Das Portal als Motor digitaler Transformation

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eGovernment Computing | 10/2016
Technik & Dienstleistung
Anwenderbeispiel
Interne und externe Portale für Behörden
Das Portal als Motor
­digitaler Transformation
Dr. Michael Bark von der evodion Information Technologies GmbH
erläutert, weshalb eine ganzheitliche Portalstrategie in der Öffentlichen Verwaltung sinnvoll sein kann.
Die Bedeutung von Portalen
wächst. Jetzt, unter den Bedingungen fortschreitender Digitalisierung, schicken sich Portale an, für
Organisationen – seien sie privatwirtschaftlich oder öffentlich – tatsächlich jene Bedeutung zu bekommen, die manche ihnen schon vor
Jahrzehnten prophezeit hatten.
Denn das Thema Portale hat eine
Geschichte, die wenigstens ein bis
zwei Jahrzehnte zurückreicht.
Wirklich durchgesetzt haben sie
sich damals aber nicht. Die allgemeine Digitalisierung hat das jetzt
geändert. Portale sind erwachsen
geworden, und die Fachabteilungen treiben das Thema voran.
Bequemer, mobiler Zugang
Bürgerzufriedenheit
Die modernen Anforderungen, die
Endnutzer im Zeitalter des Alwayson, der umfassenden Digitalisie-
ter. Denn Online-Prozesse, die Nutzer über ein Portal einbeziehen,
verringern telefonische und elektronische Nachfragen und damit
verbundene Folgetätigkeiten.
Wenn dann auch noch Vorgänge
wie etwa Antragsstellungen über
das Portal zu erledigen sind, entfallen zudem Medienbrüche, und
auch die Kosten für den Druck und
Versand von Dokumenten werden
in der Verwaltung drastisch reduziert.
Wettbewerb
Auch im privatwirtschaftlichen
Wettbewerb spielen Kundenportale eine immer größere Rolle, für
verschiedenste Branchen. Strom-,
Gas- und Wasserversorger haben
oft ebenso ihren Kundenkiosk wie
Internetprovider und Mobilfunkanbieter. Auch für Finanz- und
Versicherungsdienstleister werden
Portale immer wichtiger, besonders natürlich für Direktversicherer.
Aber privatwirtschaftliche Anbieter müssen nicht nur die eigenen
Portale bedienen, immer mehr wer-
Bild: everythingpossible - Fotolia/evodion
Aus gutem Grund: Kunden erwarten heute einen bequemen, mobilen und umfassenden Zugang zu
Anbietern, Herstellern und Behörden, im Idealfall rund um die Uhr.
Gleichzeitig sind Portale aber keine groß aufgehängten IT-Themen
mit dedizierter Portalsoftware
mehr. Die Fachabteilungen – und
die Kunden und Bürger – verlan-
reich gab es Lösungen wie etwa
JBoss Portal und Liferay. Aber all
diese Lösungen haben den Markt
in der Breite nicht durchdringen
können.
Heute hat das Portalthema eine
ganz andere Dynamik – nur geht
es nicht mehr um aufwendige Riesenprojekte, die die IT-Abteilungen zu verantworten haben, sondern um die Ansprüche der Fachabteilungen, die schnelle Resultate
erwarten.
Wenn eine Organisation ihren
Kunden heute beispielsweise die
ersehnte Self-Service-Option bieten möchte, will sie vor allem eines: mit dem Portal schnell am
Markt sein, um im digitalen Wettbewerb um die Gunst der Nutzer
nicht zurückzufallen. Agilität ist
ein wesentliches Kriterium für ein
gutes Portalprojekt – und für eine
erfolgreiche digitale Transformation.
gen schnelle Lösungen, mit kurzer
Time-to-Market-Spanne.
Trotzdem sind Organisationen gut
beraten, für ihre Portalprojekte eine Gesamtstrategie zu entwickeln,
über mehrere Fachbereiche hinweg. Nur so kann es der Öffentlichen Verwaltung gelingen, im Kontext der digitalen Transformation
Infrastrukturen und Services zu
konsolidieren, Medienbrüche zu
vermeiden und den Ansprüchen
der Bürger in einer digitalisierten
Welt wirklich gerecht zu werden.
Portale im Wandel
Seit Jahren – im Internetzeitalter
entspricht das Dekaden – bringen
die großen Anbieter wie IBM und
Oracle Portallösungen auf den
Markt, auch im Open-Source-Be-
rung und der vielfältigsten mobilen Endgeräte an die Interaktion
mit Behörden und Ämtern stellen,
stehen beim Großteil der aktuellen Portalprojekte im Fokus. Dabei dienen Self-Service-Möglichkeiten nicht nur der Befriedigung
von Bürgererwartungen, sie führen auch beim Anbieter zu Effizienzsteigerungen.
Wenn der Nutzer via Portal einen
Zugang zu allen relevanten Daten
erhält – seien es Verwaltungsvorgänge, der Antragsstatus, Adressdaten oder auch Strom- und Wassertarife oder Zählerstände – entlastet das den Personalbedarf bei
der Kommunikation mit den Bürgern und Kunden. Trotz einer
24/7-Verfügbarkeit braucht der
Anbieter dann weniger Call-Center-Ressourcen und Sachbearbei-
den auch Schnittstellen zu Vergleichsportalen Pflicht. Anfragen
von Interessenten auf externen
Vergleichsportalen müssen etwa
Stromversorger innerhalb von
­Sekunden beantworten können,
wenn sie für den Interessenten in
der Ergebnisliste sichtbar werden
wollen.
Marketing, Self-Service, Kundenbindung – all dies sind gute Gründe für ein Kunden- und Bürgerportal. Zumal die digitale Transformation die alten Marktstrukturen
und Geschäftsmodelle in Zukunft
noch stärker durcheinanderwirbeln wird. Neue Marktteilnehmer
können aufgrund niedriger Markteintrittshürden schnell in einem
gesättigten Marktsegment Prozentpunkte gewinnen. Im Wettbewerb
stehende Unternehmen sind da-
Flugmedizinische Tauglichkeit: das Portalbeispiel des LBA
Das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in Braunschweig hat im Juni
2016 eine „Flugmedizinische Datenbank für Tauglichkeitsentscheidungen“ ausgeschrieben. Das LBA will in diesem Zusammenhang eine Portal-Schnittstelle zwischen der neuen Fachanwendung und den bestehenden IT-Fachverfahren des LBA
etablieren. Dabei werden insbesondere die für Piloten oder
­Pilotenanwärter erforderlichen Informationen zu Person, Krankheitsgeschichte etc. in die bestehenden LBA-Kernapplikation
überführt und dort verarbeitet.
Der Zweck des neuen, portalbasierten Verfahrens: Es soll die
nationalen und europäischen Vorgaben zur Erfassung, Übermittlung, Speicherung, Verwaltung und Bearbeitung flug­
medizinischer Informationen vollständig erfüllen und abbilden
– und die damit verbundenen Vorgänge elektronisch bearbeitbar und auswertbar machen. In Zukunft kann dann die Ausstellung des Tauglichkeitszeugnisses elektronisch erfolgen.
Eine Aufgabe, die in der Regel die flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren übernehmen.
her schlicht gezwungen, sich den
Herausforderungen der Digitalisierung zu stellen.
Procurement-Portale
Neben der externen Kommunikation mit den Bürgern und Kunden
unterstützen Portale aber auch interne Prozesse von Organisationen
oder solche entlang der Supply
Chain. In der – technologisch seit
jeher führenden – Automobil­
industrie etwa sind Logistik- und
Procurement-Portale schon seit
Jahrzehnten etabliert. Und gerade bei C-Teilen – also solchen mit
geringem Ergebnisbeitrag für die
eigene Produktion – bietet es sich
oft an, im Sinne einer unkomplizierten Beschaffung Portale zu nutzen.
Auch bei all diesen Beschaffungsprozessen – das heißt bei Interaktionsvorgängen mit externen Partnern und Zulieferern – hat die Digitalisierung den großen Vorzug,
Medienbrüche zu vermeiden.
Infrastruktur
konsolidieren
Selbst wenn es die Fachabteilungen sind, die das Portalthema in
einer Organisation forcieren – sei
es Öffentlichkeitsarbeit, Marketing
oder Vertrieb –, ist es für den Erfolg eines Portalprojekts doch oft
entscheidend, dass die Infrastruktur über die gesamte Organisation
und verschiedene Ämter hinweg
konsolidiert wird.
Bürger wollen eben nicht mit unterschiedlichsten Fachbereichen
und Standorten reden müssen,
wenn sie etwa mit ihrer kommunalen Verwaltung ein Anliegen klären möchten. Sie erwarten stattdessen, ihr Problem im zentralen
Bürger- oder Kundenportal lösen
zu können, am Single Point of Contact und möglichst umgehend.
Gelingen kann das aber nur, wenn
die Verwaltung bei ihrer Digitalisierung die alten Silo-Strukturen
überwindet, in der verschiedenste
ERP-, CRM- und Verwaltungssysteme mehr oder minder unverbunden nebeneinander existierten.
Nutzt eine Organisation ihr Portalprojekt nicht zu einer Konsolidierung ihrer Infrastruktur, dann
schafft sie mit seinem Portal letztlich nur das vielleicht fünfte oder
sechste Silo.
Es kommt vielmehr darauf an, die
monolithischen Altanwendungen
einzubinden, die erforderlichen
Services und Schnittstellen zu identifizieren und sie durch geeignete
Architekturen und moderne Technologien zu realisieren.
Organisationsweite
Strategie
Wenn ein Portalprojekt wirklich
erfolgreich werden soll, braucht es
eine übergreifende Strategie.
­Damit das neue Portal einen organisationsweiten, ganzheitlichen
Nutzen stiftet, ist es wichtig, auch
eine gemeinsame, organisationsweite Portalstrategie zu entwickeln,
beispielsweise über die einzelnen
Ämter, Einrichtungen und Fachbereiche einer Stadtverwaltung
hinweg.
In vielen Fällen hat es sich bewährt,
solch eine Portalgesamtstrategie
durch ein Querschnittsteam definieren zu lassen, dem Vertreter
­aller relevanten Ämter und Fachbereiche angehören.
Solch ein Prozess der Strategiefindung muss nicht langwierig sein
und viele Monate dauern, aber
­dennoch gilt es, eine ganze Reihe
fachlicher und technischer Fragen
zu klären:
WWWelche Services soll das Portal
abdecken?
WWMuss die Nutzerverwaltung konsolidiert werden?
WWWie soll etwa das Thema Login/
Authentisierung/Autorisierung
gelöst werden?
WWIst vielleicht ein Single-Sign-on
sinnvoll?
WWBrauchen wir externe Hilfe für
unser Portal, oder starten wir
­autark?
WWUnd welche Altsysteme binden
wir zuerst an?
Es ist daher erforderlich, zunächst
eine Portalstrategie zu entwickeln,
die all diese Fragen beantwortet.
Denn nur wenn das Portalprojekt
von einer gemeinsamen Vision getragen ist, kann das neue Portal
seine volle Wirkung entfalten –
und Motor für die digitale Transformation der gesamten Verwaltung sein.
Der Autor
Dr. Michael Bark, Geschäftsführer der evodion Information Technologies GmbH
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