HANS WAGNER DIE WÜRDE DES MENSCHEN

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HANS WAGNER
DIE WÜRDE DES MENSCHEN
HANS WAGNER
Gesammelte Schriften
Herausgegeben von
Reinhold Aschenberg
Bernward Grünewald
Stephan Nachtsheim
Hariolf Oberer
HANS WAGNER
Gesammelte Schriften
Band 2
DIE WÜRDE DES MENSCHEN
Wesen und Normfunktion
Herausgegeben von
Stephan Nachtsheim
2014
Ferdinand Schöningh
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
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Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk sowie einzelne Teile desselben sind urheberrechtlich
geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ist ohne vorherige
schriftliche Zustimmung des Verlags nicht zulässig.
© 2014 Ferdinand Schöningh, Paderborn
(Verlag Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Jühenplatz 1, D-33098 Paderborn)
Internet: www.schoeningh.de
Einbandgestaltung: Anna Braungart, Tübingen
Printed in Germany
Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co. KG, Paderborn
ISBN 978-3-506-77878-9
Zur Neuausgabe von Hans Wagners
Die Würde des Menschen
Die Würde des Menschen. Wesen und Normfunktion, das letzte große Werk
Hans Wagners, hat, wie er selbst in seinem Vorwort schreibt, eine längere
Entstehungsgeschichte, die sich von 1978 bis 1989 erstreckt. Hauptgrund
dafür ist die Tatsache, daß die Arbeit am Manuskript fast 7 Jahre lang ausgesetzt werden mußte. Nach Auskunft des Vorworts begann die Niederschrift im Frühjahr 1978; Anfang 1981 wurde sie bis September 1987 unterbrochen. Wagner hat dann die Arbeit wiederaufgenommen und sie im
Februar 1991 vollendet.
Im Handexemplar des Autors befindet sich ein eingeklebter Zettel, auf
dem für einige Teile der Abschluß recht präzise vermerkt ist. Die Termine
sind für § 1: 2.6.78; § 3: 25.6.79; § 9: 28.1.80; § 14: Anfang 1981; § 15:
4.11.87; § 17: August 1989; § 18: 5.3.91. Demnach hat Wagner an § 18 noch
nach Abschluß des Vorworts, der auf den Herbst 1990 datiert ist, gearbeitet. Der Verlagsvertrag wurde am 20./24. Aug. 1991 abgeschlossen. Als Datum des Eingangs der Freiexemplare ist auf der Innenseite des Umschlags
des Handexemplars der 24.8.1992 vermerkt.
Das erwähnte Blatt ist freilich nicht nur für die Entstehungsgeschichte
des Werkes von Interesse, sondern auch mit Hinblick auf die jüngere Geschichte des Philosophischen Seminars der Universität Bonn. Denn es sind
auf ihm noch „Drei Kollegenstreiche, die in die Entstehungszeit fallen“,
vermerkt und genauer beschrieben. Diese sind hier nicht darzustellen. Teils
sind sie erfolglos geblieben, teils aber bestand ihr „Erfolg“ darin, daß dem
Seminar u. a. eine Stelle verlorengegangen ist.
Der in diesem Band 2 der Gesammelten Schriften von Hans Wagner vorgelegte Text folgt der ersten Auflage von 1992. Im Handexemplar des Autors fanden sich Corrigenda, teils auf einem eingelegten Blatt notiert, teils
in die Seiten des Buchs von ihm eingetragen. Diese sind in der vorliegenden Ausgabe selbstverständlich berücksichtigt. Darüber hinaus wurden zusätzliche Druckfehler stillschweigend korrigiert. Die die für Wagners Stil
charakteristischen Schreibweisen (z. B. „woimmer“, „nocheinmal“) wurden
beibehalten. Die Verweise auf Philosophie und Reflexion konnten unverändert übernommen werden, da in Band 1 der Gesammelten Schriften die Seitenzählung der vom Autor zugrundegelegten Ausgabe mitgeteilt wird.
Hans Wagner hat das Buch nicht speziell für philosophische Fachgenossen, sondern für ein breiteres Publikum geschrieben. Daher hat er mit
vollem Bedacht auf den üblichen akademischen Apparat wie Referenzen
weitestgehend und auf ein Literaturverzeichnis völlig verzichtet (vgl. das
Vorwort, S. 6). Der Herausgeber hat es für untunlich gehalten, die entsprechenden Belege zu ergänzen und damit die Intentionen des Verfassers zu
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ZU DIESER AUSGABE
unterlaufen. Für diese Ausgabe wurde lediglich ein Namenregister hinzugefügt, um das Buch für den Leser bequemer benutzbar zu machen. Solcher Benutzbarkeit dient auch Wagners ausführliches Inhaltsverzeichnis
(S. 9-20). Es läßt das Fehlen eines (nicht mechanischen, sondern sinnvoll
angelegten) Sachregisters leicht verschmerzen.
Der Herausgeber dankt dem Verlag Ferdinand Schöningh erneut für die
Aufnahme der Gesammelten Schriften Hans Wagners in sein Programm
und Frau Alexandra Wagner für die Druckerlaubnis und die Überlassung
des Handexemplars. Herrn Dr. Hariolf Oberer verdankt er wertvolle Hinweise zum Text. Den Herren Dr. Reinhold Aschenberg und Johannes Bönisch ist er für ihre Hilfe beim Korrekturlesen zu Dank verpflichtet.
*
*
*
Das Thema der Menschenwürde war ein Anliegen, das Wagner offenbar bereits seit langem bewegt hatte; und, wie es scheint, ist der Plan zu Die
Würde des Menschen über längere Zeit gereift. Denn bereits in einem noch
unveröffentlichten Vortrag über The Present State of Philosophy*, den Wagner 1968/69 während seiner Gastprofessur an der Yale University gehalten
hat, finden sich deutliche Spuren einer Beschäftigung mit Grundgedanken,
die – in nun wesentlich aktualisierter und inhaltlich entfalteter Form – in
dem hier vorliegenden Text ausführlich zur Sprache kommen. Daher kann
dieser Vortrag in Teilen als eine Art Programm für das Buch über die Würde des Menschen gelten. Der Verfasser diagnostiziert darin die Erschütterungen, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts die Überzeugungen vom
Wesen und von der Würde des Menschen und von der Gültigkeit der Werte
der Kultur erfahren haben. Es sind Erschütterungen durch wissenschaftliche Entwicklungen wie Evolutionstheorie, Ethnologie, Kulturgeographie,
vergleichende Anthropologie usf., aber auch seitens der Politik. Die wissenschaftliche Erkenntnis hat demnach zur Einsicht in die Bedingtheit des
Menschen, seines Denkens, seiner Kultur, seiner Werte geführt ironischerweise nicht ohne daß die Wissenschaft sich dabei selbst (z. B.
von der Wissenssoziologie) über ihre eigene Bedingtheit hat belehren lassen müssen. Diese Einsichten seien vom gebildeten Publikum übernommen worden, aber zugleich habe man die traditionellen Standards zu bewahren gesucht. Die herrschenden Philosopheme aber, insbesondere Positivismus, Neopositivismus, positivistische Logik, Sprachanalyse und Wissenschaftstheorie hätten sich, trotz ihrer von Wagner vorbehaltlos anerkannten Errungenschaften (besonders auf dem Feld der Logik), als unfähig
erwiesen, ihre eigenen Geltungsansprüche zu begründen, geschweige denn,
daß sie geeignet wären, die drängenden Gegenwartsfragen, die im Problem
*
Der Text wird in Band 6 der Gesammelten Schriften erscheinen.
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
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der Würde des Menschen zusammenlaufen, zu bearbeiten und weiterzuführen.
Wagner stellt angesichts dieser Lage der Philosophie für das letzte Drittel des 20. Jahrhunderts die Aufgabe, zu prüfen, welche der traditionellen
Überzeugungen (darunter die von der einzigartigen Würde des Menschen)
überhaupt noch haltbar sind und wie man angesichts der Einsichten der
empirischen Wissenschaften in die mannigfache Bedingtheit des Menschen
solche Überzeugungen begründen kann. Sie allein könne ihrem Begriff
nach die Probleme lösen, die Wert und Würde des Menschen und die Geltung der menschlichen Kultur betreffen. Und bereits 1968/69 schrieb er,
wie wiederum im vorliegenden Buch, die Philosophie dürfe sich nicht der
Selbsttäuschung hingeben, in Kultur und Gesellschaft der Gegenwart sei
im Prinzip alles in Ordnung und also könne man sich auf die internen
Probleme der Philosophie beschränken.
Die Diagnosen im vorliegenden Buch sind sehr viel eingehender als die
des Vortrags, aber in dem grundlegenden Befund doch recht ähnlich:
Durch die Entwicklung in den Wissenschaften wie auch in der Philosophie
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts und durch deren Wirkung auf das öffentliche Bewußtsein ist die Beschwörung der Würde des Menschen hohl
und deren Grundlage fragwürdig geworden. Und die Gegenwartslage ist
von einer doppelten Diskrepanz gekennzeichnet. Die erste besteht zwischen der feierlichen Beschwörung der Menschenwürde und der Menschenrechte auf der einen und deren ständigen Mißachtung auf der anderen. Die zweite geht unmittelbar die Philosophie selbst an. Sie ist besteht
in dem Mißverhältnis zwischen der (auch philosophischen) Rede von der
unantastbaren Würde des Menschen einerseits und der Unfähigkeit der gegenwärtig tonangebenden Richtungen der Philosophie sowie mancher sich
selbst als eine Art Philosophie mißverstehender empirischer Wissenschaften, den Begriff der Menschenwürde befriedigend zu begründen. Diese
letztere Unfähigkeit aber hängt mit der erstgenannten Diskrepanz so zusammen, daß sie der Mißachtung der Menschenwürde, gewollt oder ungewollt, Vorschub leistet. Vor allem das heute die Philosophie beherrschende
empiristische Grundlegungsverständnis muß den Menschen auf das reduzieren, was er als Objekt der empirischen Wissenschaften ist: eine „Bagatelle im All“ (S. 11).
Andererseits hält es Wagner jedoch für die spezifische und unabweisbare
Aufgabe der Philosophie, diesem Mißstand abzuhelfen und den verpflichtenden Charakter der Idee der Menschenwürde überzeugend zu begründen. Er bleibt dabei realistisch genug, nicht zu erwarten, Philosophie könne die Achtung der weithin mißachteten Menschenwürde unmittelbar bewirken. Gleichwohl traut er der Philosophie „im Klima postmodernen
Achselzuckens“ noch etwas zu, wie es in einer Rezension der ersten Aufla-
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ZU DIESER AUSGABE
ge (von Oliver R. Scholz)* heißt: eine solide und beweiskräftige systematische Fundierung des Begriffs der Menschenwürde zu geben und auf diese
Weise deren Achtung zwar nicht herbeizuführen, aber doch die unverzichtbare Voraussetzung und förderliche Bedingungen dafür zu schaffen.
Dafür, daß die Philosophie auf diese Weise indirekt wirksam zu werden
vermag, kann Wagner auf das Beispiel der Toleranzschrift Lockes verweisen
(S. 49).
Die Aufgabe aber erfordert nach Wagners Auffassung von systematischer Philosophie an erster Stelle die Freilegung eines tragfähigen Grundes
für alles Wissen, das philosophische eingeschlossen; und nur auf dem Fundament einer befriedigenden Erkenntnisbegründung lassen sich auch die
philosophischen Probleme bearbeiten, die den Menschen in seiner Würde
betreffen. Daß nun genau an diesem Punkt die neoempiristischen Philosopheme ihre empfindlichste Schwäche haben, zeigt Wagner in eindringlichen
kritischen Analysen. Schon aus diesem Grund sind sie nach seiner Einschätzung nicht geeignet, wirklich Wesentliches zu einer befriedigenden
Begründung der Menschenwürde (und der Menschenrechte) beizutragen.
Sie sind dazu ebensowenig in der Lage wie die empirischen Wissenschaften.
Letztere kann man dafür allerdings nur dann kritisieren, wenn sie etwa für
sich in Anspruch nehmen, mit ihren Methoden hinsichtlich der Frage der
Würde triftige Aussagen machen zu können; denn sie sind dann sich selbst
verkennende Grenzüberschreitungen (historischer Relativismus, Soziologismus, Biologismus u. dgl.). Methodenadäquat kann der Mensch in empirischen Wissenschaften stets nur als Weltstück unter Weltstücken und damit als durchgehend bedingt thematisch werden.
Anders in der Philosophie. So sehr Wagner auch hier die Verdienste des
Empirismus, des logischen Positivismus, der Sprachanalyse und Wissenschaftstheorie würdigt, muß er andererseits doch darauf hinweisen, daß
diese Theorien jene im 19. Jahrhundert begonnene Entwicklung konsequent fortsetzen, die es unmöglich zu machen scheint, daß man dem Menschen eine unbedingte Würde zusprechen kann. Der empiristische „Grundlegungsrahmen“ verhindert nicht nur eine überzeugende Grundlegung der
Gültigkeit des Wissens, die die betreffenden Philosopheme nicht zuletzt
auch für sich selbst voraussetzen müssen. Er hat – und dies gerade auch
und bereits in der Theoretischen Philosophie – mißliche Folgen für die
Letztbegründung praktischer Geltung und daher auch für die definitive
Begründung des Begriffs der Würde. Wagner setzt dem eine nichtempiristische Prinzipientheorie entgegen, die sich an der Idee der Letztbegründung orientiert und die er in Philosophie und Reflexion entwickelt hatte. – Es wird in den kritischen Partien erkennbar, wie intensiv er sich in der
*
Siehe das Verzeichnis der Rezensionen im Anhang, S. 580.
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
IX
Zwischenzeit weiterhin mit dem logischen Positivismus, der Sprachanalyse
und der Wissenschaftstheorie auseinandergesetzt hatte.*
Nicht bloß sieht der Autor in der Theoretischen Philosophie die für alle
systematische Philosophie grundlegende Disziplin, weil dort die philosophische Erkenntnis ebenso sich selbst wie das außerphilosophische Wissen
auszuweisen und insofern für alle weiteren Disziplinen den Grund zu legen
hat.** Und nicht allein lassen sich nach seiner Einschätzung mithin auch jene Probleme, die den Menschen in seiner Würde betreffen, nur auf dem
Boden einer wirklich hinlänglichen (transzendentalphilosophischen) Erkenntnisbegründung bearbeiten. Sondern vor allem macht es auch die Eigenart seines Konzepts der Menschenwürde aus, daß er dessen Begründung und systematische Behandlung nicht erst in der Praktischen Philosophie beginnen läßt, sondern dafür auf die Logik und Erkenntnistheorie zurückgeht. Die Verankerung der Idee der Würde in der Theoretischen Philosophie dürfte einzigartig und für manche Leser eher unerwartet sein.
Und doch entspricht sie ganz Wagners Auffassung von der absoluten Begründungsaufgabe der Philosophie. Eine Andeutung dieses Gedankens
findet sich bereits in einem Vortrag aus dem Jahr 1957.***
Das Prinzip, an dem dabei alles hängt, ist dasjenige der Geltungsdifferenz des Erkenntnisgehalts, also dessen Eigenschaft, wahr oder unwahr
bzw. formal richtig oder falsch sein zu können. Dieses Prinzip nämlich
führt auf einen begründeten Begriff des Menschen als eines Subjekts, an
den Wagner wiederum die Idee der Würde anschließt. Sein Subjektscharakter ist es, der es verbietet, den Menschen auf dasjenige zu reduzieren,
als was ihn die empirischen Wissenschaften zeigen, nämlich als ein Weltstück mit seiner mannigfaltigen Bedingtheit - obwohl er genau dieses
grundsätzlich immer auch ist.
Die Analyse des Denkens und Erkennens erweist die Geltungsdifferenz
als ein von aller denkbaren Seinsdifferenz unterschiedenes ideales Moment,
das sich auch in keiner Weise auf Tatsachendifferenzen zurückführen läßt.
Da nun der Erkennende geltungsdifferente Gehalte produziert, darüber
hinaus auf diese Gehalte in ihrer Geltungsdifferenz zu reflektieren und
nach den Gründen für ihre mögliche Gültigkeit zu fragen vermag, zeigt
sich im Ganzen des Wesens des Menschen eine nicht mehr empirische,
*
Diese Auseinandersetzung dokumentierte sich bis dahin hauptsächlich in der Abhandlung Ein blinder Fleck im Empirismus und ein Einfall Kants, in: Hans Wagner, Kritische
Philosophie, hrsg. v. K. Bärthlein u. W. Flach, Würzburg 1980 (im Folgenden: KP),
S. 302-312 (ursprünglich in: Sinnlichkeit und Verstand in der deutschen und französischen
Philosophie von Descartes bis Hegel, hrsg. von Hans Wagner, Bonn 1976, S. 151-166); darin hat Wagner vor allem seine Auffassung zum sog. Basisproblem darlegt.
**
Vgl. Philosophie und Reflexion, Bd. 1 der Gesammelten Schriften, Paderborn, München,
Wien, Zürich 2013; ferner: Das Problem der Reihenfolge in der Lösung philosophischer Aufgaben (Vortrag aus dem Jahr 1963), in: KP, S. 16-21.
***
Aus der Geschichte des Begriffs der sittlichen Freiheit, in: KP, S. 272-278.
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sondern ideale Dimension, die der objektivierenden Perspektive der Wissenschaften auf den Menschen notwendigerweise verborgen bleibt. Der
Mensch ist nicht bloßes Welt- oder Naturstück und Objekt der Erfahrungswissenschaft, sondern zugleich Subjekt allen möglichen Wissens, das
erfahrungswissenschaftliche eingeschlossen. Er ist als Subjekt Urheber
auch jenes Wissens, das uns über seine Bedingtheiten aufklärt. So führt
nicht zuletzt der Geltungsanspruch der empirischen Wissenschaften selber
die geltungsreflexive Philosophie auf einen nichtempirischen Begriff vom
Subjektscharakter des Menschen. Weit entfernt von jeder dualistischen Metaphysik des Menschen wird hier von ihm ein Zusammen zweier Dimensionen behauptet: in seiner Konkretheit und Bedingtheit, die ihm als Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis zukommen, ist er als Subjekt solcher
Erkenntnis zugleich unbedingt. In ihm sind Faktizität und Prinzipienfunktion vereint.* Und es ist der Begriff der Geltungsdifferenz, der die Bedingtheit des Menschen wie dessen Unbedingtheit involviert. Der Begriff
des Menschen als Subjekts ist dann grundlegend für alle weiteren Erörterungen, die den Begriff seiner Würde betreffen.
In der Theoretischen Philosophie können und müssen mithin die grundlegendsten Bestimmungsstücke des Subjektsbegriffs erarbeitet werden.
Wird dieses versäumt, bleibt der Subjektsbegriff auch in den übrigen Problemfeldern der Philosophie notwendigerweise unbestimmt. Andererseits
läßt sich der volle Begriff des Subjekts erst im Durchgang durch die der
systematischen Ordnung nach folgenden Disziplinen (in erster Linie: die
Praktische Philosophie und die Ästhetik) entwickeln. Deswegen ist ein
zweiter (nicht ganz so umfangreicher) Teil des Werkes der Praktischen Philosophie gewidmet.
Doch zuvor mündet die erkenntnistheoretische Grundlegung in drei Paragraphen, die den bis dahin erarbeiteten Begriff der Würde des Menschen
auf Fragen der Kultur und der Gegenwartslage anwenden. Sie enthalten eine eingehende kritische Prüfung jener Instanzen, die in erster Linie auf die
Idee der Wahrheit bezogen sind: der Wissenschaften und des Alltagsbewußtseins, des Bildungswesens und der Sphäre der öffentlichen Meinung.
Indem Wagner aus seinem spezifischen Begriff der Menschenwürde sehr
konkrete Konsequenzen entwickelt, wird deutlich, daß seine Theorie den
Anspruch einzulösen vermag, mit dem sie angetreten ist: für die Bewältigung drängender Gegenwartsprobleme Orientierung zu bieten.
*
Erstmals systematisch ausgearbeitet ist dieser Subjektsbegriff in Philosophie und Reflexion. – Vgl. zu Wagners Subjektsbegriff neuerdings Reinhold Aschenberg, Geltung der
Subjektivität. Über zentrale Motive der Philosophie von Hans Wagner, in: Wiener Jahrbuch
für Philosophie 30 (1998), S. 215-236; Bernward Grünewald: Zu der Neuausgabe von
Hans Wagners Philosophie und Reflexion, in: Hans Wagner, Gesammelte Schriften Bd. 1,
Paderborn, München, Wien, Zürich 2013, S. XI-XXVIII.
EINLEITUNG DES HERAUSGEBERS
XI
Man kann also mit Recht sagen*, daß dieses Buch, das in vielen Dingen
Kant verpflichtet ist, auch darin sich an Kant orientiert, daß es in hervorragender Weise Philosophie nach ihrem Schulbegriff wie nach ihrem Weltbegriff repräsentiert. Eine Philosophie, die ihre prinzipientheoretischen
Probleme gründlich bearbeitet und sich dadurch befähigt, den Begriff der
Menschenwürde zu begründen, findet Anwendung auf jene jeden Menschen angehenden Probleme, die in diesem Begriff zusammenlaufen; gerade die systematische Behandlung der prinzipientheoretischen Probleme in
der „Schule“ macht die Philosophie brauchbar für die „Welt“, d. h. fähig,
etwas Triftiges zu sagen zu dem, was den Menschen notwendig interessiert.
Die weitere Ausarbeitung des Subjektsbegriffs, und, damit einhergehend, des Begriffs der Menschenwürde, kommt dem Teil über die Praktische Philosophie zu. Dieser setzt, dem Vorgehen im Teil über die Logik
und die Erkenntnistheorie korrespondierend, ein mit einer Kritik des Moralempirismus, speziell des Utilitarismus und seiner Grundsätze. Diese
Kritik ergibt, daß der Moralempirismus dem Subjektscharakter des Menschen ebensowenig gerecht wird wie der Empirismus in der Theoretischen
Philosophie. Der Autor setzt dem Moralempirismus eine an Kants Grundsätzen orientierte „empirismuskritische Moralphilosophie“ entgegen.**
Und gegen den Rechtspositivismus bringt er die (apriorische) Idee des
Rechts zur Geltung.
Auch im Praxis-Teil findet sich der Doppelaspekt wieder, der mit dem
Kantischen Begriffspaar „Schulbegriff“ und „Weltbegriff“ umschrieben
wurde. Und wiederum gibt der Autor eine sehr weit in die konkreten Umstände der Gegenwart eindringende Zeitkritik. Sie betrifft, auf der Basis
des in der Praktischen Philosophie weiterentwickelten Begriffs der Menschenwürde, ein ganzes Spektrum weitreichender Konsequenzen mit Hinblick auf den aktuellen Zustand der Gesellschaft, was Moral, Recht, Politik
und Erziehung angeht. Die Leistungsfähigkeit von Wagners Konzeption
erweist sich hier auch für die Felder des Praktischen.
War die Wirkung von Philosophie und Reflexion anscheinend hinter seinen Erwartungen zurückgeblieben***, so wird Wagner sich vom unmittelbaren Einfluß des Würde-Buches nicht allzuviel versprochen haben, schon
*
So Bernward Grünewald in der bislang erhellendsten Würdigung: Hans Wagner – Prinzipientheorie und Menschenwürde, in: Wiener Jahrbuch für Philosophie 37 (2005), S. 175185.
**
Vgl. Die vier großen Probleme Immanuel Kants: Wissen – Sittlichkeit – Recht – Religion
(Vortrag 1978), in KP S. 290-301; Kants kulturkritische Bedeutung heute, in: KP, S. 329338 (ursprünglich in: Kultur und Politik im Spannungsfeld der Geschichte. FS H. J. von
Merkatz, hrsg. v. P. P. Nahm, Bielefeld 1975, S. 35-47); Moralität und Religion bei Kant,
in: KP, S. 339-348 (ursprünglich in: Zeitschrift für philosophische Forschung 29, 1975, S.
507-520). Diese Arbeiten werden in Band 5 der Gesammelten Schriften erneut abgedruckt.
***
Siehe das Vorwort zur zweiten Auflage, a. a. O., S. 3; ferner: Bernward Grünewald in seiner Einleitung Zu der Neuausgabe von Hans Wagners Philosophie und Reflexion, a. a. O., S.
XXIV.
XII
ZU DIESER AUSGABE
gar nicht damit gerechnet haben, er werde mit seiner Theorie der Menschenwürde offene Türen einrennen. Bereits seine Analyse des philosophischen wie des außerphilosophischen Zeitgeistes hat solche Hoffnungen gar
nicht erst aufkommen lassen. Entsprechend vorsichtig hat er denn auch
seine Erwartungen formuliert. Bislang hat Hans Wagner damit wohl Recht
behalten. Zwar gab es ausschließlich positive bis höchste Anerkennung
ausdrückende Rezensionen. Und Vertreter der zeitgenössischen Transzendentalphilosophie (z. B. R. Aschenberg, R. Breil, Ch. Krijnen) haben Gedanken Wagners aufgegriffen und teilweise weiterentwickelt. Doch in der
neueren thematischen Literatur über Menschenwürde bzw. Menschenrechte scheint das Buch sehr tiefe Spuren nicht hinterlassen zu haben.* Das ist
allerdings nicht besonders verwunderlich. Denn zu dem, was man das
„Umfeld“ nennt, ist Wagners Buch erklärtermaßen alles andere als „kompatibel“ – es nimmt sich, wie der bereits genannte Rezensent bemerkt, in diesem vielleicht „sonderbar“ aus.
Doch angesichts der Denkvergessenheit dieses Umfelds kann das auch
anders kaum sein. Wo Philosophie auf Philosophiehistorie reduziert oder
gar als hochgestochener Journalismus verstanden wird, ist Umdenken erforderlich. Darum ist Die Würde des Menschen in der Tat ein dieses Umfeld
aufrüttelndes und daher dringend nötiges Buch.
Stephan Nachtsheim
*
Allerdings liegt ein kurzer Teilabdruck vor in: Franz Josef Wetz (Hrsg.), Texte zur Menschenwürde, Stuttgart 2011, S. 238-241. – Wagners Konzept der Person und dessen Stellung in der gegenwärtigen Diskussion (neben denjenigen von Th. Nagel, E. Tugendhat
und U. Pothast) wird eingehender behandelt in Michael Murrmann-Kahl, „Mysterium trinitatis“, Berlin 1997, Teil III: „Person“ - zur Strittigkeit eines Begriffs, dort besonders S.
295-301.
Vorwort
Nochmals wieder, in diesem Jahrhundert, haben Menschen Menschen
Fürchterliches angetan, leiden vor unseren Augen Menschen Schreckliches
und erleiden menschengemachte Pein und Not; entsetzt fragen wir: wie
lange noch? – Gleichzeitig rühmen, bei hohen Anlässen zumal, unsere
ehrwürdigsten Institutionen und viele unserer Häuptlinge in der weiten
Welt die einmalige Würde des Menschen und bekennen ihre und unser aller Verpflichtung zu deren Wahrung immer und überall; da fordern sie
auch die weltweite Beachtung der in dieser Menschenwürde moralisch begründeten Menschenrechte. — Niemand weiß, wie die Menschheitsgeschichte in den nächsten hundert Jahren verlaufen wird: nochmals wieder
kann Fürchterliches geschehen, menschengemacht und naturbewirkt; es
kann auch für Menschenmassen zu Besserem kommen, wie da und dort
und zuweilen sich ein Hoffnungsschimmer zeigt.
In der Philosophie gibt es in dieser Zeit eine große Sorge: Wieviel sind
die mannigfachen Berufungen auf die Menschenwürde wert? Darf man sich
von ihnen eine Wendung zu einer selbstkritischen Besinnung und zu einem
menschenwürdigen Verhalten der Menschen und menschlichen Mächte im
Umgang miteinander erwarten? Die Philosophie kann sich der Erkenntnis
nicht entziehen, daß das zeitgenössische Denken in den Wissenschaften
und im öffentlichen Alltagsbewußtsein nichts anzugeben wüßte, wenn es
die Lobreden auf die einmalige Würde des Menschen in der Welt einmal
wahrhaft begründen müßte; die Wissenschaften und das, wie man sagt, wissenschaftlich aufgeklärte öffentliche Bewußtsein haben im Gegenteil heute
einen Begriff vom Menschen, der diesen so sehr in das physische und psychische System des (höheren) tierischen Lebens einschließt, daß ein etwa
wirklich spezifisches Menschliches ausgeschlossen bleiben muß, welches in
Einmaligkeit allem sonstigen Lebendigen gegenüber dem Menschen solche
Würde verleihen könnte: so scheint jeder Rede davon einfach die wissenschaftliche Basis entzogen zu sein. – Dann aber braucht es nicht zu verwundern, wenn alle Lobrede den faktischen Mißachtungen und Verletzungen dieser Menschenwürde nicht zu wehren vermag: wo sich für ein (ohnehin nicht immer willkommenes) moralisches Gebot und Verbot nicht
eine einleuchtende Begründung (mehr) finden läßt, da beruhigt sich das
Gewissen über Verletzungen leicht. – Wenigstens diese eine Folgerung also
sollte die Philosophie für sich selber ziehen: dem Reden von der Menschenwürde dadurch nach Möglichkeit zur dringlich erwünschten Wirkung
zu verhelfen, daß sie den Wissenschaften und dem öffentlichen Bewußtsein von heute erklärt, daß dem Menschen einmalige Würde tatsächlich eigen ist, worin sie besteht, wie sie bewiesen werden kann, und daß sie dann,
diese Menschenwürde als verpflichtende Norm fassend, die Forderungen zusammenstellt, die sich, als Folgerungen aus dieser Menschenwürde, für die
2
VORWORT
verschiedenen Bereiche des menschlichen Verhaltens und Handelns (des
individuellen und kollektiven, privaten und öffentlichen) ergeben.
Diese (Doppel-)Aufgabe ist nicht ganz leicht, aber die Philosophie darf
sich ihr nicht entziehen wollen. Dies umso weniger, als wir einer Zeit entgegengehen, die nach vielartigen Anfängen zu gewaltigen Umbrüchen,
Einbrüchen, Umschichtungen in allerlei Lebensbereichen führen wird. Da
wird es auch im wissenschaftlichen und im außerwissenschaftlich-ideologischen Bewußtsein zu Unsicherheiten, Verwirrungen, versuchten Neuansätzen kommen. Im Gedanken an dies Zukünftige muß die Philosophie
schon jetzt eine Aufgabe anpacken: einerseits dafür sorgen, daß im künftigen Gewoge der Umbrüche und Umschichtungen das für die Menschheit
Unaufgebbare, zu menschlichem Überleben Unerläßliche nicht verloren
geht, andrerseits die Neuformung dessen in Angriff nehmen, was aus dem
Bisherigen für die Zukunft brauchbar erscheint, so daß die eine Zukunft
gestaltende neue Gedankenwelt in überzeugender Form für genügend viele
Leute bereitgestellt sein wird. – Zur Erfüllung dieses Aufgabenkomplexes
will dieses Buch beitragen. –
Es hat sich in der Geschichte mehrmals zugetragen, daß sich Gruppen
unglücklicher Menschen (Sklaven etwa, Bauern, Fabrikarbeiter) gegen ihr
Los erhoben (meist mit einem Ausgang in Blut und Tränen); heutzutage
tut sich etwas, was man wohl als ein qualitativ Neues betrachten muß:
nicht etwa nur auf breiter Front und mit drängenden Gebärden, sondern
wie auf einen gemeinsamen Entschluß hin haben die Leute angefangen sich
prinzipiell zu rühren und zu Wort zu melden, so gut wie zu allen Dingen
Stellung nehmend, die sie betreffen und von denen sie sich betroffen fühlen: in ihren staatlichen, wirtschaftlichen, kirchlichen (religiösen) Institutionen. Zuweilen bleiben sie dabei (noch?) rational und diszipliniert, zuweilen aber sind sie in ihren Äußerungen und Zielsetzungen schon ziemlich ungeduldig und radikal (niemand kann sagen, wie sie sich benehmen
würden, wenn sich einmal eine geschickte und gut bestückte Macht führend an die Spitze setzen wollte). Noch gelingt es den politischen und
wirtschaftlichen Großmächten unserer gegenwärtigen Welt, große und
großflächige Rebellionen und Revolutionen zu unterbinden, Welt und
Menschheit davor zu bewahren. Aber wie lange noch? – Betonklötze und
Betonköpfe bleiben lange, wie sie sind. Man kann aber heute niemandem
mehr dazu raten, sein Vertrauen allzusehr auf die altliberale Parole der sog.
Flickwerk-Politik (patchwork policy) zu setzen, d. h. zu glauben, man
werde Meister der großen Probleme bleiben können, wenn man lediglich
für die jeweils gerade virulent gewordenen Probleme das auf eben diese zurecht gerichtete Heilverfahren anlaufen lasse (und so werde sich in jeder
Lage auch die nötige Aushilfe finden, um das favorisierte große Ganze
immer gut und resistent zu konservieren). Aber eben, wie die einen konservieren wollen, laufen die anderen Sturm. Und wenn für jene der Sieg
vielleicht schon verloren ist, so macht – im weltweiten Spektrum – der
VORWORT
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Sturmlauf der anderen Sorge genug: daß sie nicht etwa einfach ob so oder
so ihren Sieg erringen, sondern schließlich dank Verstand und Selbstkontrolle ein brauchbares und akzeptables Neues in unserer Welt heraufführen.
Dazu aber braucht es allem voran den verläßlichen Entwurf einer Menge
neuer oder neugeprüfter Prinzipien, Maßstäbe und Normen für eine tief
und weit greifende Neuformung unseres Daseins: von Gesellschaft, Recht,
Staat und Menschheitskultur. Die Philosophie darf da ihr Stück Beitrag
nicht schuldig bleiben. –
Dieser anspruchsvolle Beitrag der Philosophie unterscheidet sich fundamental von den positivistischen Attitüden, die zur Zeit so häufig zu beobachten sind: des praktisch-philosophischen Relativismus, des prinzipienlosen Pluralismus, des fortschrittsideologischen Optimismus, dieses letzteren besonders dann, wenn er gar die Harmlosigkeit einschließt, die Technik des ,Trial and Error’ sei bei allen Aufgaben der Menschheit zureichend
(wo doch Probleme nicht auszuschließen sind, denen gegenüber schon ein
einziger Fehlgedanke sogleich das völlige Ende bewirken könnte). Weltweit, wie es nötig ist, gesehen, sind diese Attitüden auf die Dauer gefährlich dumm; nur in Nationen, die heil sind oder sich für heil halten, können
sie wohl Anklang finden und nur Menschen, die für die ernsten Krisen der
Gegenwart und der nächsten Zukunft noch unempfindlich sind, können
diese Attitüden gefallen.
Wir Deutsche haben Fürchterliches in diesem Jahrhundert teils verbrochen teils geschehen lassen. So wäre es denn nur billig und recht, wenn wir
nun Gutes und Hilfreiches zugunsten der Zukunft der Menschheit beitragen wollten. Solches könnte vielleicht auch vonseiten der deutschen Philosophie geschehen, und zwar so, daß unsere Intellektuellen sich nicht bloß
in den heute weltweiten vornehmen Chor der hochgemuten Menschenwürdesänger einreihen, sondern, so viel sie können, die Philosophie bei ihrer Aufgabe unterstützen, zu klären und zu bestimmen, was diese Würde
ist und was sie von uns Menschen (den Individuen wie den Kollektiven)
verlangt. –
*
*
*
Die Idee der Menschenwürde ist eine Normidee; die Entfaltung in ihre
Forderungen ist eine der Aufgaben der Praktischen Philosophie; bevor diese letztere ihre Arbeit tun kann, muß die Idee der Menschenwürde inhaltlich bestimmt und geltungsmäßig gerechtfertigt sein. So muß denn zuerst
ihre Geltungsgrundlage freigelegt werden. Wenn man dies tut, dann zeigt
sich sehr bald, daß diese praktische Idee (der Normierung unseres Handelns und Verhaltens) ihre Geltungsgrundlage in der Erkenntnistheorie bewiesen bekommt: bereits also in der Grunddisziplin der Theoretischen
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VORWORT
Philosophie; in einem fundamentalen Moment aller Erkenntnis und dessen
unmittelbaren Folgemomenten (Implikationen) hat die Idee der Menschenwürde merkwürdigerweise ihre gesicherte Rechtfertigung: – „merkwürdigerweise“ aber doch nur für die weitverbreitete Philosophie-Richtung unseres Zeitalters, welche zugeschüttet hält, was zwecks Lösung der
Aufgabe freigelegt werden muß. Dies nun verlangt eingehende kritische
Argumentation gegen eine Reihe heutzutage gängiger Vorurteile. Diese
hier einschlägigen, im Weg stehenden Vorurteile sind in der Hauptsache
die folgenden: a) der modische Erkenntnisbegriff, der selbst noch in der
sprachtheoretischen Variante (paradigmatisch bei E. Tugendhat) in die Irre
führt; b) die (weltweit verbreitete) auf das Formalistische reduzierte, damit
die wesentliche Erkenntnisfunktion alles Logischen ausschließende „Logik“; c) ein vor jeder Idee eines „Systems“ der Philosophie zurückschreckendes Gerede (paradigmatisch hier durch Lord Russell vertreten);
d) eine unbesehene Mißachtung alles dessen, was man Idealismus nennt
und was die Anhänger der empiristisch-positivistischen Erkenntnisideologie darum so sehr zu verärgern scheint, weil vorzüglich in seinem Rahmen
Dinge hervorgehoben werden, die (sich tatsächlich in der Erkenntnisanalyse ergeben, aber) durch die empiristisch-positivistische Ideologie verdeckt
bleiben. (§§ 5-9)
In eingehender Auseinandersetzung mit diesen zeitgenössischen Widerständen führt der Überlegungsgang zum entscheidenden Schlüsselbegriff:
zum für alle Erkenntnis wesentlichen Moment der prinzipiellen (theoretischen) Geltungsdifferenz und zu deren Implikaten. Mit dem Nachweis sodann, daß der Mensch – und zwar in seinem Denken –, und der Mensch in
der ganzen Welt allein, fähig ist, sich nach diesem idealen, nicht welt- und
nicht seinsmäßigen Prinzip der Geltungsdifferenz in seinem Denken zu
bestimmen, ist für die Sicherung der Grundlage der Idee der Menschenwürde das Beweisziel erreicht: zu allem hinzu, was wir über den Menschen
als Bestandstück der Welt und der Natur aus der Fülle der Wissenschaften
wissen, wissen wir nun mit gleicher Sicherheit, daß der Mensch ebenso
auch Subjekt ist: er allein in der ganzen Welt und jeder von uns Menschen.
Auf dem Subjektscharakter und allein auf dem beruht es, daß nur wir Menschen, aber auch alle Menschen jenen einmaligen und absoluten Charakter
besitzen, den wir Menschenwürde nennen. –
Damit ist nun der Weg frei und der Ausgangspunkt gesichert für den in
die Praktische Philosophie gehörenden Teil der Untersuchung: Was sind die
idealen Normen, die idealen Forderungen, die sich für die verschiedenen
Bereiche unseres (privaten und öffentlichen, persönlichen und kollektiven)
Verhaltens und Handelns und unserer Institutionen aus der Idee der Menschenwürde ergeben? – Da haben wir nacheinander kritische Betrachtungen zu widmen der Realität unserer Wissenschaften, des Alltagsbewußtseins, unseres Schul-, Ausbildungs- und Volksbildungswesens; der Notwendigkeit freier öffentlicher Meinung und auch der freien Kritik an ihr
VORWORT
5
(§§ 10-12). – Dann ist eine eingehende Überlegung der Probleme einer
wahrhaften Moralität und einer nicht-empiristischen Moraltheorie (Ethik)
geboten (reicht es moralisch aus, wenn sozusagen die „Gesellschaft“ sich
mit meinem Tun und Lassen zufriedengeben kann?). (§§ 13-15) – Es erweisen sich auch eine von der Idee der Menschenwürde bestimmte Betrachtung unseres Rechtswesens und eine kritische Würdigung der zeitgenössischen (Reform-)Forderungen an dieses Rechtswesen als notwendig.
(§ 16) – Jetzt, wo es auch uns kleinen Leuten in Gesellschaft und Staat
möglich geworden ist, unsere Meinungen, Wünsche, Ängste und Forderungen öffentlich und einigermaßen wirksam zur Geltung zu bringen, soll,
nochmals von der Idee der allgemeinen Menschenwürde aus, ein bißchen
den verschiedenen Dingen nachgegangen werden, die uns kleinen Leuten
in den Feldern der Politik am Herzen liegen würden. (§ 17)
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*
Was sogar in der Philosophie einer sicheren Begründung der Idee der Menschenwürde entgegenwirkt, ist der heute dezidiert auftretende Empirismus/Positivismus: demzufolge kann nichts wahr oder gar belangvoll sein,
was nicht im Rahmen der Erfahrung auftritt und darin seine Bewährung
und (praktische) Rechtfertigung erhält. Die weite und schäumende Woge
dieses derzeitigen Empirismus/Positivismus hat einen Idealismus unter ihren Wassern begraben, der einstmals das europäische Bürgertum und dessen Philosophie im Reden und Schreiben (gewiß nicht immer auch im Tun
und Lassen) charakterisiert hatte. Es gab Ursachen für diesen Wechsel, und
dieser Wechsel betraf nicht zuletzt den von diesem bürgerlichen Honoratioren-Idealismus vertretenen (oder doch propagierten) Begriff vom Menschen, einen abstrakten und ziemlich vagen, etwas feierlich aufgeputzten
und in seinen praktischen Forderungen nicht sehr verbindlichen Begriff.
Mit Vorliebe lief dieser Begriff unter dem seit den Tagen der idealistischen
Klassiker geläufigen Schlüsselwort ,Subjekt‘; da dachte man vor allem an
eine absolut souveräne Stellung dieses Subjekts gegenüber allem Sonstigen,
das für es Objekt sei, im Theoretischen wie im Praktischen. – Es konnte
nicht ausbleiben, daß dieser fromme Begriff einer nüchternen Kritik unterzogen – und dabei das für ihn stehende Schlüsselwort ‚Subjekt‘ aufgegeben,
ja fast verpönt wurde. Da kamen dann die anti-idealistischen Aufdeckungen konstitutioneller Unzulänglichkeiten und Abgründe im Menschen
hinzu, wie er wirklich ist und wie er sich diese nicht eingestehen will: der
Selbstbetrug bezüglich des Wertes dessen, was er für Wahrheiten und Erkenntnisse und für hohe Moral hält; Abhängigkeit seines bewußten Ich
von einem dunklen und tiefen Acheron; spezifische Wildheiten in seinem
Denken, Wollen, Verhalten. Da waren große Namen am Werk, aber auch
6
VORWORT
eine Menge das wissenschaftliche Bewußtsein mitbestimmender Forscher
und Gelehrter (nicht zuletzt im weiten Spektrum der Naturwissenschaften
und der Medizin). Das Ergebnis ist ein, wie man sagt, durch und durch
empirischer, empirisch gesicherter Begriff vom Menschen. Den Terminus
,Subjekt‘, der offenbar einer ganz anderen Orientierung entspricht, will
man dafür nicht mehr in den Mund nehmen. Aber es gibt gegen einen neuen Gebrauch dieses alten Schlüsselworts doch gar kein vernünftiges Bedenken, wenn im neu erarbeiteten Begriff vom Menschen die zwei Bedingungen erfüllt sind: daß jene frommen und übertriebenen Momente von einst
nun ausgeschlossen sind und daß gleichzeitig den überprüften Resultaten
der empirischen Menschenforschung von heute darin voll Rechnung getragen ist. – Zu befürchten ist allenfalls, daß Leute, die in die gelehrte Wortwelt gebannt sind und mit geläufigen Wörtern immer nur ein ihnen vertrautes Altes und Älteres assoziieren können, das Neue in einem Begriff
und Gedanken nicht zu finden vermögen.
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Das Buch hat eine längere Entstehungsgeschichte: die ersten Teile wurden
1978, die letzten im August 1989 niedergeschrieben; von Anfang 1981 bis
Ende September 1987 war mir die Fortführung nicht möglich. Immerhin
konnte ich in diesen letzteren Jahren nochmals viel und vielerlei zusätzlich
überdenken, auch Neuerschienenes lesen und studieren. Eine Unmenge
von Dingen müßte ich anführen, wenn ich damit überhaupt anfangen wollte: in- und ausländische Bücher und Publikationen in Zeitschriften, in Zeitungen haben mir mit kritischen Politik- und Wirtschaftsartikeln wertvolle
Anstöße und Hilfen bei meiner Aufgabe gegeben, die Forderung idealer
Normen ins Konkrete und Gegenwärtige hinein zu verfolgen. Natürlich
kann ich mich für mein Buch nur schlecht auf den großen Cervantes hinausreden, der sich – der Zeitmode der Schreibenden gegenüber – den Witz
erlaubte, sich anzuklagen, weil er seinem Roman kein solches gelehrtes
Beiwerk an Fußnoten, Literaturverweisen u. dgl. mitzugeben wisse, wie es
die Leser wohl erwarten möchten. Nun, ich selber kann mir nur so helfen:
Was meine gelehrten Fachgenossen betrifft, so werden sie, hoffe ich, überall von selbst schnell erkennen, von welchen Positionen ich mir beim Suchen habe helfen lassen und mit welchen ich mich herumgeschlagen habe
(noch beim Dümmsten läppert sich da im Lauf der Jahre Erkleckliches zusammen); meine sonstigen freundlichen Leser aber werden es mir vielleicht
sogar danken, daß ich, statt mit meiner Wohlbelesenheit vor ihnen zu
prunken, es ihnen lieber zugetraut habe, sich einfach bei ihrer Verfolgung
VORWORT
7
meiner Argumentationen aus eigener Urteilskraft von einigen Dingen zu
überzeugen, die mir so dringend wichtig erscheinen.
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Nach vielen Seiten hin habe ich meinen Dank auszusprechen: zunächst
dem Verlag, der mir in vielem entgegengekommen ist, dann einer Reihe im
Lauf der Jahre wechselnder Mitarbeiter im Seminar und bereits hochqualifizierter Mitglieder einiger sehr spezialisierter Arbeitskreise, die mich einigermaßen selbstkritisch und munter gehalten haben; niemandem aber so
sehr wie dem altbewährten Freund und Arbeitskollegen Hariolf Oberer,
der mich in Dingen dieses Buches vielfach beraten und schließlich auch das
Entscheidende dazu getan hat, dem Buch den Weg in die Öffentlichkeit zu
bahnen. – Herzliche Danksagung verdient auch die langjährige Seminarsekretärin Frau A. Dreikant, die das für den Druck nötige Text-Typoskript
hergestellt hat. Speziell möchte ich schließlich den freundlichen Helfern
und langjährigen Mitarbeitern, den Herren Prof. Dr. Grünewald, Dr. Ihne
und Neuf, danken, die es angesichts der Unzulänglichkeit des Verfassers
zusammen mit Herrn Oberer auf sich genommen haben, die Hauptlast des
Korrekturlesens zu tragen.
Im Herbst 1990
Der Verfasser
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Die armselige heutige Lage der hiesigen systematischen Philosophie
Allgemein eine mißliche Lage der Philosophie in üblen Zeiten oder auch bei
schuldbeladenen Völkern. – Bei dem schicksalhaft zugeteilten Part bleiben!
(21-24) – Agonie der philosophischen Systematik nach 1933 bzw. 1945 bei
uns (die Schicksale von Neukantianismus, Phänomenologie, Nic. Hartmanns
Ontologie, Jaspers’ Existenzphilosophie) und Rückzug auf Philosophiehistorie (24-27); dann die Wendung nach außen und der Bruch mit der eigenen systematischen Tradition; nur historische Rückwendungen zu Beständen
unserer Klassik, nicht jedoch prüfende Nutzung zugunsten einer Lösung
heutiger systematischer Aufgaben (27-28). Die Rezeption des modernen
Empirismus/Positivismus. Was Kant einst leistete; was analog jetzt zu tun
wäre (28-30). – Der Neu-Positivismus und seine Wissenschaftstheorie (Erforschung der Basis der Wissenschaften; Erforschung der wissenschaftlichen
Theorien); das Programm „rationaler Rekonstruktionen“. Die unmittelbar
sich an diesen Neupositivismus stellenden kritischen Fragen: die Fassung des
Logischen (30-32); der britische Ansatz eines neuen Empirismus und die
Idee eines logischen und sprachanalytischen Neu-Positivismus (32-36); die
unzulänglichen „Basis“theorien (36-38). – Die absurden Verdrängungsversuche der Gegenwart (38-43).
§ 2 Die Idee der Menschenwürde und die Herrschaft eines völlig naturalistischen Menschenbildes
Die Würde des Menschen und ihre Unantastbarkeit bei uns proklamiert
(45 f.); was die Menschenwürde ist und worauf sie sich gründet: heute offenbar eine sehr schwierige Frage (46 f.). Die bedrohte Wirksamkeit der Idee
von der Menschenwürde, die Aufgabe der Philosophie und die immerhin indirekte Macht der Philosophie, „die Welt zu verändern“ (48-50). Als ein Beispiel Lockes Kampf für Toleranz (Anmerkung). – Ein heute dominierendes,
von gewissen Naturwissenschaften geprägtes, naturalistisches Menschenbild
gibt für Menschenwürde nichts her, stellt sie eher völlig in Frage (41 ff.):
verhaltenstheoretischer Naturalismus (50-57). Nur in einem sehr relativen
Grad läßt eine sonst eindrucksvolle Wissenschaftstheorie Würde des Menschen gelten (58-59); als totaler Widerpart: ein sich teils auf die Naturwissenschaften berufender, teils wissenschaftstheoretisch orientierter Materialismus
(anthropologischer Naturalismus) (59-67). Die neuere Abwendung von allem „Idealismus“ (67-70).
§ 3 Defizite im Rechtsdenken und in der Rechtspraxis
Mögliche (öffentliche) Wirkung von Philosophie; deren Bedingungen (71 f.);
Behinderung dieser Wirkung durch die natürlichen zwischenmenschlichen
Interessenkollisionen (72); anfängliche und reifere Abhilfen: Regelungen und
Institutionen (73 f.); Recht und Rechtsordnung (74 ff.); die Idee des Rechtes
(74); Rechtspositivismus und Positivierung von Forderungen der Rechtsidee
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INHALTSVERZEICHNIS
in unserem Grundgesetz (76-79). Die heute vorherrschenden Strömungen
des Rechtshistorismus, des Rechtspositivismus (79); die lange währende
Blindheit für die seit der rechts- und staatsphilosophischen Klassik sehr veränderte Klassenstruktur der Staatsbürgerschaft (79 ff.): die aufgestiegene
Klasse, der Sozialismus (81-83); die außenpolitische Perversion des Souveränitätsprinzips (83-87); Notwendigkeit einer allen Nationen gemeinsamen
Rechtsordnung (86). Das Bedenkliche und Hinderliche der unbeschränkt
und unüberlegt vertretenen „Pluralismus“-Parole (87-90); die verruchten
Theorien von „Sozialisation“ statt von Erziehung und von Strafvollzug als
„Resozialisation“ (90-94). – Rekapitulation dieses Kapitels in sechs Punkten
(94-99).
§ 4 Rückblick und Folgerung
Die Unterbrechung unserer systematischen Tradition (101). Einerseits das
allgemeine Reden von der Unantastbarkeit der Menschenwürde, andrerseits
unsere heutige Unfähigkeit, sie verpflichtend theoretisch zu begründen
(101 f). Verlust der Idee des Rechtes; Mängel der älteren (klassischen) politischen Rechtsidee (102 f.). Die Notwendigkeit eindringlicher kritischer Prüfung der gegenwärtigen Situation unserer Philosophie (103-104).
§ 5 Ein Hexenkessel von Aporien in der Gegenwartsphilosophie
Seit dem 19. Jahrhundert die ,neue‘ Logik; ihre derzeitige Bewertung: als typisch zwei geradezu klassische Äußerungen Russells: formale Logik dasselbe
wie Mathematik (1901); dasselbe wie Philosophie (1914): sichtliche Übertreibungen, Verkennen von Philosophie und Philosophiegeschichte, szientistische Verengung der philosophischen Aufgaben (105-118). – Neo-Empirismus und Neo-Positivismus dieser ‚neuen‘ Philosophie: greifbar in der ,neuen‘
Logik, besonders in deren Verkürzung der Theorie des Logischen (118-121),
dann in der Gestalt der derzeitigen Wissenschaftstheorie; empiristischpositivistische Verkümmerung der theoretischen Reflexionsdimension (empirische Gegenstände – empirische Wissenschaft – Wissenschaftstheorie –
Philosophie, darunter als wirklich allgemeine Erkenntnislehre) (121-125); der
positivistische Ansatz der Logik als Sprachanalytik, der Sprachanalytik als
Logik (125-127). – Im Bereich der Praktischen Philosophie ist jeder Empirismus in Schwierigkeiten hinsichtlich des Problems der Normen, insbes. der
verpflichtenden Normen des Verhaltens (127 f.); das Programm einer auch
sprachkritischen ,Metaethik‘ (128-131); wenn die jeweilige Gesellschaft zur
jeweiligen moralischen Normeninstanz wird; wenn Normenkritik notwendig
wird (131-133). Kann Glück oder auch Nutzen moralischer Endzweck sein
und moralische Geltungsinstanz werden? (133-135); die empiristische Praktische Philosophie kann, weil ohne wirklichen Subjektsbegriff, nicht begründbar normativ werden (135-138). – Was angesichts der Hinterdenklichkeiten im Folgenden zu tun ist (138 ff.): Prüfung sowohl des NeoEmpirismus/Neo-Positivismus wie auch des bisherigen Idealismus; durchgehender Maßstab sind Umfang und Gründlichkeit der jeweils durchgeführten
Reflexion (139); Prüfung der heutigen Wissenschaftstheorie, Logik und Erkenntnistheorie: von Locke zum Konzept vollständiger Reflexion (140-142);
INHALTSVERZEICHNIS
11
Restitution des Subjektsbegriffs notwendig: besonders wegen der Probleme
der Praktischen Philosophie, insgesamt wegen der heutigen ernstlichen Situation überhaupt (142-143); Notwendigkeit, die beiden gegensätzlichen
Grundlagen-Rahmen freizulegen (143-145); der aufgrund verkürzter Reflexion dominante Objektivismus in der heutigen Philosophie (145-147).
§ 6 Erkenntnistheoretische Grundlegung einer beweiskräftigen Begründung der Menschenwürde
Philosophie kann mittelbar durchaus die Welt verändern (149). – Die heutige
Situation der Menschheit (149 ff.): fortbestehende Wildheit der menschlichen Natur; heute Verfall der geschichtlich errungenen Normen von Moral
und von Recht; heute Ausfall der Kultivierungsfaktoren Hochreligion und
normierende Rationalität; sogar ausdrückliche Negation der rationalen Fundamente; Unbegründbarkeit der Menschenwürde? (149-152). – Die Frage
nach dem Wert des Menschen (152 ff.); das grundlegende Stück der Antwort
schon in der Erkenntnistheorie fällig (153 ff.). Die erkenntnistheoretischen
Grundbegriffe: Subjekt, Objekt, Erkenntnisgehalt (Gedanke) (153 f.): der
Status des letzteren (Bolzano; Frege; Chisholm; Tugendhat); Unhaltbarkeit
der Identifikation von Satzgehalt und Sachverhalt sowie einer Ersetzung des
Objektsbegriffs durch den Begriff des Satzgehalts = Sachverhalts (154-161);
die prinzipiellen Charaktere von Erkenntnis und Erkenntnissen (Subjektsrückbezug; Produkt aus Prozessen; Gegenstandsbezug; Reflexionsgegenständlichkeit; Ablösbarkeitsmomente; Verstehbarkeit) (162-171). – Die (materiale wie formale) Geltungsdifferenz; sie ist keinesfalls auf eine Seins- oder
Realitätsdifferenz rückführbar (171 ff.); Nachweis in der Form eines probeweisen Ansatzes von striktem Materialismus: Irrealität und Immaterialität
des Gehaltsmoments im (noch so materiellen) Satzgebilde: Gehalt = Bedeutung = Gedanke (des Satzes) (172-176). – Das Unzulängliche am sprachanalytischen Konzept (176 f.), Verweis auf Husserl (178 f.). – Satzgehalte sind
Gegenstände (Objekte) nur im Sinn von Reflexionsgegenständen (179-181).
§ 7 Der Mensch als Objekt der empirischen Wissenschaften und als Subjekt alles Wissens und Denkens
Das heutige Mißverhältnis zwischen den ständigen Bekenntnissen zur Menschenwürde und der fürchterlichen Realität; dringliche Aufgabe der Philosophie (183). – Notwendigkeit, den Menschen als Subjekt zu fassen (184 ff.);
die sich auf naturwissenschaftliche Ergebnisse berufende naturalistische
Ideologie vom Menschen heute, der europäische Bildungs-Idealismus noch
gestern (184 f.). – Unsere empirischen Wissensbestände bezüglich Herkunft
und Natur des Menschen (185 ff.); die Menschen-Spezies (mitsamt ihrer
physischen, geschweige intellektuellen Geschichte) als Bagatelle im All, und
gleichwohl der Wissensanspruch dieser Bagatelle, welche diese Wissenschaften betreibt (185-188). Der Mensch als Objekt der (Natur- und der Geistesoder Kultur-)Wissenschaften; der Mensch als der Produzent, als das Subjekt,
der Wissenschaften; als Subjekt ist der Mensch nie Thema jener (Natur- und
Geistes-) Wissenschaften, auch nie in Disziplinen wie Physiologie, Psycholo-
12
INHALTSVERZEICHNIS
gie, Wissenssoziologie u. ä.; was in allen empirischen Wissenschaften aus dem
Prinzip der objektiven Gültigkeit wird (188-191). Erkenntnistheoretische
Grundlegung des Subjektsbegriffs: Subjekt des Gedankens, und zwar aller
Momente am Gedanken: d. h. auch der Geltungsdifferenz, des Wissens um
die Geltungsdifferenz, des Wissens um die Geltungskriterien (192-194); jedoch in der Erkenntnistheorie nur die Grundlegung des Subjektsbegriffs
(194). Ursachen für ein Wegfallen des Subjektsbegriffs: a) Beschränkung der
Arbeit auf gewisse Teildisziplinen, b) empiristischer/positivistischer Objektivismus (seit Humes ,mind‘) (194 f.). – Zerstörung der Begriffe von Erkenntnis und Subjektsein durch den verhaltenstheoretischen Biologismus (196198). Das zur Zeit modische Gerede vom durchgängig ‚hypothetischen‘ Charakter aller (empirischen) Wissenschaft (198-200). – Berechtigter Wahrheitsanspruch trotz Endlichkeit, Bedingtheit, Vorläufigkeit im Wissen der Wissenschaften (199). Verkennung des Formallogischen, das absolute Grundlage, nicht lediglich Instrument ist (199 f.). – Aus dem Faktum des dem Gedanken eigenen Idealmoments folgt das Faktum des (allein) dem Menschen
eigenen Subjektscharakters; so ergibt sich das Doppelwesen des Menschen:
der Mensch ist nicht bloßes Natur- und Lebewesen; der von den Lebensbelangen diktierte unbedachte Objektivismus erschwert oder verhindert die
Möglichkeit des antinaturalistischen Reflexionswissens (201-203). – Das Erreichte genügt bereits zur Widerlegung einer jeden materialistischen und einer jeden biologistischen Metaphysik vom Menschen (203 f.). Die Erkenntnistheorie liefert die Grundlegung für unser Wissen um die absolute Würde
des Menschen – und damit für die daraus folgenden Forderungen an unsere
Praxis (204-207), aber sie ergibt keine (positive) Metaphysik des Menschen,
insbesondere keinen metaphysischen Dualismus (neben der erfahrbaren
Leibexistenz eine erfahrungstranszendente Seelen- oder Geistesexistenz)
(207-209).
§ 8 Wiederherstellung der Logik als Philosophie des Logischen und von
dessen Erkenntnisfunktion
Unter Rückbezug auf Ausführungen über Einwände/Widerstände gegen ein
Programm philosophischer Systematik nunmehr Auseinandersetzung mit
Russells Äußerungen gegen „System“-Bau; die Notwendigkeit ständiger Arbeit am jeweiligen Grundlagen-Rahmen (211-214); Zusammenhang zwischen
dieser Arbeit und dem „Systembau“ (214); unüberlegte, irrige Vorstellungen
vom Begriff des Systems und der wahre Grund der systematischen Arbeit in
der methodischen Zwangslage der Philosophie (215-218). – Die Natur des
Logischen und die Aufgabe der Logik (218 ff.); Russells Versuch einer Identifikation von Logik und Philosophie; das Logische als universale (formale)
Grundlage allen Wissens, nicht als bloßes Instrument universaler Brauchbarkeit (219), darum Notwendigkeit der Geltungsprüfung für das Formallogische in einer Theorie dieses Logischen (220); das dem Symbolismus der neuen Logik voraus- und zugrundeliegende Logische (220-222). Grundlegend
für das Logische ist seine Erkenntnisfunktion (222-224). – Das Gerede von
der mehrfachen Gestuftheit der philosophischen Reflexion (224-226), ihrer
Unabschließbarkeit und Unendlichkeit (226), von ihrer Unfähigkeit, ihren
Gegenstand jemals „einzuholen“ (226-228); das Logische geltungsmäßig als
INHALTSVERZEICHNIS
13
Abschluß, die Logikforschung aber mit offener Geschichte (228 f.); gegen
eine naturalistische Verkennung des Logischen (229-232).
§ 9 Philosophie des Denkens und Erkennens (Aprioritätenlehre)
Was heißt Erkennen? Die Weite des Gegenstandsbegriffes; Erkennen des
Gegenstands in seinen vielartigen Bestimmtheiten geschieht im logischen
Gebilde des Urteils: als Bestimmung des Subjektsbegriffs durch die vielartigen Prädikatsbegriffe (233 f.); Rechtfertigung der klassischen Formel ,S ist P‘
gegenüber alten wie neuen Subsumtions- und Klassentheorien (234-238) –
Setzung und Bestimmung (238-240). – Die Urteilstheorie als das Fundament
sowohl der gesamten Logikwissenschaft wie auch der Philosophie des Subjekts (239-240). – Die logischen Grundsätze (der Identität usw.) und ihre
Erkenntnisbedeutung (240-244). – Das Geltungsproblem bezüglich der Erkenntnis (244 ff.): Die Geltungsfrage an die Sinnesgegebenheiten; als einzige
und absolute Geltungsinstanz das (prüfende) Denken (244 ff.); Absolutheit
des Denkens als Prinzip und Kontingenz unseres Denkens als (individuellen
und als menschheitlichen) geschichtlichen Faktums (244-255). – Entfaltung
des Prinzips Denken in die theoretischen Aprioritäten (255 ff.): a) Das Formallogische, seine Funktion, seine Eigenart; die moderne Idee einer bloß
formalistischen Logik; Illustration an einem Stück Frege (255-258); b) Materiallogische Apriorität: das Hume’sche Problem; „Ursprung“ durch Umwendung (des Gedanklichen in das Gegenständliche); eine gegenüber Kant
vereinfachte „Deduktion“ dieses Material-Apriorischen (258-262); c) das Regulativ-Apriorische (262); d) das Systematisch-Apriorische (262-264). – Es
ist die Erkenntnistheorie, die unter dem Titel des Prinzips Denken die entscheidende erste Beweisstufe für die absolute Würde des Menschen liefert
(264-267). – Die Diskrepanz zwischen der absoluten und unendlichen Idee
des Denkens und dem faktischen Ausmaß ihrer Verwirklichung (in den Individuen und der Menschheit) (267-269); als praktische Konsequenz die verpflichtende Aufgabe der (ideengemäßen) Gestaltung unserer je persönlichen
Gedankenwelt und der kollektiven, öffentlichen Meinung (269-271).
§ 10 Ideenbestimmte Kritik an Wissenschaften und Alltagsbewußtsein
Notwendigkeit von Skepsis, die wir als Menschen im Hinblick auf die Idee
der Wahrheit gegenüber unseren Wissenschaften hegen müssen: a) unter Bezug auf die übrigen Ideen, b) unter Bezug auf etwaige weitere Funktionen
der Wahrheitsidee (273 f.). A) Schon der bloß theoretische Geist betrachtet
die Welt der Wissenschaften skeptisch (274-277); Gefahr der Verdrängung
aller Idee praktischer Vernunftnormen durch den heute in den empirischen
Sozialwissenschaften praktizierten Empirismus/Positivismus (277-283). –
Die im heutigen Massenbetrieb der Wissenschaften sich einschleichende
Pseudo-Wissenschaftlichkeit (284 ff.): Imponiergehabe, Imponierdiktion
(284 f.); die gegenwärtigen deutschen Erziehungswissenschaften halten es für
einen „empirischen“ Gewinn, wenn sie den künftigen Lehrern einen völlig
naturalistisch-behavioristischen Begriff des Lernens mitgeben (285 f.); Modeströmungen, Modewendungen (286 f.); Zusammenfassung von A) und
Ausblick auf B) (287 f.). – B) Kritische Betrachtung der Wissenschaften un-
14
INHALTSVERZEICHNIS
ter den praktischen Ideen (288 ff.): die Wissenschaften als reale und gesellschaftliche Erscheinung (288 ff.); in Relation zur Wirtschaft und im Verband
der Gesamtkultur (288-290); die gefährliche Rede von „der Gesellschaft“ als
Kontrollinstanz über die Wissenschaften (290 f.); die Gefährlichkeit eines
naiven Glaubens an eine interessenfreie Souveränität insbesondere der Geisteswissenschaften (291-296). Die alten Theorien der freien Marktwirtschaft
und der Volkssouveränität als vage Leitvorstellungen für den heute praktizierten Normen-Empirismus/Positivismus und für das „In-freier-Willkürsich-Einrichten“ der gegenwärtigen „freien“ Gesellschaft; der „demokratische
Prozeß“ und seine Grenzen (296-298.). Die Notwendigkeit einer wirklichen
Praktischen Philosophie (die absolut gültige Normen unserer Praxis sucht und
begründen will) (298-300); die Position der sog. wertungsfreien Sozialwissenschaften; drei kritische Punkte (300-303) – C) die Forderung der Aufklärung der je individuell eigenen Gedankenwelt sowie der rationalen Gestaltung
des eigenen Bewußtseins überhaupt (303 ff.); die Unterscheidung des Menschen als Lebewesens und als Subjekts nunmehr in ihrer praktischen Hinsicht: Bestimmbarkeit unseres Tuns und Lassens, Handelns und Verhaltens
durch jeweilige pure Lebensbelange oder aber durch Ideenbelange (d. h.
durch die Forderungen der praktischen Ideen) (304 f.); dringendes Interesse
eines jeden an der entsprechenden Aufgeklärtheit des Bewußtseins auch aller
Mitmenschen (305-307).
§ 11 Kritische Betrachtung unserer Schulen und Ausbildungsstätten
Schulen und Ausbildungsstätten (309 ff.): Die Universitäten (309 ff.); Republik als Verfassungsmuster; Kontrolle mit langem und öffentlich sichtbarem Zügel (310-312); Selbstregulation und oberstbehördlicher Eingriff
(312 f.). Ausbildungsstätten zu akademischen Berufen (313 ff.): Ausbildung
zu Zwecken und das Menschenwürde-Prinzip (313-315); der Druck der
Fachausbildung; Versuche der Studienzeitverkürzung (315 f.); Vermassung
und Isolationsgefühl in der Studentenschaft (316 f.); vielfach Hemmung individueller Spontaneität durch studienbelastende Defizite an Wissen und
Können sowie an Erzogenheit (317); eine sozialdarwinistische Komponente
im gesellschaftsweiten Bildungsprojekt; die Einwegschule sozial, aber mit einem antisozialen Einschlag (317-320). Die Forderung der Erzogenheit zu
geistiger Anstrengungsbereitschaft (vgl. nochmals 317) (320-322), sowie
zum spezifisch Humanen und Weltbürgerlichen (322-325). Mißdeutung des
Menschenrechts auf „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ (325 f.). Schule
und Schutz des Gewissens (Freiheitsgarantien; Freie Schulen) (326-330). –
Gesprächsverbindung zwischen Leitung und Lehrerschaft der Universität einerseits und Studentenschaft andrerseits als dringendes strukturelles Desiderat (331); Reduktion der Ausbildungsprogramme für die zu akademischen
Berufen strebenden Studierenden; Differenzierung unter den Universitäten
nach fachlichen Schwerpunkten und Leistungsgraden; die vitale Bedeutung
von Ausbildungs- und Bildungseliten für die Nationen und Gesellschaften
(332-334); für die Elite notwendige Zusatzziele in Ausbildung und Bildung
(334 f.); der konservative Fortbestand des bedrohlich beschränkten Ausbildungs- und Bildungsprogramms unserer Universitäten (335 f.). – Sorge um
eine gute Volksschule (338-340); die im Arbeitsleben ständig wachsende
INHALTSVERZEICHNIS
15
Freizeit; die Aufgabe ihrer Nutzung und Gestaltung; die Pflicht der Volksbildung und des Volksschutzes vor Ausbeutung (340-343). – Hilfe zur
Selbstaufklärung, Bildung und Ausbildung weltweit für jeden Menschen als
allgemeine Menschenpflicht: Aufgabe in den Entwicklungsländern und für
die Bewußtseinsbildung daheim (343-348). –
§ 12 Notwendigkeit freier öffentlicher Meinung und freier Kritik an ihr
Kurze Überlegung zur Entfaltung der Idee der Wahrheit: als theoretische
Idee, in Konsequenz als praktische Idee: Idee der Bildung und Ausbildung
eines jeden Einzelnen (349 f.). Idee der Kritik der jeweiligen öffentlichen
Meinung (350 ff.): Notwendigkeit der öffentlichen Meinung, aber auch deren
Gefährlichkeit (Verführbarkeit, Verfälschung; Irreleitung des Volkes) (350356); Notwendigkeit freier Kritik an der jeweiligen öffentlichen Meinung
(356 ff.); als Instrument solcher Kritik der freie öffentliche Meinungsstreit
(359 ff.): „Freiheit der Presse“, Forderung an den Journalismus (an die Medien) (361-365); Freiheit der Kritik gegenüber den Herrschenden als Forderung der (unzufriedenen) Beherrschten, mit etwaigen Folgen für die Gesamtgesellschaft (365-370).
§ 13 Die kontrovers gebliebene Moralphilosophie und die gegenwärtige
Dominanz des Moralempirismus
Rückblick auf die bisherigen Resultate: die praktischen Konsequenzen aus
der Idee der Wahrheit zugunsten einer durchsetzbaren Menschenwürde
(371-376). – Die Idee der Sittlichkeit in ihrem Verhältnis zur Idee der Menschenwürde (376 ff.); Rückblick auf die problembestimmenden geschichtlichen Positionen in Sachen des Verhältnisses zwischen Sittlichkeit und Recht
(engste Verbindung; Trennung) (377 ff.), des Pflichtcharakters der Sittlichkeit (Verpflichtetheit; selbstgewählte Selbstgestaltung) (378 ff.). Der MoralEmpirismus/Utilitarismus (381 ff.): dessen theoretische Schwächen (moral
sense; self-love; sympathy) (381-383); der noble, aber theoretisch undurchführbare Utilitarismus (384-388); Frage der Praktizierbarkeit des Utilitarismus (388 f.); Glück und Wohlbehagen für uns qua bloße Naturstücke?, für
uns qua Subjekte? (389-392), für die Tiere? (392-393) – Empiristische Ersetzung der Geltungsfrage und Reduktion/Elimination des Subjekts als die
Wahrzeichen des Utilitarismus (393 f.); gegenüber der nichtempiristischen
Tradition (seit Platon), welche in der Sittlichkeit die moralische Selbstgestaltung des Subjekts betont (395), betont der Utilitarismus die Objektseite (der
das Handeln gelten soll) und die auf dieser Objektseite erzielten „moralischen“ Wirkungen des moralischen Handelns (395-398).
§ 14 Ansatz einer empirismuskritischen Moralphilosophie
Überlegungen im Anschluß an Kant (399 ff.): Der Unterschied zwischen
menschlich Erfreulichem und sittlich Gutem (399 f.); der Ansatz des Sittengesetzes und worin es bestehen kann (400 ff.): unsere Bedingtheit und unsere
Bedürfnisse, unsere Selbstliebe (401); unsere Maximen und deren moralische
16
INHALTSVERZEICHNIS
Geltungsdifferenz (401 f.), die Inhalte des Sittengesetzes formal universal bestimmt (403 f.), als Kriterium das Prinzip des kategorischen Imperativs
(404 f.); die explizierenden Formeln: Naturgesetzformel (404-406) und
Menschheitsformel (406 f.); strengste Subjektsbindung der Sittlichkeit, und
zwar sowohl bezüglich des Verhaltensmotivs wie bezüglich des Charakters
jedes Mitmenschen und seiner Menschenwürde (407 f.); zur Würdigung der
Moraltheorie Kants: jederzeit möglich, die jeweilige konkrete Forderung zu
erkennen, die das Sittengesetz erhebt (408); drei hauptsächliche Vorzüge dieser Moraltheorie (409) und deren Bindung des Kernpunktes der Moralität an
die Subjektseite (409 f.); des Menschen moralische Autonomie und seine reine praktische Vernunft (410-412). – Demgegenüber die objektivistische Orientierung des Moralempirismus (412-413).
§ 15 Pragmatische Moralität und ideenbestimmtes Ethos
Die Hauptaufgabe einer Ethik: Begründung der moralischen Geltungsreflexion (415 ff.); unser Bewerten, Frage nach gültigen Maßstäben dafür; moralische Güter und Übel (415-417). Kriterien einer „Moral des Druckes“, solche einer „Moral des Aufschwungs“ (Bergson): d. h. des Drucks seitens der
Natur und der Gesellschaft, bzw. eines freien Ethos (417); Analyse der Moral
des Druckes; Moralutilitarismus, Alltagsmoral, moralisch gesonnene Aktivität (417-422); Tugendmoral, Gütermoral, Wertemoral (423-425). – Moralität
des Aufschwungs (425 ff.): ihr Grundcharakter: eine Moralität der Freiheit,
der Selbstgestaltung, des „Unnützen“ (425-428). Zur Geschichte dieser hohen Moral (seit Plato und Aristoteles): Hochsinnigkeit (428 f.), Gerechtigkeit, Selbstbeherrschung, „Tapferkeit“ (429-432). Relativitäten im Bereich
der Normen einer Moral des Druckes sind natürlich, aber im Bereich der
Normen der Aufschwungsmoral kaum denkbar (Wandel und Vielfalt allenfalls in den gelebten Konkretisierungen) (432-434). – Theoretische Mängel
(inhaltlich und formal) im Moralempirismus (Moralutilitarismus), aber Verdienste als Ethik des sozialen, politischen usw. Engagements (434-437). Speziell zwei prinzipielle Schwächen der utilitaristischen Moraltheorie: die Unbestimmtheit ihrer zwei Schlüsselbegriffe, nämlich von der normgebenden
Gesellschaft und von der gesellschaftlichen Nützlichkeit; dagegen müssen als
Schlüsselbegriffe in einer brauchbaren Moralphilosophie die Ideen unbedingter moralischer Selbstgestaltung und der unbedingten Menschenwürde
führend sein (437-439). – Notwendigkeit einer ideenbestimmten Neugestaltung der Kollektivmoral angesichts unseres heutigen lebengefährdenden
Treibens (440 ff.): Kriege und wahnsinniges Rüsten; gefährliche Technikentwicklung; moralische Verbrechen an den kommenden Generationen; die
moralische Pflicht, für rechtloses Leben (Embryos; Tiere) durch Schutzgesetzgebung Rechtspflichten der Menschen hinzuzufügen (440-443). –
§ 16 Rechtsprinzipien und Rechtszweck
Das Recht als die Menschen befreiende und voreinander rettende Zwangsinstitution der Vernunft (445 f.). Die abschreckende Strafandrohung im Strafgesetz, der Einhalt gebietende Strafvollzug (446 f.); die Strafinstanzen (Gesetzgebung; Gerichte; Vollzugsbehörde) (447) – Die Zwangsinstitution er-
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tragbar als Institution gewordene Idee der Gerechtigkeit (447 f.); ungerechte
Gesetze: Geltungskriterien notwendig (448 f.); „Gelten“ als Inkraftsein und
als ideale („Natur“-, „Vernunft“-)Geltung (449 ff.); moralischer Rechtspositivismus (450 f.); „Natur“- oder „Vernunft“-Recht nicht etwa ein System von
Sätzen, sondern ein schmales Gefüge von Bewertungskriterien gegenüber positiven Rechtssätzen (451 f.). Unsere Zuflucht zum Staate; die ihm von uns
gegebene, von uns aber auch zu kontrollierende Macht über uns (452 ff.): zunächst um der Strafgerechtigkeit willen (nach Rechtsbruch, bei Rechtsstrafe)
(452 ff.). Die riesig gewordene Rechtswelt (454-456): der Staat übernimmt
für sehr viel weiteres ebenso die Regelungsaufgabe und wird dabei mittels der
Rechtsordnung (einer „Gesetzeswelt“) zum „Herrscher“ über uns „Untertanen“ (456 ff.), teils um jedes Einzelnen willen, teils zum Zweck notwendigen
Ausgleichs zwischen Einzelnen, zwischen Gruppen, usw., teils zwecks Dekkung von gemeinsamen großen Bedürfnissen der Bürger (z. B. Schulen, Straßen) (457 f.): Was ist eine rechtliche, gesetzliche Omnipräsenz des Staates
letztlich wert? (458 f.) – Notwendigkeit der rechtlichen Ordnung und der
rechtlich gesicherten Kontrolle über die Staatstätigkeit (auf allen Stufen derselben); Verfassungsgericht; Verwaltungsgerichte (460 f.). Die Belange des
Staates und deren Ursache und Grund; gewisse formale Rechtsbelange des
Staates (461-463). – Mit dem Faktum der Rechtsmacht des Staates verbindet
sich die Forderung der Rechtskontrolle im Staat (463); Verfassung und Verfassungsgericht (463 f.); das Parlament kontrolliert und kontrollierend; Regierungskontrolle auch innerhalb des Regierungsapparats selber; Hierarchie
der Gerichte (Berufung; Revision) (464 f.). Die Bürger als das Hauptobjekt
staatlicher Rechtskontrolle (465); doch auch die Möglichkeit der Kontrolle
staatlicher Tätigkeit durch die Bürger (465). – Inter-, übernationales Recht,
Völkerrecht: Eigenart und formale Defizite; die Idee einer internationalen
Rechtsordnung, die den Bürger vor innerstaatlichem und zwischenstaatlichem Unrecht, besonders vor Kriegen schützen würde (465 f.); die weltweite
Forderung für jeden Menschen gesicherter Menschenrechte (466-468).
Pragmatisch bestimmte, aber auch idealbestimmte Bereiche des internationalen Rechtswesens (468-469). Warum das Völkerrecht schließlich doch ein
wahres Recht ist (469-471); daß jedenfalls wir Kleinen uns an die Idee des jus
naturale und des jus gentium klammern (471). Idealrechtliche und moralische
Defizite im Verhältnis der Völker zueinander, bes. zwischen starken und
schwachen (471 f.); Notwendigkeit kontrollierender und helfender Solidargemeinschaft der Völker (472 f.); die Organisation der Vereinten Nationen
(473 f.). – Das Kriegsrecht als Notwendigkeit und als Farce; die Absolutheit
der Friedenspflicht für jedermann (474-475). Ohne Menschheitsfrieden in
der Welt für niemand, selbst nicht im hintersten Winkel, Rechtssicherheit;
die Grundursache für die Kriege (475-477). – Die Unterworfenheit des Bürgers unter Recht und Gesetz des Staates und die Bedingungen vernunftgemäßer Ertragbarkeit solcher Unterworfenheit (477 ff.): Ausgang vom Adressaten der Rechtsnormen: vom Menschen in seinem Maß an Verhaltensfreiheit;
Voraussetzung eines für den äußeren Gebrauch der Freiheit dem Menschen
eigenen selbstbestimmten Spielraums (477-479); das Recht als wechselseitige
Beschränkung und wechselseitige Sicherung des Freiheitsspielraums der Bürger (479 f.); der Anspruch auf diese Freiheit als absolutes Grundrecht des
Menschen, sowohl für seine Existenz als Lebewesen wie für seine Existenz
als (sich nach ideellen Normen bestimmen wollendes) Subjekt (480); das
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Prinzip der besagten Beschränkung der Freiheitsspielräume: Beschränkung
nur so weit wie unerläßlich, Freiheit so weit wie möglich (480 f.); die von den
Gerichtsinstanzen ausgeübte Funktion der omnipräsenten Kontrolle nach
Recht und Gesetz (482-483). – Die faktische und konkrete Rechtswelt
(484 ff.): Eigenart und Tätigkeit der Juristenschaft, manche Neigung und
mancher Hang (484-486); Versuchung zu Unterwürfigkeit (Richter und Beamte der Nazizeit) (486-488); Bürgerskepsis gegenüber der Justiz (488 f.); –
Das Recht und der Mensch als moralisches Subjekt; Moral und Recht im
Dienst von Moral (489-492). – Zweck des Rechtes: Regelung der Freiheitsräume der Menschen untereinander (492); Gefahr der Brauchbarkeit von
Recht und Gesetz für Entrechtung der Unterworfenen (462). – Recht, Moral, Menschenwürde, Subjektscharakter, „Herr der Welt“ (492 f.). Germanistischer und romanistischer Rechtsbegriff bezüglich „Grundrechten“
(494 f.). – Rechtsordnung in den Nationen als ideenbestimmte absolute und
unabschließbare Aufgabe der Menschheit; alle Personen im Rechtsanspruch
auf Teilhabe an der Herrschaft über Welt und Natur einander gleich; dagegen
das Faktum konkreter Ungleichheit zwischen den Personen; Ungleichheit in
Befugnissen und Prestige; rechtserhebliche Gleichheit (496-497); individuelle
Unterstützung der um besseres Recht in der Welt kämpfenden Gruppen,
Parteien u. a. (497 f.). Haben Rechtsordnungen auch für Glück und Wohlbehagen der Bürger zu sorgen? (Kant und die Halbbürger) (498-500). Zusammenfassung der Hauptpunkte (500-501).
§ 17 Der Bürger und die Politik heute
Philosophische Theorie des Politischen und der Politik vom Standpunkt der
kleinen Leute (502 ff.); heute Einfluß auch der kleinen Leute, darum Aufklärung und Erziehung auch der kleinen Leute in Sachen der politischen Bewertungsmaßstäbe und Normen notwendig (502 f.); der heute grassierende
Relativismus bezüglich dieser politischen Maßstäbe und Normen (505); die
Tatsache von Wandel und Verschiedenheit; die oberflächliche Summe, die
der Relativismus zieht, und die nötige Kritik (505-507). – Des Bürgers legitime Kritik im Staat und am Staat (507 f.); die jeweiligen konkreten Probleme
im Staat und deren steter Wandel; für diese konkreten Probleme sind zunächst pragmatische Maßstäbe und Normen zuständig und notwendig, aber
immer auch „im Hintergrund“ ideale und unbedingte Normen für alle politische Tätigkeit (508 f.). – Die heute weit verbreitete Skepsis gegenüber der
Naturrechtsidee (509 f.); die Parole des sog. Pluralismus (510 f.). – Die vielen
Aufgaben des heutigen Staates; Notwendigkeit der Kontrolle und Kritik seitens der Bürger (511 f.); die von uns provozierten Schicksalsprobleme (512);
ein weiterer Ausbau von Verfassungsbestimmungen? (512 f.) – Kritik am
Staat als Selbstkritik der Gesellschaft: Bürgerrechte und Befugnisse im Staat
(513 f.); die Macht im Staat; Herrscher und Fürsten (515); Stellung der Konservativen im Staat und deren heutiger Wandel (516); konstitutionelle Gewaltenteilung und demokratischer Rechtsstaat (516 f.); des Bürgers Zweifel an
einer hochgradigen Bonität der Politiker und ihrer Politik (517 f.); die Gesetzgebungsmaschine und die (fast) berufslosen Gesetzgeberpersonen (518).
– Verschiedenheit der Völker in ihrem Naturell und nach ihrem geschichtlichen Schicksal; Notwendigkeit, die Völker zu Menschlichkeit und gelebter
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