Harald Martenstein über den Buddha-Trend Ist Buddha der neue Gartenzwerg? NDR-Kultur vom 9.5.2013 Ich bin unsensibel. Aber ich weiß es wenigstens und denke darüber nach. Ich bin ja auch bald der letzte Deutsche ohne Buddha. Schon wieder habe ich bei Freunden in der Wohnung eine Buddha-Figur gesehen. Das sind ganz gewöhnliche Bundesbürger mit christlichem Religionshintergrund. Vollzeitbuddhisten sind es, glaube ich, nicht. Da müsste man an Wiedergeburt glauben. Wer will das schon. Im Außenbereich gilt der Buddha in Deutschland als Nachfolger des Gartenzwerges. Seit ich das mal irgendwo gelesen habe, achte ich darauf. Tatsächlich - in vielen Gärten stehen Buddha-Figuren. Damit hat Buddha sicher nicht gerechnet, dass er mal in Essen und Regensburg diese Art von Karriere macht. Ein Gartenzwerg soll, glaube ich, ausdrücken: ‘hoppla, hier wohnt ein Spaßvogel!‘ Aus meiner Kindheit meine ich mich allerdings zu erinnern, dass Menschen mit Zwergen im Garten in der Regel eher verbiestert oder charakterlich schwierige Zierrasenfetischisten gewesen sind. Defakto zeigt der Gartenzwerg an, dass sein Besitzer gerne ein lustiger Lebenskünstler geworden wäre, doch leider hatten das Schicksal und seine Gene mit ihm andere Pläne. Der Gartenzwerg ist ja dann auch zum offiziellen Symbol des Spießertums geworden. Die Spaßgesellschaft hat keine Verwendung für ihn. Ein Buddha dagegen signalisiert spirituelle Denkungsart. Buddhismus heißt: Durch Askese zum Nirwana! Die wichtigsten buddhistischen Werte sind: Bescheidenheit, Güte und Einsicht. Also das Gegenteil von dem, was man häufig auf Twitter und Facebook findet. Offenbar sucht der Mensch in der Religion immer das, was er im Alltag nirgendwo entdecken kann. Ich habe auch den Verdacht, dass es sich mit dem Spiritismus der Buddha-Besitzer ähnlich verhält wie mit dem Humor der Gartenzwergbesitzer. Vermutlich neigen vor allem Menschen mit geringer Neigung zum Spirituellen und ausgewiesene Feinde der Askese zum Kauf eines Buddhas. Man spürt dieses innere Defizit und denkt: ‘auweia, ich bin leider total auf Äußerlichkeiten fixiert. Wenn ich in mich hineinhorche, höre ich immer nur Kaufhausmusik. Vielleicht hilft es, wenn ich mir einen Garten-Buddha kaufe‘. Im Esoterik-Versand kostet der 36cm hohe Buddha klein goldfarben 252,95€. Bei Art of Asia verlangen sie für den Buddha einfach sitzend 570€, sitzend mit Schlange kostet er schon 1.690€. Bei Asien Life-Style fangen die Buddhas überhaupt erst bei 800€ an. Dafür haben Sie dann aber auch viel Auswahl z.B. zwischen Anetaba, Ametapa, Hottai und Amogasiddy, was alles Buddha-Sorten sind. Das ist fast so differenziert wie mit den Rosensorten. Billiger kommt es bei eBay. Am Tage des Verfassens dieses Textes wurden bei eBay 3887 Gartenzwerge angeboten, 13.571 Spardosen und 37.892 Buddhas. Am Verhältnis zwischen Spardosen und Buddhas lässt sich erkennen, dass uns spirituelle Werte längst wichtiger sind als das Geld, zumindest als Zimmerschmuck. Der Buddhismus überholt, auch gerade was die Zahl seiner Anhänger betrifft, das Judentum. Laut Wikipedia leben etwa 250.000 Juden und 250.000 Buddhisten in Deutschland; aber der Buddhismus wächst schneller. Dem Bundespräsidenten rate ich, sich neben den christlich-jüdischen Wurzeln unserer Kultur und dem Islam, der zu Deutschland gehört, alsbald eine Formel einfallen zu lassen, die unsere buddhistischen Mitbürger ins Boot holt, sowie das unübersehbare Heer der Teilzeit- oder Leicht-Buddhisten. Unsere Wurzeln sind christlich-jüdisch. Was dazu gehört, ist der Islam. Aber das, was im Garten steht, heißt Buddha.