Sexuelle Selbstbestimmung 30 Jahre

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S e xua lität & PA RTN E RSCH AF T
S ch w a ng e rsch af t & Fa m i l i e np l a n u ng
S e xua lPÄDAG O GI K & AU F K LÄ RU NG
Dokumentation des Fachkongress am 26. und 27. Mai 2011 in Wuppertal
Treffpunkt: Sexuelle Selbstbestimmung
30 Jahre Sexualpädagogik bei pro familia NRW
pro fa m i l i a L a nd e s v e r b a nd N R W e . V.
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Inhalt
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Einleitung
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Freitag 27. Mai 2011 – Programmübersicht
6
Donnerstag 26. Mai 2011 – Programmübersicht
47
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Begrüßung durch die Geschäftsführung
des pro familia Landesverbandes NRW
Frau Rita Kühn
Vortrag:
„Sexuelle Selbstbestimmung
als Menschenrecht“
Frau Sigrid Weiser (Redemanuskript)
57
Workshop 1:
Anleitung zum Glücklichsein
59
Workshop 2:
„Jungs – Eine Gebrauchsanleitung“
61
Workshop 3:
„Fragt uns doch!“
64
Workshop 4:
Pille, Präser und Co – ein Verhütungsupdate
66
Workshop 5:
Vielfalt zeigen – methodische und didaktische
Tipps
69
Workshop 6:
„Mitten im Leben“ – Arbeit mit ausgewählten
Zielgruppen
71
Podiumsdiskussion:
Vom Tabu zur Zumutung – Wie geht es weiter?
11
Grußworte durch Herrn Klaus Bösche
Abteilungsleiter im Ministerium für Familie,
Kinder, Jugend, Kultur und Sport
des Landes NRW
15
Vortrag; Herr Prof. Dr. Uwe Sielert
26
Diskussionsforum 1:
„Befreite Sexualität – eine Gefahr für den
Islam?“
Frau Seyran Ates
28
Diskussionsforum 2:
Hausaufgaben in Sexualkunde –
Sexuelle Bildung zwischen
Institutionalisierung und Emanzipation
Herr Dr. Karlheinz Valtl
33
Diskussionsforum 3:
„Ist Homophobie wieder salonfähig?
Herr Dr. Andreas Hieronymus
35
Diskussionsforum 4:
„Mr. Porno und Mrs. Sexting! Ist das die
Lebenswelt von Jugendlichen?“
Frau Prof. Dr. Petra Grimm
40
Diskussionsforum 5:
„Noch Neugier oder schon Gewalt?“
Herr Bernd Priebe
42
Diskussionsforum 6:
„Ist das (R)recht?“
Frau Dr. Julia Zinsmeister
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Treffpunkt sexuelle Selbstbestimmung –
30 Jahre Sexualpädagogik im pro familia Landesverband NRW
Beate Martin, Sprecherin des sexualpädagogischen Arbeitskreises
30 Jahre Sexualpädagogik in NRW – Anlass genug ein
öffentlich zugängliches Resümee im Austausch mit
externen FachkollegInnen in Form eines zweitägigen
Kongresses zu ziehen.
Die Idee einen Fachkongress zu konzipieren, ist daraus entstanden, dass es eine Vielfalt an spannenden
sexualitätsbezogenen Themen gibt und es immer
noch an Foren mangelt, bei denen sich Theoretiker
und Praktiker an einen „Tisch setzen“, um sich gegenseitig zu befruchten und von einander zu lernen. Der
pro familia Landesverband NRW setzt sich seit jeher
für einen Austausch und Dialog mit anderen
Professionen ein, deshalb sind die Teams in den
Beratungsstellen auch interdisziplinär zusammengesetzt. Ein Anliegen des sexualpädagogischen Arbeitskreises in NRW war es auch (immer noch) tabuisierte
Themen (z.B. Homophobie, Gewalt unter Jugendlichen) anzusprechen und zur Auseinandersetzung für
sexualpädagogisches Handeln anzuregen. Zudem
erschien der Zeitpunkt „30 Jahre danach…“ sinnvoll,
um eine Bestandsaufnahme von sexualpädagogischem Handeln mit externen Personen zu erstellen,
aus der zukünftige innovative Ideen entstehen können
sowie die Vielfalt von sexuellen Handlungen zu präsentieren und zu reflektieren.
Das Ziel gemeinsam mit anderen Visionen zu entwickeln sowie einen Theorie-Praxis-Transfer zu fördern,
um über zukünftige Anforderungen nachzudenken,
wurde erreicht.
Wie alles begann …
Schon in den 1970er Jahren wurde bei pro familia
sexualaufklärerisch unter dem Motto „Jedes Kind hat
ein Recht erwünscht zu sein“ gearbeitet. Die Schwerpunkte waren hier Jugendliche frühzeitig über Verhütungsmittel zu informieren. Der Bedarf an diesen
Informationen, aber auch an vielen weiteren Themen,
wuchs stetig, so dass daraufhin das pädagogische
Profil der Sexualpädagogik NRW entwickelt wurde. Mit
Beginn der 1980er Jahre verankerten immer mehr pro
familia Beratungsstellen die sexualpädagogische
Arbeit in ihrer Angebotspalette, wenn auch zunächst
auf ABM Basis. Insbesondere in der außerschulischen
Jugendarbeit, aber auch zunehmend in Schulen, zum
Teil mit großen regionalen Unterschieden, wurde dann
zum so genannten Tabu-Thema „Sexualität“ mit
Schülerinnen und Schülern pädagogisch gearbeitet.
Durch das Bekanntwerden von HIV-Infektionen und
zunehmenden AIDS-Erkrankungen wurde 1988 das
Youthwork-Programm vom Land NRW eingerichtet.
Der Landesverband NRW hat die Konzeption des
Youthwork- Programmes aktiv mitgestaltet und die
Integration des Themas HIV/AIDS als sexuell übertragbare Krankheit in die Sexualpädagogik vorangetrieben. Bis heute besteht dieses Programm in veränderter Form in etlichen Kommunen fort.
Präventives Arbeiten gewann an Bedeutung und so
gelang es dem Landesverband Stellen für diese
Tätigkeit einzurichten. Das Ziel die Arbeitsbedingungen von Honorartätigkeit und Ehrenamt hin zu festen,
wenn auch zunächst befristet, Stellen zu verbessern
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und die Erfolge in der praktischen Arbeit, motivierte
die pro familia schon sehr früh, den Fachbereich zu
professionalisieren. Bereits 1982 gründete sich der
sexualpädagogische Arbeitskreis um den Informationsfluss innerhalb der pro familia NRW zu bewahren,
die Qualität der Arbeit zu sichern und um sich intern
und extern weiter fortzubilden und auszutauschen.
Schon damals arbeiteten die PraktikerInnen eng mit
Universitäten und anderen Disziplinen zusammen. Es
ging vor allem darum ein neues pädagogisches Arbeitsfeld zu erforschen und zu etablieren. Durch stetig
wachsende Nachfragen nach den sexualpädagogischen Angeboten ist es dem Landesverband und im
Einzelnen den Beratungsstellen vor Ort gelungen, ein
qualitativ hochwertiges Angebot bis heute zu etablieren. Durch die Einsichtsfähigkeit der Politik, die letztendlich Gelder zur Verfügung stellten, gelang es in
NRW durch ein so genanntes Präventionsprogramm
und die teilweise Fortführung der Youthworker - Stellen
die sexualpädagogische Arbeit bei pro familia NRW für
viele Jahre abzusichern. Heute ist die pro familia
Sexualpädagogik ein fester Bestandteil im Rahmen
des Schwangerenfamilienhilfegesetzes.
Sexualpädagogik 2011
pro familia Sexualpädagogik steht für Qualität, Quantität und Fachlichkeit. Alle drei Merkmale sind gleichsam von Bedeutung, auch wenn diese in der Realität
nicht immer einfach umzusetzen sind. Es mangelt
nach wie vor an finanziellen und zeitlichen Ressourcen.
In 30 Jahren sind die sexualpädagogischen Fachkräfte
ihren Idealen treu geblieben, ohne sich gegenüber
dem Zeitgeist zu verschließen. Das war nicht immer
leicht, aber dem Verband und den MitarbeiterInnen ist
es bis heute gelungen, ihre Ideen zu verbreiten und
sich auch öffentlich zu heiklen und tabuisierten Themen zu äußern.
Inhaltliche und organisatorische Leitung:
Almuth Duensing, Gütersloh
Beate Martin, Münster
Organisationsteam:
Pia Heck, Leverkusen
Ulla Engel-Horstkötter, Köln-Chorweiler
Peter Rütgers, Duisburg
Anja Siekmann, Gladbeck
Andreas Weitershagen, Bonn
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Donnerstag 26. Mai 2011
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Programm am Donnerstag 26. Mai 2011
09:30 Uhr
Anmeldung & Steh-Cafe
11:00 Uhr
Begrüßung Rita Kühn
Geschäftsführerin des pro familia Landesverbandes NRW
Grußwort Klaus Bösche
Abteilungsleiter im Ministerium für Familie,
Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes
Nordrhein-Westfalen
11:30 Uhr
Vortrag und Diskussion:
Was macht die Pädagogik, wenn die Sexualität
kommt?
13:00 Uhr
Mittagspause mit Imbiss
14:00 Uhr
Diskussionsforen
Prof. Dr. Uwe Sielert, Institut für Pädagogik
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
1. „Befreite Sexualität – eine Gefahr für den
Islam?“
Frau Seyran Ates, Berlin, Frauenrechtlerin
und Anwältin türkisch-kurdischer Herkunft
2. „Hausaufgaben in Sexualkunde“
Dr. Karlheinz Valtl, Wien, Dozent des Instituts
für Sexualpädagogik, Universitätsdozent
Sexuelle Bildung zwischen Institutionalisierung und
Emanzipation
3. „Ist Homophobie wieder salonfähig?“
Dr. Andreas Hieronymus, Hamburg, Wissenschaftsjournalist
4. „Mr. Porno und Mrs. Sexting! Ist das die Lebenswelt von Jugendlichen?“
Prof. Dr. Petra Grimm, München, Ethikbeauftragte der Hochschule der Medien in Stuttgart
Empirische Befunde und medienpädagogische
Impulse
5. „Noch Neugier oder schon Gewalt?“
Sexuelle Grenzverletzungen unter Jugendlichen –
Erfahrungen und Eindrücke aus dem Hamburger
Modellprojekt
6. „Ist das (R)recht?“
Sexuelle Rechte in der Praxis der Kinder-, Jugend- und
Behindertenhilfe
17:00 Uhr
Offene Angebote
Ab 18:30 Uhr
Festveranstaltung
„30 Jahre Sexualpädagogik bei pro familia NRW“
Bernd Priebe, Hamburg, Theologe MA, Sexualpädagoge, Therapeut für sexuell misshandelte Kinder und Jugendliche
Prof. Dr. Julia Zinsmeister, Köln, FH für Zivilund Sozialrecht Köln, Direktorin des Instituts für Soziales Recht
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Begrüßung
Frau Rita Kühn, Geschäftsführerin des pro familia Landesverbandes NRW e.V.
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerial-Dirigent Klaus Bösche,
sehr geehrte Frau Peggi Liebisch, ich begrüße Sie als
neue Geschäftsführerin des pro familia Bundesverbandes,
sehr geehrte Referentinnen und Referenten,
sehr geehrte TeilnehmerInnen,
liebes Vorbereitungsteam,
liebe UnterstüzerInnen,
liebe KollegInnen der pro familia NRW,
einen Fachkongress vorzubereiten, der neben fachlicher Expertise auch bei der methodisch/didaktischen
Gestaltung auf innovative Elemente setzt und aktuelle
Tendenzen aufgreift.
hervorheben möchte ich die hervorragende Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal, Fachbereich Design und Kunst und Gestaltungstechnik.
Das Ergebnis ist für alle sichtbar, auf Initiative unserer
Mitarbeiterin Frau Anja Siekmann hat sich Herr Ulrich
Seiss als wissenschaftlicher Mitarbeiter dazu entschieden, die Ausschreibung zur Gestaltung des
Kongresses an seine StudentInnen weiterzugeben und
sie zu betreuen. Stellvertretend für die drei Studentinnnen begrüße ich Frau Katharina Brandhoff.
Gemeinsam mit Hanna Fröhlingsdorf und Josefine
Bley haben Sie mit Ihren guten Ideen das Layout der
Plakate und Wegweiser durch den Kongress und die
schöne Atmosphäre hier im Raum gestaltet, herzlichen Dank.
Ich freue mich, dass ich Sie als TeilnehmerInnen zum
Fachkongress „Treffpunkt: Sexuelle Selbstbestimmung
– 30 Jahre Sexualpädagogik pro familia NRW“ und als
Gäste zu unserer Jubiläumsfest heute Abend begrüßen kann.
Herzlichen Dank an den Sexualpädagogischen Arbeitskreis des Landesverbandes, SPAK genannt, die
Vorbereitungsgruppe und die aktuellen Sprecherinnen Beate Martin und Almuth Duensing. Mit Ihrem
Engagement und Ihrem Fachwissen ist es gelungen
Vielen Dank an die UnterstützerInnen und Sponsoren
des Fachkongresses und der Festveranstaltung heute
Abend. Dazu gehören die Stadtwerke und die
Stadtsparkasse der Stadt Wuppertal, die Firma Coripa
und natürlich der Landesverband pro familia NRW.
Der Fachkongress möchte Informationen anbieten, zur
Auseinandersetzung und zur Diskussion einladen und
Vernetzung fördern. Wir möchten aber auch mit Ihnen
zurückblicken und natürlich feiern. 30 Jahre
Sexualpädagogik bei pro familia NRW ist ein stolzer
Zeitraum.
Seit mehr als 40 Jahren können sich Ratsuchende zwischenzeitlich an 35 Standorten in NRW unabhängig
von ihrem Alter oder ihrer Herkunft mit allen Fragen zu
Sexualität und Partnerschaft, Schwangerschaft und
Familienplanung an die Beratungsfachkräfte der pro
familia wenden. Seit 30 Jahren bieten zusätzliche
sexualpädagogische Fachkräfte Jugendlichen und jungen Erwachsenen Workshops, Bildungseinheiten und
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Beratungen zu allen Fragen rund um Liebe, Sexualität
und Verhütung an. Hinzu kommen Fachkräfte, die über
Programme zur Aidsprävention gefördert werden, die
Youthworker. Der Fachdiskurs mit pro familia hat dazu
geführt, dass Aidsprävention in NRW verknüpft wurde
mit Konzepten der sexualpädagogischen Arbeit. In
diesen dreißig Jahren haben sich die Zielgruppen kontinuierlich erweitert, so werden die Angebote neben
den klassischen Arbeitsfeldern zunehmend von
Einrichtungen in der Behindertenhilfe und von Menschen mit Beeinträchtigungen in Anspruch genommen. Hinzu kommt, dass sich die Wege der Anfragen
und damit wiederum die Themenfelder verändert
haben, hier meine ich den ganzen Bereich des Internets
und der Email-Beratungen.
pro familia leitet das Handeln aus Überzeugungen ab,
die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte
festgelegt sind. pro familia hat die Vision einer demokratischen Gesellschaft, deren Fundamente Solidarität,
Verantwortung und Gleichberechtigung sind. Als
Verband treten wir für die sexuellen und reproduktiven Rechte ein. Je nach Schwerpunktsetzung geht es
um sexuelle Selbstbestimmung, um die freie Wahl und
den Zugang zu Verhütungsmitteln, um die Förderung
von Gestaltungsmöglichkeiten in Beziehung, Partnerschaft und Familienplanung. Bezogen auf den sperrigen Begriff reproduktive Rechte geht es insbesondere
darum, dass jeder Mensch selbst bestimmen kann, ob
und wann ein Kind geboren wird.
Dazu mischen wir uns in fachpolitische Diskurse ein,
werten wissenschaftliche Erkenntnisse aus und entwickelt Konzepte, die Ratsuchende, Frauen und Männer, junge und alte Menschen bei der Wahrnehmung
und ggf. Durchsetzung ihrer Rechte unterstützen.
Allein im Jahr 2010 konnten mit den sexualpädagogischen Angeboten von pro familia NRW fast 40.000
Personen erreicht werden.
Die Idee einen zweitägigen Fachkongress zu konzipieren, ist entstanden, weil es eine Vielfalt an spannenden Themen gibt und an Foren mangelt, bei denen sich
Theoretiker und Praktiker an einen Tisch setzen und
sich austauschen. pro familia hat sich schon immer für
einen Austausch und Dialog mit anderen Professionen
eingesetzt, deshalb sind die Teams in den Beratungsstellen auch interdisziplinär zusammengesetzt. In den
Beratungsstellen der pro familia arbeiten SozialberaterInnen, PsychologInnen, Ärztinnen, SexualpädagogInnen und Beratungsstellenassistentinnen
interdisziplinär zusammen.
Die sexualpädagogischen Arbeitsansätze haben sich
kontinuierlich weiter entwickelt und das muss auch so
sein. Die Anliegen der Ratsuchenden und die Situationen, in denen wir sie antreffen, verändern sich, neue
Erkenntnisse und Entwicklungen eröffnen neue Möglichkeiten der Arbeit, der Unterstützung.
pro familia macht sich dafür stark (immer noch) tabuisierte Themen (z.B. Homophobie, Gewalt unter
Jugendlichen) auf die Tagesordnung zu setzen und
sich aktuellen Themen zu stellen. Wir wollen
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Handlungsansätze reflektieren und gemeinsam mit
Ihnen neue Ideen, vielleicht sogar Visionen entwickeln. Wir möchten den Theorie- Praxis-Transfer fördern
und im kollegialen Austausch mit anderen Disziplinen
und KollegInnen über zukünftige Anforderungen nachdenken.
Ich bin gespannt auf Ihre Diskussionen hier auf dem
Fachkongress. Sie werden sich genau mit diesen
Fragen beschäftigen. Wie arbeiten wir heute, welche
Entwicklungen stellen wir aktuell fest, in welchem
Umfeld findet sexualpädagogische Arbeit heute statt
und welche Fragen und Herausforderungen stellen
sich an die praktische Arbeit.
pro familia orientiert sich an den Rechten der
Ratsuchenden. D.h. es geht nicht darum Hilfen zu
gewähren, sondern um die Unterstützung bei der
Wahrnehmung von Rechten. Dieser Blick, diese
Ausrichtung der Arbeit ist von zentraler Bedeutung.
Hier knüpfen Methoden und Vorgehensweisen an, die
Raum für das Suchen nach eigenen Werten und
Orientierungen schaffen, die ermutigen eigene Wege
zu gehen, die aber auch dazu befähigen Grenzverletzungen wahrzunehmen und unterschiedliche
Erwartungen im gegenseitigen Respekt auszuhandeln.
Eine spannende und lohnende Aufgabe, dies in
Konzepte einfließen zu lassen und in praktische
Arbeitsansätze runter zu brechen. Ich denke, Sie sind
die Fachleute, die sich dieser Herausforderung stellen
und Einiges haben Sie ja bereits entwickelt.
pro familia wird nicht müde mit dem Land, mit den
kommunalen Kostenträgern über die Absicherung der
Arbeit zu verhandeln. Einig sind sich zwischenzeitlich
alle, die Angebote sind in NRW nicht mehr wegzudenken. Die hohe Nachfrage sowohl von Institutionen und
Ratsuchenden als auch die Rückmeldungen - insbesondere von jungen Frauen und Männern - sprechen
für sich.
Das bedeutet auch mit Blick auf die vielen NutzerInnen
unserer Angebote, dass Politik und Verwaltung in
NRW sich gemeinsam mit uns dafür stark machen sollten, unsere Arbeit abzusichern. Leider befinden wir
uns hier in einer nicht so erfreulichen Auseinandersetzung mit dem zuständigen Fachministerium. Das
Ausführungsgesetz in NRW wird so interpretiert, dass
wir befürchten müssen, dass gut nachgefragte
Fachkräfte nicht mehr gefördert werden um dafür bei
anderen Verbänden neue Fachkräfte einzustellen. Eine
solche Situation hat es bisher bei der Förderung sozialer Dienstleistungen in NRW nach unserer Kenntnis
noch nicht gegeben. Wir hoffen über den Dialog mit
den Zuständigen eine Reform des Ausführungsgesetzes
zur Finanzierung der Schwangerschaftsberatung in
NRW (NeuFinSchKG ) auf den Weg bringen zu können,
die sich an der Nachfrage und der Sicherung der
Qualität der Angebote orientiert.
Verdrängen dieser Fragen ist keine Lösung sondern
führt wie in anderen Bereichen eher zu Verunsicherung,
im schlimmsten Fall zur existenziellen Krise. Deshalb
werden wir geeignete Gelegenheiten suchen um die
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Verantwortlichen in Politik und Verwaltung für unsere
Anliegen zu sensibilisieren, um mit ihnen tragfähige
Lösungen zu beraten.
Auf unserem Fachkongress heute und morgen steht
der fachliche Austausch im Vordergrund. Sie als
Fachfrauen und Fachmänner werden Handlungskonzepte besprechen und Verabredungen für
Kooperation und Vernetzung treffen.
Die Ergebnisse dieses Fachkongresses und damit Ihre
Empfehlungen, können von anderen Facheinrichtungen genutzt, Ihre Erfahrungen wiederum über den
Fachaustausch mit anderen Fachkräften zur Weiterentwicklung der Angebote führen.
Und wir möchten natürlich auch das 30-jährige
Jubiläum Sexualpädagogik in NRW feiern. Deshalb
lädt der pro familia Landesverband alle KongressteilnehmerInnen zur Festveranstaltung heute Abend
ein. Wir freuen uns, dass Sie als KongressteilnehmerInnen und einige weitere Gäste und „alte sexualpädagogische KollegInnen“ an dieser Feier teilnehmen
werden.
Ich wünsche Ihnen einen Fachkongress mit engagierten Diskussionen, vielen Erkenntnissen und guten
Ergebnissen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Rita Kühn
Geschäftsführerin pro familia NRW
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Grußwort
Herr Klaus Bösche, Abteilungsleiter im Ministerium
für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW
Sehr geehrte Frau Kühn,
sehr geehrter Herr Professor Dr. Sielert,
sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst einmal sage ich herzlichen Dank für Ihre
Einladung nach Wuppertal zu Ihrem Fachkongress.
Leider muss ich die Familienministerin des Landes
Nordrhein-Westfalen, Frau Ministerin Ute Schäfer, entschuldigen. Sie wäre sehr gern zur Eröffnung dieses
Kongresses gekommen, muss aber heute Mittag in
Essen die Jugend- und Familienministerkonferenz
eröffnen. In diesem Jahr ist Nordrhein-Westfalen
Vorsitzland und Gastgeber dieser Fachministerkonferenz.
Gern hat Frau Ministerin Schäfer jedoch die
Schirmfrauschaft über diesen Kongress übernommen
und mich ermächtigt, ein Grußwort zur Eröffnung zu
sprechen.
Meine Damen und Herren,
sehen Sie mir nach, dass ich nun Einiges sage, was Sie
selbst gut kennen und seit langem wissen. Gelegentlich soll es ja gut tun, wenn man und frau Solches auch
von Anderen hören!
Pro familia ist mit 36 Beratungsstellen einer der großen Träger der Schwangerschaftsberatung in
Nordrhein-Westfalen. Zum gesetzlichen Beratungsauftrag gehören auch Sexualaufklärung und Familienberatung und zwar in Form von Einzelberatungen
sowie als sexualpädagogische Gruppenarbeit.
Die pro familia-Beratungsstellen sind auf dem Gebiet
der Sexualpädagogik besonders profiliert, sie haben
bei diesen Veranstaltungen landesweit die größte
Reichweite. Und die Tendenz ist steigend:
– Im Jahr 2005 sind im „Förderprogrammcontrolling“
des Landes die Gruppenveranstaltungen der einzelnen Verbände zum ersten Mal getrennt erhoben
worden.
– In diesem Jahr 2005 hat pro familia NRW rund
1.400 sexualpädagogische Gruppenveranstaltungen durchgeführt,
– 2009 waren es 2.320, also eine Steigerung um fast
zwei Drittel.
– Mit diesen Veranstaltungen wurden auch immer
mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht:
2005 waren es 23.200, diese Zahl stieg auf 30.800
im Jahr 2009, also immerhin um etwa ein Drittel.
Mit solch konkreten Zahlen kann ich nur auf einen
relativ kurzen Zeitraum von fünf Vergleichsjahren
zurückblicken. Sie dagegen haben die kommenden
zwei Kongresstage dem Thema „Sexualpädagogik“ in
den zurückliegenden 30 Jahren gewidmet.
Sie haben dazu Fachleute aus der ganzen Republik –
und darüber hinaus – eingeladen, und Sie nähern sich
dem Thema ebenso grundsätzlich wie besonders: Es
soll um sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht
gehen und Sie wollen konkrete didaktische Fragen
diskutieren, um nur zwei Aspekte zu bemessen.
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Das ist folgerichtig, denn Sexualität ist gleichermaßen
ein Menschheitsthema, ein Gesellschaftsthema und
zugleich eines der persönlichsten Themen für jede
und jeden Einzelnen.
–
Kaum ein Bereich menschlichen Lebens hat so viele
Facetten wie die Sexualität:
– Im glücklichsten Fall ist sie Ausdruck von „wahrer“
Liebe, sie ist aber auch eine käufliche Dienstleistung
– oder eben eine Ware.
– Sie ist verborgen und geheimnisvoll, und begegnet
uns doch täglich in aller Öffentlichkeit, zum Beispiel
in der Werbung („sex sells“).
– Sexualität ist einerseits schambesetzt und wird
tabuisiert und andererseits eine Projektionsfläche
von „Befreiung“.
Wahrscheinlich hat sich im zurückliegenden 20. Jahrhundert der gesellschaftliche Umgang mit Sexualität
so rasant entwickelt wie nie zuvor in der bekannten
Geschichte der Menschheit:
– Die Erkenntnis, dass Sexualität zum Menschen
gehört, dass sie ein menschliches Grundbedürfnis
ist und Selbstbestimmung auf diesem Gebiet ein
Grundrecht – das sind wichtige Errungenschaften
der modernen demokratischen Gesellschaften.
– Im Bereich der Sexualität folgte die formal-rechtliche Umsetzung dem Zeitgeist durchweg mit deutlichem Abstand. So ist zum Beispiel in Deutschland
die Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar. Auch die Auffassung, dass die sexuelle
Orientierung nicht staatlich reglementiert werden
sollte, ist noch relativ neu, schließlich wurde die
Strafbarkeit „gleichgeschlechtlicher Betätigung“
in der Bundesrepublik erst 1994 formal aufgehoben.
Von der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher
Paarbeziehungen mit der Frau-Mann-Beziehung in
der Institution „Ehe“ will ich an dieser Stelle lieber
gar nicht sprechen. Dieser gesellschaftliche
Entwicklungsprozess wird uns wohl noch eine längere Zeit beschäftigen.
Meine Damen und Herren,
wo steht der einzelne Mensch – vor allem der einzelne
junge Mensch – in der gesellschaftlichen Debatte um
den Stellenwert von Sexualität? Gibt es zu diesem
Thema einen öffentlichen Bildungsauftrag und wer
setzt diesen auf welche Weise um?
Sicher ist: Sexualität ist ein Lebensthema, das
Gegenstand öffentlicher Bildung sein muss und dies
auch ist. So erörtert die Kultusministerkonferenz diese
Fragen regelmäßig in einer eigenen Arbeitsgruppe,
und in den Schulministerien der Länder werden die
Inhalte der Lehrpläne entsprechend erarbeitet. Wie
Nordrhein-Westfalen dazu aktuell steht, darüber wird
morgen Nachmittag in der Podiumsdiskussion Herr Dr.
Horst Bickel aus dem Schulministerium Rede und
Antwort stehen.
Durchgeführt wird der sexualpädagogische Unterricht
vielfach von freien Trägern der Schwangerschaftsberatung – wie pro familia. Man ist versucht zu sagen:
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Und das ist auch gut so – vor allem in den höheren
Schulklassen:
Zum Einen gehen Schülerinnen und Schüler mit weniger Befangenheit an das Thema heran, wenn es von
„außen“ in den Unterricht hereingetragen wird. Es ist
halt einfacher, Fragen zu Körper, Fortpflanzung und
Verhütung einer eher unbekannten und unbefangenen
Person zu stellen, als dem Fachlehrer oder der
Fachlehrerin, der oder die demnächst wieder die schulischen Leistungen in herkömmlichen Fächern bewertet.
Zum Anderen ist Sexualpädagogik ein eigener komplexer Fachbereich, für dessen Vermittlung permanente Fortbildung und Weiterentwicklung erforderlich
sind.
–
–
–
–
–
Fragen der Methodik und Didaktik,
Inhalte und Materialien,
besondere Zugänge zu speziellen Zielgruppen,
Sensibilität im Umgang verschiedener Kulturen
und immer wieder die Reflexion der eigenen
Haltung
das sind nur einige Aspekte einer zeitgemäßen
Sexualpädagogik, die sich kontinuierlich am Stand der
Wissenschaft und der gesellschaftlichen Diskussion
orientieren muss.
Für pro familia gehört es zum Selbstverständnis, die
Beraterinnen und Berater regelmäßig fortzubilden.
Die Fortbildungsquote von 98,5 Prozent war 2009 die
höchste unter allen Trägern in Nordrhein-Westfalen.
– Wobei pro familia hier Spitzenreiter bei einem allgemein sehr hohen Niveau ist: Die Fortbildungsquote
liegt bei den meisten Trägern über 90 Prozent.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
zu den Aufgaben der Sexualpädagogik gehört es
einerseits, Wissen zu vermitteln und andererseits, die
eigene Urteilskraft der Jugendlichen zu entwickeln
und zu stärken.
Die Funktionen des Körpers und die Abläufe bei der
Fortpflanzung zu erläutern – das sind die Grundlagen
der Sexualpädagogik. Ein zentrales Thema ist nach
wie vor das Wissen um Fruchtbarkeit und Verhütungsmethoden.
Diese Themen mit Jugendlichen zu bearbeiten, die
zum Teil in der „Hoch-Zeit“ der Pubertät sind, und dies
zugleich sachlich und seriös, altersgerecht und unverkrampft zu tun – schon das verlangt große pädagogische und fachliche Kompetenz und Erfahrung. Noch
anspruchsvoller ist allerdings die Aufgabe, mit den
Jugendlichen an Urteilsvermögen und Haltungen zu
arbeiten.
Anschauungsmaterial zum Thema „Sexualität“ steht
jungen Leuten heute – in den unterschiedlichsten
Formen und zu jeder Zeit – im Internet und in anderen
Medien zur Verfügung. Je nach einschlägiger „Vorbildung“, die die Schülerinnen und Schüler mitbringen, ist es ohne Frage schwierig bis sehr schwierig,
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Werte wie Selbstbestimmtheit, Freiwilligkeit, Gleichberechtigung und Gewaltfreiheit nachhaltig zu vermitteln.
Meine Damen und Herren,
auch – oder: erst recht? – in einer offenen, demokratischen Gesellschaft steht die Sexualpädagogik also
weiterhin vor großen Herausforderungen. Um diesen
Herausforderungen zu begegnen, braucht es hohe
Professionalität und großes Engagement der
Akteurinnen und Akteure.
Beides ist für pro familia NRW selbstverständlich - und
zwar seit 30 Jahren ungebrochen. Ihr Fachkongress ist
eines von vielen guten Beispielen dafür, wie pro familia sich in die Debatte um Sexualpädagogik und sexuelle Selbstbestimmung einbringt. Die Kongressthemen
spiegeln die gesellschaftliche Realität und sie zeigen
den Entwicklungsbedarf der sexualpädagogischen
Theorie und Praxis auf.
Das unterstreicht: Pro familia NRW war, ist und bleibt
am Puls der Zeit!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine produktive
Veranstaltung mit interessanten Begegnungen und
wichtigen Impulsen.
Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen ist gespannt
auf die Kommunikation und Kooperation mit pro familia in der Zukunft. Es ist heute nicht die Zeit und der
Ort, das eine oder andere Thema zu vertiefen, das
Frau Kühn in der Begrüßung angesprochen hat. Das
werden wir an anderer Stelle tun.
Nun bitte ich um Ihr Verständnis, wenn auch ich nicht
mehr lange hier bleiben kann und mich gleich ebenfalls auf den Weg nach Essen mache.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Ministerin
Ute Schäfer wünscht Ihrem Kongress einen guten
Verlauf und die Landesregierung Nordrhein-Westfalen
wünscht pro familia NRW im Bereich der Sexualpädagogik auch für die nächsten 30 Jahre viel Erfolg!
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pro fa m i l i a L a nd e s v e r b a nd N R W e . V.
Fa c h ko n g r e s s > T r e ff p u n k t: S e x u e ll e S e lb s t b e s t i m m u n g
3 0 J a hr e S e x u a l p ä d a g o g i k P ro Fa m i l i a N R W
Vortrag
Herr Prof. Dr. Uwe Sielert, Institut für Pädagogik
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Was macht die Pädagogik, wenn die Sexualität
kommt?
Eine historische Diskursgeschichte in 6 Teilen:
Die Mainstream-Pädagogik hat die Sexualität bekämpft
(1), partiell befreit (2), an die Sexualpädagogik delegiert (3) und ist im Moment dabei, sich vor ihr zu
sichern (4). Immer vermied sie die Auseinandersetzung
(5) – wir sollten das ändern (6).
Vor ziemlich genau 20 Jahren hielt Ina Maria Philipps
auf einer Fachtagung zur Sexualpädagogik (ich meine,
hier in Wuppertal) einen Vortrag mit dem Titel „Was
macht die Lust, wenn die Pädagogik kommt?
Es ging um eine Standortbestimmung der Sexualpädagogik, die sich neu zu definieren versuchte nach
sehr wechselhaften Phasen des Umgangs der
Gesellschaft und ihrer Pädagogik mit einer mal als
Gefahr und mal als Befreiung mystifizierten Sexualität.
Ein kurzer Rückblick:
1.
Die Pädagogik im Kampf gegen die Sexualität:
In den 50er Jahren, in der Adenauerära, wurde die
Pädagogik mit allen ihren Konzepten und Institutionen
eingesetzt, um Sexualität zu bekämpfen. Nach einer
Analyse kritischer Sexualsoziologen hatte dieser
Umgang mit Sexualität vor allem die Funktion, sich
nicht mit der Hitler-Diktatur auseinander setzen zu
müssen und die Aggression schlicht auf die Sexualität
zu verschieben: „Sauberkeit schützt vor Nationalsozialismus“.
2.
Die Pädagogik und ihr sexueller Befreiungsversuch:
Ausgelöst durch ganz viele gesellschaftliche Ursachen
begann in den 60er und 70er Jahren ein pädagogischer Befreiungsversuch zur Nutzung sexueller
Lebensenergie für die persönliche Lust, Selbstbestimmung und politische Provokation und Emanzipation, angefangen in Wohngemeinschaften über die
Kinderläden, Fürsorgeheime, Jugendverbände und
reformpädagogischen Internate. Helmut Kentler formulierte für Pro Familia die 10 Thesen einer emanzipativen Sexualpädagogik und arbeitete mit vielen anderen an einer damals revolutionären Materialmappe für
die sexualpädagogische Praxis: „betrifft: sexualität“.
Sexualität sollte nicht nur als individuelle Glücksquelle
freigesetzt werden sondern galt als politischer
Hoffungsträger und wurde in Bezug zum Nationalsozialismus mit umgekehrtem Vorzeichen funktionalisiert: Befreite Sexualität als Faschismus- Prävention.
Das konnte nicht lange gut gehen und wurde in den
80er Jahren mit der Regierungsübernahme durch die
CDU mit einem geistig moralischen Feldzug beantwortet. Äußeres Zeichen: Rücknahme der Materialmappe
betrifft: Sexualität.
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Aber der erneute Versuch, die Pädagogik für den
Kampf gegen die Sexualität einzusetzen, funktionierte
nicht so bruchlos, denn
– Es gab Pro Familia NRW, deren Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter die sexuelle Emanzipation ein
nicht mehr auszutreibendes Anliegen war.
– Es gab einen nicht ganz so konservativen
Jugendminister, Heiner Geißler, der ein eher sozialdemokratisch geführtes Institut der Uni Dortmund
damit beauftragte, neue sexualpädagogische
Materialien zu erarbeiten
– Und es gab eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit
des Modellprojekts mit den Sexualpädagogen von
Pro Familia und anderen Verbänden sowie eine
mehr oder weniger heimliche Allianz mit einigen
Akteuren der emanzipativen Phase (Helmut Kentler,
Fritz Koch, Gerhard Glück u.a.) politisch geschützt
durch Rita Süßmuth als neue Familien- und
Jugendministerin.
Es ging auf dieser Fachtagung 1993 deshalb um die
Frage „Was macht die Lust, wenn die Pädagogik
kommt?“, weil sich die gerade sich neu formierende
Sexualpädagogik gegen verschiedene Fronten behaupten und ihr Verständnis von Pädagogik erklären musste:
– Zum einen gegen eine Pädagogenmehrheit, die –
verschreckt von den Experimenten der emanzipativen Aufbruchsphase – wieder zu einer stärkeren
Reglementierung sexueller Lebensenergie zurück
wollte,
– zum anderen aber auch gegen die Einwände der
kritischen Sexualwissenschaft, die in der emanzipativen Sexualpädagogik eine Agentur der repressiven Entsublimierung ausmachte.
Ich verstand das damals überhaupt nicht, dass ein
Hauptvertreter der Kritischen Sexualforschung, Eberhard Schorsch die Mitarbeit an einem Buch über
Jugendsexualität von Frank Herrath und mir barsch
verweigerte und zugleich darauf hinwies, dass wir
niemanden der kritischen Zunft, weder Sigusch noch
Schmidt, noch Dannecker oder Reiche mit ins Boot
bekämen.
Wie wurde argumentiert? Die Pädagogik, und besonders perfide die emanzipative Sexualpädagogik stünde in der Gefahr, aus Unwissenheit um das Wesen der
Sexualität ihre befreiende Wirkung zu übertreiben, sie
zu entprivatisieren und damit die Lust der Formierung
durch Wirtschaft, Politik und Pädagogik auszusetzen.
„Subversiv“ – so schrieb der Sexualwissenschaftler
Eberhard Schorsch, sei spätestens seit den 1970er
Jahren eher die Weigerung an einer solchen
Veröffentlichung teilzuhaben 1.
Natürlich waren die kritischen Sexualwissenschaftler
damals auf dem pädagogischen Auge blind und hatten
auch keine Antwort auf die Frage, wie die Menschen
ihre Lust zur Selbstbestimmung einsetzen können,
ohne das irgendwo lernen zu dürfen.
Aber immerhin musste sich die emanzipative
Sexualpädagogik mit der Frage auseinandersetzen,
1 Eberhard Schorsch (1989): Kinderliebe, posthum herausgegeben in: Dannecker, M./Schmidt,G./ Sigusch, V. (1993): Perversion,
Liebe, Gewalt.
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wie sie denn vermeiden wolle, dass Pädagogik durch
die Befreiung der Lust die Menschen einer erneuten
Ausbeutung durch die Gesellschaft aussetzt.
Ina Maria Philipps antwortete für die Sexualpädagogik
natürlich mit dem, was heute noch stärker zum
Zentrum der Botschaft von Pro Familia steht, mit dem
Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Kinder
und Jugendlichen: Es gelte, „Mädchen und Jungen Mut
zu machen, ihre eigenen Maßstäbe zu entwickeln, was
sie schön, anregend, befriedigend oder lusttötend
finden, was sie suchen und was sie vermeiden wollen.“2
Nun gut, das war eine gute konzeptionelle Grundlage
für eine sich institutionalisierende und professionalisierende Sexualpädagogik: Pro Familia NRW wurde
größer, die Abteilung Sexualaufklärung der BZgA
nahm ihre Arbeit auf, das Institut für Sexualpädagogik
wurde gegründet, etwas später die Gesellschaft für
Sexualpädagogik.
In der Erziehungswissenschaft, im Erziehungs- und
Bildungssystem allgemein hatte man nun eine eigene
Disziplin, ein Spezialsystem, an das alle Fragen der
Sexualität delegiert werden konnten. Man vermied
das Thema Sexualität und schob es der Sexualpädagogik zu, schön begrenzt auf Kinder und Jugendliche
und möglichst als Gefahrenabwehrpädagogik.
3.
Pädagogik delegiert statt sich mit Sexualität auseinanderzusetzen
Den meisten Professionellen kam das entgegen:
Immerhin konnten somit peinliche Gesprächssituationen, unangenehme Selbstoffenbarungen vermieden werden, man ging und geht immer noch
Konflikten aus dem Weg und setzt sich vor allem nicht
dem Vorwurf aus, sich ins Private der Menschen einzumischen. Institutionen mussten ihr Selbstverständnis
und Ansehen nicht in Frage stellen, wenn mal wieder
jemand aus den eigenen Reihen grenzüberschreitend
aufgefallen war oder sich die ganze Einrichtung selbst
dem Befreiungsdiskurs verschrieben hatte (Odenwaldschule) und die Tonangebenden ihr pädosexuelles Tun durch Neutralisierungstechniken verschleiern
konnten. Die „toxischen Situationen“ in den Einrichtungen und die Legitimierungsideologien pädagogischer Konzepte blieben unentdeckt und die Erziehungswissenschaft als Disziplin enthielt sich eines
unbequemen, weil rational nicht erfassbaren Themas.
Auch, wenn wir uns als Vertreterinnen und Vertreter
der Sexualpädagogik immer wieder gegen die
Eingrenzung unserer Themen auf Körperaufklärung
und Gefahrenabwehr wehrten und Aids- und
Missbrauchsprävention an eine positive, lustfreundliche Sexualerziehung zu binden versuchten, und
obwohl wir die Theoriebildung bis zur Sexuellen
Bildung aller Lebensalter vorantrieben: In den größeren Zusammenhängen unserer Institutionen, in denen
wir tätig sind und im Erziehungs- und Bildungswesen
2 Philipps, Ina Maria (1993): Was macht die Lust, wenn die Pädagogik kommt?
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allgemein blieb unser Thema und unser Anliegen periphär, gerade mal geduldet, manchmal auch belächelt.
Sexualität wurde auf allen Ebenen zur Privatsache
erklärt, hatte ihre energetische Schubkraft im offiziellen System verloren.
Mit der Attitüde kritischer Liberalität der Nichteinmischung ins Liebesleben der Menschen wurde bis
vor kurzem gern auf jene hinabgesehen, die sich mit
dem ganz handfesten Unwissen, den psycho-sexuellen Defiziten oder der moralischen Orientierungslosigkeit der Menschen beschäftigen. Ich nehme an,
die Sexualpädagoginnen von pro familia wissen,
wovon ich rede, oft wurden sie in ihrem eigenen
Verband nicht so ganz ernst genommen.
Ich selbst fühlte mich in meiner eigenen wissenschaftlichen Community bis vor kurzem noch als Exot, sehr
wohl geachtet als Kollege natürlich – man geht ja
respektvoll miteinander um – aber mit einem Thema
befasst, das dann doch nicht so ganz ernst genommen
wird. Ein Vorbehalt, Sexualität für voll zu nehmen,
hängt mit der Tendenz jeder Wissenschaft auch der
Bildungsinstitutionen zusammen, das Emotionale
überhaupt zu meiden. Pädagogik wird auf allen Ebenen
für sachlich-vernünftiger ausgegeben, als sie das dem
Sinngehalt nach eigentlich sein kann.
Als im März 2010 während des Kongresses der DGfE in
Mainz das Ausmaß der sexuellen Übergriffe in katholischen Internaten und der Odenwaldschule als Einrichtung der Reformpädagogik bekannt wurde und die
3
Journalisten eine Stellungnahme der Professorenschaft
einforderten, reagierte der alte Vorstand der obersten
Standesorganisation gespalten:
Einige wuschen ihre Hände in Unschuld – nach dem
Motto: „Was geht uns das an, wenn die Praxis Mist
baut“, die Mehrheit setzte eine abstrakte Stellungnahme durch, welche die ZEIT folgendermaßen
beschrieb: „In einem gestelzt formulierten Papier
nimmt die Pädagogenvereinigung mit ‚Betroffenheit
und Anteilnahme’ zur Verletzung der psychischen und
physischen Integrität von Heranwachsenden in pädagogischen Institutionen Stellung“. 3
Das intellektuelle Stottern der offiziellen Pädagogik
hielt auch noch während des Öffentlichen Workshops
im Februar an, als wir versuchten, uns dem Thema
Sexualität, Macht und Pädagogik systematisch zu
nähern. Manche Beiträge gingen am Thema vorbei,
andere befassten sich ausschließlich mit Gewalt,
Sexualität blieb in der Regel außen vor.
Ich habe den meisten Erwachsenen in Politik und
Wissenschaft diese Geringschätzung des Emotionalen
und Sexuellen eigentlich nie ganz abgenommen. Aber
wer sich öffentlich damit befasst, wird in der Regel
auch persönlich an seinen Äußerungen gemessen und
natürlich ist es einfacher, die eigene private Situation
völlig außen vor zu lassen oder nur das Vorzeigbare
darzustellen. Die Neugier der Medien und deren
Benutzer könnten ja das sorgfältig aufgebaute
Ansehen vernichten, käme dies oder jenes aus dem
Privatleben ans Licht. Die Befürchtung ist ja auch nur
Die Zeit. Donnerstag, 18. 3. 2010 Nr. 12, Seite 71-72. PresseDatenbank , Artikelnr.: A4694033
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zu berechtigt, solange mit der Fiktion sittlicher
Ehrbarkeit religiöser oder auch reformpädagogischer
Erhabenheit geworben wird. Jedenfalls möchte ich
nicht in Hartmut von Hentigs Haut stecken, den ich als
Reformpädagoge sehr schätze aber nicht verstehen
kann, wie er die Machenschaften seines pädokriminellen Lebenspartners Gerold Becker auch nach deren
Enthüllung noch so ungeschickt öffentlich vernebeln
kann.
Angesichts der aktuellen Situation, bei der die
Sexualität im Gewand diverser Formen sexueller
Gewalt der Pädagogik auf die Pelle rückt, also nicht
nur im Privaten grassiert, sondern sich als hässliche
Subversion wie Maulwürfe in die mehr oder weniger
wohlbestellten Felder des Pädagogischen eingraben,
ist in vielen Pädagogikbereichen Panik ausgebrochen
(Nichts gegen Maulwürfe, allein ihre Strategie soll hier
als Metapher gelten).
Welche Haupttendenz ist zu beobachten?
5. Pädagogik sichert sich vor der Sexualität
Nun könnte eingewandt werden: „Wieso Sexualität, es
geht doch um Gewalt, die sich der Sexualität bemächtigt!“ Nichts anderen meine doch der Begriff der
„sexualisierten Gewalt“! Und schon ist die Sexualität
wieder dethematisiert wie beim Frühjahrsworkshop
der DGfE in Berlin zu beobachten: Über Gewalt redeten viele, über Sexualität nur Kurt Starke und ich. Das
mag fürsorglich der Sexualität gegenüber gemeint
sein. Aber das geht nicht mit der Vorstellung, Sexualität
sei gut und Gewalt sei böse. Auch gewaltige Sexualität
hat ihre Berechtigung und lebendige sexuelle
Sensation lebt von Grenzüberschreitungen, Spielen
der Macht und Ohnmacht, vom Spontanen und
Fremden. Und das alles kann auch mal daneben
gehen. Die gilt es zu kultivieren aber nicht darum, aus
der Sexualität eine liebevoll demokratische
Veranstaltung zu machen.
Es geht also um Sexualität, mit der sich die Pädagogik
momentan auf allen Ebenen auseinanderzusetzen hat
und es dominieren ahnungs- und hilflose Versuche
meist technischer Problemlösungen:
Die Irritation ist aber überall spürbar:
– Erzieherinnen, Lehrerinnen, Sozialpädagoginnen
der Jugendhilfe sind vorsichtig geworden mit
Körperkontakt zu Kindern und Jugendlichen, verstehen unter Professionalität Distanz und meiden
Nähe.
– Schulen, Internate und Jugendhilfeeinrichtungen
exkludieren die Verdächtigen, verstärken die internen Kontrollen und verlassen sich auf Ethik- Codes,
auf Personal- und Beschwerdemanagement...
– Konzepte der Pädagogik reinigen sich von pädagogischer Liebe und bekämpfen sich untereinander
(Reformpädagogik gegen Staatspädagogik,
Evangelikale Disziplinmodelle gegen humanistische Pädagogik)
– Und die Erziehungswissenschaft als Disziplin
kommt ins intellektuelle Stottern, die alten Herren
der Zunft empfehlen den Ausbildungsstätten,
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pädophile Lehramtsanwärter herauszufiltern und
den anderen, bei erotischen Schwingungen sich
halt zusammenzureißen.
Nie habe ich so konzentriert ehrliches Bemühen aber
gleichzeitig so viel sexualwissenschaftliche und sexualpädagogische Ahnungslosigkeit mitbekommen wie
in den letzten Monaten meines Engagements in einigen Unterkommissionen des „Runden Tischs gegen
sexuelle Gewalt“, im Beirat des Deutschen Jugendinstituts, auch in der Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und ich nehme an, dass es vielen von
Ihnen genau so gegangen ist. Jahrelange sexualpädagogische Arbeit, von uns Sexualpädagoginnen und
–pädagogen an der Basis, durch Theoriebildung und
Materialsammlungen betrieben scheint an den übrigen der pädagogischen Zunft völlig vorbei gegangen
zu sein.
Ich habe den Eindruck, es geht nur noch um den
Aufbau technischer Sicherungssysteme, um „SecurityPädagogik“, und Sexualpädagogik wird hier und da
als weichgespültes SEK, als sexualpädagogisches
Einsatzkommando dorthin geschickt, wo mal wieder
ein sexueller Übergriff stattgefunden hat.
Auf rechtspolitischer Ebene wird am strafrechtlichen
Sicherungssystem gestrickt: Viele – von den jüngsten
Skandalen in pädagogischen Kontexten aufgeschreckte Eltern, aber auch professionelle Erzieherinnen und
sogar einige meiner Kollegen aus der DGfE stellen die
momentan geltenden Schutzaltersgrenzen unseres
Rechtssystems in Frage. Sie plädieren für die Erwei-
terung aller bisher für Kinder (unter 14 Jahren) vorgesehen Schutzrechte auf Jugendliche, so dass die
Grenze zwischen sexuellem Erfahrungslernen und
sexuellem Missbrauch kaum noch zu ziehen ist und
das Rechtsgut völlig diffus wird. Es ist einfach unsinnig zu meinen, man könne Kinder und Jugendlichen
eine ungestörte Entwicklung ermöglichen, wenn man
bestimmte soziale Sphären von sexuellen Einflüssen
freihält.
Wenn Jugendliche übergriffig, gewalttätig oder gefährdet sind, können wir auf das zurzeit gültige Zivil- und
Jugendrecht und das Eingreifen der Jugendämter vertrauen. Verstoßen Pädagoginnen und Pädagogen
gegen berufsethische Standards und beuten Jugendliche aus, kann dieses Verhalten sehr konkret durch
Familienrecht, Arbeitsrecht, Beamtenrecht und andere
Regelungen erfasst werden.
Keinen Sinn hat es, ein strafrechtliches Jugendschutzgut
zu formulieren weil damit allen Jugendlichen die notwendig in dieser Lebensphase wachsende sexuelle
Selbstbestimmung abgesprochen wird. Eine Erweiterung des Kind-Begriffs auf Jugendliche bis zum 18.
Lebensjahr und eine rein strafrechtliche Perspektive
wirken auch nicht präventiv. „Derartige Konstruktionen
begünstigen allenfalls eine Infantilisierung der
Gesellschaft, verbessern aber nicht den Schutz des
sexuellen Selbstbestimmungsrechts Jugendlicher.“
(Frommel 2011 – unveröffentlichtes Manuskript)
Glücklicherweise hat pro familia sich schon des
Problems dieser unsinnigen noch immer diskutierten
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Strafrechtsänderung angenommen, das ISP hat entsprechend kritische Texte auf seiner homepage veröffentlicht, die GSP leider noch nicht so deutlich. Aber
die Stimmen der Sexualpädagogik werden im gesellschaftlichen Diskurs noch kaum zur Kenntnis genommen. Es darf einfach nicht sein, dass die Rechte von
Jugendlichen auf sexuelle Selbstbestimmung überwiegend von Kriminologen, Sexualwissenschaftlern
und Psychotherapeuten öffentlich wahrnehmbar vertreten werden und kaum hörbar von sexualpädagogischer Seite, obwohl die Kompetenz dazu doch vor
allem bei uns liegt.
Zuwendung, seelisches und körperliches Trostspenden oder das Verweigern desselben, auch die eigene
sinnlich-erotische Ausstrahlung oder das Gegenteil
davon. Sexualität ist auch immer deshalb im Spiel,
weil der pädagogische Bezug von Gefühlen der
Sympathie und Antipathie, von Übertragungen und
Gegenübertragungen, von sinnlichen, auch körperlichen Anmutungen beeinflusst wird, manchmal auch
von einer ganz spezifischen – in der Regel - uneigennützigen Liebe, die das Leben eines Kindes oder
Jugendlichen in Obhut nimmt.
Pädagogik hat die Sexualität bisher bekämpft, befreit,
delegiert und sich vor ihr gesichert, kaum aber mit ihr
auseinandergesetzt. Dabei ist Sexualität nicht ohne
Erziehung denkbar und Erziehung können wir nicht
ohne Sexualität verstehen.
Sexualität überlagert und durchquert in diesem Sinne
die beschriebene Machtdifferenz in pädagogischen
Verhältnissen vielfältig. Sowohl die Sexualerziehung
selbst als auch die emotionale, von Anfang an sinnlich
und oft erotisch spürbar gefärbte Wechselseitigkeit
der pädagogischen Beziehung sind eng mit dem
Geflecht von Machtwirkungen im Erziehungsprozess
verwoben. Die von Gefühlen ausgehende Schubkraft
trägt pädagogische Beziehungen ebenso wie sie diese
zu ändern vermag.
Darüber, dass Kinder und Jugendliche auch sexuell
erzieherische Begleitung brauchen, besteht breiter
Konsens quer durch alle Lager, der Streit beginnt nur
bei der inhaltlichen Füllung dieses Anspruchs. Dass
Macht und auch Sexualität aber konstitutiv zur
Erziehung gehört, scheint für die meisten völlig neu zu
sein. Erziehung arbeitet immer mit legitimer, also ganz
wichtiger und leider auch oft mit illegitimer Macht, die
dann Gewalt heißt. Machtmittel sind auch Anerkennung,
Erziehungsmacht ist verführerisch; sie erhöht das
Selbstwirksamkeitsgefühl, so dass es nahe liegen
kann, mit ihr in problematischer Weise zu handeln, sie
problematisch einzusetzen. Besondere Aufmerksamkeit, offen geäußerte Sympathie bis zum instrumentellen Einsatz erotischer Schwingungen können das
Verhalten des Gegenübers im gewünschten Sinne
beeinflussen. Jede und jeder ist potentiell gefährdet,
Macht auf diese Weise zu nutzen, wenn die Situation
5.
Vor allem scheut die Pädagogik die Auseinandersetzung
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es erlaubt. Das wissen auch Kinder und Jugendliche,
die beim pubertären Experimentieren ihre Grenzen
testen und ebenfalls mit allen ihnen zur Verfügung
stehenden Mitteln, auch Verführungskünsten, aus der
Position eines Unterlegenen heraus agieren, um diese
zu verändern. Sie versuchen das, bis sie auf klare
Grenzen stoßen oder auf Grenzüberschreitungen, die
sie vielleicht provoziert, als Minderjährige aber nicht
zu verantworten haben.
Wenn das alles unreflektiert bleibt, tabuisiert, der
Privatheit überantwortet, darf sich keiner wundern,
wenn sich in der Gesellschaft, insbesondere aber in
unseren Schulen, Heimen, Jugend- und Sportverbänden,
natürlich auch in unseren Familien subversiv sexueller
Machmissbrauch im Generationenverhältnis aber auch
zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander
entwickeln können und sich diese Schattenseiten der
Sexualität – ich sage es noch einmal - wie Maulwürfe
in die mehr oder weniger wohlbestellten Felder des
Pädagogischen hineingraben.
Und gleichzeitig verheißen Erotik und Lust der Körper
ein kreatives Chaos, das Lebendigkeit, Lebensfreude,
Innovation und Konflikt und Verbundenheit mit sich
bringt, ohne die Erziehung zu einer blutleeren
Veranstaltung wird. Wir wollen, dass Kinder und
Jugendliche durch sexuelle Bildung Glücksmomente
der Erregung, des Verliebtseins, der tiefen Verbundenheit, auch der Bewältigung von Trennungsschmerz erleben und damit konstruktiv umgehen lernen. Wie kann es dann sein, dass in unserem
Bildungssystem kaum ein seriöser Mensch solche
Ergebnisse als Erfolgsnachweis seiner erzieherischen
Bemühung für sich zu reklamieren wagt. Warum
eigentlich, wo doch jeder weiß, wie wichtig lebenspendend sinnlich-erotische Erfahrungen sich auswirken?
Im Namen sexueller Lust ist bisher kaum eine pädagogische Theorie oder Konzeption entstanden, obwohl
das die beste Prävention auch gegen sexuelle Gewalt
wäre. Eher bringen Versagungen und Verbote die
Leute auf die Beine. Die negativen Begleitumstände
einer ungebildeten Sexualität – von sexuell übertragbaren Krankheiten über Gang-bang von Jugendlichen
bis zu sexueller Gewalt – stacheln das allgemeine
Nachdenken eher an als der freudig lustvolle Kern.
Die Forderung von Karlheinz Valtl, neben der pädagogischen Förderung intellektueller, musikalischer oder
sportlicher Besonderheiten auch die „sexuelle
Hochbegabung“ in das zu fördernde Bildungsprogramm
aufzunehmen, löst regelmäßig Heiterkeit oder
Schenkelklopfen aus. Pädagogik sympathisiert doch
immer noch mehr mit der Liebe zur Ordnung als einer
kreativen Liebesunordnung.
6.
Sexualpädagogik als Entwicklungshilfe für die
Pädagogik
Was ist zu tun? Welche Aufgaben haben die in
Deutschland vielleicht 200 in Wissenschaft, Verwaltung und Praxis tätigen Sexualpädagoginnen und
Sexualpädagogen mit Expertenstatus gegenüber den
andern 2 Millionen hauptamtlichen Lehrerinnen,
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Erzieherinnen, Sozialarbeitern und Erwachsenenbildnern? Sexualpädagogik hat sich professionalisiert,
institutionalisiert, zu einem kleinen System mit
Expertise entwickelt, wie auch diese Fachtagung deutlich macht. Im Moment ist die gesellschaftliche
Situation günstig. Mit einer Top-down-Strategie sollen
die bisherigen Erkenntnisse des Runden Tischs zur
Intervention und Prävention bei sexueller Gewalt in
allen Bereichen der Pädagogik implementiert werden.
Es brauchte offenbar des Einbruchs eines sexuell
abweichenden Verhaltens in die pädagogische Normalität, um den Dialog gleichsam zu erzwingen.
–
–
–
–
Die DGfE veranstaltet ihren Fachkongress im
Frühjahr zum Thema „Grenzüberschreitungen“
und ist bereit, mit einigen wichtigen Veranstaltungen an der Grenze zwischen Sexualpädagogik und
den anderen Disziplinen der Pädagogik den Dialog
zu beginnen.
Das Jugendministerium hat da 2 Millionen Euro zur
Gewaltpräventnion für die Beratung von
Jugendhilfeeinrichtungen zur Verfügung gestellt.
Das Deutsche Jugendinstitut hat repräsentative
Studien zum Vorkommen von sexuellen Übergriffen
in Heimen, Internaten, Schulen durchgeführt und
auch nach der Existenz sexualpädagogischer
Konzepte gefragt.
Das BMBF hat für 2,3 Millionen Euro ein
Fortbildungsmodell mittels ELearning in Auftrag
gegeben, das für alle helfenden und erzieherischen Berufe gedacht ist.
Über den Runden Tisch und das BMBF wird ein
–
–
–
Initiativkonzept zur (auch) sexualpädagogischen
Fortbildung für alle Schulen in die entscheidende
Bund- Länder – Steuergruppe für Bildungsplanung
eingegeben.
Das BMBF hat insgesamt 30 Mio Euro für die
Erforschung aller möglichen Themen rund um
sexuelle Gewalt in Institutionen und Familien zur
Verfügung gestellt, von denen 10 Mio der Pädagogik
zugute kommen. Es soll Forschung sein, deren
Ergebnisse sehr schnell in die Praxis transferiert
werden, zu diesem Zweck sollen vor allem
Transfertagungen vom Ministerium finanziert werden.
Für Sexuelle Gewalt und Sexualpädagogik werden
max. 5 Juniorprofessuren an Hochschulen eingerichtet, die eine nachhaltige Infrastruktur von
(auch) sexualpädagogischen Kompetenzzentren
anbahnen sollen.
In diesem Zusammenhang kommt – so hoffe ich,
auch eine enge Zusammenarbeit zwischen der kritischen Sexualwissenschaft und der Pädagogik
zustande – zumindest sind Verhandlungen wegen
eines Verbundprojekts zur sexualpädagogischen
Aus- und Fortbildung aufgenommen worden.
Ich weiß, es gibt auch genügend Gegenbeispiele,
Stellen- und Budgetkürzungen mit denen sich vor
allem die Basisarbeit herumschlagen muss. Aber lasst
uns die Chancen wahrnehmen, die in der momentanen
Situation liegen. Sexualpädagogik ist gefordert, und
es wird ihr ermöglicht, aus der kommunikativen Latenz
der letzten Jahre herauszutreten und ihr Wissen, ihre
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Erfahrungen der Pädagogik im Allgemeinen zur
Verfügung zu stellen. Sie hat mit ihren Erfahrungen
rund um die Sexualität als kostbare, aber auf
Begleitung angewiesene Qualität menschlichen
Lebens einen riesigen Vorsprung vor jeder sinnenneutralen Pädagogik, die diese Quelle menschlicher
Lebendigkeit nicht wahrhaben will.
Ich danke für Eure/Ihre Aufmerksamkeit!
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1) Begrüßung Rita Kühn – Geschäftsführerin pro familia Landesverband NRW
2) Grußwort Klaus Bösche, Abteilungsleiter im Ministerium für
Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NordrheinWestfalen
4) Prof. Dr. Uwe Sielert – Hauptvortrag „Was macht die Pädagogik,
wenn die Sexualität kommt?“
6) Karl-Heinz Valtl in der Diskussion mit TeilnehmerInnen
sowie Bilder vom Tage
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Diskussionsforum 1:
„Befreite Sexualität – eine Gefahr für den Islam?“
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Diskussionsforum 1:
„Befreite Sexualität – eine Gefahr für den Islam?“
Frau Seyran Ates, Frauenrechtlerin und Anwältin
türkischkurdischer Herkunft, Berlin
Die Juristin S. Ates verteidigt unerschrocken eine fortschrittliche Vision des Islam, sie kämpft für Freiheit
und Rechte der Frauen und Kinder – für dieses
Engagement hat sie bereits neben anderen
Auszeichnungen das Bundesverdienstkreuz erhalten.
nen Lebenserfahrungen und Informationen zur Lebensund Denkweise muslimischer Menschen. Die TeilnehmerInnen erhielten Antworten auf viele konkrete
Fragen, die sich in der Arbeit mit muslimischen
Mädchen und Jungen stellen.
Aus ihrem Buch „Der Islam braucht eine sexuelle
Revolution“ (Klappentext):
– Wer im Islam frei und selbstbestimmt über seine
Sexualität entscheiden will, vorehelichen Sex fordert
oder sich offen zu seiner Sexualität bekennt, begibt
sich in Lebensgefahr. Gleichzeitig behauptet die islamische Welt, die bessere, die moralischere Religion zu
haben. Einige muslimische Fanatiker bekämpfen den
vermeintlich dekadenten Westen sogar mit Gewalt.
Doch eine Gesellschaft, die freie Selbstbestimmung
untersagt, ist in jeder Hinsicht rückschrittlich.
Ehrenmord, Zwangsheirat, Kopftuchzwang, sexuelle
Selbstbestimmung, Jungfräulichkeit vor der Ehe waren
zentrale Themen in der Diskussion mit Frau Ates. Die
Bedeutung eben dieser Themen in der praktischen
Arbeit als Sexualpädagoge/in wurden diskutiert und
beleuchtet.
In der Diskussion wurde deutlich, dass muslimische
Jugendliche in Deutschland in ihrer sexuellen Selbstbestimmung mit einer Doppelmoral konfrontiert werden. Frau Ates sieht das Aufzeigen dieser Doppelmoral als wichtige Aufgabe der Sexualpädagogik.
Seyran Ates plädiert für eine sexuelle Revolution im
Islam. Genau wie die Frauen und Männer in den westlichen Ländern, die in den 60er Jahren erfolgreich für
ihre sexuelle Selbstbestimmung gekämpft haben,
müssen sich Musliminnen und Muslime ihre Rechte
erstreiten. Nur so können Freiheit und Menschenwürde
in der islamischen Welt wirklich gelebt werden. –
Die sexuelle Bildung, die u.a. durch die Sexualpädagogik in den letzten 20 Jahren mit entwickelt wurde,
ist für Frau Ates ein unverzichtbarer Teil, der zur sexuellen Revolution beiträgt. Ein selbstbestimmtes Leben
in einer Demokratie schließt für sie eine selbstbestimmte Sexualität mit ein.
Im Diskussionsforum las Frau Ates Passagen aus
ihrem Buch, das 2009 erschienen ist, vor. Sie ergänzte
die Texte mit ihrem Wissen über den Koran, ihren eige-
Moderation: Inge Thömmes, Bielefeld
Protokoll: Ulrike Wehmeier, Gütersloh
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Diskussionsforum 2:
Hausaufgaben in Sexualkunde – Sexuelle Bildung
zwischen Institutionalisierung und Emanzipation
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Diskussionsforum 2:
Hausaufgaben in Sexualkunde – Sexuelle Bildung
zwischen Institutionalisierung und Emanzipation
Herr Dr. Karlheinz Valtl, Dozent des Instituts für Sexualpädagogik,
Universitätsdozent, Wien
Teil I
TeilnehmerInnen des Diskussionsforums waren überwiegend LehrerInnen sowie (außerschulische)
SexualpädagogInnen. Im Plenum herrschte ein wertschätzender, unterstützender Umgang zwischen den
unterschiedlichen Berufsgruppen.
Hausaufgaben Klasse 9b
– 3 Stellungen als Skulptur in Kleingruppen erarbeiten
– Flächenberechnung eines Vibrators
– Selbstbefriedigung: Leichtes Hinauszögern üben,
Teil II
– Über`s Wochenende!
Sexuelle Bildung in der Schule und ihre Widersprüche/
Ambivalenzen
Einstieg: Austausch zu zweit zu folgenden Fragen:
– Welche Hausaufgabe würdest Du als LehrerIn zum
Thema „Sexualität“ gerne einmal geben?
– Was würdest Du keinesfalls in der Schule als
Hausaufgabe geben, obwohl Du es pädagogisch
sinnvoll findest?
– Wovor hättest Du am meisten Angst, wenn
Sexualität in der Schule mit Hausaufgaben konkret
wird? (aus LehrerInnen- bzw. SchülerInnenPerspektive)
Ergebnisse der anschließenden Diskussion im
Plenum:
Hausaufgaben sind in der Schule Pflicht. Dadurch werden sie einerseits zwar legitimiert, andererseits wäre
jedoch insbesondere in Bezug auf Sexualität
Freiwilligkeit wünschenswertes Prinzip. Ebenfalls
wünschenswert wären je nach Thema differenzierte
Hausaufgaben für Mädchen und Jungen.
Freiwilligkeit sollte bei sexuellen Themen mit persönlichem Bezug auch beim Vortragen der Hausaufgaben
gelten. Eine Möglichkeit, diese in den Unterricht einzubringen, wäre z.B. die Meta-Ebene: „Wie ging es Dir
mit den Hausaufgaben?“
Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellte
war: “Wie weit darf ich im institutionellen Rahmen von
Schule gehen?“ Zum Beispiel „Flirten“ als Hausaufgabe. Wäre das im Hinblick auf bestehende Partnerschaften vertretbar?
Hausaufgaben sind in der Regel bei SchülerInnen
negativ besetzt. Sie stehen somit im Widerspruch zu
Botschaften in der Sexualerziehung. Am Beispiel
Sexualberatung zeigt sich aber auch, dass die sogenannte „Hausaufgabenverschreibung“ als Interventionsstrategie indiziert und durchaus sinnvoll sein
kann.
Hausaufgaben in „Sexualität“ sehen die teilnehmenden LehrerInnen im Widerspruch zur eigenen Rolle
bzw. zur Institution. Verunsicherung herrscht hinsichtlich der Frage: „Kann/darf ich das …?“. LehrerInnen
agieren immer im Kontext von Benotung. Hingegen
haben SexualpädagogInnen als Externe andere Möglichkeiten. Kritisch angemerkt wurde im Zusammen-
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hang mit Unterrichtsinhalten/Hausaufgaben, dass es
fragwürdig sei, „Mathe zu versexen“, damit sie für
SchülerInnen interessant wird.
Sensibler Umgang ist auch im Hinblick auf die Rolle
von SchülerInnen gefordert, da diese wesentlich empfindlicher seien. Benannt wurde die mögliche Angst
von SchülerInnen, bei Hausaufgaben vergleichbar zu
werden sowie die Angst, Intimes in der Klasse preiszugeben.
Zusammenfassend:
Alle diskutierten Aspekte scheinen konflikthaft. Das
Forcieren von Sexualität als Thema im Unterricht
würde „zu weit gehen“, das Auslassen von Sexualität
im Unterricht würde bedeuten, ein wichtiges Thema zu
negieren.
Schule ist als „Lebensraum“ zu begreifen, in dem
Sorge dafür getragen wird, den SchülerInnen sichere,
auch sexuelle, Erfahrungen zu ermöglichen. Aufgrund
des engen, kontinuierlichen Kontaktes zwischen
SchülerInnen und LehrerInnen ist die situative
Sexualerziehung in Schule zu verorten. Sexualerziehung/Aufklärung kann nur in Teilen an externe
SexualpädagogInnen delegiert werden. Das Thematisieren von z.B. Pornographie oder Penislängen bei
Jungen kann bei SchülerInnen „Druck“ nehmen.
Jungen und Mädchen wollen „Realität“ kennenlernen
und es sollte Aufgabe von Schule sein, das zu leisten.
In jedem Fall müssen die individuellen Grenzen der
Lehrkräfte beim Thema „Sexualität“ berücksichtigt
werden. Untergräbt erotische Ausstrahlung die
Autorität? Geäußerter Wunsch an LehrerInnen:
Professionelles, selbstbewusstes „Standing“ in Bezug
auf die eigene Sexualität.
Teil II
Austausch in Kleingruppen und Vorstellen einzelner
Aspekte im Plenum zu Spannungsfeldern, die in der
vorangegangenen Diskussion deutlich geworden sind
mit:
Pflicht/Verbindlichkeit vs. Selbstbestimmung/Freiwilligkeit/Lockerheit Intimität vs. Provokation/exponiert sein/sich outen:
Gewisses Maß an Outing ist wichtig, um gut zu arbeiten. In verantwortbarem Maße schafft es Vertrauen
und Gemeinsamkeit. Wo ziehe ich meine persönlichen
Grenzen bei Fragen von SchülerInnen? Was zeige ich
von mir? Grundvoraussetzung ist Ehrlichkeit in Bezug
auf die eigene Sexualität. LehrerInnen/SexualpädagogInnen haben für SchülerInnen eine Vorbildfunktion. Eine Aufgabe von PädagogInnen ist es,
Grenzen von SchülerInnen zu wahren, wenn diese selber das nicht tun. Es gilt, sowohl die eigenen Grenzen,
als auch die anderer zu definieren. Es geht um
„Befreiung“, nicht um „Entgrenzung“.
Standing/Selbstreflexion/professionelles Selbstbewusstsein/Rollenflexibilität vs. entpersönlichtes
Funktionieren
Keiner will „entmenschlichtes Funktionieren“! In der
(sexualpädagogischen) Arbeit gilt es, authentisch zu
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sein, sich nicht zu verbiegen. Pädagogische
Professionalität heißt nicht, distanziert zu agieren.
Hilfreich sind in jedem Fall Belastbarkeit und ein
gutes Zeitmanagement. Auch sollten die eigenen
sowie die Bedürfnisse der Gruppe im Blick sein.
Konzepte für die eigene Arbeit sind wichtig und unabdingbar, doch sollten diese mit entsprechender
Flexibilität gehandhabt werden. „Das Rad nicht
immer wieder neu erfinden“ bedeutet auch Entlastung. Selbstreflexivität braucht Kommunikation. Dazu
zählt zum einen die Rückversicherung bei Jugendlichen/Zielgruppe, zum anderen der Austausch mit
KollegInnen.
Austausch über good-practice Beispiele
Methoden müssen zur Zielgruppe bzw. zur
Gruppenleitung passen. Da Gruppen nicht immer
gleich sind, sollten (neue) Methoden mehrfach ausprobiert werden. Ihr Einsatz setzt voraus, dass sich
sowohl LehrerInnen als auch SchülerInnen auf die
„Spiel-Ebene“ begeben. Beliebte und gut einsetzbare
Methoden/Materialien wurden z.B. der Grabbelsack,
TABU, Flaschendrehen, „Abigail und Gregor“, Knete,
PAOMI-Modelle und Zykluskette benannt.
Emotionalität vs. Beschränkung auf kognitive Kernkompetenz von Schule
Der Vorteil, den LehrerInnen haben, ist ihr langfristiger Kontakt zu SchülerInnen, was gleichsam für emotionale Inhalte qualifiziert (Förderung der Liebes- und
Beziehungsfähigkeit als Lerninhalt und -ziel). In Schule
geht es (auch) um die Bildung/Ausbildung sozial-
emotionaler Kompetenzen. Sexuelle Bildung findet auf
unterschiedlichen Ebenen, fächerübergreifend statt.
Die Erlebnistiefe variiert je nach Thema und Gruppenzusammensetzung; dies ist durchaus in Ordnung.
Alternativ oder ergänzend könnten andere Settings
angeboten werden: Beratung, Online-Beratung etc.
Der Zeitmangel im Schulalltag führt oftmals dazu,
dass die Vermittlung weiterer Inhalte – über die „harten Fakten“ der Sexualaufklärung hinaus – zu kurz
kommt. SchülerInnen brauchen viel mehr, als nur
„reden über“. Sie brauchen Möglichkeiten/Raum, sich
zu öffnen (Bsp. Jungengruppen). Von außen kommend
haben SexualpädagogInnen andere Möglichkeiten,
die das schulische Angebot ergänzen. Wichtig sind
konkrete Absprachen zur Rollenverteilung zwischen
internen und externen PädagogInnen. Ein Thema –
nicht nur für LehrerInnen – sind z.B. (sexuelle)
Provokationen von bzw. unter Jugendlichen und der
Umgang damit. Hier bieten SexualpädagogInnen
Fachberatung im konkreten Einzelfall oder
Fortbildungen für LehrerInnen an.
Abschlussrunde: Was nehmen die TeilnehmerInnen
des Diskussionsforums an Impulsen mit?
– Bestätigung der eigenen Haltung in Bezug auf den
Umgang mit SchülerInnen sowie wertvolle Impulse
für die eigene Arbeit.
– Deutlich geworden ist, dass es keine „Rezepte“
gibt, und dass es wichtig ist, authentisch zu sein.
– Mehr Zeit mit den einzelnen Gruppen ist wünschenswert und wertvoll.
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–
Das eigene Konzept im Hinblick auf „Intimität/
Grenzen“ überprüfen. Z.B. eine Karte für den
Einsatz im Unterricht gestalten: „Will nix dazu
sagen“ (Intimität wahren).
Sich auch einmal in die Rolle von SchülerInnen zu
versetzen, ist hilfreich. Mehr Sensibilität für
Befindlichkeiten, Verhalten von SchülerInnen.
Bereitschaft – nach anfänglicher Abwehr – „Hausaufgaben in Sexualkunde“ zu geben. Statt
„Hausaufgaben geben“, den SchülerInnen
„Experimente“ vorschlagen.
Das „Setting Schule“ genauer anschauen und die
Kommunikation mit LehrerInnen verbessern.
Vorurteile gegen LehrerInnen abbauen, sensibler
werden für Anliegen von Schulen. „Alle ziehen am
gleichen Strang“. In Kooperation mit Schule offensiveres Thematisieren einzelner Aspekte.
Einerseits Ideen/Anregungen für LehrerInnenfortbildung, andererseits Einblicke in die Arbeit
von SexualpädagogInnen.
Fazit: Für die Arbeit in Schulen braucht es Mut &
Sensibilität!!!
Moderation: Walter Oreschkowitsch, Aachen/Düren
Protokoll: Pia Heck, Leverkusen
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Diskussionsforum 3:
„Ist Homophobie wieder salonfähig?“
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Diskussionsforum 3:
„Ist Homophobie wieder salonfähig?“
Herr Dr. Andreas Hieronymus
Wissenschaftsjournalist, Hamburg
Dr. Andreas Hieronymus stellt die Simon Studie vor.
Berliner Jugendliche mit Migrationshintergrund wurden zum Thema Homophobie befragt. Da die Fragen
wenig Aussage hätten, teilweise suggestiv gestellt
wurden, sehr offen und wenig konkret waren, seien
die Ergebnisse von geringer Aussagekraft.
Er geht noch einen Schritt weiter und macht durch die
Befragung der Teilnehmerrunde deutlich, dass wir laut
der Studie genauso homophob wären, wie die
Jugendlichen, die befragt wurden. Im Grunde genommen führt er die Studie ad absurdum.
Danach entwickelt sich eine interessante Diskussion
über tatsächliche Homophobie in unserer Gesellschaft.
Die TeilnehmerInnen sehen eine gesellschaftlich oberflächliche Akzeptanz von homosexuell lebenden
Menschen, andererseits befürchten sie, dass oftmals
sozial adäquat geantwortet wird. Somit vermuten einige TeilnehmerInnen eine latente Homophobie, die
schwer greifbar ist, besonders bei Jugendlichen, insbesondere bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund.
Da viele TeilnehmerInnen mit diesen Jugendlichen
arbeiten, werden Unsicherheiten mit dem Umgang
und teilweise auch Frust über schwulenfeindliche
Bemerkungen deutlich. Wie geht man damit um? Das
wird kontrovers diskutiert.
Ein guter Umgang ist das konkrete Thematisieren von
Homosexualität. Oft liegen negative Erfahrungen
zugrunde, grundsätzliches Unwissen, Angst selbst
schwul zu sein. Durch sexualpädagogische Methoden,
wie zum Beispiel folgende Fragen:
– „Wie nahe lässt Du jemand deines eigenen
Geschlechts auf Dich zukommen?“
– „Kennst Du Schwule oder Lesben, wenn ja, wie
findest Du sie?“
– „Wenn Du schwul wärst, wem würdest Du es
anvertrauen?“
– „Wenn dein bester Freund dir sagen würde, er sei
schwul, was würdest du tun?“
– „Warum glaubst Du, werden heute noch Schwule
unterdrückt?“
Es wird deutlich, dass wir durch sexualpädagogisches
Arbeiten viel bewirken können, aber ähnlich wie beim
Thema Verhütung, werden wir nicht alle Jugendlichen
erreichen können.
Moderation und Protokoll:
Andreas Müller, Oberhausen/ Mettmann
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Diskussionsforum 4:
„Mr. Porno und Mrs. Sexting!
Ist das die Lebenswelt von Jugendlichen?“
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Diskussionsforum 4:
„Mr. Porno und Mrs. Sexting! Ist das die Lebenswelt
von Jugendlichen?“
Frau Prof. Dr. Petra Grimm, Ethikbeauftragte der Hochschule
der Medien in Stuttgart, München
Ablauf:
– Begrüßung, Kennenlernen, Themeneinstieg
– Ergebnisse der Studie „Porno im Web 2.0“ (Eingabe
durch Prof. Grimm) mit anschließender Diskussion
– Kaffeepause
– Gespräche in Kleingruppen zu Impulsfragen
– Abschlussdiskussion
1.
Begrüßung, Kennenlernen, Themeneinstieg
Einstieg ins Thema mit folgenden Fragestellungen:
– Wer arbeitet wo und mit welcher Zielgruppe?
– Inwiefern und wie häufig begegnet mir das Thema
Pornographie in der Arbeit?
– Sehe ich den Konsum von Pornographie
Jugendlicher als problematisch bzw. Besorgnis
erregend im Sinne von schädlich an oder eher
nicht?
Als Input stellt Frau Grimm anhand einer Power-PointPräsentation die Studie „Porno im Web 2.0“ die
Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der
Lebenswelt von Jugendlichen 1 vor.
Aufbau des Vortrags zu folgenden Punkten:
– Zusammenfassung zentraler Ergebnisse
– Erläuterungen zum Thema „Sexting“2
– Wirkungen von Pornographie
– Anforderungen an die pädagogische Praxis
Zum Forschungsdesign:
Die Studie basiert auf Auswertungen von nationalen
und internationalen Studien zur Nutzung von
Internetpornographie, sowie qualitative Befragungen
von Jugendlichen und Experten.
2.
Ergebnisse der Studie „Porno im Web 2.0“
– Internet-Pornografie gehört mittlerweile zur
Lebenswelt von Jugendlichen (insbesondere der
Jungen).
– Ob Jugendliche Pornografie nutzen oder nicht,
steht in keinem Zusammenhang mit dem
Bildungshintergrund.
– Zum ersten Mal kommen Kinder und Jugendliche
meist im Alter zwischen 11 und 12 Jahren mit
Pornos Kontakt. Häufig kommen Kinder und
Jugendliche auch unabsichtlich mit Pornografie in
Berührung (z. B. durch Pop-ups). Ab 13 Jahren werden am ehesten gezielt Pornos konsumiert.
– Entscheidende Faktoren, ob Jugendliche
Pornografie nutzen, sind: Alter; aktuelle sexuelle
Beziehung; Haltung zu Pornographie
– Geschlechtsspezifische Unterschiede in der
Nutzung von Pornografie zeigen sich in folgenden
Punkten: Sexualisierte Inhalte werden von Jungen
anders als von Mädchen wahrgenommen und
bewertet. Mädchen kommen zwar mit pornografischen Inhalten in Berührung und erleben dies auch
als alltägliche Interneterfahrung, lehnen diese
Inhalte aber ab und finden sie „ekelig“ bzw. absto-
1 Grimm, Petra/Rhein Stefanie/Müller Michael (2010): “Porno im Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebens
welt von Jugendlichen“. Schriftreihe der NLM, Band 25. Berlin: Vistas Verlag.
2 Sexting ist die private Verbreitung erotischen Bildmaterials des eigenen Körpers über Multimedia Messaging Services (MMS) über
Mobiltelefone. Das aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammende Kofferwort setzt sich aus Sex und texting (engl. etwa:
„Kurzmitteilungen verschicken“) zusammen. Wikipedia, Recherche vom 14.10.2011
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–
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ßend. Ihre Kenntnis von Pornografie ist geringer
als bei den Jungen. Bei Jungen zeigen sich vier
Hauptmotive für die Nutzung von Pornografie:
Erregung; Wissensgewinn; soziale Integration und
Unterhaltung/Spaß (Mittel zur Langeweile). Eine
Ausnahme bilden so genannte Extremvideos (z. B.
Sodomie-Darstellungen), die lediglich hauptsächlich über Mobil-Telefone verbreitet werden und nur
den Zweck einer Mutprobe erfüllen.
Selbstproduzierte, intime Videos, die auch unter
dem Phänomen „Sexting“ bekannt sind, werden
von einigen Jugendlichen zur Selbstdarstellung im
Internet publiziert. Dabei geht es auch um Fälle, in
denen intime Fotos und Videos ohne Einwilligung
des ehemaligen Partners im Internet veröffentlicht
worden sind.
Als Begründung für das unterschiedliche
Nutzungsverhalten führen sowohl Mädchen als
auch Jungen das biologistische Geschlechterrollenmodell an: „Jungen haben Triebe und konsumieren daher Pornografie, Mädchen haben diese
Triebe nicht und brauchen daher keine Pornografie“.
Im Gegensatz zu jüngeren Jugendlichen können
ältere Jugendliche meist zwischen einem Porno,
als einem medial konstruierten Produkt, und real
gelebter Sexualität unterscheiden.
Die Nutzungshäufigkeit ist insbesondere bei
Jüngeren (auch Kindern) deutlich angestiegen.
Eine verlässliche Datenlage zur Wirkung von
Pornografie auf Jugendliche liegt bis heute nicht
vor, da aus forschungsethischen Gründen Minder-
jährigen keine Pornografie vorgelegt werden darf.
Aufgrund der Expertenbefragung werden folgende
Wirkungspotentiale vermutet:
· Realitätskonzeption/ Normalisierungseffekt
· Leistungsdruck/ Perfektionsdruck
· Körperbild (Intimrasur/ Body-Modification)
· Problematische Rollenbilder
· Einfluss auf sexuelle Verhaltensweisen
· Wertewelt (Hegemonie, Misogynie etc.)
· Beeinträchtigung von Individualität
· Unsicherheit in Bezug auf bestimmte Sexualpraktiken (Fragen bezüglich Analverkehr).
(vgl. Powerpoint-Präsentation)
Ziele und pädagogische Handlungsfelder
· Thematisierung von ungewollter Konfrontation
mit Pornografie
· Schutz persönlicher Daten
· Differenzierung von Realität (real life) und
Pornografie
· Raum zum Bewusstwerden der eigenen
Wünsche und Grenzen schaffen
· Technisches Know-how fördern (Medienkompetenz)
· Aufzeigen strafrechtlicher Konsequenzen
· Themen enttabuisieren
· Handlungsräume und Kommunikationsanlässe ·
schaffen
· Peer-to-Peer-Ansatz verfolgen
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3.
Nach dem Vortrag folgte eine Diskussion – u. a. zu
folgenden Themen:
– Wirkungspotenziale: Gibt es auch eine positive
Wirkung? (O-Töne von Jugendlichen dazu: „Porno
= besser als Aufklärungsunterricht in der Schule.
Außerdem: Keine Wirkung ist gleich eine positive
Wirkung (Wirkungslosigkeit als positiver Effekt)
– Mögliche Gründe für eine ablehnende Haltung von
Mädchen/Frauen bezüglich Pornos (Demütigungen,
klassische Abfolge von sexuellen Praktiken, Mangel
an Narrativem, Männlicher Point of view, sozial
unerwünscht)
– Sexualpädagogische Konsequenzen und Handlungsfelder
4.
Kleingruppenarbeit
Im zweiten Teil des Workshops standen in zwei Blöcken
folgende Fragen zur Diskussion:
Fragen aus Block 1:
– Was ist Pornografie?
– Wie ist meine persönliche Haltung zu Pornografie
und spielt dabei das eigene Geschlecht eine
Rolle?
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit (Auswahl an
Meinungen)
– Konsens war, dass Personen, die mit Jugendlichen
über Pornografie reden, schon mal selbst sexualisierte Darstellungen gesehen haben sollten.
Angemerkt wurde jedoch, dass natürlich keine
–
–
Notwendigkeit bestehe, „alles“ gesehen haben zu
müssen – Jugendliche seien Erwachsenen in ihren
Medienerfahrungen sowieso immer einen Schritt
voraus.
Das Geschlecht spielt bei der Haltung weniger eine
Rolle, aber die Zeit, in der man aufgewachsen ist.
Unterschiedliche Standpunkte gab es zu der Frage,
ob eine wertneutrale Haltung bei diesem Thema
möglich und wünschenswert ist. „Kann ich wertneutral bleiben, wenn es beispielsweise um
Sodomie-Darstellungen geht?“ Mehrheitlich wurde
die Meinung vertreten, dass die eigene Haltung
nicht wertneutral sein müsse. Werte spielen beim
Thema Pornografie eine große Rolle und Jugendliche können sich daran reiben. Werte seien in der
Gruppenarbeit mit Jugendlichen diskutabel. Als
wichtig wurde auch erachtet, dass strafrechtliche
Inhalte deutlich herauszustellen seien.
Fragen aus Block 2:
– Wenn davon auszugehen ist, dass die große
Mehrheit der Jugendlichen regelmäßig mit Pornografie in Kontakt kommt, stellt sich die Frage, wer
mit den Jugendlichen zu dem Thema arbeiten soll?
Auf welche Art und Weise sollten diese Personen
mit Jugendlichen arbeiten?
Ergebnisse der Kleingruppenarbeit (Auswahl von
Meinungen):
Peers
– Fachkräfte können Peers zum Thema Pornografie
schulen.
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–
Auf www.juuuport.de beraten Jugendliche bereits
als so genannte „Medienscouts“ andere
Jugendliche zu den Themen Internet, Handy und
Computerspiele.
–
(z. B: www.sexwecan.at) einfließen, die das Thema
Pornografie aufgreifen.
Hingewiesen wurde auch darauf, dass nicht ausschließlich Pornos stereotype Geschlechterrollenbilder produzieren. Auch ein TV-Sender wie
z.B. KIKA liefere „hypersexualisierte Medienfiguren“.
Klassische Sexualpädagogik
– Externe Fachkräfte wie z.B. SexualpädagogInnen
bei pro familia werden für wichtig erachtet. Das
Thema Pornografie kann auch als Türöffner für
andere Themen dienen.
– LehrerInnen sollten „gute Körperaufklärung“ und
Medienerziehung (auch in Bezug auf stereotype
Geschlechterrollen) übernehmen, jedoch weniger
die Thematisierung von Pornografie.
Moderation: Martin Gnielka, Köln
ProtokollantIn:
Anja Siekmann, Gladbeck; Marc Zumpe, Bünde
Eltern
– Sexualaufklärung ist auch Elternsache. Eltern seien
weniger „die Ansprechpartner“ für Fragen zu
Pornografie, dennoch können diese signalisieren,
als Ansprechpartner für ihre Kinder verfügbar zu
sein.
– Im Zusammenhang mit dem Elternhaus wurde
außerdem darüber diskutiert, ob Computer im
öffentlichen Raum stehen sollten. Hierzu wurde
u.a. folgendes Argument angeführt: „Auch Jungen
haben ein Recht auf Selbstbefriedigung in ungestörter Atmosphäre.“ Eine Privatsphäre für
Jugendliche wurde also für wichtig erachtet - dabei
sei jedoch das Alter entscheidend.
Literarurtipps:
– Grimm, P. / Müller, M. / Rhein, S. (2010): Porno im
Web 2.0. Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte
in der Lebenswelt von Jugendlichen. Berlin: Vistas.
(Präsentation s. u. Homepage Grimm)
– Grimm. P./ Rhein, S. / Clausen-Muradian, E. (2008):
Gewalt im Web 2.0. Berlin: Vistas. (Studie im Netz
abrufbar)
– Grimm, P. / Rhein, S. (2007): Slapping, Bullying,
Snuffing! Berlin: Vistas.
– Handreichung zur Handy-Problematik im Netz:
http://www.mahsh.de/
Medien
– In der sexualpädagogischen Arbeit können Medien
Weitere Quellen:
http://www.hdm-stuttgart.de/grimm
http://www.hdm-stuttgart.de/medienethik/
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Diskussionsforum 5:
„Noch Neugier oder schon Gewalt?“
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Diskussionsforum 5:
„Noch Neugier oder schon Gewalt?“
Herr Bernd Priebe, Theologe MA, Sexualpädagoge,
Therapeut für sexuell misshandelte Kinder und Jugendliche
Bernd Priebe arbeitet bei Wendepunkt e.V. in Elmshorn.
Die gewaltpräventive Einrichtung bietet eine Vielzahl
an Maßnahmen und Angeboten, um körperliche, psychische und sexuelle Grenzverletzungen früh zu erkennen, kompetent einzugreifen und für die Zukunft verhindern zu helfen.
Im Diskussionsforum stellte er seine Arbeit im
Wendepunkt e.V. und das Hamburger Modellprojekt
für sexuell auffällige Minderjährige vor.
Das Hamburger Modellprojekt versuchte über einen
Zeitraum von drei Jahren, sexuell auffällig gewordene
Kinder und Jugendliche möglichst frühzeitig angemessen zu versorgen. Im Rahmen einer Begleitevaluation
wurde die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüft, um
das Angebot weiter zu entwickeln. Auf Grundlage der
Untersuchungsergebnisse sowie der Beurteilung
durch Fachkräfte wurde entschieden, welche Interventionen für die Minderjährigen zu empfehlen sind.
In bestimmten Fällen, bei begründetem Verdacht und
Interventionsindikation, wurden tatverdächtige Minderjährige zur Behandlung an den kooperierenden
freien Träger Wendepunkt e.V., vermittelt.
Die TeilnehmerInnen erhielten Antworten auf viele
konkrete Fragen, die sich in der Arbeit mit sexuell auffälligen Kindern und Jugendlichen und Jungen stellen.
Der Einfluss von Pornographie, der Zusammenhang
und Unterschied zwischen polizeilichen Anzeigen und
gerichtlichen Verurteilungen, Jungen mit stark kogni-
tiven Einschränkungen und die Sensibilisierung für
das Thema an Schulen waren stark diskutierte Themen, bei denen diverse Pole dargestellt wurden.
Bernd Priebe wünscht sich zwischen SexualpädagogInnen eine gute Vernetzung bzgl. des Themas.
Dazu gehöre auch sich eine Handlungsstrategie mit
festen Kriterien zu überlegen, bevor ein Übergriff
stattfindet.
Moderation: Reinhard Brand, Bielefeld
Protokoll: Sven Möhlmann, Detmold/Paderborn
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Diskussionsforum 6:
„Ist das (R)recht?“
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Diskussionsforum 6:
„Ist das (R)recht?“
Frau Dr. Julia Zinsmeister, FH für Zivil- und Sozialrecht Köln,
Direktorin des Instituts für soziales Recht, Köln
Das Diskussionsforum beschäftigte sich mit rechtlichen Aspekten in der Arbeit mit Schutzbefohlenen.
Im Rahmen der Vorstellungsrunde wurde deutlich,
dass die TeilnehmerInnen Fragen aus der Praxis zu den
Themen Aufsichtspflicht, aktive und passive Sexualassistenz und sexuelle Selbstbestimmung Jugendlicher versus bestehendes Recht mitgebracht hatten.
Frau Dr. Zinsmeister gab eine Erklärung zum Begriffsverständnis der sexuellen Rechte: Sie leiten sich aus
dem Grundgesetz, Art 1 und 2 ab. In Artikel 1 heißt es:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“, und es
gibt einen Bezug auf die Menschenrechte.
Art. 2 beinhaltet das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Damit hat jeder Mensch ein Recht
auf sexuelle Selbstbestimmung und freie Ausgestaltung seines Sexuallebens. Eingeschränkt werden kann dies in der Arbeit mit Schutzbefohlenen nur,
wenn es mit einer Gesundheitsgefährdung einher
geht, z.B. wenn man als BetreuerIn ein Missbrauchsrisiko oder eine andere konkrete Gefahrenlage abwenden muss.
Wann reden wir vom selbst bestimmten Menschen?
Voraussetzung ist, dass er einen Überblick über die
Konsequenzen seiner Entscheidungsmöglichkeiten
hat. Hierfür ist seine Einsichtsfähigkeit und seine
Einwilligungsfähigkeit ausschlaggebend. Diese hängen von der persönlichen Entwicklung und der jeweiligen Situation ab. Um die sexuelle Selbstbestimmung
geistig behinderter Menschen einzuschränken, muss
die Aufsichtspflicht übertragen sein (dies ist der Fall,
wenn vom Gericht die Personensorge übertragen ist).
Für die Betreuenden leiten sich Schutzpflichten nur
aus dem Heimordnungsgesetz ab, das die Achtung der
Selbstbestimmung, aber auch den Schutz vor Gefahren
enthält.
Moderation: Gerhard Kosthöfer, Bochum
Protokoll: Almuth Duensing, Gütersloh
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1
2
3
4
5
6
1+2) Diskussionsforum 1:
„Befreite Sexualität – eine Gefahr für den Islam?“
3+4) Diskussionsforum 2:
Hausaufgaben in Sexualkunde – Sexuelle Bildung zwischen Institutionalisierung und Emanzipation
5+6) Diskussionsforum 3:
„Ist Homophobie wieder salonfähig?“
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1
2
3
4
5
6
1+2) Diskussionsforum 4:
„Mr. Porno und Mrs. Sexting! Ist das die Lebenswelt von Jugendlichen?“
3+4) Diskussionsforum 5:
„Noch Neugier oder schon Gewalt?“
5+6) Diskussionsforum 6:
„Ist das (R)recht?“
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Programm am Freitag 27. Mai 2011
09:00 Uhr
Begrüßung und Tagesvorschau
09:30 Uhr
Vortrag
Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht
Sigrid Weiser, pro familia Bundesverband – Projektentwicklung und Forschung, Frankfurt
10:30 Uhr
Kaffeepause
11:00 Uhr
Workshops
1. Anleitung zum Glücklichsein
Glück – ein zukunftsweisendes Thema für die sexualpädagogische Mädchenarbeit.
2. „Jungs – eine Gebrauchsanleitung“
Sexualfreundliche Begleitung – Handlungskonzepte – Hilfestellungen.
3. Fragt uns doch!
Jugendliche geben Auskunft darüber, was sie zum Thema Liebe, Beziehung,
Sexualität interessiert und was ihnen weiterhilft.
4. Pille, Präser und Co – ein Verhütungsupdate
Aktuelle Übersicht über gängige, weniger bekannte und neue Verhütungsmethoden
aus medizinischer und pädagogischer Sicht. Wie informativ und sinnlich
soll Verhütungsaufklärung sein?
5. Vielfalt zeigen – methodische und didaktische Tipps
An praktischen Beispielen soll die Vielfalt der sexualpädagogischen Gruppenarbeit
ausprobiert und reflektiert werden.
6. Mitten im Leben – Arbeit mit ausgewählten Zielgruppen
Beeinträchtigung – Benachteiligung – Migration
13:00 Uhr
Mittagspause mit Imbiss
13:45 Uhr
Podiumsdiskussion
Vom Tabu zur Zumutung – wie geht es weiter?
Moderation: Frau Ulrike Michels, freie Journalistin und Dokumentarfilmemacherin
15:00 Uhr
Kongressausklang mit Kaffee und Kuchen
16:00 Uhr
Ende
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3 0 J a hr e S e x u a l p ä d a g o g i k P ro Fa m i l i a N R W
„Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht“
Frau Sigrid Weiser, pro familia Bundesverband –
Projektentwicklung und Forschung, Frankfurt
Frau Sigrid Weiser war kurzfristig für die erkrankte
Frau Dr. Claudia Lohrenscheit eingesprungen.
Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht – so
war der Vortrag von Claudia Lohrenscheid angekündigt. Ich nehme gerne diesen Ball an und erweitere die
Fragestellung:
Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht –
Was folgt daraus für die Arbeit der pro familia?
Die Sexualpädagogik des Verbandes ist der Achtung,
dem Schutz und der Gewährung der sexuellen und
reproduktiven Gesundheit und Rechte der Menschen
verpflichtet. Das ist Satzungsziel der pro familia.
Wir alle im Verband arbeiten an der Konkretisierung
der rechtebasierten Sexualpädagogik. Es geht um die
Einordnung der Sexualpädagogik in den Menschenrechtsdiskurs der sexuellen und reproduktiven
Gesundheit.
Ich will Ihnen einen Eindruck vermitteln wie wir gerade
an der Aufgabe arbeiten und Möglichkeiten der
Annäherung vorstellen – dafür habe ich vier gedankliche Plattformen gebaut. Ich nenne sie: Internationalität,
Sexuelle Rechte, IPPF Fachverständnis für Sexuality
Education, Menschenrechtsbildung.
Claudia Lohrenscheit, die heute eigentlich hier stehen
sollte, hat einen wunderbaren Satz in ihrem Vortragsmanuskript geschrieben – er heißt:
„Aus menschenrechtlicher Perspektive ist die freie
(sexuelle) Selbstbestimmung des Menschen direkt
abzuleiten aus der unveräußerlichen Würde des
Menschen, als Subjekt freier Selbst- und Mitbestimmung.“
Ich bin kein pathetischer Mensch – eher misstraue ich
dem Pathos – besonders dem politischen Pathos.
Doch das ist richtig groß – auf was Claudia Lohrencheit hier Bezug nimmt, es ist nämlich die allgemeine
Erklärung der Menschenrechte.
Am 10. Dezember 1948, kurz nach Ende des 2. Weltkrieges, nach Ende des Holocaust in Europa, unter
dem Eindruck der Barbarei, die von der nationalsozialistischen Herrschaft angezettelt worden war, nach
Abwurf von Atombomben über den japanischen
Großstädten Nagasaki und Hiroshima, nach der
Herrschaft des Hasses, der massenhaften Ermordung
von Menschen, nach Krieg und Albtraum unter den
Menschen erklärten die Vereinten Nationen 1948 In
Artikel 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und
Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen
begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit
begegnen.
Ein großer, ja großartiger und hoffnungsvoller Moment
in der Geschichte der Menschheit.
Menschenrechte, was sie sind und was sie beinhalten
– das wird ständig weiterentwickelt. Von Menschen,
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ihren Gesellschaften, Institutionen, politischen
Führungen von sozialen Bewegungen und NROs
(Nichtregierungsorganisationen) – wie der pro familia.
Menschenrechte werden konkretisiert, auf die Lebenspraxis von Menschen bezogen, ihre Einhaltung und
Umsetzung wird politisch gefordert und erkämpft.
Heiner Bielefeldt, Professor für Menschenrechte und
Menschenrechtspolitik in Erlangen-Nürnberg und seit
2010 Sonderberichterstatter des UN Menschenrechtsrats für Religions- und Weltanschauungsfreiheit sagt:
„Menschenrechte sind das Ergebnis von konflikthaft
verlaufenden gesellschaftlichen Lernprozessen 1“
Sie werden von den Vereinten Nationen in die großen
UN-Konventionen aufgenommen, sind zustimmungsfähig bei vielen sehr verschiedenen Ländern und ihren
politischen Führungen. Bis dahin ist es ein langer
Weg.
Die Behindertenrechtskonvention ist die letzte große
Menschenrechtskonvention. (Randbemerkung: Sie ist
nach meiner Ansicht ein Quantensprung in der
Entwicklung der Menschenrechtskonventionen. Es ist
besonders das Konzept der „angemessenen Vorkehrungen, das auch für unsere Arbeit so folgenreich
sein kann. Ich habe dazu im letzten Jahr in einem
Aufsatz im Heft Sexualität und Behinderung in der
Reihe Forum Sexualaufklärung der BZgA Überlegungen formuliert. Besonders empfehlenswert sind auch
die Arbeiten von Dr. Valentin Aichele, dem Leiter der
Monitoring-Stelle für die Behindertenrechtskonvention
beim Institut für Menschenrechte.
Für unser Arbeitsfeld sind die folgenden UN-Konventionen von zentraler Bedeutung:
– 2006 Behindertenrechtskonvention (2009 in
Deutschland ratifiziert)
– 1989 Kinderrechtskonvention (1992 in Deutschland
ratifiziert)
– 1979 CEDAW Frauenrechtskonvention (1985 in
Deutschland ratifiziert)
Eine Konferenz will ich noch erwähnen, die für unsere
Arbeit von zentraler Bedeutung ist. 1994 fand die
Internationale Konferenz über Bevölkerung und
Entwicklung in Kairo statt. Dort wurden für unsere
Arbeit wegweisende Vereinbarungen getroffen.
Plattform 1: International – Global
Die alte Empfehlung:
Think global – act local ist nach wie vor richtig.
Wahrscheinlich wichtiger denn je.
Die pro familia mit ihrem Bundesverband, für den ich
arbeite, arbeitet seit vielen Jahren mit internationaler
Einbindung.
1952 wurde die pro familia in Kassel gegründet und im
gleichen Jahr war die pro familia Mitbegründerin der
International Planned Parenthood Federation (IPPF).
Die IPPF hat in Europa 41 und weltweit 170 Mitgliedsorganisationen.
1 Heiner Bielefeldt: Ideengeschichte(n) der Menschenrechte Menschenrechte (2007), in: Janz, Nicole, Risse, Th. (Hrsg.): Menschenrechte – Globale Dimensionen eines universellen Anspruchs, Nomos Verlag, Baden Baden
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Die internationale Einbindung war und ist bis heute
essentiell für die Programmentwicklung, die politische
Arbeit und für unsere Tätigkeiten.
Mit der IPPF hat die pro familia den programmatischen
und politischen Anschluss an die Menschenrechtsarbeit
gesucht und sie mitgestaltet. Sie hat Themen auf die
politische Agenda gesetzt.
Wir haben uns von der klassischen Familienplanungsorganisation zu einer Organisation für sexuelle und
reproduktive Gesundheit und Rechte entwickelt.
Und was heißt das für die Sexualpädagogik?
Elke Thoß, die langjährige Geschäftsführerin des
Bundesverbandes, formulierte das 1997 so: „Sexualpädagogen und Sexualpädagoginnen haben weltweit
einen entscheidenden Anteil, wenn es darum geht, zu
einer selbstbestimmten Sexualität zu befähigen. Im
Rahmen der globalen Neuorientierung fällt ihnen die
zusätzliche Rolle der Verfechter und Verfechterinnen
sexueller und reproduktiver Rechte ihrer Klientel zu.“
Ein Beispiel für „think global act local“, das ich hier
vorstellen möchte:
Jugendschwangerschaften. Der Bundesverband der
pro familia hat gemeinsam mit den Beratungsstellen
eine große Studie zu Jugendschwangerschaften und
Schwangerschaftsabbruch gemacht. Eines der
Ergebnisse war: Wir haben sehr niedrige Raten von
Jugendschwangerschaften. Schauen wir auf die globale Situation ist ganz klar: Je ärmer die Menschen sind,
je ungleicher Gesellschaften ihre Ressourcen verteilen, um so höher der Anteil der jungen Frauen, die früh
schwanger werden. Die Bekämpfung von Jugendschwangerschaften steht deshalb bei vielen sozialen
Organisationen (auch UNICEF auch PLAN international) ganz oben auf der Agenda.
Nun haben wir in Deutschland steigende Raten von
Armut in der Bevölkerung, ein in Teilen marodes
Bildungssystem und trotzdem keine Erhöhung von
Jugendschwangerschaften. Ich finde das sehr interessant. Ich glaube, wir sollten in dem Zusammenhang
unsere deutsche Situation würdigen. Sie zeigt: Soziale
Bewegungen und Aufklärung tragen unsere Arbeit.
Die sozialen Bewegungen der 60er Jahre haben unsere Gesellschaft in Bezug auf die Sexualität von
Jugendlichen enorm liberalisiert und vernünftig gemacht. Das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz, das hier unbedingt genannt werden soll,
entstand aus der Notwendigkeit den Zugang zum
Schwangerschaftsabbruch zu regeln. Es ist ein Kompromiss der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und die Liberalisierung von Sexualität und der
aufklärerische Gedanke, den unserer Sexualpädagogik
trägt, ist hier eingegangen. Dieses Bundesgesetz ist
die Grundlage für die fachliche Arbeit der pro familia
und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – Es ist eine wichtige Grundlage für die
intensive Arbeit im Bereich der Sexualpädagogik. Ich
glaube, dass dies entscheidend dazu beiträgt, dass
Jugendliche ein so gutes Verhütungsverhalten haben,
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wie es in Deutschland der Fall ist. Auch die Kostenübernahme für Verhütungsmittel bis zum Alter von 20
Jahren durch die GKV ist natürlich ganz wichtig. Dabei
können wir aber nicht stehenbleiben. Im internationalen Menschenrechtsdiskurs und seinen Institutionen
gibt es ein ganz starkes Element, es ist das Diskriminierungsverbot.
Unsere Studie hat ergeben, dass es sozial benachteiligte Jugendliche sind, die besonders häufig ungeplant
und früh schwanger werden, sie sind besonders häufig an Förder- und Hauptschulen. Es gab bereits
Prüfungen des deutschen Schulsystems: Nach Einschätzung des ehemaligen UN-Sonderberichterstatters für das Recht auf Bildung, Vernor Muñoz
Villalobos, diskriminiert das deutsche Schulsystem
sozial benachteiligte, ausländische und behinderte
Kinder.
Ich glaube, dass wir uns auch in der sexualpädagogischen Fachdiskussion mit den Folgen von Diskriminierungen durch das Schulsystem auseinandersetzen
sollten. Neben den Berichten von dem eben zitierten
Munoz lieferte auch unsere Studie zu Jugendschwangerschaften einige Ansatzpunkte.
Der pro familia Bundesverband führt zur Zeit mit
Beratungsstellen ein Forschungsprojekt durch, das
Angebote für sozial benachteiligte Jugendliche evaluiert, um Empfehlungen für die Angebote für diskriminierte Jugendliche zu formulieren – für Jugendliche,
die in der rechtebasierten Sichtweise unserer Arbeit,
Rechtinhaber und nicht Fürsorgeempfänger sind. Das
ist übrigens ein Projekt der IPPF, das unter anderem
von der Europäischen Kommission und der Weltgesundheitsorganisation Europa finanziert wird. Ich
freue mich sehr, dass sexualpädagogische Teams der
pro familia sich daran beteiligen.
Der Landesverband NRW, mit dem wir hierbei zusammenarbeiten (dafür hier auch noch einmal unser
Dank), blickt auf eine längere gute sexualpädagogische Tradition zurück, insbesondere die Angebote für
diskriminierte Jugendliche weiter zu entwickeln.
Im Zuge der Überprüfung von UN-Konventionen gibt
es diverse Verfahren. Eins davon sind sogenannte
Schattenberichte. Ihr Landesverband hat sich am
Schattenbericht des Deutschen Frauenrats zur
Umsetzung der Frauenrechtskonvention beteiligt und
die Kritik an der Streichung der Kostenerstattung für
Verhütungsmittel für Frauen, die Sozialgelder bekommen, gegenüber UN-Gremien vorgetragen.
Das ist auch ein Beispiel dafür, wie Ihre Arbeit und
unsere Arbeit in die internationale Arbeit von
Menschenrechtsinstitutionen eingehen.
Plattform 2: IPPF-Erklärung Sexuelle Recht
Unsere Diskussionen und die fachlichen Inputs sollten
wir anreichern mit dem Studium von Fachpapieren, die
Bezug auf den Menschenrechtsdiskurs im Kontext der
Sexuellen und Reproduktiven Gesundheit und Rechte
nehmen.
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Ein zentrales Papier für uns ist die IPPF-Erklärung:
Sexuelle Rechte. Sie erschien 2009 in deutscher
Übersetzung. In Artikel 8 ist zu lesen:
–
–
–
Alle Menschen haben grundsätzlich und gleichberechtigt das Recht auf Bildung und Information
sowie auf umfassende Sexualerziehung und -information.
Alle Menschen haben das Recht auf Bildung die sie
befähigt, sich politisch für sexuelle Gesundheit
und Sexualerziehung einzusetzen.
Alle Menschen haben das Recht auf Zugang zu
Informationen über Sexualität, die von
Gemeinschaften, Schulen und Anbietern von
Gesundheitsdiensten in verständlicher Sprache
angeboten werden sollen.
Die Daueraufgabe für uns ist doch, immer wieder zu
fragen: Sind diese Rechte in Deutschland umgesetzt?
Ich glaube, wir könnten Prüfsteine für die Bewertung
der Umsetzung entwickeln. Und auch hier hilft uns
der Menschenrechtsdiskurs. Es geht um die zentrale
Forderung nach „Zugang“ zu. Wir benutzen diesen
Begriff auch sehr häufig mit Recht. Wir finden ihn in
der Menschenrechtsdebatte sehr häufig – Zugang zu
sauberem Trinkwasser, Zugang zu Sanitäranlagen, zu
Schulen, zu medizinischen Dienstleistungen – Zugang
zu Diensten der sexuellen und reproduktiven
Gesundheit (Das ist unser Feld in der internationalen
Sprache!).
Wie ein Zugang zu sein hat, das ist auch näher
beschrieben: Angebote zu Sexualaufklärung müssen:
– available,
– accessible,
– acceptable,
– affordable
auf Deutsch:
Angebote zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit
(hier: Sexualaufklärung) müssen:
– in ausreichender Zahl vorhanden sein,
– zugänglich sein (Ort, Zeit)
– akzeptierbar (soziale, kulturelle, Gender-Dimension)
– bezahlbar sein.
Ich finde das sehr hilfreich.
Wir kennen noch den alten Begriff der „Niedrigschwelligkeit“. Ich finde diese neuen Anforderungen,
zentriert um den Zugang, viel genauer und sie sind
weltweit durchgesetzt.
Plattform 3: IPPF-Fachverständnis zur Sexuality
Education
Zentrales Papier für das Fachverständnis zur Sexuality
Education der IPPF ist der Framework for Comprehensive Sexuality Education. Wir haben es bisher leider
nur in der englischen Fassung – ich will es aber trotzdem empfehlen. Man muss sicher auch nicht alles
lesen. Aber was ich heute wichtig finde, vorzustellen
ist der frame – der Rahmen für den rechtebasierten
Ansatz in der Sexualpädagogik (rights-based
approach). Was vermittelt, beinhaltet, respektiert
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und für was engagiert sich Sexualpädagogik. Dies
wird von der IPPF in sieben Essentials markiert, die ich
hier nur stichwortartig nenne.
1. Gender – der Unterschied zwischen Gender und
Geschlecht. Die Wandelbarkeit der Geschlechtsrollen,
Stereotype usw. Auch in dem Sinne, dass Jugendliche
lernen, Genderrollen zu erkennen und zu problematisieren, dass sie gesellschaftlichen Druck erkennen,
dass sie ermutigt werden, eigene Wege zu gehen und
sich gesellschaftlich engagieren.
2. Sexualität und reproduktive Gesundheit, Sexualität
im Lifecycle im Wandel des Lebens, Verhütungsmittel,
Anatomie, Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch, Bedeutung von legalen Zugang zu medizinisch sicher durchgeführtem Schwangerschaftsabbruch, Verantwortung für sich und andere in sexuellen Beziehungen, Vermeidung von STIs (sexuell übertragbaren Erkrankungen),
3. Sexuelle Rechte und sexual citizenship. Förderung
des kritischen Denkens und verantwortlichen Handelns und des Verständnisses, wie Gesellschaft und
Institutionen funktionieren. Förderung des Engagements für die demokratische Gesellschaft und der
Partizipation an der Gestaltung von sexuellem und
reproduktiven Well-being.
4. Vergnügen an Sexualität: Positive Haltung zur
Sexualität, zur Masturbation, zur verschiedenen sexuellen Orientierungen, Stärkung der freien Entschei-
dung ohne Druck – einvernehmlicher Sex, informierte
Entscheidungen, usw.
5. Gegen sexuelle Grenzverletzungen. Information
über Rechte zum Schutz vor sexuellen Grenzverletzungen, sexueller Gewalt…
6. Diversity – Anerkennung und Befähigung zur
Anerkennung von Pluralität
7. Stärkung der Beziehungsfähigkeit, Umgang mit
Emotionen, Sensibilisierung für und Umgang mit Druck
der Peers, usw.
Der framework der IPPF ist ein richtig gutes Papier –
davon bin ich überzeugt – er ist angereichert mit
Methoden und Inhalten des Menschenrechtsdiskurses
und bietet sehr viel Stoff für Fachdiskussionen.
Diesem Papier nachgezogen haben mittlerweile die
BZgA in Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation (Europa) und dabei herausgekommen ist
„Standards für Sexuality Education in Europe“. Es
lohnt sich, auch hiermit zu arbeiten. Hieran haben
sehr sachkundige Kolleginnen und Kollegen der IPPF
mitgearbeitet. Es wird Ende 2011 in deutscher
Übersetzung erscheinen.
Plattform 4: Menschenrechtsbildung
Auch aus dem Menschenrechtsdiskurs, seinen Institutionen und den sozialen Bewegungen kommt die
Menschenrechtsbildung.
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Menschenrechtsbildung zielt auf die Förderung „jener
Menschenrechtskultur, die dazu befähigt, die
Menschenrechte zu achten, zu schützen und einzufordern. Der Empowerment-Ansatz zielt darauf, dass
jeder/jede selbstbewusst die Einhaltung der Rechte
für sich selbst reklamiert. Gerade im Internationalen
Kontext bedeutet dies der Wandel eines vorherrschenden Wohltätigkeits- und Hilfeansatzes zu einem rechtebasierten Ansatz“ 2.
Wir glauben, dass die Verschränkung mit der
Menschenrechtsbildung eine sinnvolle Ergänzung der
sexualpädagogischen Methoden ist. (Aber bitte nicht
missverstehen, es ist ein Baustein der Sexualpädagogik und ersetzt nicht andere Methoden.) Wir haben
deshalb „Jetzt erst Recht – eine Handreichung für
menschenrechtsbasierte Sexualpädagogik“ entwickelt, die drei Praxisbeispiele für die Arbeit mit Gruppen
von Jugendlichen enthält.
Menschenrechtsbildung und rechtebasierte Sexualpädagogik der IPPF haben sehr viele Gemeinsamkeiten. Drei wesentliche Fragstellungen der Menschenrechtsbildung bezogen auf die sexuellen und
reproduktiven Rechte, sind demnach:
Die Publikation ist ganz neu vor zwei Wochen erschienen. In der Redaktionsgruppe waren SexualpädagogInnen und eine Kollegin aus der Lehrerausbildung
und der Menschenrechtsbildung von Amnesty
International. Was hier erarbeitet wurde, soll in den
nächsten Monaten mit wissenschaftlichen Methoden
auf seine Durchführbarkeit erprobt und ausgewertet
werden. Am Ende wollen wir diese Handreichung optimieren und weiterentwickeln. Wir fangen gerade damit
an und suchen engagierte Sexpäd-Teams, die sich
daran beteiligen. (Ich bin die Ansprechpartnerin für
interessierte Teams).
1.
Kennen Jugendliche ihre sexuellen und reproduktiven
Rechte und die der anderen? (Kognitive Ebene)
2.
Vermitteln die Gesellschaft und die Institutionen - wie
die Schule – glaubwürdig die Werte der sexuellen und
reproduktiven Rechte und der Menschenrechte?
(Einstellungsebene)
3.
Wird die Fähigkeit sexuelle Rechte zu leben, zu wahren und zu schützen genug geübt, dafür sensibilisiert?
(Handlungsebene)
Die Menschenrechtsbildung hat im Übrigen im
Menschenrechtsdiskurs und auch bei den Regierungen
einen ganz hohen Stellenwert:
– 2008 verfasste die Generalversammlung der
Vereinten Nationen die Resolution „Internationales
Jahr des Menschenrechtslernens“,
– 1995-2004 war die Dekade für Menschenrechtsbildung der Vereinten Nationen
– Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur
2 pro familia Bundesverband (2011): Jetzt erst Recht. Eine Handreichung für menschenrechtsbasierte Sexualpädagogik mit Jugendlichen, Frankfurt am Main, S. 13
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–
Förderung der Menschenrechtserziehung in der
Menschenrechtserziehung in der Schule (Beschluss
vom 4.12.1980 in der Fassung vom 14.12.2000
Abteilung Menschenrechtsbildung beim Deutschen
Institut für Menschenrechtsbildung
Die Verbreitung der Menschenrechtsbildung hat hoffentlich gute Perspektiven.
Sexualpädagogik hat einen hohen Stellenwert. Wir
haben Rückenwind:
Der ehemalige UN Sonderberichterstatter für das
Recht auf Bildung Vernor Muñoz Villalobos weist
im letzten Bericht seiner Amtszeit auf die
Wichtigkeit der umfassenden Sexualpädagogik
(„comprehensive sexual education“, A/65/162)
hin. Er beschreibt darin u.a. die Zusammenhänge
zwischen Sexualität, Gesundheit und Bildung, und
betont die Wichtigkeit von Geschlechtergerechtigkeit und Anti-Diskriminierung. Abschließend
fordert Muñoz die Staaten dazu auf, für eine wissenschaftliche, demokratische und pluralistische
Sexualpädagogik zu sorgen.
2008 forderte der Europarat, ein Zusammenschluss
von 47 europäischen Staaten, die Mitgliedsstaaten
auf: Evidenz-basierte angemessene Strategien und
Verfahren für die Rechte der SRG einzuführen und die
Verbesserung und Verbreitung von unabhängigen
Informationen und Aufklärung zu Sexualität und
Beziehungen. Vielleicht sollte man die Qualität und
Quantität der Sexualaufklärung im Regelbetrieb – also
in der Schule – vor dem Hintergrund der rechtebasierten Sexualpädagogik anzuschauen. Die BZgA hat
bereits vor Jahren eine wichtige Untersuchung zur
Sexualaufklärung in den Schulen, die ja in Zuständigkeit
der Bundesländer ist, gemacht und Defizite festgestellt. Vielleicht wäre es an der Zeit, hierzu neue fachliche Initiativen zu prüfen.
Bei allem was wir tun, brauchen wir die Verankerung
der Sexualpädagogik in Fachlichkeit und Wissenschaft,
die den SRGR verpflichtet ist.
Ich habe das Projekt zu Jugendschwangerschaften
schon erwähnt. Ich will aber ein anderes, extrem wirkungsvolles Forschungsvorhaben der pro familia und
seiner Sexualpädagogik würdigen: Sie wissen vielleicht: wir haben die vier-sprachige Internetseite für
Jugendliche www.deinkondom.de und die Jugendbroschüre „Mann nehme ein Kondom, das passt“.
Wenn wir in der Bundesgeschäftsstelle etwas wissen
wollen über Kondome, Kondomgrößen, Penisgrößen,
Kondomvermarkter ist ganz klar, wer zu fragen ist: Es
sind ganz bestimmte Kollegen aus dem Landesverband
NRW.
Und ich bin froh, hier mal die Gelegenheit zu haben,
diesen Kollegen für ihre Gespräche und Beratungen
ganz herzlich zu danken. Diese Expertise ist einzigartig im Verband und in ganz Deutschland. Die Expertise
ist deshalb so fundiert, weil die pro familia
Sexualpädagogik sich an einer wissenschaftlichen
Studie beteiligte, die Penisgrößen ermittelte. Daraus
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konnte die Erkenntnis generiert werden, dass viele
Jungs und Männer ein schmaleres Kondom brauchen,
als das was gängige Größe ist.
Der Landesverband verteilt heute diese Kondom, das
gar nicht so einfach zu bekommen ist, über ihre
Sexualpädagogik. Ich hoffe und bin eigentlich ganz
zuversichtlich, dass wir auch in der Zukunft noch viele
Möglichkeiten haben werden, die Grundlagen unsere
Arbeit mithilfe von wissenschaftlichen Studien in der
Kooperation mit der Praxis zu festigen und unsere
Arbeit einzubetten, in eine Kultur der Menschenrechte
und der sexuellen und reproduktiven Rechte.
Danke sehr.
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Workshops
Workshop
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Workshop 1:
Anleitung zum Glücklichsein
Das Thema Glück ist derzeit überall gegenwärtig; mit
Ratgeberliteratur und hilfreichen Symbolen können
und sollen wir unserem Glück auf die Sprünge helfen.
Das beglückt vor allem die „Glücksindustrie“… Aber
was bedeutet Glück heute wirklich?
Anknüpfend daran haben wir uns als Pädagoginnen
gefragt: Ist „Glück“ vielleicht ein hilfreicher Parameter
für sexualpädagogisches Arbeiten? Soll nicht z.B. die
Liebe, ein selbstbestimmtes Leben oder Sexualität
(also einige Hauptthemen der sexualpädagogischen
Arbeit mit Mädchen) glücklich machen? Ohne an
Zwangsbeglückung im Sinne der o.g. Glücksindustrie
zu denken, scheint der Begriff sowie das Gefühl vom
Glück sexualpädagogisch beachtenswert zu sein.
Im Workshop näherten wir uns inhaltlich den Fragen:
Was bedeutet Glück? Was bedeutet Glück für Mädchen? Und kann sexualpädagogische Mädchenarbeit
Mädchen gar ein Stück an ihr Glück heranführen?
Über eine sehr erfahrungsbezogene Methodenauswahl
ging es im es Workshop auf einer anderen Ebene
darum, ein wenig Glücksgefühl – beispielsweise über
eine angenehme Atmosphäre, Glücks-Übungen,
Körpererfahrung usw. – in eine sexualpädagogische
Veranstaltung hereinzubringen und zu prüfen, ob
diese kleinen Erfahrungen und Gefühle einen neuen
oder anderen Kontext als Ergänzung zu Gesprächen
und Diskussionen für die sexualpädagogische
Mädchenarbeit erzeugen können.
Das Ziel des Workshops war offen angelegt. Es sollte
eine Anregung zur Auseinandersetzung mit dem
Begriff „Glück“ und ein Probieren von (glücklichmachenden?) Methoden werden.
Der Workshop-Ablauf konkret, aber kurz gefasst, sah
wie folgt aus: Zum Einstieg gab es über ein bekanntes
Warming-Up („Aufstehen“) die Gelegenheit sich an
Hand einiger Fragen zum Thema Glück allgemein zu
positionieren z.B.:
– Gibt es Glückskinder und Pech-Mariechen?
– Gibt es ein Recht auf Glück?
– Macht Sex glücklich?
– Wer fühlt sich glücklich in seiner Arbeit?
Anschließend gab ein selbstreflexives Element über
eine Vorlese- und Entspannungseinheit, inspiriert
durch die Metapher des Patronus-Zaubers (= glückliche Erinnerungen als Schutz gegen Bedrohungen) aus
Harry Potter. Nach der Phase gemütlichen Entspannens
(inklusive Schokoladen-Imbiss) gab es Austausch zu
den Kernfragen:
– Kann die Erinnerung an einen glücklichen Moment
im Alltag hilfreich sein?
– Gibt es daraus resultierend Ideen für einen Praxistransfer in die (sexualpädagogische) Arbeit mit
Mädchen?
Um den Austausch zu möglichen sexualpädagogischen Bezügen zu differenzieren, gab es anschließend
einen kurzen theoretischen Input zu den Aspekten:
– Glück und seine Bedeutungsebenen (z.B. schick-
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–
–
–
salhafte Fügung, des eifrigen Schmiedes Lohn,
Zufriedenheit oder Glückseligkeit)
Glücksdefinitionen in der (philosophischen)
Menschheitsgeschichte
Ausgesuchte aktuelle Glücks-Indizes von Buthan
bis WHO
Die Glückskekse, die wir verteilten, hielten die
Diskussion lebendig. Die darin versteckten Weisheiten
wurden, teils sehr kontrovers, vor dem Hintergrund
der Übertragbarkeit auf sexualpädagogische
Mädchenarbeit diskutiert. (Hier ein Beispiel einer
Glückskeks-Weisheit. Sie lautete: „Halte an deinen
Träumen fest“, was im pädagogischen Zusammenhang
die Frage aufwarf: Sollte man Träumen/
Glücksvorstellungen der Mädchen in der pädagogischen Arbeit Raum geben, wenn die wahrscheinlich
eintretende Realität diesen Wünschen entgegenwirkt?)
Zum Ausklang gab es eine kurze Einheit mit Musik und
Bewegung; beide Elemente sind Mädchen (ähnlich
wie die oben erwähnte Schokolade) als „stimmungsaufhellend“ (z.B. im Bezug auf Liebeskummer) bekannt
und können ergänzend zu kommunikativen Ansätzen
in Veranstaltungen gut genutzt werden.
Das Feedback der TeilnehmerInnen (es waren trotz der
mädchenspezifischen Ausrichtung auch zwei männliche Kollegen vertreten) war durchweg positiv. Glück
als Metapher, Gefühl oder hilfreiches Wort kann durchaus neue oder ergänzende Zugänge in der sexualpäda-
gogischen Arbeit eröffnen, z.B. in Bezug auf die
Wünsche oder Zielformulierungen für die Zukunft der
Mädchen (Bsp: Was macht euch glücklich?) oder in
Bezug auf „Schicksalhaftes“ (Bsp: Die Liebe kann
nicht erzwungen werden, manchmal braucht es einen
glücklichen Zufall) einerseits und dem Wissen um
Selbstwirksamkeit (Bsp: Ich kann meines Glückes
Schmied sein) andererseits. Es wurde geschätzt, sich
über den „Glücks-Ansatz“ nicht nur mit dem
Unglücksgehalt sexualpädagogischer Themen
(Liebeskummer, Schönheitsterror, Angst vor
Schwangerschaft usw.) zu beschäftigen, sondern den
schönen Anteilen evt. größeren Raum zu geben.
Auch die Grenzen der pädagogischen Glücks-Idee sind
benannt worden („Ewiges Glück ist langweilig“ – Zitat/
Teilnehmerin) und für den sexualpädagogischen
Einsatz des „Glücks“ wurde eine deutliche Abgrenzung zur aktuellen gesellschaftlichen Zwangsbeglückung gefordert.
Moderation:
Astrid Kassette, Witten
Gudrun Meyer, Bonn
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Workshop 2:
„Jungs – Eine Gebrauchsanleitung“
Sexualfreundliche Begleitung – Handlungskonzepte –
Hilfestellungen. Was machen Jungen mit ihrer
Hardware und wie geht es ihnen damit?
Die Idee, einen Workshop für Neugierige auf und
Praktiker in der Jungenarbeit anzubieten, wurde vom
Jungen-Arbeitskreis des SPAK NRW entwickelt und
konzeptionell umgesetzt. Die „harten“ biologischen
Fakten des Junge-Seins sollten in Zusammenhang
gesetzt werden mit den psychischen Entwicklungen
und Herausforderungen in der Pubertät und Jugend.
Die Möglichkeiten sexualfreundlicher Begleitung,
Handlungskonzepte und praktische Tipps als
Hilfestellung für die Arbeit mit Jungen kennzeichneten
die Inhalte des Workshops.
Dekoriert war der Raum mit Wandzeitungen aus
Jungengruppen „Was fällt mir ein, wenn ich das Wort
Sexualität höre“ und „Wünsche und Ängste zum
ersten Mal“, sowie Fragen von Jungen verschiedener
Altersgruppen zu Liebe, Freundschaft, Sexualität.
Diese Dekoration sorgte gleich zu Beginn für Nachfragen und kurze Gespräche.
Die Teilnehmenden setzten sich aus 10 Männern und
drei Frauen zusammen. Neben vielen sexualpädagogischen Fachkräften aus pro familia Beratungsstellen
waren auch LehrerInnen und in anderen Institutionen
sexualpädagogisch arbeitende TeilnehmerInnen vertreten.
Begonnen wurde mit einem Aufstellungs-/
Meinungsspiel, zu dem verschiedene Aussagen vorbereitet waren. Nach alphabetischer Namensreihung
und der Abfrage nach überwiegendem Einsatz in der
Jungenarbeit sollte Stellung bezogen werden zu dem
Statement „Der überwiegende Teil der Geschlechterunterschiede ist biologisch bedingt“. Ähnlich wie bei
dem zweiten Statement „Jungen stehen sexuell unter
Druck“ ergaben die Positionierungen der TeilnehmerInnen reichlich Anlass zu Diskussionen. Diese
eher als Anwärmübung gedachte Methode machte
gleich Unterschiede in den Standpunkten und auch
Gemeinsamkeiten deutlich.
Als Beispiel einer Methode in der sexualpädagogischen Jungenarbeit und zur Initiierung von Diskussionsprozessen zu unterschiedlichen Themen kam der
Grabbelsack zum Einsatz. Bestückt mit Gegenständen
wie Bierflasche, Kondom, Herz, Taschentüchern, Tuch
mit rotem („Blut“) Flecken, Holzpenis, Video, PC Maus,
Broschüre zu Homosexualität, Pille etc. wurden in dem
Workshop in der Kürze der Zeit nur vier Gegenstände
aus dem Grabbelsack gezogen. Deren Bedeutung für
Jungensexualität und die entsprechende Thematisierung in Jungengruppen sowie die unterschiedlichen
Erfahrungen und Fragen der TeilnehmerInnen bestimmten die Diskussion zu den einzelnen Gegenständen.
Dabei stand die Frage nach dem Umgang mit
Pornografieerfahrungen von Jungen längere Zeit im
Mittelpunkt und zeigte erneut unterschiedliche
Herangehensweisen, Erfahrungen und Haltungen.
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Als letzte Methode wurde eine Scharade gespielt. Auf
vorbereiteten Karten waren zusammengesetzte
Begriffe gedruckt, die pantomimisch von zwei TeilnehmerInnen gespielt und von der Gruppe geraten
werden sollen. Auch diese Methode wurde von den
TeilnehmerInnen gut angenommen und mit viel Spaß
und Lebendigkeit umgesetzt.
Ähnlich wie in Jungengruppen kamen die TeilnehmerInnen in dem Workshop schnell mit einander ins
Gespräch. Die Methoden, die den meisten TeilnehmerInnen bekannt waren, schufen hier die
Möglichkeit des lebendigen, kollegialen Austauschs
unter Fachleuten. So wurden Erfahrungen ausgetauscht, Anregungen für die Praxis weiter gegeben,
Fragen zu Rahmenbedingungen sexualpädagogischer
Arbeit geklärt mit einer dem Thema angemessenen
heiteren Lebendigkeit und notwendigen Ernsthaftigkeit.
Moderation:
Reinhard Brand, Bielefeld
Peter Rüttgers, Duisburg
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Workshop 3:
„Fragt uns doch!“
Die Grundidee zu unserem Workshop war zu Beginn
der Planung folgende: auf einem Fachkongress zu „30
Jahre Sexualpädagogik“ sollte nicht ausschließlich in
Veranstaltungen über sondern mit der Zielgruppe
Jugendlicher geredet und gearbeitet werden. So schälte sich die Idee eines Workshops als Ort der Begegnung
von Anbietern (sexualpädagogischer Arbeit) auf der
einen Seite und Kunden bzw. EndverbraucherInnen
auf der anderen Seite heraus.
Die „EndverbraucherInnen“ hatten wir schnell gefunden – unsere jugendlichen TeilnehmerInnen, die unser
sexualpädagogisches Angebot kennen. Sie kamen alle
aus dem 9. Jahrgang einer Bochumer Hauptschule. Die
Jugendgruppe wurde von uns für diesen Workshop
nicht ausgebildet (im Sinne der peer education) bzw.
hatte nichts einstudiert. Gleichwohl hatten wir uns
einige Male sowohl in der Schule als auch in der
Beratungsstelle getroffen, um einander kennenzulernen, den Sinn dieser Veranstaltung zu transportieren
und uns gedanklich einzustimmen.
Die Anbieter waren Gerhard Kosthöfer und Jörg
Syllwasschy vom Sexualpädagogischen Team aus
Bochum; Renate Pawellek war bei der Durchführung
des Workshops leider erkrankt, freundlicherweise ist
Almuth Duensing aus Gütersloh eingesprungen.
Fragt uns doch! – die Idee, Jugendliche durch konkretes Befragen am Gelingen der (sexual-) pädagogischen
Arbeit und ihrer Nachhaltigkeit zu beteiligen, ist ja
nicht neu. Viele der professionell Tätigen nutzen im
eigenen Arbeitsrahmen vielleicht entsprechende
Instrumente. Sei es, dass sie Jugendliche bitten, vor
Veranstaltungsbeginn Fragen zum Thema Sexualität
vorzubereiten (wir hatten solche Fragen mitgebracht),
sei es, dass sie zur Überprüfung ihrer Arbeit selbst
Fragebögen an Jugendliche herausgeben oder sei es,
dass aktuelle Jugendbefragungen aufmerksam verfolgt und studiert werden.
Die eigentliche Formel dahinter heißt: Erwachsene
fragen Jugendliche, welche Fragen bzw. welchen
Bedarf sie denn zum Thema Sexualität/Sexualaufklärung haben – nur auf den ersten Blick ein einfaches Unterfangen.
Wenn wir zu Grunde legen, dass Jugendliche die
ExpertInnen in eigener Sache sind, besteht unsere
Aufgabe darin, Ihnen ein Forum bzw. eine Sprache zu
geben, damit sie uns an ihrem Expertentum teilhaben
lassen können. Aber der Gedanke der Beteiligung und
Mitbestimmung ist für viele Jugendliche neu – nicht
nur bezogen auf sexualpädagogische Formen und
Inhalte. Ein ernsthafter Beteiligungsprozess muss die
unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen
bezüglich Mitbestimmung berücksichtigen und ist
daher nur zielgruppenspezifisch möglich!
Schule und Elternhaus wären ein wichtiges Übungsfeld
– sie sind aber nur wenig bereit, Jugendliche mitbestimmen zu lassen, wenn das bedeutet, dass
Verfügungsmacht in Teilen abgegeben werden muss
(so die Ergebnisse einer Studie zur Mitbestimmung
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der Bertelsmannstiftung). Bei einem ernsthaften
Beteiligungsverfahren
ändern
sich
folglich
Machtverhältnisse – ein anstrengender Prozess; vor
allem, da man zu Beginn nicht weiß, welches Ergebnis
am Ende steht – und es gibt keine Erfolgsgarantie.
Wer Jugendliche befragen möchte, um die Qualität der
eigenen Arbeit zu erhöhen, muss sich darüber im
Klaren sein, dass Mitbestimmung und Mitbeteiligung
für Jugendliche ein Recht ist und keine Pflicht!
Konkrete Durchführung
Nach der Begrüßung der TeilnehmerInnen durch die
Jugendlichen gab es eine Vorstellungsrunde der
Jugendlichen von der Hermann-Gmeiner-Hauptschule
(Alter, kultureller Hintergrund, Religion/Sprache), der
Erwachsenen (Alter, Tätigkeitsfeld) und der TeamerInnen. Es folgte ein Impulsreferat (Rechtebasierter
Ansatz, Mitbestimmung, Workshop-Idee, Konsequenzen für die Sexualpädagogik?).
Mit einem Positionierungsspiel begann die inhaltliche
Begegnung zu den Fragen: „Was glauben Sie, wo
Jugendliche sich am liebsten informieren würden?“ an
die Erwachsenen,
und
„Wie seht Ihr das?“ an die Jugendlichen.
Zum vertieften Austausch wurde in einer ersten Runde
an einem Frauen- und einem Männertisch gearbeitet,
zu Themen aus der Sexualpädagogik, deren
Bedingungen und Methoden.
Später gab es einen Tischwechsel, bei dem ein gegen-
geschlechtlicher Austausch stattfand.
In der Abschlußrunde wurde Bemerkenswertes von
den Tischen zusammengefasst und wechselseitig
Rückmeldungen gegeben.
Zu folgenden Themen und Fragen gab es Austausch:
(Mädchentisch)
Pro familia-SexualpädagogInnen in die Schulen
– baut Ängste und Distanz ab
– Jugendliche finden dann auch den Weg in die
Beratungsstelle
Was muss die BeraterIn mitbringen?
– Vertrauen, Offenheit
– Sie muss sich in die Situation der Jugendlichen
hineinversetzen können
– Beraterin sollte aktiv sein, Gesprächsanlässe
schaffen
– Anonymität ist wichtig
– Beraterin muss Wissen über andere Kulturen
haben
Was brauchen Jugendliche, damit Vertrauen entsteht?
Warum geht Ihr (Jgdl.) in eine Jugendsprechstunde
(viele Erwachsene kannten dieses Angebot wenig oder
gar nicht!)
(Jungentisch):
– Erwachsene sollen direkt in Kontakt mit Jugendlichen
kommen, Gesprächsanlässe schaffen,
– und die Fragen der Jugendlichen herausbekommen,
zulassen und beantworten (nicht nur „zutexten“
mit eigenem Programm).
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–
–
–
–
Reibung und Auseinandersetzung, um eigene
Position zu finden/klären; Jugendliche dürfen
dabei „über das Ziel hinausschießen“.
Die männlichen Multiplikatoren wollten „jung bleiben“, aufnahmefähig und sich auf Neues bei
Jugendlichen einlassen.
Jungen hatten Interesse, auch mit erwachsenen
Frauen zu sprechen und zu befragen („wie ist das
eigentlich bei Frauen…?)
Frauen fanden Aufklärung für Jungen wichtig, im
obigen Sinn.
Schlussbemerkung
In der Rückmelderunde machten die Jugendlichen
deutlich, dass dies für sie ein Einstieg in den Austausch
mit Erwachsenen war, und konnten sich weitere
Gespräche vorstellen.
Moderation:
Almuth Duensing, Gütersloh
Gerhard Kosthöfer u. Jörg Syllwasschy, Bochum
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Workshop 4:
Pille, Präser und Co – ein Verhütungsupdate
Medizin meets Sexualpädagogik
Eine wesentliche Aufgabe der Sexualpädagogik ist es,
medizinisches Wissen verständlich zu vermitteln, so
dass die Verhütung zuverlässig gelingen kann. Da das
keine leichte Aufgabe ist, müssen sich sexualpädagogische Fachkräfte im Vorfeld gut überlegen, welche
Kenntnisse sie benötigen, um diesen Anforderungen
gerecht zu werden. Hierbei ist Ziel, das Alter, die
Bildung, die Nationalität und den sozialen Hintergrund
der jeweiligen Gruppe zu berücksichtigen.
Eine stetige Aktualisierung des Wissens zum Thema
Verhütungsmittel gehört zur Qualitätssicherung von
sexualpädagogischer Arbeit dazu. Wie oft ein solches
Wissen über Verhütung aufgefrischt werden sollte und
wie viel medizinische Fachinformation eine sexualpädagogische Fachkraft benötigt, ist indes unklar.
In den letzten 10 Jahren hat eine große Anzahl neuer
Pillen den Markt erobert. Neuartige Verhütungsmethoden mit kontinuierlicher Hormonabgabe, wie
z.B. das Implanon® oder der Nuva Ring ® oder neue
Spiralen, wie die Verhütungskette Gynefix ® etablierten sich schnell auf dem Markt. In neuester Zeit werden auf Seiten der Hersteller von oralen Kontrazeptiva
insbesondere neue Einnahmeschemata von Mikropillen
erarbeitet und es gibt Versuche ein „natürliches“
Östrogen in der Pille zu verwenden.
Nicht immer sind die angepriesenen Neuheiten wirklich neu, manche altbekannten Pillen werden einfach
ohne Pause durchgenommen (Langzeitzyklus) oder
kommen einfach mit neuem Namen und 4 Tabletten
mehr in der Packung auf den Markt. Hierdurch sollen
weitere Vorteile, wie z.B. geringere oder gar keine
Blutung, keine Unterbauchbeschwerden in der Zeit
der Regelblutung einen zusätzlichen Effekt bieten.
Die Kreativität der Pharmaindustrie stellt die Berufsgruppen, die in der Verhütungsberatung tätig sind,
hiermit jedoch vor immer neue Herausforderun
gen. Konnte man sich noch vor 2 Jahren darauf verlassen, dass die meisten jungen Mädchen eine Mikropille
mit 21 gleichen Tabletten und einer Einnahmepause
von 7 Tagen einnehmen, so ist das heutzutage lange
schon nicht mehr so. Mit der einfachen Frage nach
der letzten Regelblutung war es häufig möglich die
Sorge eines Mädchens nach einer ungewünschten
Schwangerschaft zu mildern. Heute ist dies bei
Mädchen, die durch Langzeitzyklen keine Regelblutungen mehr bekommen, nicht mehr möglich.In
dem Workshop wurde aus diesem Grund das Basiswissen um den Zyklus und die Wirkweise der Pille
noch einmal mit gynäkologisch-fachlichem Wissen
unterfüttert.
Viele Fragen konnten beantwortet werden:
– Ist es schädlich eine Pille im Langzeitzyklus einzunehmen?
– Wie entsteht eine Zwischenblutung?
– Sind Wirkweise und Nebenwirkungen der
Dreimonatsspritze und des Implanon ® gleich?
– Was unterscheidet eigentlich die Vielzahl von
Pillenpräparaten, welche Zusatznutzen und Risiken
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–
–
gibt es?
Inwiefern ist die Verhütungssicherheit vom Gewicht
abhängig?
Für welche Zielgruppe sind welche Verhütungsmittel geeignet?
Aufbauend auf diese erweiterten Basics wurden die
ganz neu auf dem Markt befindlichen Pillen Qlaira ®
und YAZ ® vorgestellt. Wobei die Fragen zu dem „neuen
Östrogen“ in Qlaira ® und das veränderte Einnahmeschema bei der YAZ ® mit Vor- und Nachteilen besprochen wurden.
Die neue Pille danach ellaOne ® enthält einen neuartigen Wirkstoff. Der Wirkmechanismus, Nutzen und
Risiken für Jugendliche und die noch offenen Fragen
zu dieser Nachverhütung wurden diskutiert.
Viele wichtige Fragen konnten erörtert werden, und es
war schnell klar, dass es in diesem Bereich oft keine
eindeutigen und knappen Antworten gibt. Aber das
Verständnis um die Zusammenhänge erleichtert die
Souveränität und die Sensibilität für die drängenden
Fragen der Mädchen und Jungen. Hier kurzfristig entlasten zu können, Zusammenhänge herzustellen und
wenn nötig die Mädchen zu ermuntern den Frauenarzt/
Frauenärztin aufzusuchen, das war das Ziel dieses
Workshops. Das Zusammenspiel von medizinischen
Kenntnissen und sexualpädagogischer Umsetzung ist
ein Qualitätsmerkmal der pro familia NRW und konnte
im Workshop mit den Teilnehmern modellhaft umgesetzt werden.
Moderation:
Angelika Dohr u. Andreas Häner, Münster
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Workshop 5:
Vielfalt zeigen – methodische und didaktische Tipps
An praktischen Beispielen soll die Vielfalt
an der sexualpädagogischen Gruppenarbeit ausprobiert
und reflektiert werden.
Dieser Workshop hatte 22 TeilnehmerInnen, es waren
12 Frauen und 10 Männer. Begonnen wurde mit einem
kurzen Input zum Thema: „Umgang mit Methoden in
der sexualpädagogischen Gruppenarbeit“. Da es sich
bei Sexualität um ein intimes und privates Thema handelt, sollte die Gruppenarbeit mit besonderer Umsicht
angeleitet werden.
Dabei gilt es, folgende Punkte zu beachten:
– Hinweis auf Verschwiegenheit, Regeln und
Grenzen.
– Behutsamer Einstieg mit Zeit und Ruhe, vertrauensvolles Klima schaffen.
– Wortwahl – jede/r PädagogIn sollte für sich rausgefunden haben, welche Wörter im sexualpädagogischen Kontext er mag und verwenden möchte.
– Vor jedem Spiel/Methode sollte sich die/der PädagogIn überlegen, ob es für den Gruppenprozess
sinnvoll ist mitzuspielen oder „nur“ anzuleiten.
– Bei heiklen Themen (z.B. Selbstbefriedigung,
Jungfernhäutchen) in kleinen Gruppen arbeiten,
– Methoden, Sprache, Wortwahl speziell für die
unterschiedlichen Gruppen wählen.
– Motivation durch humorvolle und lustige Spiele/
Methoden.
Als Beispiel für einen behutsamen Einstieg wählten
wir die Vorstellungsübung „Aufstehen – Hinsetzten“.
Bei dieser Übung lernen die Beteiligten sich kennen.
Die/der WorkshopleiterIn liest die Frage vor und wenn
diese für eine/n TN zutrifft steht sie/er auf, mögliche
Fragen sind:
– Wer ist zwischen 20 und 30 Jahre?
– Wer ist zwischen 30 und 40 Jahre?
– Wer ist älter?
– Wer ist Sozialpädagoge/SozialarbeiterIn?
– Wer ist Dipl. Pädagoge/in?
– Wer ist LehrerIn?
– Wer ist … sonstiges?
– Wer ist erfahren im Umgang mit sexualpädagogischen Methoden?
– Wer arbeitet mit jungen Erwachsenen?
– Wer hatte (selbst) guten Sexualkundeunterricht in
der Schule gehabt?
– Wer hat schon mal einen (guten) Orgasmus vorgetäuscht? (diese Frage sollte aufzeigen, wie leicht
auch bei einer solchen Übung Grenzen berührt und
überschritten werden können)
– Wer hat als Jugendlicher gerne Bravo gelesen?
– Wer kann sich an „Aufklärungsgespräche“ mit seinen Eltern erinnern?
– Wer hat schon mal Sex gehabt, ohne an Verhütung
/Safer Sex zu denken?
– Wer hatte als Kind ein Aufklärungsbuch?
– Wer hat mindestens bei einer Frage gelogen?
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Viele TN hatten schon Erfahrung mit sexualpädagogischen Methoden, andere hatten noch gar keine
Erfahrung. Es gab eine kurze Rückmeldung im Plenum
zu dieser Übung. Die TN berichteten, dass sie in kurzer
Zeit einen guten Überblick bekommen haben, mit wem
sie es in diesem Workshop zu tun haben. Die Übung
war informativ, aber auch lustig und belebend.
Fragen an das andere Geschlecht
Eine bewährte sexualpädagogische Methode sind die
anonymen Fragen an das andere Geschlecht. Dabei
stellen sich die Geschlechter schriftlich ca. fünf Fragen
„was Sie schon immer mal über das andere Geschlecht
und Sex wissen wollten“. Die Antworten werden wiederum schriftlich verfasst und anschließend dem
anderen Geschlecht vorgestellt.
Um diese Methode für den Workshop spannend zu
machen, bekamen die Männer- und die Frauengruppe
vorbereitete Originalfragen von Jugendlichen zum
Thema Sexualität.
Folgende Fragen sollten schriftlich beantwortet
werden:
– Wie befriedigt man ein Mädchen/Jungen am
besten?
– Welche Stellung ist die Beste?
– Wie geht Oralverkehr?
Dabei wurde in den Kleingruppen deutlich wie groß
die individuellen Unterschiede sind, wenn es darum
geht, dass Männer Jungen etwas über weibliche Lust
und Frauen Mädchen etwas über männliche Lust
erzählen. Wie weit geht jede/r mit den Antworten, wo
sind die individuellen Grenzen und wann wird ein
Thema zu „heiß“?
Anschließend wurden die schriftlich festgehaltenen
Ergebnisse der anderen Gruppe im Plenum vorgelesen. Auch hier wurden relativ große Unterschiede
zwischen der Männergruppe und der Frauengruppe
festgestellt und es wurde deutlich, dass es sehr hilfreich sein kann, wenn Männer und Frauen in der
Sexualaufklärung auch über solche intime Themen ins
Gespräch kommen.
Ampelspiel
Diese Methode eignete sich um mit der ganzen Gruppe
in Kontakt zu kommen, also auch die ruhigeren
Personen anzusprechen und zu aktivieren. Es gibt drei
Farben grün gelb und rot wobei jeder TN eine Farbe
nach seinem Geschmack wählen kann und dann die
entsprechende Aufgabe löst.
Rot bedeutet einen Begriff pantomimisch darzustellen
(z.B. Eisprung, Morgenlatte..)
Gelb bedeutet eine Wissensfrage zu beantworten (z.B.
Wie sicher ist die Pille…)
Grün bedeutet einen Begriff zeichnerisch darzustellen
(z.B. Liebeskummer, Zungenkuss)
Pille und Komdom
Wir boten ein Forum zum Austausch über den Umgang
mit den Standardthemen „Penis & Kondom“ und
„Zyklus & Pille“. Hierzu wurden zwei Kleingruppen
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gebildet, die jeweils ein Thema besprochen haben.
In der Gruppe „Penis & Kondom“ wurden das pro familia Holzpenisset, das pro familia xs-Kondom sowie
das Paomi-Penismodell vorgestellt.
In der Gruppe „ Zyklus & Pille“ wurden Zykluskarten,
-ketten, -kalender, verschiedene Pillen und die PaomiJungfernhäutchen-, -Scheiden, -Gebärmuttermodelle
vorgestellt. Aufschlussreich, interessant und anregend war der Austausch darüber, wie unterschiedlich
anhand der Modelle die SexualpädagogInnen die
Dinge erklären.
Abschlussrunde
Der Workshop war ausgelegt, den TeilnehmerInnen
eine Auseinandersetzung mit Methoden in relativ kurzer Zeit durch Ausprobieren und Reflektieren zu
ermöglichen und dies unter Berücksichtigung der
unterschiedlichen Vorerfahrungen. Die positiven
Rückmeldungen zeigten, dass uns dieser Spagat
gelungen ist.
Moderation:
Ulla Engel-Horstkötter, Meinhard Schreiber
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Workshop 6:
„Mitten im Leben“
Arbeit mit ausgewählten Zielgruppen
Benachteiligung – Beeinträchtigung – Migration
An diesem Workshop nahmen 20 TeilnehmerInnen aus
unterschiedlichen Arbeitsfeldern teil. Neben sexualpädagogischen Fachkräften gab es auch TeilnehmerInnen, die in der freien Jugendarbeit tätig sind.
Der Einstieg
Die Mitte des Raumes bildeten Fotographien von
Menschen in unterschiedlichen Kulturen (Außenkreis),
Playmobil-Figuren (eher in der Mitte) sowie Barbie
und Ken im Zentrum.
Nach der Begrüßung wurden die TeilnehmerInnen
dazu aufgefordert, sich etwas aus der Mitte auszusuchen. Dieser Gegenstand sollte sich auf die berufliche
Situation der Anwesenden beziehen. Ken wurde z.B.
als Sinnbild dafür genommen, wie sich männliche
Jugendliche eines Jugendtreffs gerne sehen würden.
Eine Teilnehmerin z. B. stellte sich mit einem Elefant
(Playmobil) vor, weil sie in ihrem Beruf eine „dicke
Haut“ bräuchte.
Die Vorstellungsrunde ergab, dass das Thema Arbeit
mit Migranten/Innen einen wichtigen Raum einnehmen würde.
Gruppe – Zielgruppe – Zuschreibungen
Anschließend folgte ein „Experiment“. Die
TeilnehmerInnen wurden gebeten, sich unter folgender Fragestellung in kleine Gruppen einzuordnen: Was
macht mich aus? Was ist besonders? In welcher
Konstellation von Gruppenmitgliedern finde ich mich
wieder?
Nach einigen Irritationen, die durchaus beabsichtigt
waren, entstanden fünf Gruppen. In einer kurzen
Auswertung zeigte sich, wie schwer es ist, sich
Gruppen zuzuordnen oder auch Gruppen zugeordnet
zu werden. Mit Hilfe dieser Übung problematisierten
wir die Einordnung von Jugendlichen in bestimmte
Kategorien wie Migrationshintergrund, beeinträchtigt,
sozial schwach u. ä.. 1
Das Verbindende
Bei allen Unterschieden der einzelnen Gruppen (-mitglieder) sind das verbindende Element die sexuellen
Rechte. Alle Jugendlichen haben ein Recht auf sexuelle Bildung, auf Beratung, auf freien Zugang zu sexualitätsbezogenen Informationen und so weiter. Mit
dieser These eröffneten wir den zweiten Teil des
Workshops. Wir konnten sehr gut Bezug nehmen auf
den vorherigen Vortrag von Sigrid Weiser über den
rechtebasierten Ansatz der pro familia.
Es folgte ein kollegialer Austausch in dem die
TeilnehmerInnen ihre Erfahrungen schilderten. Hier
kamen die Grenzen unserer sexualpädagogischen
Arbeit zum Ausdruck. Die nach wie vor schwierige
Arbeit mit einem Großteil unserer jugendlichen
Migranten/Innen deren Probleme ja bereits hinlänglich untersucht sind, darf uns jedoch nicht den Blick
darauf versperren, dass es auch in der muslimischen
Gesellschaft viele fortschrittliche Tendenzen gibt. Die
Erfahrungen der Teilnehmenden zeigten, dass ihnen
viele junge muslimische Frauen und Männer begegnen, die nicht mehr als „MigrantInnen“ etikettiert
1 Aus Zeitgründen konnten wir nur kurz auf das soziologische Konzept der Intersektionalität hinweisen.
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werden möchten. Eine Herausbildung von Netzwerken
kann uns in der Arbeit wertvoll unterstützen.
Rahmenbedingungen sexualpädagogischer Arbeit
Im letzten Teil des Workshops wurde über die methodischen Rahmenbedingungen hinsichtlich unserer
Zielgruppen gesprochen: Gruppengröße, Setting,
Anschauungsmaterial, Humor, kultursensibles Arbeiten und Sprachgebrauch sind Variablen, die in der
Sexualpädagogik je nach Zielgruppe unterschiedlich
gestaltet werden sollten.
Aus Zeitmangel konnte der geplante Methodenteil
nicht mehr stattfinden. Ein Teilnehmer konnte sich
jedoch z.B. gut vorstellen, die Übung zu Beginn des
Workshops durchzuführen.
Der Austausch führte auch dazu, dass einige
Teilnehmer/Innen miteinander in beruflichen Kontakt
treten werden.
Unsere These, dass sexualpädagogische Methoden,
die themenbedingt anschaulich und multisinnlich gestaltet sind, grundsätzlich allen Zielgruppen gerecht
werden können, wenn wir sie zielgruppen spezifisch
modifizieren, war den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht fremd. In dem Workshop ist es uns
gelungen Impulse zu setzen, wie Vielfalt in die sexualpädagogische Arbeit integriert werden kann.
Moderation:
Marlene Lang-Mielke, Duisburg
Jürgen Heintzenberg, Krefeld/ Mönchengladbach
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Podiumsdiskussion
Vom Tabu zur Zumutung – wie geht es weiter?
Den Blick zu öffnen, ohne Vergangenes und Gelungenes aus dem Blick zu verlieren, war ein Ziel des zweitägigen Fachkongresses. In einer abschließenden
Podiumsdiskussion diskutierten Fachleute aus verschiedenen Verantwortungsbereichen, wie eine gelungene sexualpädagogische Arbeit in Deutschland, in
NRW aussehen könnte. „Welche Ressourcen sind vorhanden und wo muss dringend nachgebessert werden?“ waren Themen, die zum Abschluss des Kongresses unter Berücksichtigung der aktuellen Diskurse und des Theorie-Praxis-Transfers angesprochen
wurden.
Von einem Tabu in Sachen Aufklärung kann man in
Deutschland zum Glück nicht mehr sprechen. Das ist
ein Teil der pro familia Vergangenheit, indem es maßgeblich um Pionierarbeit ging. „Damals“ (in den
Anfängen vor 30 Jahren) war es bisweilen äußerst
schwierig, eine sexualpädagogische Veranstaltung in
einem Jugendzentrum oder einer Schule überhaupt
als externe Fachperson durchführen zu können. Was
bedeutet dann aber Zumutung im Jahr 2011, wo doch
heutzutage mannigfaltige Wahlmöglichkeiten offen
stehen? Kinder und Jugendliche kommen heutzutage
mit einer Flut von sexuellen Informationen und Themen
in Berührung. Das kann nicht spurlos an ihnen vorbei
gleiten, auch wenn sie deutlich besser mit Medienangeboten umgehen können als die meisten Erwachsenen. Einem Großteil der Heranwachsenden gelingt
es die Informationen zu filtern und sich das heraus zu
suchen, was sie interessiert und spannend finden.
Aber man mutet ihnen zu, dass sie sich mit Themen
von Erwachsenensexualität/Sexualität frühzeitig und
in vielen Facetten beschäftigen. Sexualpädagogik
kann beim Prozess des Sortierens und Einordnens –
nicht nur der kognitiven Prozesse, sondern ebenso
beim Wirwarr der Gefühle – unterstützen. Gleichfalls
dient sie als Korrektiv bei Mythen, Halb- und
Falschwissen. Auch sehen die „professionellen
Aufklärer“ ihre Aufgabe darin, Kinder und Jugendliche zu begleiten und den Blick weg vom Abstrakten/
Fremden der Erwachsenensexualität auf das eigene
Erleben und Wohlbefinden zu lenken. Auch das kann
eine Zumutung sein.
Sexuelle und reproduktive Rechte bekannt zu machen,
ist ein weiteres Anliegen der pro familia Beratungsstellen. Allen Menschen, unabhängig vom Alter,
Geschlecht, Kultur, psychosozialen Bedingungen und
intellektuellen Möglichkeiten, die Chance einer Teilhabe an sexueller Bildung zu ermöglichen, ist Ziel und
Inhalt sexualpädagogischer Arbeit bei pro familia.
Auch hier muten wir Kindern und Jugendlichen zu, sich
mit ihren Rechten und Pflichten auseinanderzusetzen.
Die Podiumsdiskussion, die auch brisante Themen
nicht scheute, wurde von allen Beteiligten als gelungener Abschluss des Fachkongresses bewertet.
TeilnehmerInnen:
Stefanie Amann (BZgA), Herr Horst Bickel (Ministerium
für Schule und Weiterbildung NRW, Beate Martin (pro
familia Münster) und Reinhard Brand (pro familia
Bielfeld)
Moderatorin:
Frau Ulrike Michels (Journalistin und Filmemacherin)
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1) Rainer Neutzling bei seinem Festvortrag „Die Aufklärer“
2) Sigrid Weiser, Vortrag „Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht“
4) WS 1 „Anleitung zum Glücklichsein“
6+7) WS 2 „Jungs - eine Gebrauchsanleitung“
sowie Bilder vom Tage
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1) WS 3 „Fragt uns doch“
3) WS 4 „Pille, Präser ....
5) WS 5 „Vielfalt zeigen ...“
sowie Bilder vom Tage
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1+2) WS 6 Mitten im Leben
4+5) Podiumsdiskussion „Vom Tabu zur Zumutung“
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Weitere Kongress-Impressionen
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Impressum
Herausgegeben vom pro familia Landesverband NRW e.V.
Postfach 13 09 01, D-42036 Wuppertal
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Spendenkonto: 70 240 01 · Bank für Sozialwirtschaft
BLZ 370 205 00
Vorstand: Marianne Hürten (Vorsitzende), Rainer Hecker
(Stellvertretender Vorsitzender), Julia John, Sina Kaufmann, Renate
Marczinowski, Cornelia Schneider, Dr. Eva Waldschütz
Redaktion: Holger Erb
Gestaltung: Komotzki Design
Dokumentation zum Fachkongress
„Treffpunkt sexuelle Selbstbestimmung – 30 Jahre Sexualpädagogik
im pro familia Landesverband NRW“
pro familia
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42036 Wuppertal
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