EEG 2017 - Perspektive Praxis

Werbung
2 | Titelthema
EEG 2017
Abbruch oder Neustart
der Energiewende?
Kurz vor der parlamentarischen
Sommerpause haben Bundestag und
Bundesrat das Erneuerbare-EnergienGesetz 2017 auf den Weg gebracht.
Das EEG 2017 wird den weiteren
Ausbau der Erneuerbaren Energien
deutlich verändern. Vor allem Projekt­
entwickler, Betreiber und Finanziers
stellt dies vor neue Herausforderungen.
Eine wesentliche Neuerung bei der Finanzierung von Erneuerbaren Energien
bringt die Umstellung auf Ausschreibungen: Grundsätzlich soll die Vergütung
für Erneuerbare-Energien-Anlagen über
Ausschreibungen festgelegt werden.
Bislang wurden die Erträge über eine
Einspeisevergütung administrativ festgelegt, jetzt sollen die Erneuerbaren
Energien stärker an den Markt herangebracht werden. Der Nachteil: Die Kalkulation der Projekte kann weniger gut geplant werden. Um überhaupt an der Ausschreibung teilnehmen zu dürfen, muss
man vorab zum Teil erhebliche Summen
in die Projektentwicklung investieren.
Im Bereich der Windenergie können
das Beträge bis zu 300.000 Euro pro
Anlage sein. Erhält man keinen Zuschlag, bleibt man auf seinen Kosten
sitzen. Dieses Risiko können Projektentwickler mit mehreren Vorhaben abfedern, kleinere Akteure wie Energiegenossenschaften hingegen nicht.
Bagatellgrenze
Auch aus diesem Grund wurde in der
politischen Diskussion eine Bagatellgrenze (de minimis) für die Pflicht zur
Ausschreibung gefordert. Diese wurde schließlich auf 750 kW installierter
Leistung festgelegt, d. h., alle Wind-
und Solaranlagen mit einer installierten
Leistung bis einschließlich 750 kW
erhalten weiterhin (oder wieder) eine
EEG-Vergütung oder eine Marktprämie
(§ 22 Abs. 2, 3 EEG 2017). Bis einschließlich 750 kW sind weiterhin auch
Eigenversorgungskonzepte wie z. B.
Anlagenpachtmodelle erlaubt.
Die Bagatellgrenze kann aber nur dann
in der Praxis genutzt werden, wenn
die EEG-Vergütung für diese kleineren
Projekte wieder steigt. In den letzten
Monaten sind Investitionen in Photovoltaik kaum noch wirtschaftlich darstellbar gewesen. Die Frage ist: Greift
der jetzt modifizierte „atmende Deckel“
(§ 49 Abs. 3 EEG 2017)? Wenn der
Zubau an Solaranlagen weiterhin unter
den geplanten Vorgaben liegt, dann soll
die EEG-Vergütung zukünftig schneller
ansteigen. Dabei sind Erhöhungen von
bis zu 3 Prozent der EEG-Vergütung
pro Quartal möglich. Das Ausschreibungsvolumen für die Solarenergie wird
übrigens auf 600 MW pro Jahr erhöht.
In den letzten Tagen vor der Verabschiedung ist noch eine Verordnungsermächtigung für Mieterstrom und Mitgliederversorgung in das EEG 2017
aufgenommen worden (§ 95 Nr. 2 EEG
2017). Wird Strom von einer Solaranlage, die sich auf oder in einem Wohngebäude (§ 3 Nr. 50 EEG 2017) befindet,
innerhalb eines Gebäudes an einen
Dritten geliefert, dann wird nur eine
verringerte EEG-Umlage fällig. Durch
die geringere Kostenbelastung wird das
Stromprodukt konkurrenzfähig. Das ist
insbesondere für Wohnungsgenossenschaften interessant. 4 | 2016
Titelthema | 3
Erhalt der Akteursvielfalt
Der Erhalt der Akteursvielfalt ist ein
weiteres wichtiges Thema der EEGNovellierung. Dabei geht es um die
Chancengleichheit für kleinere Akteure
wie Energiegenossenschaften in den
Ausschreibungsverfahren. Mit dieser
Zielrichtung wurde erstmals im EEG
eine Definition der Bürgerenergiegesellschaft verankert (§ 3 Nr. 15 EEG 2017).
Dieser Begriff umfasst unter anderem
Energiegenossenschaften, aber auch
deren Zusammenschlüsse in Zentralgenossenschaften.
Für diese Bürgerenergieakteure wurde
eine Wettbewerbsregel bei Windausschreibungen eingeführt, um die Nachteile gegenüber größeren Teilnehmern
abzumildern (§ 36g EEG 2017). Demnach können Bürgerenergiegesellschaften bereits zu einem früheren Zeitpunkt
an einer Windausschreibung teilnehmen. Sie müssen lediglich eine Fläche
sichern und ein Windgutachten einholen. Alle anderen Teilnehmer müssen
ihr Projekt bis zur Bundesimmissionsschutzgenehmigung voranbringen und
die entsprechenden Projektierungskosten aufbringen.
Darüber hinaus: Wenn Bürgerenergiegesellschaften mit ihrem Gebot einen
Zuschlag erhalten, dann wird ihnen
der höchste bezuschlagte Preis aus
der Ausschreibungsrunde zugewiesen.
Diesen höchsten Preis erhalten sie übrigens auch, wenn sie wie alle anderen
regulär am Ausschreibungsverfahren
teilnehmen.
Biomasse
Auch für Biomasseanlagen wird ein
Ausschreibungsverfahren eingeführt
(§§ 39 bis 39h EEG 2017). Die ausgeschriebene Menge wird für die Jahre
2017 bis 2019 jeweils auf 150 MW,
für die Jahre 2020 bis 2022 jeweils
auf 200 MW festgelegt (§ 28 Abs. 3
EEG 2017). Neben Neuanlagen sollen
auch Bestandsanlagen, deren EEGVergütung noch maximal acht Jahre
4 | 2016
gewährt wird, an einer Ausschreibung
teilnehmen dürfen (§ 39f Abs. 1 EEG
2017). Damit kann eine Anschlussfinanzierung von zehn Jahren gesichert
werden (§ 39g Abs. 3 EEG 2017).
Dies ist auch für genossenschaftliche
Nahwärmenetze wichtig, die oftmals die
Abwärme von Biogasanlagen landwirtschaftlicher Betriebe nutzen.
Das neue EEG wird nun zum 1. Januar
2017 in Kraft treten, die EU-Kommission muss es allerdings noch als Beihilfe
genehmigen. Aus der Perspektive der
Energiegenossenschaften und ihrer Finanzierungspartner können die vorgestellten Neuerungen begrüßt werden.
Es besteht die Chance, dass mit der
Bagatellgrenze und der Erhöhung der
EEG-Vergütung durch den „atmenden
Deckel“ das „klassische“ Betätigungsfeld der Solarenergie wiederbelebt wird.
Auch die Verordnungsermächtigung für
Mieterstrom bzw. Mitgliederversorgung
wird wichtige Impulse setzen. Fraglich
ist hingegen, ob die Regelungen für
die Bürgerenergie bei Windausschreibungen sich in der Praxis bewähren
werden. Nicht zuletzt die finanzierenden
Banken wird interessieren, wie gesichert die Planungen zu einem „früheren
Zeitpunkt“ sein können. Zweifel sind
hier durchaus angebracht.
Ein Beitrag von
René Groß und
Dr. Andreas Wieg,
Bundesgeschäftsstelle
Energiegenossenschaften
Herunterladen