Wortprotokoll zur 33

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Wortprotokoll zur 33. Sitzung der STVV am 13.05.2004
„Last Exit – Nordhoff“
Zur Wahl des Kulturdezernenten
Stadtverordneter Wolfgang Hübner, BFF:
Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine Damen und Herren!
Vor einigen Wochen gab es in Frankfurt großes Aufsehen um eine ungewöhnliche
Unterschriftensammlung. Worum ging es? Über 100 Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und
Wissenschaft dokumentierten auf diese Weise ihr Verlangen, den derzeitigen
Kulturdezernenten keine weiteren sechs Jahre im Amt zu erleben. Wer hat unterschrieben? Da
finden wir die Namen von Wolfgang Deixel, Eva Demski, Hannelore Elsner, Rosemarie
Fendel, Iring Fetscher, Peter Iden, Emil Mangelsdorff, Michael Quast und den Hirnforscher
Wolf Singer. Kurzum, da sind sehr angesehene Frankfurter mit von der Partie.
Nun hat aus meiner Sicht der Text der Unterschriftensammlung durchaus Mängel. Er wird
auch an einigen Stellen positiven Leistungen von Dr. Nordhoff nicht gerecht. Ich habe leider
viel zu wenig Zeit, um das erläutern zu können. Aber es gibt einen Abschnitt im Text, der den
Nagel auf den Kopf trifft: „Was den Kulturdezernenten demnach auszeichnet, ist seine
mangelnde Kommunikationsfähigkeit, sein Hang zur Bürokratie, seine Kunst des Abtauchens
und Verschleppens und sein Nichtengagement“.
Am 5. Februar 2004 wurde Dr. Nordhoff in einem Interview gleich zu Beginn gefragt, welche
Visionen er denn für die zweite Amtszeit habe. Er antwortete: „Kulturmodell Frankfurt;
Qualität, Kreativität und Interkulturalität“. Diese drei Begriffe.
(Beifall)
Doch sofort, nachdem er diese Zeitgeistphrasen abgeliefert hat, schaltet Herr Dr. Nordhoff in
diesem Interview auf Nummer sicher. Er weicht aus, laviert, lässt sich nicht mehr festlegen, er
baut vor, igelt sich ein und tritt auch ein wenig nach. Dr. Nordhoff, der sich selbst gerne als
Ermöglicher betrachtet sehen möchte, ist das jedenfalls nicht, was einen Kulturpolitiker von
Rang auszeichnen würde: Grundsatzüberzeugungen, klare Visionen und souveräne
sympathische Kommunikationsfähigkeit.
Doch einen Kulturpolitiker von Rang braucht Frankfurt als Stadt mit dem höchsten deutschen
Kulturetat nun einmal viel eher, als Aachen oder Kassel. Vor sechs Jahren, als Dr. Nordhoff
sein Amt antrat, durfte man durchaus noch darauf gespannt sein, welchen Kulturbegriff er
haben würde. Wissen wir es jetzt? Wissen wir zum Beispiel inzwischen, welche
Schwerpunkte er setzen würde, wenn er zwanzig oder dreißig Prozent weniger Etat zur
Verfügung gestellt bekäme? Sage niemand, das wäre in den kommenden sechs Jahren völlig
unwahrscheinlich. Um hier nicht missverstanden zu werden, ich möchte mich bei meiner
Ablehnung der Wiederwahl deutlich von allen Attacken abgrenzen, die unter die Gürtellinie
des Kulturdezernenten gehen.
Dass er einmal bei langweiligen Festakten und Premieren ein Nickerchen einlegt, na und.
Dass er nicht so stattlich ist, wie Hilmar Hoffmann, mein Gott. Das wiegt nicht schwer.
Schwerer wiegt, dass der Kulturdezernent sechs Jahre Zeit gehabt hat, sich in einem der
schönsten Ämter dieser Stadt zu profilieren, Vertrauen und Anerkennung zu gewinnen und
sich zu einer Persönlichkeit zu entwickeln, die nicht jeder lieben, aber fast jeder anerkennen
und respektieren muss. Doch das ist ihm in den sechs Jahren niemals überzeugend gelungen.
Selbst in seiner SPD musste er auf die Ochsentour durch die Ortsvereine gehen, um zumindest
den Rückhalt zu erlangen, der im Antrag NR 1335 nun formuliert ist.
Dabei ist Dr. Nordhoff doch zweifellos die Inkarnation des stets politisch korrekten
sozialdemokratischen Parteilsoldaten. Er hat sich als Verwalter des großstädtischen Kulturund Eventbetriebes in diesem Sinne nach allen Seiten immer abgesichert, mal ängstlich, mal
schlitzohrig, doch immer in der farblosen Sprache eines Kulturbürokraten. So hat er sich der
SPD präsentiert. So will ihn auch die SPD. Die Frage heute ist aber, wollen wir anderen das
auch? Wollen wir weitere sechs Jahre einen Mann mit der Kulturpolitik dieser Stadt betrauen,
der sich im Zweifelsfall immer wieder in den .gewollten sprachlichen Unschärfebereich.
flüchtet? Das ist ein echter Nordhoff, aus dem Kulturausschuss vom 29. April 2003.
Vor einiger Zeit traf ich in Berlin einen Frankfurter Kulturfunktionär und begrüßte ihn mit
den launigen Worten: Pro oder Kontra Nordhoff? Der Mann antwortete viel sagend mit nur
zwei Worten: Hauptsache SPD. Es ist haargenau diese Aussage, die den politischen Kern
dieser geplanten Wiederwahl enthält. Hauptsache SPD. Dazu hat gestern Bundespräsident
Rau gesagt: „Vertrauen in die Politik wird auch zerstört, wenn der Eindruck entsteht, in
nahezu jeder Frage gehe es in erster Linie darum, wer sich gegen wen durchsetzt, wer wem
am meisten schadet“. Doch die Frankfurter SPD hat sich nun einmal klar für den Kandidaten
entschieden. Aber müssen, dürfen, wollen auch die anderen Parteien im Viererbündnis diese
Entscheidung zu ihrer machen. Können sie das, wo doch in allen drei Parteien nur recht
wenige davon überzeugt sind, mit dem SPD-Kandidaten die richtige Wahl für das wichtige
Amt zu treffen.
Die GRÜNEN haben in dieser Frage immerhin den Fraktionszwang aufgehoben. Was aber ist
mit der CDU und der FDP? Will man deren Chefs glauben, dann werden die Stadtverordneten
dieser Parteien nachher den Kandidaten der SPD wiederwählen. Wie aber verträgt sich das
mit der schon oftmals bekundeten Absicht beider Parteien, nach der Wahl 2006 Frankfurt mit
einem bürgerlichen Bündnis regieren zu wollen? Denn wenn dieses bürgerliche Bündnis
zustande kommt, wird doch Dr. Nordhoff der allererste Kandidat für die Abwahl aus dem
Amt sein. Das aber ist dann ein mühsames und sehr teures Verfahren, das verantwortliche
Politiker unserer verschuldeten Stadt tunlichst ersparen sollten.
Es gibt keinen Zweifel. Wenn CDU und FDP ihre eigenen Sprüche ernst nehmen, können sie
jetzt nicht so wählen, wie es ihre Parteioberen angekündigt haben. Wenn aber Dr. Nordhoff
trotzdem gewählt wird, dann folgt daraus dreierlei: Erstens, CDU und FDP glauben gar nicht
an diese bürgerliche Mehrheit. Dafür spräche auch eine interessante Aussage der
Oberbürgermeisterin anlässlich ihrer Geburtstagsfeier. Zweitens finden es CDU und FDP
nicht anstößig, einen Kandidaten zu wählen, der seiner Partei, der SPD, noch stärker als vor
sechs Jahren ausgeliefert ist. Drittens, CDU und FDP kalkulieren längst damit, nach ein
bisschen Scheingefechten vor der Wahl, nach der Wahl im Parteienkartell mit der SPD und
den GRÜNEN weiterzuwerkeln, wofür ja auch - das nur nebenbei - die Entscheidung für den
Doppelhaushalt 2005/2006 ein Indiz wäre.
Der bevorstehende Wahlakt wird zum Glaubwürdigkeitstest für die beiden bürgerlichen
Parteien. Er wird auch zum Glaubwürdigkeitstest für jede Stadtverordnete und jeden
Stadtverordneten von CDU und FDP. Wobei ich bei Herrn Stein mildernde Umstände
akzeptiere. Vor Amors sozialdemokratischen Pfeilen ist auch ein wackerer Streiter gegen den
Spätstalinismus nicht gefeit.
(Heiterkeit)
Peter Michalsik hat heute geschrieben: „Der Fall Nordhoff ist ein Modellfall der aktuellen
Unfähigkeit der Politik geworden, Entscheidungen an der Sache zu orientieren“. Wie wahr,
wie richtig. Dieses Viererbündnis ist längst überfällig. Es ist ebenso morsch wie erfolglos. Die
grundlegenden Probleme unserer Stadt hat es nicht gelöst und wird sie auch nicht lösen.
Dieser Demokratieskandal, den das Viererbündnis darstellt, ist ein wuchernder Tumor der
immer weitere Metastasen der Unglaubwürdigkeit, der faulen Kompromisse und
fragwürdigen Sach- und Personalentscheidungen in die politische Kultur unserer Stadt streut.
Es wird Zeit, dieses unselige Kartell hier und heute mit einem lauten Knall zu beenden. Wie
heißt es in einem Sprichwort: .Besser ehrlich gestorben, als schändlich verdorben.. Es wäre
und wird eine Erlösung, wenn nachher ausreichend Stadtverordnete ihre Wahl nach dem
Motto „Last Exit – Nordhoff“ treffen würden. Ich sage das durchaus gegen eigenes Interesse.
Denn welche andere Konstellation hält schon so prächtige Profilierungsmöglichkeiten für
mich bereit wie das Viererbündnis.
Meine Damen und Herren aller Fraktionen, nutzen Sie die Gelegenheit zur letzten Ausfahrt
Nordhoff. Sie allein entscheiden nun, ob die geplante Wiederwahl zur Stunde der Wahrheit
wird oder zu einer weiteren Stunde zutiefst verlogener parteipolitischer Taktiererei. Es wird
auf jeden Fall die Stunde, die darüber entscheidet, wie glaubwürdig oder auch unglaubwürdig
die Stadtverordneten von CDU und FDP in den Wahlkampf 2006 gehen können.
Es ist Ihre Stunde, es ist nicht die Stunde irgendwelcher Absprachen oder Kungeleien. Nutzen
Sie diese Chance, entscheiden Sie richtig, entscheiden Sie mutig und vor allem, entscheiden
Sie ehrlich.
Vielen Dank!
(Beifall)
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