zielgruppen - GORDELIK GmbH

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Ausgabe 7 Halbjahr 1/2013
Das Magazin der GORDELIK AG
Schutzgebühr 12 Euro
vernetzt!
Das Magazin der Gordelik AG
ZI ELGR UPPEN
Editorial
Beim Aufräumen vor einigen Monaten fand ich mein Tagebuch, in das ich als 16-Jährige ein
Zitat von Sokrates schrieb: "Ich weiß, dass ich nicht weiß". Ich stand vor einem Berg von Leben,
das ich verstehen wollte. Vor diesem Berg stehen wir auch heute, wenn wir Kunden verstehen
und erreichen wollen. Bis 49 und keinen Tag älter war früher die werberelevante Zielgruppe.
Und mit 50? Mit 50 war es an der Zeit, sich zu Pellets verarbeiten zu lassen. Theoretisch. Heute
machen 60-Jährige Snowboard-Urlaub und 20-Jährige sitzen in ihren Schrebergärten. Lebenswelten vermischen und vervielfältigen sich.
Professor Hafner sagt in seiner Kolumne: Die Zielgruppe ist EINS. Jens Lönneker sieht den Konsumenten als schizophrene multiple Persönlichkeit. Aber wie erreicht man die vielen Hybriden
da draußen? Wie gestalte ich meinen Kundenservice für Super Nanny´s und Communiteens?
Viele Fragen stehen im Raum, auf die Marketing- und Vertriebsvorstände, mit denen wir als
Personalberatung im steten Austausch stehen, dringend Antworten suchen. Deshalb haben
wir die alten Zielgruppendefinitionen hinterfragt und fachkundige Gesprächspartner um ihre
Meinung gebeten. Was dabei herausgekommen ist, lesen Sie in der aktuellen siebten Ausgabe von vernetzt!. Viele wertvolle Impulse wünsche ich Ihnen!
Ihre Iris Gordelik
INHALT
Seite 4 –
ANKER WERFEN!
Der Meister der Marketingwissenschaft in Deutschland, Professor Dr. Dr. h.c. mult.
Heribert Meffert, spricht im Interview über instabile Zielgruppenwelten, chaotische
Many-to-many-Kommunikation und warum heute alle Mitarbeiter an einem
Strang ziehen müssen.
Seite 6 –
IHR TICKT WOHL NICHT MEHR RICHTIG!?T
Heute machen die Leute doch, was sie wollen. Kriegen mit über 40 Kinder.
Oder fahren Mercedes und wählen links. Vergessen wir die alten Schubladen …
und versuchen den Menschen so gut zuzuhören, dass unsere Botschaft
schließlich zwischen all den anderen Aufmerksamkeitsfängern auf offene
Ohren stößt.
Seite 10 –
SMALLTALKIES
Kurioses & Wissenswertes über Zielgruppen, Werbewirkung und Wahrhaftigkeit
Seite 12 –
DAS ENDE DER ZIELGRUPPEN
Jens Lönneker, Geschäftsführer von rheingold salon in Köln, läutet das Ende
der Zielgruppen ein und plädiert dafür, sich genau anzugucken, in welcher
Verfassung sich ein Käufer gerade befindet. Schließlich verhalten wir uns beim
Metzger anders als vorm Traualtar.
Seite 15 –
ADVERTORIAL: WISSEN ALLEIN HILFT NICHT!
Simone Brecht, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Ribbon und
Partner in Hamburg, beleuchtet die Zukunftschancen von Verlagen und
Zeitungen, stellt die treffende Frage, warum Leser, Nutzer und User in vielen
Verlagen eigentlich niemals als Kunden betrachtet werden und fordert
Journalisten auf, ihre Haltung zu ändern.
Seite 18 –
AUF DER SUCHE NACH DEM LESER
Für Thomas Koch, Deutschlands profiliertesten Media-Profi, entscheidet ein
einziges Wort über die Zukunft der Print-Medien: "Zielgruppe". Er hat dafür sehr
eingängige Argumente. Oder glauben Sie, dass eine Zeitschrift, die 30- bis
59-jährige Frauen ansprechen will, noch auf Dauer erfolgreich sein kann?
Seite 20 –
VERNETZER
Winfried Hagenhoff ist Geschäftsführer von TNS Infratest in München
Seite 21 –
HAFNERS KOLUMNE
Professor Dr. Nils Hafner ist überzeugt: Eigentlich hat’s Zielgruppen nie gegeben.
Marketing hat es sich bloß hübsch einfach gemacht
Beilagenhinweis: Beilagenhinweis: Der gedruckten Ausgabe von vernetzt! liegen die Mediadaten
des Magazins bei. Diese stehen auch auf der Webseite www.gordelik.ag zum Download bereit. Wir bedanken uns für Ihr Interesse.
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
–
3
INTERVIEW "ANKER WERFEN"
Anker werfen!
VON VERA HERMES
pauschal die alten Regeln der Zielgruppensegmentierung über Bord werfen.
Ich glaube, man muss es bedingt sehen. Zum Beispiel finden sich hybride
"WENN DIE SEGMENTIERUNG
NICHT MEHR FUNKTIONIERT, WIE
WIR DAS WÜNSCHEN, DANN IST
EINE EMOTIONALE BOTSCHAFTSVERANKERUNG EINE GANZ
WICHTIGE SACHE."
Zielgruppen – also diejenigen, die etwa
Die Digitalisierung hat neben der neuen
billige Lebensmittel, aber teure Schuhe
Many-to-many-Kommunikation
kaufen – nur in bestimmten Warengrup-
zu mehr Transparenz und einer starken
pen. Dass die Loyalität sinkt, daran ist das
Vernetzung der Konsumenten geführt.
Marketing selber Schuld, weil es immer
Welchen Einfluss hat die sogenannte
neue Erlebnisbühnen schafft.
Konsumentendemokratie auf die Ziel-
Aber man muss Folgendes unterschei-
gruppenansprache?
auch
den: Für strategische langfristige Zielgruppenanalysen sind soziodemografi-
Warum sich mal wieder keine Pauschal-
sche Variablen nach wie vor wichtige
aussagen treffen lassen, wieso Marke-
Eckpunkte. Nehmen Sie den demo-
tiers heute mehr Sorgfalt und Kompe-
grafischen Wandel: Unternehmen sollten
tenz denn je brauchen und weshalb
darüber nachdenken, welche Angebote
Emotion der Schlüssel zur Zielgruppe
sie langfristig älteren Menschen anbie-
ist, erklärt einer der einflussreichsten
ten wollen. Oder was es für sie bedeuten
Marketingprofessoren
könnte, wenn wir demnächst 30 Prozent
Deutschlands:
Heribert Meffert.
weniger Führerscheinerwerber haben.
Fragmentierte Zielgruppen, hybride Kon-
Die Zahl der Kommunikationskanäle
Heribert Meffert: Die Steuerbarkeit und
sumenten, illoyale Kunden scheren sich
hat seit den 80er Jahren beträchtlich
Einflussnahme des Marketing hat er-
keinen Deut darum, ob sie sich alters-,
zugenommen. Welche Konsequenzen
heblich abgenommen. Unternehmen
geschlechts- oder bildungsgerecht ver-
hat die Kanalvielfalt für die Kunden-
müssen sehr viel stärker auf die Einflüsse
halten. Soziodemografie-Kenntnisse sind
ansprache?
aus Social Media achten. Das geht so
kein sicherer Boden mehr für die Seg-
Heribert Meffert: Das ist ein großes
weit, dass es schon heißt, die Konsu-
mentierung. Jahrzehntelange Gewiss-
Thema! Wir haben Multichannel und
menten seien die Eigentümer der Marke.
heiten der Kundenansprache sind außer
Multisegmente. Damit ist es operativ
Marken müssen mit den Konsumenten in
Kraft gesetzt.
schwieriger geworden, Zielgruppen zu
Kontakt treten, damit sie sich mit ihnen
Herr Professor Meffert, ist diese Ausgangs-
erreichen. Zugleich bietet die Vielfalt der
auseinandersetzen können. Das ist ein
these überhaupt zutreffend? Haben sich
Kanäle wachsende Chancen.
völlig neues Denken. Marketiers können
die Zielgruppen in den vergangenen
Früher hatten wir eine One-to-many-
den Konsumenten nicht vorschreiben,
20 Jahren tatsächlich gewandelt und
Kommunikation. Weil über das Internet
was sie von der Marke denken sollen.
müssen somit hergebrachte Regeln der
die Transaktionskosten sehr viel geringer
Die Zielgruppenansprache wird schwier-
Zielgruppensegmentierung über Bord
geworden sind, ist heute dank der Profil-
iger, verlangt ein höheres Einfühlungsver-
geworfen werden?
daten eine One-to-one-Segmentierung
mögen und ein zielgruppenorientiertes
möglich, wie sie zum Beispiel Amazon
Reaktionsvermögen. Insgesamt wird das
Heribert Meffert: Das ist im Grundsatz
betreibt. Bei den Social Media wie Face-
Marketing dialogorientierter.
richtig: Die Zielgruppenwelt ist kom-
book haben wir eine Many-to-many-
plexer und instabiler geworden, vor al-
Kommunikation – und das ist chaotisch.
Ob Targeting oder Tracking, mikrogeo-
lem in Hinsicht auf die Maßnahmen des
Da versagt die klassische Marktsegmen-
grafische Segmentierung oder Tiefenin-
Marketing. Dennoch sollte man nicht
tierung.
terviews: Noch niemals gab es so viele
4
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
Informationen über Konsumenten wie heute. Schlägt sich all
dieses Wissen Ihrer Einschätzung nach in einer zielgruppenorientierteren Kundenansprache nieder?
Heribert Meffert: Die Frage könnte auch lauten: Bedeutet "Big
Data" zugleich "Big Impact"? Kann man also mit mehr Daten
mehr machen? Die große Datenvielfalt führt zum Information
Overload. Früher gab es ein Basismedium und ein, zwei flankierende Medien. Heute haben wir eine große Vielfalt. Also ist es
eine strategische Herausforderung herauszufinden, welches
die richtigen Variablen sind und diese auf ihre Relevanz hin zu
verdichten. Das ist eine höchst anspruchsvolle Methode, die
Sorgfalt, Mühe und Kompetenz erfordert. Früher haben wir in
der Wissenschaft Hypothesen aufgestellt und anschließend
versucht, sie zu belegen. Heute werden über Datamining
Schlüsseldaten extrapoliert. Das ist ein weiterführender Methodenaspekt.
Wie lässt sich angesichts der geballten Datenmenge und ausgefeilter Marktforschungsmethoden die hohe Zahl der Produktflops erklären?
Heribert Meffert: Die Floprate war früher nicht sehr viel niedriger. Auch Customer Integration – also die Einbeziehung der
Kunden in die Produktentwicklung – hat nicht dazu geführt,
dass die Floprate größer oder kleiner geworden ist. Die Gründe
dafür liegen nicht nur in der Marktforschung, sondern vielleicht
auch in der höheren Produktvielfalt, in Wettbewerber-Produkten und generell in der schnelleren Reaktionsgeschwindigkeit
und Dynamik der Märkte. Weltweit kommen jedes Jahr 60.000
neue Marken auf den Markt.
Und zeitgleich sinken Response-Raten, während die Werbereaktanz steigt: Was müssen Marketingentscheider tun,
damit ihre Werbebotschaften im wahrsten Sinne des Wortes
gut bei der Zielgruppe ankommen?
Heribert Meffert: Wenn die Segmentierung nicht mehr funktioniert, wie wir das wünschen, dann ist eine emotionale
Botschaftsverankerung eine ganz wichtige Sache. Nehmen
Sie die Zeitschrift Landlust, die eine phänomenale Entwicklung genommen hat. Landlust wirft einen Identitätsanker. Es
kommt mehr und mehr darauf an, einen identitätsstiftenden
und emotionalen Anspruch zu transportieren. Auch Apple ist
ein gutes Beispiel: Die Produkte sind die Botschaft. Das Produkt
muss überzeugen und die Werbung muss den Leistungsbeweis
mit einer emotionalen Botschaft verbinden können. Wenn die
Botschaft Identität stiftet, dann entsteht eine Bindung. Dann sagen die Leute: Das ist meine Fluggesellschaft, meine Zeitung,
mein Auto.
Das Fernsehen ist immer noch Schlüssel- und Basismedium,
aber was im Nachgang passiert, ist wesentlich vielfältiger als
früher. Es geht um die Orchestrierung des Ganzen und dafür
müssen im Unternehmen viele Spezialisten gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Deshalb sind die Unternehmenskultur und
das Wir-Gefühl so wichtig. Alle Mitarbeiter müssen an einem
Strang ziehen. Deshalb ist es eine große Aufgabe, die Mitarbeiter auf eine identitätsstiftende Botschaft einzuschwören.
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert
Die Zeitung Die Welt hat mal über diesen Mann geschrieben: "Heribert Meffert war es, der als junger, 32-jähriger Professor den Begriff Marketing in deutsche Hörsäle trug. Übervater, Guru, Marketing-Papst. Wenn über Professor Heribert
Meffert geredet oder geschrieben wird, haben Superlative
Hochkonjunktur."
Und das Fachblatt Harvard Business Manager postulierte im
Juli dieses Jahres: "Dank Heribert Meffert gilt die Uni Münster heute als Eliteschmiede für Marketiers".
Der hoch geschätzte und viel geehrte Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert befasste sich
als einer der ersten Professoren in Deutschland mit Marketing. Er befähigte im Laufe seiner Professorenschaft gleich
mehrere Generationen Marketingwissenschaftler und -entscheider für ihren Beruf. Ende der 60er Jahre gründete Professor Meffert das erste Institut für Marketing in Deutschland
an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Obwohl
der heute 75-Jährige im Jahr 2002 an der Universität Münster emeritiert wurde, ist er nach wie vor dem Marketing
verbunden. Seine Bücher sind an den Unis Pflichtlektüre,
seine Ratschläge werden in Unternehmen gern gehört. Er
engagiert sich im Bereich Social Marketing für ein Netzwerk
altersbedingter Sehbeeinträchtigter. Und er ist zu all dem
auch noch – wenn Sie mir diese persönliche Bemerkung
gestatten – ein sehr freundlicher Mensch.
www.marketingcenter.de
Ihr tickt wohl nicht mehr richtig!?
VON VERA HERMES
Ach, was war es früher einfach, Zielgruppen zu erreichen:
delt war, heute fest verankert und fast schon der "bürgerlichen
Kenntnisse über Alter und Geschlecht waren die halbe Miete
Mitte" zuzuordnen ist. Dort wo früher das alternative Milieu war,
der erfolgreichen Zielgruppenansprache. Wer im Fernsehen
ist neu das "expeditive Milieu" entstanden – eine junge ur-
roiff
h
c
S
illi
W
s-
warb, erreichte fast alle; die gute alte Hörzu lag auf
bane Boheme, sehr flexibel, extrem digitalisiert, stark
nahezu jedem Wohnzimmertisch und wer die
Menschen persönlich ansprechen wollte,
Profe
ssor
Dr
.H
an
der kaufte sich einen Schwung Adres-
businessorientiert. Die im Schnitt 29 Jahre alten Expeditiven suchen nach neuen wirtschaftlichen
Werten; sie wissen, dass sie keinen Job mehr fürs
sen und ließ ihnen ein Mailing in den
Leben haben werden und finden es normal,
Briefkasten werfen.
sich permanent in neue Strukturen einzufinden.
Auch sonst verhielt sich das Gros
der
Konsumenten
schubladen-
tauglich: Frauen kriegten ihre Kin-
"Die packen oft ihre Kartons nicht aus, denn sie
wissen nicht, wie lange sie an einem Ort bleiben", charakterisiert Dr. Silke Borgstedt, Direktorin
Sozialforschung am Sinus-Institut, diese Gruppe.
der, bevor sie 30 Jahre alt waren,
Zielgruppen haben sich schon immer gewan-
die Menschen gingen lebenslang
delt, ist die Forscherin überzeugt. Allerdings wohl
ihrem
nach,
nicht so stark wie in der jüngsten Vergangenheit.
wer Mercedes fuhr, der wählte
gelernten
Beruf
Fest definierbare Lebensphasen – zum Beispiel
höchstwahrscheinlich konservativ,
fürs Eltern werden – gibt es nicht mehr. "Die
und wenn sich mal wer scheiden
Lebensstile haben sich flexibilisiert", sagt
ließ, zog er nicht mit Sack und Pack los
Silke Borgstedt.
und gründete eine Patchwork-Familie.
Heute herrscht zudem das Prinzip der
Die richtig Reichen machten Kreuzfahrt-
Gegenwelten: Früher funktionierende
reisen, die anderen guckten "Traumschiff" im
Verknüpfungen à la "Wer Produkt X
ZDF. Statt Handys gab es Telefonzellen und wer 50
mag, der mag auch Produkt Y" gelten
war, war alt und ließ sich von der Werbewirtschaft auch
nicht mehr. Die Menschen mixen Stile,
genauso adressieren.
Werte und Einstellungen, was es für Marketer unglaublich schwer macht, sie mit der für sie relevanten
Ob Lebensentwürfe, Konsumverhalten oder Medienlandschaft:
Botschaft anzusprechen. Allerdings, so gibt Silke Borgstedt Ent-
Kaum noch etwas ist, wie es vor 20, 25 Jahren war. Diese Ent-
warnung, "ist es schon so, dass grundlegende Motivationen
wicklung treibt den Marketern der Republik den Schweiß auf
weiterhin bestehen und es Gruppen von Gleichgesinnten gibt".
die Stirn, denn sie haben es deutlich schwerer, ihre Botschaften
kaufimpulsauslösend an die Konsumenten zu bringen.
Was also tun?
Und diese Entwicklung sorgt für jede Menge Arbeit bei den
"Zielgruppen gibt es nicht mehr in Reinkultur", sagt auch Pro-
Marktforschern, zum Beispiel beim Sinus-Institut, das mit der
fessor Dr. Hans-Willi Schroiff – und er weiß wahrlich, wovon er
Erfindung der Sinus-Milieus Ende der 70er Jahre erstmals die
spricht: Hans-Willi Schroiff ist Autor zahlreicher Publikationen
Lebenswelten der Konsumenten für die Zielgruppensegmen-
zur Markt- und Meinungsforschung. Er war lange Jahre Vor-
tierung heranzog. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen
standsmitglied des Marketing Science Institute in Boston und
nach ihrer Lebensauffassung und Lebensweise und berück-
hat verschiedene Aufsichtsratsfunktionen in Industrie- und
sichtigen dabei Wertorientierungen und Alltagseinstellungen zu
Dienstleistungsunternehmen inne. Er lehrt unter anderem am
Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum.
Lehrstuhl für Marketing an der RWTH Aachen und an der Lon-
Weil sich die Gesellschaft wandelt, wandeln sich die Sinus-
don Business School im Bereich "Customer-Focused Marke-
Milieus. Sie wurden zuletzt im Jahr 2010 aktualisiert. Dabei
ting". Und: Er verantwortete von 1998 bis 2012 als Corporate
zeigte sich, dass zum Beispiel das alternative Milieu, das vor
Vice President Market Research alle Marktforschungsaktivitäten
20 Jahren noch klein und am Rand der Gesellschaft angesie-
des Konsumgüterherstellers Henkel in Düsseldorf.
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
IHR TICKT WOHL NICHT MEHR RICHTIG!?
Oberschicht /
Obere
Mittelschicht
Die Sinus-Milieus® in Deutschland 2010
Liberal
Liberalintellektuelles Milieu
Milieu der
Performer
7%
Konservativetabliertes Milieu
7%
Expeditives
Milieu
10%
7%
6%
Adaptivpragmatisches Milieu
9%
Bürgerliche
g
Mitte
Traditionelles
Milieu
14%
15%
Hedonistisches
Milieu
S
Soziale Lage
Untere Mittels
schicht /
Unterschicht
Mittlere
Mittelschicht
M
S i lök l i h
Sozialökologisches
Milieu
ili
15%
Prekäres
Milieu
9%
© Sinus 2010
Grundorientierung
Festhalten
Bewahren
Tradition
Traditions- Modernisierte
verwurzelung Tradition
"TV wird uns als
Massenmedium
nicht noch 20
Jahre erhalten
bleiben."
Haben & Genießen
Sein & Verändern
Machen & Erleben
Modernisierung / Individualisierung
Lebensstandard,
Status, Besitz
Selbstverwirklichung,
Emanzipation, Authentizität
Grenzen überwinden
Neuorientierung
Multioptionalität,
Beschleunigung,
Pragmatismus
Exploration,
Refokussierung,
neue Synthesen
Hans-Willi Schroiff zählt also zur Markt-
aber sehr begrenzt und wenn man in
forschungselite der Republik und er
die Niederungen des Tagesgeschäfts
würde furchtbar gern für eine fein
hinuntersteigt, dann lässt man das sehr
ziselierte
Zielgruppensegmentierung
schnell, denn es lohnt sich nicht: Klei-
plädieren, wenn … ja … wenn er es
nere Zielgruppen bedeuten weniger
nicht aus der Praxis besser wüsste: "Wir
Ertrag bei höheren Vermarktungskosten
haben bei Henkel eine Reihe von Typolo-
– das ist gegen den genetischen Code
gien durchprobiert. Ganz ehrlich – und
eines Unternehmens und dem Control-
das mag an der Produktgruppe liegen –,
ling nicht zu erklären", antwortet Markt-
ich kann von keinem durchschlagenden
forschungsprofi Schroiff.
Erfolg berichten, dass ein Produkt, das wir
auf eine bestimmte Zielgruppe ausge-
"Fast Moving Consumer Goods" müs-
richtet haben, in dieser Zielgruppe über-
sen ihrem Namen alle Ehre machen
proportional erfolgreich war. Entweder
und sich schnell drehen – und das tun
waren wir über verschiedene Zielgrup-
sie nur dann, wenn sie von vielen Men-
pen hinweg erfolgreich oder es hat bei
schen gekauft werden und nicht von
keiner Zielgruppe geklappt."
kleinen Gruppen. Aus diesem Grunde
Also ist eine Ansprache speziell definier-
versuchen Konsumgüterhersteller in der
ter Konsumentengruppen für FMCG-
Regel Produkte auf den Markt zu brin-
Konzerne schlicht Kokolores? "Als Profes-
gen, die sie für mehrheitsfähig halten,
sor würde ich sagen: Das muss doch
wobei "mehrheitsfähig" mindestens 20
möglich sein! Der praktische Nutzen ist
Prozent der Grundgesamtheit meint.
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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IHR TICKT WOHL NICHT MEHR RICHTIG!?
>> Die Konsumenten sind schnell: Es gibt immer mehr
Aufmerksamkeitsfänger. Menschen bewegen sich immer schneller in immer mehr Kanälen. Es ist einfacher
geworden, umzuschalten, wegzuswitchen, auszublenden.
>> Die Konsumenten sind aufgeklärt: Früher hieß es schon
mal "Das kaufe ich, denn das ist in der Werbung doch so
gelobt worden". Heute lernen Kinder schon in der Schule,
wie Werbung funktioniert. Konsumenten sind selbstbewusst
und kennen sich gut aus, sie wissen, dass sie eine "Zielgruppe" sind. Und sie wissen immer mehr darüber, was
ein Produkt kann und wer es wo unter welchen Bedingungen herstellt.
>> Konsumenten wollen mitmachen: Menschen wollen sich
beteiligen. Doch Mitgestalten kann viele Effekte haben.
Wenn Unternehmen nicht authentisch kommunizieren
oder nichts zu sagen haben, werden die Leute ungnädig.
Ungnädig werden die Konsumenten auch, wenn sie sich
gestört fühlen. Von Werbung zum Beispiel. Weshalb
die Werbewirkung nachlässt. Da hilft es auch rein gar
nichts, wenn die Werbetreibenden ihr Bestes geben,
um haargenau die vermeintlichen Bedürfnisse ihrer
Zielgruppe zu treffen. Dass das nicht funktioniert,
zeigt die Online-Werbung: Während Web-Marketer
Dr. Silke Borgstedt
von den großartigen Möglichkeiten der in Echtzeit
ausgesteuerten verhaltensbasierten Werbung
schwärmen, reden die User vom "Targeting-
Dass sich die Konzerne beim Launch neuer
Stalking". Exakte Zielgruppenansprache hin
Produkte nicht auf die Aussagen ihrer potenziel-
oder her: Es fällt den Menschen einfach unge-
len Kunden verlassen können, belegt die enorm
heuer auf die Nerven, wenn ihnen der einmal angeklickte
hohe Floprate. Obwohl vor jeder Neuentwicklung be-
Zalando-Schuh, der Rheingau-Winzer oder Reiseanbieter noch
fragt, geforscht und getestet wird, was das Zeug hält, bleiben
Tage und Wochen mit Werbe-Bannern verfolgt. Selbst wer sich
später häufig selbst Produkte, die bei Kundenbefragungen auf
für Schuhe, Wein und Karibik-Trips interessiert, dem ist diese
Begeisterung stoßen, wie Blei in den Regalen liegen. Warum?
Form der ach so relevanten Ansprache über kurz oder lang zu
Weil Menschen wankelmütige Wesen sind und oft anders han-
viel. Die Konsequenz: Die Banner-Klickraten befinden sich tief
deln als sie ankündigen. Das passiert zum Beispiel gern, wenn
im Keller.
es um den Konsum von ökologisch einwandfreien oder fair gehandelten Produkten geht. Wenn es dann zum Schwur kommt
"Wenn es einen Beweis gäbe für den Erfolg von zielgruppen-
und die Kunden vor dem Supermarktregal die Wahl zwischen
spezifischem Targeting – dessen Erfolg replizierbar ist – wäre es
"total korrekt" und "billig" haben, greifen sie entgegen ihren Aus-
das Beste, was dem Marketing passieren könnte", sagt Hans-
sagen eben doch zum günstigen Produkt. Vielleicht. Die Ziel-
Willi Schroiff. Seiner Erfahrung nach ist es mit dem Targeting bei
gruppe ist keine verlässliche Größe.
weitem nicht so weit her, wie kolportiert wird. So gebe es keine
expliziten Nachweise, wie die Werbung in einzelnen Medien
Mal abgesehen davon, dass Menschen nicht unbedingt
oder Kanälen tatsächlich auf die Zielgruppe wirkt. "Natürlich
tun, was sie sagen und dass sie sich insgesamt nicht mehr in
wissen wir, dass 12- bis 30-Jährige onlineaffin sind, aber die
schön gleichgetaktete große Gruppen einteilen lassen, hat
gucken auch noch TV.
sich außerdem ihr Umgang mit Werbung verändert. Für Silke
Werbetreibende wie Henkel bewegen sich im Massenmarkt
Borgstedt sind es vor allem drei Aspekte, die diesen Umgang
und müssen das Gros erreichen. Und natürlich könnten wir uns
beeinflussen:
zu Tode optimieren, aber wir haben uns dafür entschieden,
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
IHR TICKT WOHL NICHT MEHR RICHTIG!?
die Gießkanne zu nehmen: Mit Persil und anderen Marken
berausgabe der absatzwirtschaft dafür, "dass man seine
müssen Sie omnipräsent sein und deshalb haben wir auf TV
Zielgruppe nicht als eine anonyme Datenmenge versteht,
und Prime Time gesetzt. Da haben wir unter dem Strich die
die in Excel-Charts wohnt. Vielmehr müssen wir wieder den
größte Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen."
Menschen in den Daten erkennen. Wir müssen verstehen,
welche Rolle unsere Angebote und unsere Marken im Le-
Klar, dass diese Strategie zu Streuverlusten führt – die aller-
ben unserer Kunden spielen. Die Fähigkeit zur Empathie ist
dings rechnen sich für große Werbetreibende locker, denn
dabei ein sehr guter Begleiter."
die Fernsehsender bieten ihnen immense Rabatte.
Doch genauso wie die Auflagen der Print-Massenme-
Dabei dürfte hilfreich sein, die Zielgruppe nicht nur auf jene
dien kontinuierlich sinken, sind auch die Tage gezählt, an
Verhaltensweisen, Einstellungen und Konsumvorlieben zu
denen sich viele Menschen über TV-Spots erreichen lassen:
reduzieren, die für die anstehende Werbebotschaft rele-
"TV wird uns als Massenmedium nicht noch 20 Jahre er-
vant sind. Wer sich nur dafür interessiert, wie sich jemand
halten bleiben", ist Hans-Willi Schroiff überzeugt. So wie sich
wäscht, welche Zigaretten er raucht oder wie er seine Ur-
heute Musik über den Musik-Streaming-Dienst Spotify oder
laube gestaltet, dem entgehen mitunter wichtige Informa-
iTunes selbstbestimmt konsumieren lässt, werden sich die
tionen. Marktforscherin Silke Borgstedt empfiehlt allen Mar-
Konsumenten in nicht allzu ferner Zukunft ihr persönliches
ketern, sich den "ganzen Menschen" anzusehen und ihn
Fernsehprogramm über Playlists zusammenstellen. Dabei
nicht nur zu befragen, sondern im Alltag zu begleiten – was
"Kleinere Zielgruppen bedeuten weniger Ertrag
bei höheren Vermarktungskosten – das ist gegen
den genetischen Code eines Unternehmens und
dem Controlling nicht zu erklären."
sind zwei Finanzierungsvarianten denkbar: Entweder der
durch neue Marktforschungsmethoden deutlich einfacher
Konsument zahlt die Sendungen im Abo oder er akzep-
ist als früher. So lässt sich beispielsweise das Kaufverhalten
tiert Werbung. Damit wäre zwar das Massenmedium TV tot,
im Internet bestens nachvollziehen.
gleichzeitig ergäben sich aber Chancen für eine gezielte
Ansprache kleinerer Zielgruppen, die sich über die Zusam-
"Es geht darum, sich genauer mit den Motivationen für
menstellung ihrer Playlists quasi selbst selektieren – frei nach
bestimmte Handlungen auseinanderzusetzen und genau-
dem Motto: 'Sag mir, welche Filme du siehst und ich sage
er zu verstehen, warum bestimmte Angebote funktionieren
dir, wer du bist.'
und andere nicht." Silke Borgstedt appelliert an Marketer
trotz des enormen Erfolgsdrucks, wieder mehr Mut zu ha-
Trifft tatsächlich zu, dass sich die Massenmedien zu klei-
ben, etwas auszuprobieren, wieder mehr der eigenen Intui-
neren Einheiten wandeln, werden sich auch große Wer-
tion zu trauen statt alles und jedes zu Tode zu testen und
betreibende damit befassen müssen, wie und wo sie ihre
sich mehr Zeit zu nehmen, sich in die Zielgruppen hineinzu-
Zielgruppen erreichen. Da hilft nur eines: Marketer müssen
versetzen. Denn wer genau lauscht, der hört vielleicht, wie
näher an ihre Zielgruppen heranrücken – was nicht heißt,
sie ticken, all die Zielgruppen da draußen.
ihnen erstens alles zu glauben (siehe Kundenbefragungen)
und ihnen zweitens auf die Pelle zu rücken (siehe TargetingStalking). Die Sache wird also schwierig und anstrengend.
Karl Georg Musiol, bis Herbst 2012 Präsident des Deutschen
Marketing-Verbandes
(DMV),
plädierte
in
der
Okto-
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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SMALLTALKIES
Zielgruppen,
KURIOSES & WISSENSWERTES über
SMALL-
Werbewirkung und Wahrhaftigkeit, mit dem Sie garantiert im
TALK
punkten können!
DOPPELBERIESELUNG
"Innovationen im Bereich Smart & Social TV haben vor allem eines im Blick: Der
Zuschauer soll das Sofa nicht verlassen müssen, um sich mit Gleichgesinnten
virtuell zu vernetzen oder spontan etwas zu kaufen. Wer denkt, Fernsehen habe
angesichts der Menge an fortschrittlicheren Unterhaltungsmöglichkeiten seine
besten Zeiten gesehen, irrt. Der durchschnittliche Fernsehkonsum ist 2012
mit 242 Minuten pro Tag gegenüber dem vergangenen Jahr sogar leicht
gestiegen. Der Grund: Die Flimmerkiste läuft immer häufiger parallel zum
abendlichen Surfen. Bevorzugterweise mit dem Tablet als Second Screen in
Reichweite. Die Hälfte der Onliner schaltet den Fernseher parallel zum OnlineShopping ein und sogar 65 Prozent der 14- bis 29-Jähigen."
ABGESCHNITTEN
"Noch immer nutzen 24,3
Prozent der Deutschen das
Internet nicht. Das heißt, dass
circa 17,1 Millionen Deutsche
ab 14 Jahren weder beruflich
noch privat mit dem Internet
in Berührung kommen."
(N)Onliner Atlas 2012
Print-Booklet "Handelskraft 2013" von dotSource
10
SMALL
–
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
FALSCHE FUFFZIGER
UMSONST GETROMMELT
"Der IT-Spezialist Barracuda geht
"Gerüchten zufolge zahlt Apple grundsätzlich nicht für Product Place-
davon aus, dass derzeit min-
ment. Das hat das Unternehmen auch nicht nötig: Denn Apple-Produkte
destens 70.000 gefälschte Twitter-
tauchen in mehr als jedem dritten erfolgreichen Hollywood-Streifen auf.
Accounts und 83 Millionen unechte
Für das Unternehmen ist dies kostenfreie Werbung. Laut Brandchannel.
Facebook-Mitglieder existieren."
com zeigten 129 der 374 erfolgreichsten Kinofilme in den USA zwischen
LEAD digital, 25/2012
2001 und 2011 (gemessen am Ticketverkauf) Apple-Produkte. Damit steht
Apple sogar deutlich vor Coca-Cola (103 von 374). Der TechnologieKonzern muss sich nur einem Autobauer geschlagen geben: Ford spielte
in 153 der besagten Filme mit."
ONEtoONE, 12/12
TOP-TESTIMONIALS
"Das durchschnittliche Involve-
RIESENPOTENZIAL
ZU GUTER LETZT
ment ist bei einem Werbeblock
"Bereits 2020 soll es in China 2,2
"Das Dumme an Zitaten aus
mit Mainzelmännchen um bis zu
Millionen Millionäre geben,
dem Internet ist, dass man
einem Viertel höher als ohne. (…)
doppelt so viele wie heute."
nie weiß, ob sie wahr sind"
Die Mainzelmännchen schaffen
Horizont, 47/2012
Leonardo da Vinci
es, eine deutlich höhere Werbeaufmerksamkeit herzustellen und
rufen auch eine höhere emotionale Zuwendung zu den beworbenen Produkten hervor."
Horizont, 46/2012
FRONTALEINWIRKUNG MIT MANN
"31 Prozent der Motive, die am besten die Probefahrtbereitschaft steigern,
zeigen das Fahrzeug in der Vorderansicht. Bei weniger wirkungsvollen
Anzeigen sind es nur 14 Prozent. Und: Von den gut arbeitenden Motiven
bilden 20 Prozent auch einen Mann ab."
w&v, 48/2012
TALKIES
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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DAS ENDE DER ZIELGRUPPEN
Das Ende der Zielgruppen
VON JENS LÖNNEKER
Die guten alten Zielgruppen haben
ausgedient. Sie bieten keine brauchbaren Ziele mehr. Die Konsumenten
von heute sind vielmehr schizophrene,
multiple Persönlichkeiten, die sich gegenüber Produkten und Marken immer
weniger konstant und loyal verhalten.
Das Ausleben möglichst vieler Verfassungen, Gestimmtheiten prägt ihr Konsumverhalten.
Das Denken in den heute noch üblichen
Zielgruppenkategorien blockiert daher
die Entwicklung von effizienten Marketing-
Jens Lönneker
Zwar ist es noch selbstverständlich, dass
jedes Produkt, jede Dienstleistung und
lon in Köln, einer neuen Unit des rhein-
jedes Medium eine oder mehrere Ziel-
gold Instituts für qualitative Markt- und
gruppen hat und haben muss. Die Fi-
Medienanalysen. Der Diplom-Psycho-
xierung auf Zielgruppen im Marketing
loge befasst sich mit tiefenpsycholo-
ist jedoch Ausdruck eines vergangenen
gischen Analysen – von der Grundla-
Zeitgeistes. Sie stammt aus einer Zeit, in
genforschung und Produktentwicklung
der Geschlecht, Alter, Familienstand und
bis hin zur Überprüfung von Werbe-
Einkommen gleichbedeutend waren mit
maßnahmen und strategischen
spezifischen Kauf- und Konsumgewohn-
Empfehlungen. Jens Lönneker ist ein
heiten. Männer eines bestimmten Alters
gefragter Redner, hat Lehraufträge
kauften und konsumierten anders als
an der Universität der Künste in Berlin
Frauen, Ledige anders als Familien und
und der Business School Potsdam
Wohlhabende anders als Menschen mit
Universität St. Gallen.
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Kommunikationsstrategien.
ist Geschäftsführer von rheingold sa-
(BSP) inne und ist Gastreferent an der
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und
www.rheingold-online.de
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geringem Einkommen.
So verteilen sich Käufer und Nicht-Käufer
apersonal und kontextgebunden. Ent-
oft gleichmäßig auf verschiedene Mi-
scheidend für ihr Verhalten und die da-
lieu- oder Stilgruppen – oder die gesam-
bei verwendeten Produkte und Medien
te Bevölkerung müsste zum Beispiel zu
ist der Rahmen, in dem sie sich auf-
den Smart-Shoppern gerechnet werden,
halten: Schule, Abhängen, Seventies-
wenn 90 Prozent der Konsumenten heu-
Partys, Abschlussbälle, Samstagseinkauf,
te regelmäßig im Lebensmittel-Discount
Sportverein. Diese apersonalen Grund-
einkaufen. Warum ist es aber so schwie-
muster zeigen jedoch nicht nur Jugendli-
rig, Zielgruppenprofile zu ermitteln, die
che in ihrem Alltag: Wir alle verhalten uns
Käufer- und Nutzerkreise gut beschrei-
anders, wenn wir am Schreibtisch sitzen,
ben und charakterisieren?
Aktuelle
beim Metzger sind oder vor dem Traual-
rheingold-Studien
zei-
tar stehen.
gen den Hintergrund für diese
"Wir alle verhalten uns
anders, wenn wir am
Schreibtisch sitzen, beim
Metzger sind oder vor
dem Traualtar stehen."
Schwierigkeiten: Es gibt im-
Diese Kontexte geben unsere psycho-
mer weniger konstante Ver-
logischen Verfassungen und Gestimmt-
haltensmuster, die Gruppen
heiten vor. Sie bestimmen unser Ver-
oder
komplett
halten und Tun. Produkte und Medien
Personen
prägen! Konsumenten sind
sind in derartige Verfassungen einge-
heute schizophrene, multiple
bunden und helfen dabei, sie auszu-
Persönlichkeiten, die je nach
gestalten. Es ist daher für Marketing und
Kontext verschiedene Verhal-
Kommunikation erheblich zielführender
tensmuster entwickeln. Männer
und einfacher, sich an derartigen Verfas-
übernehmen dabei Frauenaufga-
sungen zu orientieren als nach sich mehr
ben und Frauen verhalten sich manch-
und mehr auflösenden Zielgruppen zu
mal
wie
Männer,
Familien
werden
suchen. Im wirklich erfolgreichen Marke-
Die Erfahrung der Marktforschung in den
gesucht und zugleich wieder infrage
ting geht es eigentlich nie um die Sozio-
letzten Jahren zeigt, dass sich die Konsu-
gestellt und aufgelöst, alte Menschen
demografie von Zielgruppen, sondern
menten in ihrem Verhalten verändert ha-
wollen unbedingt jung sein und junge
immer um Angebote für psychologi-
ben und die Definition von Zielgruppen
etabliert und berühmt wie früher nur äl-
sche Verfassungen und die damit ver-
durch soziodemografische Merkmale
tere Herrschaften.
bundenen Lebensgefühle und Bilder.
in Bezug auf die Entwicklung wirkungs-
Verfassungsmarketing ist heute da-
voller Marketingstrategien meist kaum
Konsumenten wollen alles zugleich sein:
her ein Königsweg zum modernen
weiterhilft: Wohlhabende kaufen heute
jung und alt, familiär und ungebunden,
Konsumenten!
genauso bei Aldi ein wie weniger Wohl-
reich/berühmt und einfach/normal. Sie
habende, ältere Menschen sind häufig
wollen zumindest optional nichts auslas-
Verfassungsmarketing® setzt an
genauso erpicht auf Trendprodukte wie
sen und sich jederzeit verändern und
der Stimmung, dem Zustand
Jüngere, und Frauen kaufen Männer-
verwandeln können. Es ist daher auch
oder den Bedingungen an, in
produkte. Die Forschung hat durch die
vergeblich und unsinnig, nach grup-
welche sich Konsumenten und
zusätzliche Einbeziehung von psycholo-
pen- und personengebundenen Ver-
Geschäftskunden begeben, die
gischen Merkmalen in das soziodemo-
haltensmustern zu suchen, wie sie die
mit bestimmten Produkten oder
grafische Konzept auf diese Entwicklung
heute noch gültigen Zielgruppenmo-
Dienstleistungen in Kontakt kom-
reagiert und versucht auf diesem Wege,
delle vorsehen.
men. Diese Stimmungen, Bedin-
das
tradierte
Zielgruppenmodell
zu
gungen, Zustände werden mit dem
retten. Ermittelt werden auf diese Weise
Diese Tatsache wird vor allem vor dem
Begriff Verfassung bezeichnet. Der
Zielgruppenprofile mit mehr oder weni-
Hintergrund der aktuellen, von rheingold
Markt wird dabei wie ein psychisches
ger starkem psychologischem Hinter-
betriebenen Jugendforschung deutlich:
Kräftefeld betrachtet. Betritt ein Mensch
grund wie etwa Smart-Shopper, Milieus
Jugendliche passen sich den jeweili-
(Kunde, Verbraucher) dieses Feld, so
oder auch Stilgruppen.
gen Umfeldern so konsequent an, dass
unterliegt er diesen Bedingungen und
konstante individuelle Profile kaum mehr
Kräften. Mit diesem Wissen kann ich ein-
Aber auch diese Ansätze stoßen heute
auszumachen sind. Dieser Anpassungs-
greifen, steuern, verändern – das ist Ver-
an ihre Grenzen, wenn sie Käufer- und
und Entindividualisierungsprozess prägt
fassungsmarketing®.
Nichtkäuferkreise für ganz spezifische
heute die Alltagskultur der Jugendlichen:
Produkte und Medien eingrenzen wol-
Wenn Konstanten im Verhalten von Ju-
Das Modell des Verfassungsmarketings®
len: Die ermittelten Profile differenzieren
gendlichen auszumachen sind, sind sie
betrachtet das Konsumverhalten durch
häufig nicht gut oder sind zu allgemein.
nicht personal und individuell, sondern
eine neue, andere Brille als traditionelle
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DAS ENDE DER ZIELGRUPPEN
Zielgruppenmodelle und kommt dabei zu einer Reihe span-
Da konkurriert der Mars-Riegel dann plötzlich mit der Mini-Sala-
nender Erkenntnisse: Dass ein und derselbe Konsument zum
mi von Bifi oder dem Käsebrötchen vom Bäcker. Oder der Au-
Beispiel eine Vielfalt unterschiedlicher Schokoladenprodukte
tokauf steht im Wettbewerb mit Urlaubsplanungen oder dem
parallel verwendet, erscheint dann nicht mehr chaotisch oder
Hausumbau.
unsinnig. Es zeigt sich meist, dass die verschiedenen Produkte
unterschiedliche Verfassungen und die damit verbundenen
Ist das Verfassungskonzept nicht unsinnig, wenn es um größere
Verwendungsmotive bedienen. Psychologisch befriedigt die
und langfristiger geplante Anschaffungen geht? Denn mit
Milka-Tafel dabei ganz andere Verfassungen als etwa die Tafel
großen Investitionen wie Autos, Häusern, Kapital-Lebensver-
Ritter-Sport, die wiederum in vielerlei Hinsicht mehr mit Schoko-
sicherungen sollen doch nicht nur bestimmte Verfassungen
riegeln als mit klassischen Tafeln konkurriert.
ausgelebt werden können. Schaut man genau hin, hat das
Beide Marken sind demnach in viel geringerem Umfang di-
Diktat der Verfassungen jedoch auch bei diesen Produkten Ein-
rekte Wettbewerber, als es eine reine an Produktbereichen und
zug erhalten: Autos werden heute als Multi-Purpose- oder Multi-
deren Zielgruppen orientierte Marktbetrachtung annimmt.
Utility-Vehicles konstruiert, damit sie die unterschiedlichsten Situationen ideal ausgestalten helfen.
Ein anderes Beispiel: Bei Mineralwasser bedienen Sorten
Die Autofahrer von heute wollen möglichst viele Verfassungen
ohne Kohlensäure meist ganz andere Verfassungen als die
mit einem Auto ausleben können: Mit einem geländegängi-
mit Kohlensäure. Mineralwässer ohne Kohlensäure sollen das
gen Fahrzeug, das familientauglich ist und ein Fahrverhalten
Trinken bei möglichst vielen Gelegenheiten unterstützen und
wie ein Sportwagen hat, auf der Autobahn 250 km/h fahren zu
Durst erst gar nicht entstehen lassen. Die sie prägende Ver-
können – ist heute erstrebenswert.
wendungsverfassung ist durch dauerndes Trinken und eine Art
Dauerbefeuchtung gekennzeichnet. Bei kohlensäurehaltigen
Auch Versicherungsprodukte müssen am besten so flexibel wie
Varianten steht dagegen mehr das Trinkerlebnis und der Spaß
möglich gestaltet werden, um für alle erdenklichen Wechsel-
am Durstlöschen im Fokus. Auch wenn die Parallelverwendung
fälle des Lebens abzusichern und dabei noch Änderungen
hier nicht so ausgeprägt ist wie bei Schokoprodukten, gibt es
im Tarif, der Beitragsleistungen und im versicherten Risiko zu
viele Haushalte/Konsumenten, die beide Sorten verwenden
ermöglichen. Erst dann sind Versicherungsnehmer zufrieden.
und beide Verfassungen ausleben wollen.
Ebenso bei Hausbau und Wohnungseinrichtung: Zunehmend
an Bedeutung gewinnen Wünsche nach schnellem Umbau
Verfassungsmarketing® rückt nicht die Person oder Zielgruppe,
und rascher Veränderung, die bereits bei den Planungen
sondern das Verwendungserleben und die konkrete Kauf- und
berücksichtigt werden. Mobile Wände, bewegliche Einheiten
Anschaffungssituation stark in den Fokus. Dadurch öffnet das
und Möbel stehen hoch im Kurs. Die Immobilien sollen die
Konzept stärker auch den Blick für die tatsächlichen Wettbe-
Installation von unterschiedlichsten Wohnverfassungen nicht
werber, die nicht selten außerhalb der vermeintlichen Ver-
behindern. Verfassungen passen sich in den Tagesablauf ein.
wenderzielgruppen eines spezifischen Produktbereichs liegen.
Alkoholhaltige Getränke unterstützen eher abendliche Verfassungen, Cerealien eher morgendliche Aufstehszenarien etc.
Dies gilt auch für die Angebote von Medien: So haben Untersuchungen für den Fernsehsender Viva gezeigt, mit welchen Sendeformaten welche Tageszeiten am besten angesprochen
"Wohlhabende kaufen heute
genauso bei Aldi ein wie weniger
Wohlhabende, ältere Menschen
sind häufig genauso erpicht auf
Trendprodukt wie Jüngere, und
Frauen kaufen Männerprodukte."
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
werden. Die Möglichkeiten des Verfassungskonzepts sind
aus heutiger Perspektive noch nicht ausgeschöpft und
auch seine Grenzen noch nicht ausgelotet. Es ist
ein Modell mit reizvollen Perspektiven für die ganz
konkrete Marketingpraxis.
ADVERTORIAL
Wissen allein hilft nicht!
VON SIMONE BRECHT
Die letzten Wochen des Jahres 2012 waren für alle Medien-
Aus der Forschung wissen wir, dass aus dem, was wir wissen
interessierten ein informatives Festmahl, was das Thema
(Studien & Strategien zur Digitalisierung), nur durchs Machen
Zukunftschancen von Verlagen und Zeitungen angeht. Das
letztendlich Können wird. Und erst im Stadium des Könnens ist
Ende der Financial Times Deutschland und der Frankfurter
an Geldverdienen zu denken. Meine Großmutter sagte früher
Rundschau veranlasste viele kluge Köpfe, die augenschein-
immer: "Erst wenn aus Müssen Wollen wird, wird daraus Kön-
liche Misere der Zeitungen zu analysieren. Unisono lautet
nen." Und wie sieht es aus bei den Verlagen mit dem Wollen im
das Credo: Die Zukunft liegt in der Digitalisierung. Warum
Hinblick auf ihre digitalen Angebote?
werden Medienexperten und Beratungen (Ribbon & Partner
eingeschlossen) nicht müde, immer wieder ähnlich klingende Thesen und Appelle zu senden?
1
Verlegerische Visionen brauchen ein Update
Mit Vision meine ich nicht einen wohlklingenden Satz auf
einem Powerpoint-Chart, der einmal bei der Weihnachtsfeier
Die Antwort ist einfach: Zwischen dem, was angeblich alle
gezeigt und danach vergessen wird. Sondern eine kraftvolle Vi-
wissen, und dem, was der eine oder andere Verlag tatsäch-
sion, die den Führungskräften und Mitarbeitern gleichermaßen
lich umsetzt, klafft eine deutliche Lücke. Theoretisch ist auch
die Frage beantwortet, wohin das Unternehmen denn über-
Klavierspielen nicht schwierig: Es gibt die weißen und die
haupt will. Wozu man sich anstrengt. Eines der besten Beispiele
schwarzen Tasten und auf die drückt man … doch bis da-
bleibt JFKs Vision vom Mann auf dem Mond.
raus eine konzertreife Leistung wird, dauert es Jahre. Jahre des
Übens. Und dabei ist Klavierspielen noch einfacher, denn es
"I believe that this nation should commit itself to achieving the
gibt einen Grundkonsens, was ein gutes Klavierspiel ausmacht.
goal, before this decade is out, of landing a man on the moon
Das sieht im Digitalgeschäft für Verlage anders aus. Hier gibt es
and returning him safely to the earth."
kein Patentrezept fürs Geldverdienen.
John F. Kennedy, 1961
Ziel
ich weiß
ich will
ich kann
Start
Zeit
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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Simone Brecht
gründete 2007 gemeinsam mit ihrem
Geschäftspartner die Unternehmensberatung Ribbon und Partner in Hamburg.
Sie greift auf über zehn Jahre Führungsund
Managementerfahrung
in
der
Kommunikations- und Medienbranche
zurück. Eine Branche, deren digitale Entwicklung sie heute intensiv begleitet. Die
Schwerpunkte von Ribbon und Partner
sind Visions- und Strategiearbeit und die
daraus resultierende Begleitung von Veränderungsprozessen in Organisationen.
www.ribbon-und-partner.de
Diese Vision hatte Kraft. Dahinter steckten jede Menge Ideolo-
Generation zu Generation übertragen – zu überdenken und
gie und Ziele, zum Beispiel der Welt die technische Überlegen-
den aktuellen Gegebenheiten anzupassen. Und dies laut und
heit der USA zu demonstrieren. Doch die Botschaft als solche
deutlich auszusprechen, damit die Mitarbeiter auch wissen, in
war einfach, klar, richtungweisend und ambitioniert. Und hat
welche Richtung sie ihre Energien lenken sollen. Wenn Journa-
keine einzige Frage zum Wie beantwortet.
lismus nur noch eines von mehreren Geschäftsfeldern ist, bedeutet das für die interne Organisation nachhaltige Verände-
Die Vision eines Verlages braucht auch allein deshalb ein Up-
rungen – die aber erst dann angegangen werden können,
date, weil die Profession des Verlegens durch die Digitalisierung
wenn diese Aussage klar getroffen ist.
infrage gestellt wird. Wenn jeder Werbetreibende, ja jeder,
der etwas sagen möchte, im Internet direkt seine Zielgruppe
adressieren kann, ohne den medialen Umweg zu gehen, hat
2
Werbegelder folgen den Zielgruppen
Mit dem Begriff "Kunden" werden in vielen Verlagen nur
das Auswirkungen für Verlage. So fließen laut einer aktuellen
die Werbetreibenden und Mediaagenturen bezeichnet. Dieses
Studie des European Institute for Corporate Publishing (EICP)
Wort wird fast nie für Leser, Nutzer, User benutzt – bezeich-
immer mehr Marketinggelder in unternehmenseigene Cor-
nenderweise. Als Ursache der Verlagsmisere wird daher oft die
porate Publishing-Angebote wie Unternehmenswebsites oder
Ursachenkette genannt: weniger Anzeigenerlöse, Sparkurs in
Facebook-Auftritte einer Marke oder eines Unternehmens.
den Redaktionen, schlechteres Produkt, weniger Leser, weniger
Anzeigenumsätze und Verkaufserlöse schwinden kontinuierlich.
Reichweite, also weniger Anzeigenerlöse usw.
Der Springer-Verlag bekennt freimütig, dass der Großteil der
Insgesamt steigen die Werbeausgaben der werbetreibenden
digitalen Umsätze mit nicht-journalistischen Produkten erzielt
Industrie aber. Während laut aktueller Prognose die Umsätze
wird. Auch der Verlag Burda hält Beteiligungen an E-Com-
im TV stabil bleiben und das Internet stark an Umsätzen da-
merce-Portalen wie etwa edelight, etsy oder dem Netzwerk
zugewinnt, verlieren Zeitungen und Zeitschriften deutlich. Man
Xing. Offensichtlich fand eine Erweiterung der Ursprungsvision
kann Werbekunden nicht vorwerfen, dass sie ihr Budget dorthin
dieser ehedem ganz klar journalistisch ausgerichteten Verlags-
umleiten, wo sich ihre Zielgruppen aufhalten. Spiegel Online
häuser statt. In Gesprächen begegnet mir immer wieder die
startete vielleicht anfangs auch als ein "Muss", die Macher woll-
Haltung: "Wir müssen zwar neue digitale Geschäftsfelder be-
ten dann aber auch gut sein und jetzt sind sie richtig gut, ganz
treten, aber Tierfutterversender sind wir auf keinen Fall."
im Sinne meiner Großmutter. So wurde aus der Marke "Spiegel"
Hier stellt sich die Frage: "Aber was dann?"
auch eine reichenweitenstarke und für Werbetreibende at-
Die Unternehmensspitze muss sich nicht nur die Frage gefallen
traktive Plattform. In Bezug auf die Zielgruppe Werbetreibende
lassen, wie Tierfutterversand und Nachrichtenredaktion zusam-
sind die Medien im Beziehungsgeschäft, das heißt sie stellen
menpassen, sie sollte sie auch beantworten. Dazu gehört den
eine Beziehung zwischen dem werbetreibenden Unternehmen
Mut zu haben, sich bewusst zu der veränderten Unternehmens-
beziehungsweise dessen Botschaft und der vom Werbe-
ausrichtung zu bekennen, die ursprüngliche Vision – oft von
treibenden anvisierten Zielgruppe her. Voraussetzung dafür ist
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
natürlich, dass diese Zielgruppe auch erreicht wird: sowohl in-
ihrem Werte-Index 2012 stellen Peter Wippermann und Maria
haltlich als auch mit dem passenden Distributionskanal, egal
Angerer das Wertesystem der Baby Boomer-Generation, die in
ob auf Papier oder digital. Der Medienkonsum der jungen Ziel-
vielen Redaktionen noch das Sagen hat, dem der Millennials
gruppen ist nunmal stark digital geprägt.
gegenüber:
Daher lässt sich die Ursachenkette auch umdrehen: Relevanzverlust in der Zielgruppe, weniger Reichweite, weniger Anzei-
Es ist nicht sonderlich gewagt zu behaupten, dass der jour-
generlöse, Sparkurs in der Redaktion, noch weniger Relevanz
nalistische Inhalt eines Artikels stark von dem Journalisten ab-
usw. Verschärft wird das Dilemma noch, wenn Anzeigen-
hängt, der diesen verfasst. Wenn im Wertesystem des Jour-
verkäufer, die kompetent jedes Detail des Print-Geschäfts er-
nalisten "Radikalismus" stark ausgeprägt ist, wird er vermutlich
klären können, wenig überzeugend auch Banner-Plätze auf
über die Nähe von Wirtschaft und Medien rigoroser urteilen
der Website mit verkaufen müssen, dies nicht wirklich wollen
und schreiben, als eine 20 Jahre jüngere Kollegin, die eher
und daher auch nicht können.
den Wert "Pragmatismus" vertritt. Mein Kollege kommentierte
3
die Einstellung der Frankfurter Rundschau mit den Worten: "Ich
Die Zielgruppe definiert, was relevant ist
habe die linke Schreibe von satten Alt-68ern gelegentlich ger-
Bei Facebook kann jeder einzelne Nutzer individuell aus-
ne gelesen, es war immer ein bisschen grotesk." Er meinte es
wählen, was er gerne in seinem Newsstream sehen möchte
nicht ironisch. Es gibt in meinem Bekanntenkreis nicht wenige
(abgesehen von den werblichen Botschaften). Da gehen
regelmäßige Stern-Leser, die fest behaupten, dass sie genau
die privaten Nachrichten und
Empfehlungen
der
engen
Freunde Hand in Hand mit
feststellen können, wer der
Wertewandel
den Botschaften einer Organisation oder Produktmarke, die
gefällt. Und in dem Topf "Or-
vorzugten Medienmarken. Alle
Einzelkämpfer
Verbündete
sich nicht mit ihnen befreun-
Abhängigkeit
auswählen
gener die Zielgruppe, desto
heterogener sollte auch ein
Redaktionsteam sein, um die
Askese oder Dekadenz
Das Richtige haben
und wollen
det.
Zielgruppe so gut wie möglich
widerzuspiegeln, gerade was
das "Wie" der Kommunikation
Und das gilt auch außerhalb
von Facebook. Da digital al-
Individueller Reichtum
Sozialer Reichtum
les schnell erreichbar und
meistens sofort verfügbar ist,
ist es sehr einfach, eine ganz
levanten Blogs, Sites, Journalisten zusammenzustellen, die
Radikalismus
Pragmatismus
darüber zu lesen, wie die jüneine ganz andere Sache, Teil
dieser Welt zu sein. 96 Prozent
der 14- bis 29-Jährigen sind
Baby Boomer
1945-64
Millenials
1975-2000
das tägliche oder wöchentInformationsbedürfnis
angeht. Es ist die eine Sache,
gere Generation tickt, es ist
persönliche Mischung von re-
liche
Was heißt das jetzt für die Zielgruppenrelevanz? Je hetero-
Abhängigkeiten
vermeiden
Absender sind für ihn potenziell
relevant, ansonsten hätte er
für das vor ihnen liegende Heft
verantwortlich war.
ganisationen/Produktmarken"
sind auch die vom Nutzer be-
beiden Stern-Chefredakteure
Mitglied in mindestens einem
Sozialen Netzwerk.
Die Relevanz dieser Art von
Quelle: http://peterwippermann.com/#!vortrage
Kommunikation ist nicht mehr
befriedigen. Das Alles-aus-einer-Hand-Modell eines Print-
wegzudiskutieren. Und sie verändert die Erwartungen dieser
Produkts ist digital nicht notwendig und auch nicht gewünscht.
jungen Kunden an mediale Kommunikation. Der belehrende
Im Gegenteil: Die Vielfalt an Meinungen bringt einen zusätzli-
Ton vieler Medien wirkt antiquiert, es geht um Augenhöhe, um
chen Mehrwert. Diese Erwartungen an Vielfalt und an individu-
Einbeziehung der Leser und User. Aber das ist nicht nur ein
elle Verfügbarkeit übertragen die jungen Zielgruppen auf alle
Kommentar-Button, das ist eine Haltung der Journalisten ge-
anderen Medien. Ein Abo einer einzelnen Zeitung erscheint
genüber diesen Kunden. Da ist tägliche Reibung im eigenen
unattraktiv, da man viel bezahlt für eine Komposition, die einen
Redaktionsteam zu diesem Punkt ausgesprochen hilfreich.
in dieser Form gar nicht interessiert. Hier heißt die Devise also,
Und eine Art und Weise, die Zielgruppe nicht nur über Markt-
die Zwangskompositionen zu öffnen und dem User einzelne
forschung zu "untersuchen", sondern sie in die tägliche Arbeit
Elemente, wie etwa Artikel oder den Zugriff auf Datenbanken,
zu integrieren. Das ist unbequem, aber ungleich spannender
zu bieten, die er selbst zu seinem Informations- oder Unterhal-
und erfolgversprechender.
tungsportfolio zusammenstellen kann.
Das Zitat des Tages in meiner regionalen Tageszeitung stammt
heute von Ludwig van Beethoven: "Man muss dem Schicksal in
Mit dem sich ändernden Kommunikationsverhalten klaffen die
den Rachen greifen." Genau darum geht's! Und damit kennen
Lebenswelten der Generationen immer weiter auseinander. In
sich Verlage eigentlich sehr gut aus!
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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AUF DER SUCHE NACH DEM LESER
Auf der Suche nach dem Leser
VON THOMAS KOCH
Können die Printmedien ihre Leser noch halten? Und wenn
Der Teufel liegt im Detail
ja, wie viele? Um die Printmedien ist es schlecht bestellt.
Erst wenn man ins Detail geht, erschließt sich einem das
Sie stehen unmittelbar vor ihrem Untergang. So möchte
Phänomen der Zeitschriftenentwicklung. Es sind die großen
man meinen, wenn man die Nachrufe im Internet liest. Das
Blätter, die an Auflage verlieren: Hörzu, Stern, Focus, aber auch
möchte man auch dann meinen, wenn man die Reden der
Brigitte und Freundin. Es sind diejenigen, die sich bemühen,
Verleger selbst hört. Auf ihren Verbandstagen und in ihren
vielfältigste Lesergruppen an sich zu binden. Das gilt selbst für
Geschäftsberichten übertrumpfen sie sich gegenseitig
die Frauenzeitschriften, deren Leserinnen mit ihnen älter wur-
mit immer weiter steigenden, digitalen Umsätzen. Burda
den und deren Redaktionen vor der unlösbaren Aufgabe ste-
verkauft derweil Tierfutter und Springer investiert lieber in
hen, sowohl 20- als auch über 50-Jährige zu erreichen. Eine
Reise- und Dating-Portale. Wenn selbst die Verleger ihr ge-
Zeit lang ging das gut. Doch mit der Explosion redaktionel-
drucktes Medium zu Grabe tragen, müssen wir das nicht
ler Angebote – insbesondere im Web – findet jede Frau den
auch tun. Wir könnten das tun, was die Verleger jahrelang
Lesestoff, der ihren Bedürfnissen entspricht. Immer weniger je-
versäumten: nämlich nach den Ursachen fragen.
doch in ihrer ehemals geliebten Frauenzeitschrift.
Gleichzeitig sind im vergangenen Jahr über 100 neue Ma-
Die
Fakten
bestätigen,
dass
die Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland an Auflage
verlieren. Allerdings nicht halb
so dramatisch wie in den USA,
wo im vergangenen Jahr rei-
gazine aus der Taufe gehoben
"Für das Segment
'General Interest' ist in
dieser Welt kein Platz mehr."
henweise Zeitungen eingestellt
worden. Es sind fast ausnahmslos
Special Interest-Magazine mit
kleinen Auflagen wie Women's
Health oder die Wiederauflage
von Yps und Pardon. Daraus zu
schließen, dass die Zukunft den
wurden. Vielleicht hat es also doch Sinn, etwas genauer hin-
kleinauflagigen Special Interest-Titeln für individuellste Zielgrup-
zuschauen. Die Auflagen der deutschen Abo-Zeitungen sinken
pen gehört, fällt nicht schwer. Diese Entwicklung wäre schon
Jahr um Jahr. Niemals dramatisch, dafür aber konstant seit 20
deshalb revolutionär, weil sie kleinen Verlagen erstmals einen
Jahren. Interessanterweise steigen gleichzeitig die Auflagen
Vorsprung gegenüber den Verlagsgiganten einräumen würde.
der meinungsbildenden Wochenzeitungen wie Die Zeit und
FAS. Und auch die Anzeigenblätter erfreuen sich wachsender
Des Rätsels Lösung: Zielgruppe
Beliebtheit. Genau genommen verlieren die Tageszeitungen
Bei genauem Hinsehen entdeckt man fasziniert eine gemein-
die Leser, denen das Abo schlichtweg zu teuer geworden ist.
same Klammer und zugleich auch die Ursache für die Entwicklung der Printmedien: die Zielgruppe.
Allerdings rücken junge Leser nicht mehr nach: Die Digital Natives informieren sich ausschließlich online. Mit fortschreitender
Die Zielgruppe ist nach Definition der Werbebranche die
Digitalisierung werden die Auflagen also zwangsläufig weiter
"Gruppe von Personen, an die sich Werbemaßnahmen plan-
sinken. Dennoch finden 18 Millionen Zeitungen jeden Tag ihre
mäßig richten, um ein Werbeziel zu erreichen". Diese Definition
Käufer. Bei den Zeitschriften zeigt sich ein eher durchwachsenes
gilt auch für jedes Medium, das sich an eine spezielle Gruppe
Bild. Teilweise rutschen die Auflagen zweistellig ins Bodenlose.
von Menschen richtet. Das entscheidende Wort ist "planmäßig".
Gleichzeitig kommen immer neue Magazine in die deutschen
Man braucht einen Plan. Man muss sehr genau wissen, welche
Kioske: Die Zahl der Titel steigt. Es steigt auch die Bedeutung
Zielgruppe man mit seinem Medium anzusprechen gedenkt.
des Corporate Publishing. Immer mehr Unternehmen brin-
Dass das auch für Zeitungen gilt, musste unlängst die Frankfur-
gen eigene Magazine – wie das "vernetzt!", das Sie gerade in
ter Rundschau auf drastische Art und Weise am eigenen Leib
Händen halten – heraus. Corporate Publishing boomt. Immer
erfahren. Sie ist nicht Opfer des Internets geworden, sondern
mehr Unternehmen erschaffen eigene Medien. Der Branchen-
Opfer ihrer schwankenden Zielgruppenausrichtung. Sie musste
verband FCP spricht von zweistelligem Wachstum und stolzen
entscheiden, ob sie eine regionale Zeitung für Frankfurt sein
fünf Milliarden Euro Umsatz.
wollte (wofür durchaus Platz gewesen wäre) oder doch eine
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Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
überregionale Zeitung für Deutschland (was halsbrecherisch
hohe Vertriebskosten zur Folge hat). Sie wollte beides, was nicht
geht – und wurde folglich weder von ihrer Zielgruppe noch
vom Werbemarkt verstanden. Ihr Exitus war vorherzusehen.
Auch Brigitte und Freundin
werden diesen Drahtseilakt
zwischen den Zielgruppenwelten über kurz oder lang
nicht überleben. Ebenso
wenig wie ein Stern oder
Focus, wenn sie sich nicht
sehr bald für eine klare Zielgruppe entscheiden. Denn
für das Segment "General
Interest" ist in dieser Welt
kein Platz mehr. Am Auflageneinbruch von Reader's
Digest ist das bereits seit
Jahren abzulesen.
Im Segment der Frauenmagazine heißen sie Brigitte, Young Miss und FreunDonna.
Sie
haben
eine größere Überlebenschance als ihre "Mütter",
werden
jedoch
ist Deutschlands profiliertester
Media-Profi. Er gründete die
Mediaagentur tkm und war CEO
von tkmStarcom, er ist Chef der
Beratung tk-one und Partner beim
Unternehmen "Warum Wippt Der
Fuß?", er schreibt Kolumnen für diverse Fachzeitschriften, ist Initiator
von The Third Club und Herausgeber von "Clap".
Capital bezeichnete Thomas
Koch 1995 als "Profiliertesten
Vordenker der deutschen Wer-
Es gibt jedoch Antworten.
din
Thomas Koch
niemals
ihre Auflagen, geschweige
denn ihre Anzeigenumsätze
erreichen. Darauf müssen
sich die Verlage einrichten.
Die Zukunft gilt den kleinen
Magazinen mit exakt definierbaren Zielgruppensegmenten – und mit ihnen
den kleinen Verlagen. Die
Werbekunden werden ihre
Massenzielgruppen,
wie
bisher, im Fernsehen und
bung". 2004 nahm ihn Media &
Marketing Europe in die Galerie
der 15 Personen auf, die die
europäische Werbebranche am
meisten bewegten, und 2008 war
Thomas Koch Mediapersönlichkeit
des Jahres. Weil ihm Medien und
Menschen am Herzen liegen,
kümmert er sich als Managing
Partner von Plural Media Services
darum, dass sich unter anderem
im Irak, in Sudan und Afghanistan
eine Werbewirtschaft entwickelt –
weil die eine Grundbedingung für
eine unabhängige Medienlandschaft ist.
Unbedingt lesenwerte Texte von
Thomas Koch finden Sie unter
Überregionale Zeitungen scheinen für die Zukunft
gut aufgestellt, sie müssen jedoch dringend neue
und junge Leser an sich binden. Durch das kostenlose Einstellen ihres Contents ins Netz begeben sie
sich in große Gefahr. Gerade die Zeitungen müssen ihre Leser daran gewöhnen, dass Qualität ihren
Preis hat. Wer keine Qualität liefert und keine einzigartigen Inhalte, wird zwangsläufig das Nachsehen
haben.
anderem in seinem Blog
ufomedia.posterous.com
Die Zeitschriften müssen ihren Weg zu ihren Zielgruppen finden. Solange es noch Couches gibt,
Radio erreichen. Zur Zuspitzung ihrer Kampagnen auf einzelne Zielgruppen werden
wird es Zeitschriften geben. Sie sind das Cocooning-Medium,
sie Print einsetzen beziehungsweise "on" gehen – woraus sich
das
ebenfalls beste Chancen für Verlage ergeben.
Lieblingsthema-beschäftigen"-Medium. Sie sind für jede ihrer
Abschalt-Medium,
das
"Lass-mich-jetzt-mit-meinem-
Zielgruppen an Qualität und Loyalität nicht zu überbieten. OffMan braucht einen Plan
line wie online. Die Plattform spielt dabei keine Rolle, sondern
Zeitungen und Zeitschriften werden die Digitalisierung und mit
die Funktion. Entscheidend für die Print-Zukunft ist ein einziges
ihr die Transformationsphase, in der sich derzeit alle Medien
Wort: "Zielgruppe".
befinden, überleben. Jedoch nur, wenn sie sich an klar definierten Zielgruppen ausrichten. Regionale Zeitungen müssen
auf ihre lokale Leserschaft fokussieren und ihnen höchste, journalistische Qualität liefern: Orientierung, Hintergründe, Kommentare, Meinung. Wer hier spart – wie es die meisten Verlage
bedauerlicherweise tun – wird 2020 nicht erleben.
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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VERNETZER
Vernetzer
Winfried Hagenhoff
ist Geschäftsführer von TNS Infratest in München. Die WPP-Tochter TNS zählt zu den weltweit führenden
Anbietern für Markt- und Sozialforschung. Winfried Hagenhoff, der laut LinkedIn gern kleine Flugzeuge fliegt
und laut Xing immer neue Anregungen sucht, kennt die Marktforschung aus dem Effeff – er startete 1985
bei Infratest Burke, war zwischendurch Marktforschungschef der Lufthansa und ist seit 1996 bei TNS Infratest.
Wie sind Sie vernetzt und wo knüpfen Sie
Kontaktarbeit online. Unsere Branche ist
neue Kontakte?
forschend tätig – und Forschung braucht
In so langer Zeit ergeben sich natürlich
vor allem den fachlichen Austausch und
sehr viele Kontakte. Und immer noch
die Ideen aus vielen Kontakten. Das
ergeben sich neue Kontakte meist im
stimuliert die Qualität unserer Arbeit.
Geschäftsalltag. Früher – bis etwa 2001,
als die Internetblase platzte – waren
Gelingt es Ihnen, Privat- und Berufsleben
es internationale Kongresse, wie ESO-
zu vernetzen?
MAR, wo man sich vernetzte. Das ist
Ja, ich denke schon. Ich bin zum Beispiel
heute deutlich weniger geworden: Die
Mitglied in einem Charity Club. Das ist
Kongressreisen sind sehr zeit- und kos-
zwar eher ein privates Engagement,
tenaufwendig geworden und die Veran-
aber dort bekomme ich durch die an-
stalter lassen sich den Networking-Effekt
deren Mitglieder interessante Anregun-
teuer bezahlen.
gen aus den verschiedensten Berufs-
Wenn ich heute zu Messen und Kongres-
feldern und Branchen. Da ergeben sich
sen gehe, dann wegen der Aussteller,
tolle
kaum noch wegen des Fachvortrags-
halte ich ganz bewusst Berufliches von
Anknüpfungspunkte.
Ansonsten
programms. Dagegen haben für mich
Wer sind für Sie vorbildliche Vernetzer?
zu Hause fern; das ist mir im Laufe der
Online-Netzwerke wie Xing und LinkedIn
In unserer Branche gehören dazu si-
Jahre immer wichtiger geworden.
stark an Bedeutung gewonnen. Dort
cher die Kollegen wie der langjährige
habe ich zwar hunderte Kontakte, aber
Vorstandsvorsitzende des BVM (Berufs-
Wer oder was ist Ihr ganz persönliches
darunter sind sehr viele, mit denen ich
verband Deutscher Markt- und Sozial-
Auffangnetz?
selten zu tun habe. Die Plattformen ha-
forscher) Wolfgang Dittrich oder Hartmut
Mein Auffangnetz teilt sich klar in Fami-
ben also durchaus eine Merkfunktion.
Scheffler, Vorstand des ADM (Arbeitskreis
lie und Beruf. Für alle privaten Dinge sind
Gut finde ich die XING-Offline-Veran-
Deutscher Markt- und Sozialforschungs-
die Familie und gute Freunde mein Auf-
staltungen, zum Beispiel die Xing Rota-
institute). Mit dem Engagement in den
fangnetz. Und ich habe enge berufliche
ting Dinners hier in München, wenn wir
Verbänden und dem Organisieren der
Freundschaften, Menschen, mit denen
neue Mitarbeiter suchen. Das sind gute
branchenbezogenen
Veranstaltungen
ich meine und deren beruflichen An-
Gelegenheiten, potenzielle Mitarbeiter
tragen sie entscheidend dazu bei, den
liegen und Herausforderungen intensiv
sehr schnell persönlich kennenzulernen,
richtigen Rahmen zu setzen – und tra-
berate.
und das ist ein kreativer Weg neben der
gen so bei zu einer vernünftigen Balance
üblichen Strategie mit Stellenanzeigen
zwischen
beziehungsweise Headhuntern.
-gewinnung und der höchst individuellen
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Offline-Kontaktpflege
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
und
HAFNERS KOLUMNE
kaufrelevant war, wurde in
aufwendigen Tests heraus-
Hafners
Kolumne
gefunden und dann wurde
auf dieser Basis so lange
angeschrieben und beworben, bis jegliche Kaufverhaltensrelevanz verschwand.
Zu Tode kampagniert. Jajaja.
NeeNeeNee.
Das "Jajaja" und
"NeeNeeNee"
des Marketing –
zurück auf Feld
"EINS!"
VON PROF. DR. NILS HAFNER*
Und ein "böses" Wort brachte das dann
auch mit sich. "Hybrid" sei der Kunde
es heute möglich, das individuelle Kauf-
geworden. Das heißt so viel, wie wenn
und Informationsverhalten in Echtzeit
man seine Partnerschaft auf Facebook
zu analysieren. Das heißt aber, unsere
oder am Stammtisch oder im Day-Spa
Ziel"gruppe" hat sich tatsächlich auf-
als "kompliziert" bezeichnet. Jajaja. Nee-
gelöst. Sie ist neu: EINS! Das erfordert
NeeNee.
aber neue Fähigkeiten. Jajaja. NeeNeeNee. Die Frage ist: Wie kommt man
Einzelne Ansätze, beispielsweise die mik-
über die verschiedenen Touchpoints an
rogeografische Herangehensweise auf
die relevanten Kundendaten und was
der Basis von Adressen und detaillierten
mit einem zu teilen ist der Kunde bereit?
Informationen über das Wohngebiet,
Kürzlich haben wir in einem Whitepaper
Joseph Beuys hat einmal nach dem
führten zur langen Blütezeit des Direct-
(http://nilshafner.ch/pdf/122.pdf)
Besuch
dazu
ein
Marketing. Weil eben Menschen mit
sieben Methoden vorgestellt. Aber eben
60-minütiges Tondokument erstellt, auf
mehreren Gemeinsamkeiten auch in
– anstrengend wird es schon. Jajaja.
dem er nur seufzend und bedauernd
den gleichen Wohnquartieren wohnen.
NeeNeeNee.
"Jajaja" und "NeeNeeNee" sagt. So ähn-
Und da sind wir der Lösung ja schon et-
lich geht es mir dieser Tage, wenn ich mit
was auf die Spur gekommen: Je mehr
* Prof. Dr. Nils Hafner ist ein internatio-
Marketiers rede. "Wo finden wir unsere
Informationen und damit Gemeinsam-
naler Experte für den Aufbau profitabler
Zielgruppe?", "Unsere Zielgruppe funktio-
keiten ich über die Menschen heraus-
Kundenbeziehungen. Er ist Professor an
niert nicht mehr" oder "Unsere Zielgruppe
finde, speichere und wiederum zu Ver-
der Hochschule Luzern in der Schweiz
hat sich aufgelöst". Das sind die neuen
gleichszwecken heranziehe, desto mehr
und Alumnus der Studenteninitiative
"Jajaja" oder "NeeNeeNee" dieser Welt.
weiß ich auch über sie.
MTP. In seinem Blog "Hafner on CRM"
Dabei hat es nie eine Zielgruppe gege-
In Bezug auf die Kaufverhaltensrelevanz
santen, spannenden, skurrilen und lusti-
ben, Marketing hat es sich immer bloß
heißt das aber nichts anderes als das,
gen Seiten abzugewinnen.
hübsch einfach gemacht. Nach Ge-
was der Online-Händler Amazon.de seit
meinsamkeiten gesucht und meistens
mehreren Jahren bereits macht: Kauf-
auch gefunden. Inwieweit diese Ge-
informationen miteinander vergleichen
meinsamkeit,
einer
Beerdigungsfeier
versucht er dem Thema seine interes-
soziodemografisch,
und über alle Daten, die der Kunde uns
sozioökonomisch, psychografisch oder
ob
gibt, anreichern und wiederum mitein-
verhaltensbasiert, dann auch tatsächlich
ander vergleichen. Auf diese Weise ist
Ausgabe Nr. 7, Halbjahr 1/2013 – Das Magazin der GORDELIK AG
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VERNETZER
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