten der Texte „leben“ erst auf der Bühne, heißt es. So dass man einen Diskurs „abseits“ des Bühnenlebens über Ästhetiken, Stoffe, Formen, etc. eigentlich per se schon gar nicht mehr gewohnt ist zu führen. Texte sind dabei viel mehr als nur Lesedramen. Ihnen ist eine bestimmte Theaterpraxis und ein bestimmter Theaterbegriff eingeschrieben. Sie könnten in ihrer Widersprüchlichkeit und Unsortiertheit als Archiv des Theaters betrachtet werden. Ganz wie die Körper von SchauspielerInnen. Autorschaft Theater Text Warum werden (lebende) AutorInnen andauernd in ihrer Profession angegriffen? Von Zeit zu Zeit poltert der Betrieb oder div. RepräsentantInnen wieder pauschal gegen AutorInnen. Dabei ist es nicht besonders revolutionär, AutorInnen vom Theater auszuklammern oder mit großer Geste von einem neuen Paradigma zu sprechen, gar von „neuen“ AutorInnen. Es ist der älteste Theatergag der deutschen Theatertradition, alle halben Jahre das große Scheingefecht um die Bühnenvormacht wieder auszupacken. Dabei war die AutorInnenposition seit ihrer Erfindung immer schon eine höchst prekäre und umkämpfte. Und es war immer schon ein Schattenboxen zwischen Untoten, dieser seltsame, institutionalisierte Schaukampf RegisseurIn vs. AutorIn. Nach wie vor gibt es nicht eine/n AutorIn, die/der ein Theater leitet, das alleine zeigt die ungleichmäßige Hierarchie im Theater. Heute sollte man dieses Poltern gegenüber einer Berufsgruppe allerdings noch einmal unter verschärften ökonomischen Bedingungen betrachten: AutorInnen wegzurationalisieren um das „Material“ hingegen vom theaterinternen Personal organisieren zu lassen, ist natürlich wesentlich günstiger und passt gut zu neoliberalen Verschlankungsfantasien öffentlicher Institutionen im Spätkapitalismus. Innere Distanzierung oder widerständige Form? Interessant ist, dass die Anfeindungen nicht Texte an sich treffen, sondern AutorInnen als Berufsgruppe. Als würde man sagen, wer braucht heute noch Operntenöre, wir haben ja Oboen? Wer braucht Dramaturgien, wir haben ja eine Presseabteilung? Oder wer braucht RegisseurInnen, wir haben ja die BühnentechnikerInnen? Es findet also nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine ökonomische Debatte statt. Als wäre es eine unsichtbare und damit ökonomisch nicht wertzuschätzende Arbeit, eine Sprache zu erfinden, einen Stoff zu entwickeln, über Jahre hinweg eine Ästhetik zu entwickeln, die am Ende auch den „Betrieb“ wieder voranbringt. Von schnellen, schlecht bezahlten Formaten, kann nicht jede/r leben. Interessant ist natürlich zu fragen, wie einzelne (und damit in Summe ein ganzer Betrieb) mit Produktionsbedingungen umgehen. Distanziert man sich aufgrund ökonomischer, produktionstechnischer Zwänge komplett von einem Betrieb? Schweigt man? Oder nimmt man diese Produktionsbedingungen aktiv in die eigene Arbeit mit hinein, verändert die Form, um Arbeitsbedingungen anzusprechen, macht sie widerständig, spröde, schwierig? Schottet man sich ab oder verändert man die eigene Arbeit als Reaktion? Zum Schutz gründet man eigene Kollektive, erfindet eigene Produktionsweisen und Formate – immer mit dem Risiko vor Augen, dass dieses widerständige, nicht zwingend betriebstaugliche Sprechen und Arbeiten nicht gehört werden wird oder im diskursiven Rauschen untergeht. Was genau meint „Projekttheater“? Das Theater ist mit seinen Begriffen manchmal recht hilflos. Was genau zum Beispiel unter „Projekttheater“ zu verstehen ist, traut sich auch niemand zu sagen. Eine Vermutung sind Formate, die das theaterinterne Personal zu einem großen, interessanten, aktuellen Thema erarbeiten soll. Das kostet dann wenig und ist trotzdem nah an der Wirklichkeit dran. Beinahe hat man so schnell das Gefühl, dass die Theater sich keine literarisch gearbeiteten Texte mehr wünschen, sondern lieber schnell zusammenrecherchierte Thementexte, die in einem „spannenden“, „polyphonen“ Probenprozess entstehen, als verlängertes Autorschaft Theater Text ­ auptabendprogramm, über IS, Alzheimer, #snowden und die übernächste Finanzkrise H mit denen dann auf der Bühne Gegenwart „verhandelt“ werden kann. Man wünscht sich statt Text Material und gleichzeitig möchte man natürlich keine umfangreichen Materialrecherchen unterstützen, weil ein Verständnis für Recherchekosten selten existiert. Ähnliche Probleme gelten für andere Formen von Stückentwicklungen. Die Idee mag gut sein, Raum die Formate zu belasten, umzuschmeißen oder richtig zu experimentieren, wird allerdings selten gegeben. Am Ende stempelt man dieses interne Fabrikat als interessantes, neues Format ab, in der allerdings Idee, Text und Form selten ineinander aufgehen, weil diese Formen der Autorschaft unter Umständen über längere Zeiträume hinweg eingeübt werden sollten, anstatt sie aus Aktualitätsgründen einem gänzlich anders getakteten Betrieb einfach mal so überzustülpen. Was ist ein literarisches, widerständiges Sprechen? Weit weg ist man damit von der Suche nach einer widerständigen Sprache, die in der Reibung mit Körper, Regie und Bühne, das Theater zu neuen Formen zwingt. Und eine Distanz zur Realität herstellt, die ein Nachdenken über selbige überhaupt erst produktiv macht. Wenn Sprache Realität herstellt, braucht es eine Sprache, die diese hergestellte Realität, und ihre produzierten Fiktionen in einer Verfremdung wieder erfahrbar und kritisierbar macht. Literarische Sprache war immer Sprach- und damit Diskurskritik. Hat die diskursiven Fiktionen immer in Frage gestellt und einfache politische Narrativa durcheinandergebracht. Was eine widerständige Sprache im späten Multimedia-Spektakel-Kapitalismus sein kann, der sich nach wie vor resistent gegenüber einer Sprachkritik gibt, bleibt offen. Wer ist eigentlich heute das Publikum? Für wen macht man eigentlich Theater? Wen will man erreichen? Die Krise des Textes ist vielleicht nur eine kleine Fußnote zu einer Krise des Theaters, das zwischen Erneuerung und Abo hin und her gerissen strudelt. Und vielleicht ist das vorschnelle Abstoßen des („einen“, „klassischen“) Textbegriffs (der wie ein gespenstisches Dispositiv immer eine jede Debatte über diese Fragen heimsucht) eine recht hilflose Panik-Reaktion, auf Fragen, die gestellt werden müssen, die aber vielleicht ganz anders und vielleicht auch weniger dramatisch und polternd beantwortet werden könnten. Gespräche sind dazu oft ein recht guter erster Schritt. Warum redet noch irgendwer von einer heimlich immer noch laufenden Regietheater-debatte, von der n­ iemand weiß und die auch eigentlich nicht mehr geführt wird? Zur inflationär geführten Debatte um die Vormacht auf der Bühne lässt sich abschließend eigentlich nur sagen: Zwei Positionen in der Theaterpraxis sind unersetzbar, die der/des AutorIn und die der/des HospitantIn. Beide sind wichtig, weil sie von außen kommen und mit dem Theater nichts zu tun haben, und nur die beiden können die fürs Theater entscheidenden Fragen stellen, nämlich: Was passiert hier? Was macht ihr hier? Was soll das eigentlich alles? Autorschaft