93.149 Beiheft-Text als

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Edvard Grieg: Konzert-Ouvertüre »Im Herbst« op. 11
Max Bruch: Violinkonzert Nr. 1 g-moll op. 26
Hermann Goetz: Violinkonzert G-Dur op. 22
Robert Volkmann: Ouvertüre zu Shakespeare’s »Richard III« op. 68
Während seines Aufenthaltes in Rom im Winter 1865/66 entwarf Edvard Grieg seine
Konzert-Ouvertüre »I Høst« (»Im Herbst«). Als er jedoch sein Werk dem
Komponisten Niels Wilhelm Gade vorzeigte, war dieser so unzufrieden, dass Grieg
seine Musik zunächst für Klavier vierhändig bearbeitete. Erst 1887 unternahm er
eine Neuinstrumentierung; in dieser Gestalt wurde das Werk am 29. August 1888 in
Birmingham uraufgeführt. »Im Herbst« ist in der üblichen Form einer KonzertOuvertüre verfasst (Sonatensatz mit langsamer Einleitung) und stellt die typischen
Herbststimmungen dar (Melancholie, Ernst, aber auch Freude durch Jagd und
Erntefest). Dem elegischen Thema der Einleitung (es wird auch beim Anfang der
Reprise sowie vor und in der Coda wiederkehren) folgt das heftig- energische
Hauptthema, das aus Griegs 1865 entstandenem Lied »Efteraarsstormen«
(»Herbststurm« op. 18/4, Text: Christian Richardt) stammt. Das Seitenthema bringt
eine Mischung aus dem variierten Motiv der Einleitung sowie einem Jagd-Thema.
Nach der Durchführung und Reprise erklingt in der Coda das Motiv eines
norwegischen Springtanzes, das Grieg aus einer kurz davor erschienenen VoksliedSammlung entnahm.
Aus dem umfangreichen Oeuvre von Max Bruch erlangte eigentlich nur sein
Violinkonzert g-moll (1864-66) einen bleibenden Ruhm – doch diese Popularität ist
nicht zufällig, denn das Konzert ist das Meisterwerk des nicht einmal 30-jährigen
Komponisten. Joseph Joachim, dem Bruch sein Werk widmete, bezeichnete es
neben den Konzerten von Beethoven, Mendelssohn und Brahms als »das reichste,
das bezauberndste«. In der Tat wurzelt das g-moll-Konzert im Vorbild Beethovens
und Mendelssohns, antizipiert aber auch das 12 Jahre später entstandene
Violinkonzert von Brahms. Bruchs eigene kompositorische Persönlichkeit zeigt sich
wiederum nicht nur in der dramatischen Invention, sondern auch im Formaufbau
der einzelnen Sätze. So verzichtet er im I. Satz auf das traditionelle EröffnungssatzModell eines Solokonzertes (Sonatenform mit einer orchestralen und danach einer
Solo- Exposition) und lässt von Anfang an das Soloinstrument dominieren, jedoch
nicht durch virtuose »Leerläufe«, sondern durch bewusste Klangeffekt-Kontraste.
Mit einem Pianissimo- Motiv der Streicher führt dieser Satz ins »Kernstück « des
Werkes, nämlich in den berühmten langsamen Satz, dessen Themen durch intensivgefühlvollen Ausdruck einnehmen. Das Hauptthema des Finales ist eine
schwungvolle Melodie von »zigeunerhaftem« Temperament; ungewöhnlicherweise
erscheint das weitbogige zweite Thema zunächst im Orchester. Der Satz strahlt eine
motivische und rhythmische Spannung aus, die den Schlusssatz von Brahms‘
Violinkonzert vorausahnen lässt.
Der 1840 in Königsberg geborene Hermann Goetz verbrachte nach seinen
Musikstudien in Berlin die letzten 13 Jahre seines kurzen Lebens in Winterthur bzw.
Zürich. Aus dieser Zeit stammt sein Violinkonzert (1868), das aber erst 1880, vier
Jahre nach dem Tode des Komponisten, im Druck erschien. Das einsätzige Werk
gliedert sich in drei Abschnitte, welche die Elemente des dreiteiligen Konzertmodells
(schnell – langsam – schnell) mit demjenigen eines Sonatensatzes vereinen. Der
erste Abschnitt (Allegro vivace, G-Dur) dient als Exposition mit einem Hauptthema,
das den ganzen Teil bestimmt, denn auch das zweite Thema ist eine Variante von
ihm. Der mittlere Abschnitt (Andante, B-Dur) klingt scheinbar neu, lässt aber
durchaus das Hauptthema assoziieren und verbindet dadurch die Funktion einer
»Durchführung« mit derjenigen eines langsamen Satzes. Ein kurzes, recitativoähnliches Violinsolo führt in die Reprise (Tempo des ersten Satzes, GDur); hier darf
der Solist, dessen Partie bisher eher durch empfindsam-lyrische als virtuose Züge
geprägt wurde, sein Können endlich in einer langen Kadenz sowie danach in einer
wirkungsvollen Coda (Vivace scherzando) zeigen.
Obwohl Robert Volkmann mehr als 40 Jahre lang in Pest (Ungarn) lebte und dort als
anerkannter Komponist und Musiklehrer galt, betrachtete er sich stets als deutschen
Komponisten. Seine persönlichen Bekanntschaften mit Mendelssohn, Schumann,
Brahms und Liszt haben seine musikalische Sprache geprägt: so wird in seiner 1870
entstandenen Ouvertüre zu Shakespeare’s Drama »Richard III« die Gattung der
Ouvertüre durch das Programm einer sinfonischen Dichtung bereichert. Nach einem
kurzen, düsteren »Largo« werden im »Andante« (= langsame Einleitung) die beiden
wichtigen Themen vorgestellt: es sind das »Schreckensthema « von Richard und
das seufzende Motiv der Leidenden. Im »Allegro«-Teil prallen diese Themen
aufeinander, bis die Befreiung kommt, verkörpert durch das altschottische
Kriegslied »The Campbells are comin‘«. Die darauf folgende, illustrative
Schlachtszene mündet in tiefe Stille (Richards Tod); danach verkündigen die
jubelnden Fanfaren den Frieden, bis in der Coda das Klagemotiv der Leidenden eine
verklärte Dur-Gestalt erfährt.
Éva Pintér
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