– 103 – 27 Baunutzungskosten bei Planung und Betrieb von Gebäuden des Bundes vernachlässigt 27.0 Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung kann ganz überwiegend nicht beurteilen, ob die Gebäude in seinem Verantwortungsbereich wirtschaftlich geplant und betrieben werden. Bereits in der Planungs- und Genehmigungsphase fehlt es an einer vollständigen Darstellung und Erläuterung der Baunutzungskosten. In der Betriebsphase überwacht die Bauverwaltung diese Kosten überwiegend nicht ordnungsgemäß. Daher bestehen nur wenige Möglichkeiten, z. B. den Energieverbrauch steuernd zu beeinflussen und „Energieschleudern“ zu identifizieren. 27.1 Zur ganzheitlichen Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer geplanten Baumaßnahme sind nach § 24 Abs. 1 letzter Satz der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in den erläuternden Haushaltsunterlagen die nach Fertigstellung der Baumaßnahme voraussichtlich entstehenden jährlichen Haushaltsbelastungen darzustellen. Die Einzelheiten regeln die Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau). Ebenso regeln die RBBau, dass Betriebsüberwachungsstellen der Bauverwaltungen den technischen Betrieb der Gebäudeanlagen nach der Inbetriebnahme zu überwachen haben. Ein Vergleich der geplanten mit den nach Inbetriebnahme tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten und energiewirtschaftlichen Kenndaten könnte danach Aufschluss über mögliche Planungsdefizite geben. Nach DIN sind Baunutzungskosten im Hochbau alle in baulichen Anlagen und deren Grundstücken entstehenden regelmäßig wiederkehrenden Kosten von Beginn ihrer Nutzbarkeit bis zu ihrer Beseitigung. Die Bundesregierung fördert seit dem Haushaltsjahr 2006 die energetische Sanierung von bundeseigenen Gebäuden, um die Betriebskosten und die CO2-Emissionen zu senken. In den Bewilligungsverfahren zur Auswahl der Gebäude sind die Erkenntnisse der Betriebsüberwachungsstellen zu berücksichtigen. 27.1.1 Der Bundesrechnungshof prüfte bundesweit mit Unterstützung von fünf Prüfungsämtern des Bundes die geplanten Baunutzungskosten der 166 Baumaßnahmen, die die Bau- verwaltungen in den Jahren 2000 bis 2002 im zivilen Bereich für den Bund durchgeführt und zur Nutzung übergeben hatten. Das Baukostenvolumen betrug rund 3,02 Mrd. Euro. Die Bauverwaltungen legten dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Bundesministerium) insgesamt nur für 93 (56 %) der geprüften Baumaßnahmen die von den RBBau vorgeschriebenen Datenblätter mit geplanten Baunutzungskosten vor. Von diesen enthielten lediglich 29 (17 %) eine vollständige Planung der Baunutzungskosten. So fehlten bei 45 Maßnahmen Angaben zu den Reinigungskosten, bei 54 Maßnahmen zu den Bauunterhaltungskosten und bei 26 Maßnahmen zu den geplanten Verbrauchswerten. Bei knapp einem Drittel der geprüften Baumaßnahmen wiesen die Datenblätter in einzelnen Positionen Kostenwerte für die Baunutzung aus, die von Vergleichs- oder Erfahrungswerten auffällig abwichen. Eine Beanstandung oder Nachfrage zu diesen Auffälligkeiten seitens des Bundesministeriums konnte der Bundesrechnungshof nicht feststellen. So wies die Haushaltsunterlage für die Baumaßnahme zur Herrichtung und Erweiterung von Dienstgebäuden des Bundesministeriums in Berlin z. B. unbeanstandet einen weit überhöhten Jahresstrombedarf aus, der, fehlerfrei ermittelt, zu erwartende jährliche Stromkosten in Höhe von rund 29,8 Mio. Euro zur Folge gehabt hätte. 27.1.2 Bei 125 der 166 Liegenschaften lag die Betriebsüberwachung im Verantwortungsbereich der Bauverwaltungen. Die zuständigen Betriebsüberwachungsstellen konnten für 111 (89 %) dieser Liegenschaften Datenblätter mit den tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten vorlegen. Davon wiesen lediglich 23 Datenblätter (18 %) vollständig erfasste Baunutzungskosten aus. Allerdings bezogen sich die Werte jeweils auf die gesamte Liegenschaft. Gebäudebezogene Werte lagen nur dann vor, wenn sich auf der geprüften Liegenschaft lediglich ein Gebäude befand. Die wichtigsten Gründe, die eine gebäudebezogene Datenerfassung verhinderten, waren fehlende Zähleinrichtungen je Gebäude und das verzögerte, fehlerhafte oder sogar unterlassene Melden von Baunutzungskostendaten seitens der nutzenden Verwaltungen. 27.1.3 Das Bundesministerium führte keinen Vergleich der geplanten mit den nach Inbetriebnahme tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten durch. Allerdings wäre ein solcher vollständiger Vergleich aufgrund der Datenlage lediglich für zwei Gebäude und zwei Liegenschaften möglich gewesen. Für weitere 11 Gebäude und 18 Liegenschaften hätte es zumindest die tatsächlichen Verbrauchsdaten für Abwasser, Wasser, Wärme und Strom – 105 – mit den geplanten vergleichen können. Der Bundesrechnungshof verglich die geplanten mit den tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten auf Basis der vorliegenden Daten der Betriebsüberwachung und unter vorsichtiger Hinzuschätzung der fehlenden Daten. Danach waren die Kosten um durchschnittlich 29,5 % höher als die in den Haushaltsunterlagen geplanten. Dies entspricht allein für die in die Vergleichsrechnung einbezogenen Baumaßnahmen einem Betrag von 5,3 Mio. Euro pro Jahr. 27.2 Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass die Bauverwaltungen die Baunutzungskosten für die geprüften Baumaßnahmen unzulänglich ermittelt und in den Haushaltsunterlagen unvollständig ausgewiesen haben. Dadurch ist es ganz überwiegend nicht möglich gewesen, die durch die jeweiligen Baumaßnahmen entstehenden jährlichen Haushaltsbelastungen, den wirtschaftlichen Betrieb und damit auch die Mängel der Planung fachgerecht zu beurteilen. Da die zu erwartenden Baunutzungskosten den Bundeshaushalt während der gesamten Nutzungsdauer der Gebäude belasten, sind sie von wesentlicher Bedeutung, um zu beurteilen, ob Hochbaumaßnahmen wirtschaftlich geplant sind. So müssten z. B. hohe Reinigungskosten aufgrund großer Glasflächenanteile in der Fassade oder hohe Heizungs- und Stromkosten, verursacht durch großzügige Raumplanungen, ein gewichtiger Grund sein, die Pläne zukünftiger Baumaßnahmen zu optimieren. Die Abweichung der tatsächlichen von den geplanten Baunutzungskosten um wenigstens 29,5 % erklärt sich daraus, dass die an der Erstellung der Haushaltsunterlagen beteiligten Dienststellen der Ermittlung der Baunutzungskosten nur eine unzureichende oder gar keine Bedeutung beigemessen haben. Das Bundesministerium hätte die unvollständigen Haushaltsunterlagen nicht genehmigen dürfen. Für den überwiegenden Teil der geprüften Bundesliegenschaften hat zudem keine ordnungsgemäße Betriebsüberwachung stattgefunden. Fehlende Zähleinrichtungen und mangelhafte Beachtung bestehender Regelungen zur Betriebsüberwachung seitens der nutzenden Verwaltungen haben eine gebäudebezogene Datenerfassung und -auswertung der Baunutzungskosten verhindert. Die liegenschaftsbezogene Erfassung von Baunutzungskosten lässt keine verwertbaren Rückschlüsse auf den tatsächlichen Energieverbrauch einzelner Gebäude zu. Die Betriebsüberwachungsstellen haben somit nur wenige Möglichkeiten, den Energieverbrauch steuernd zu beeinflussen und einen wirtschaftlichen Gebäudebetrieb zu sichern. Sie sind nicht in der Lage, „Energieschleudern“ zu identifizieren und damit entsprechenden Handlungsbedarf zu beschreiben. Nur mit Hilfe einer funktionierenden Betriebsüberwachung lässt sich eine sachgerechte Auswahl der zu sanierenden bundeseigenen Gebäude vornehmen, um Nutzungskosten und CO2-Emissionen zu senken. Der Bundesrechnungshof rät davon ab, die derzeit vorliegenden mangelhaften Baunutzungsdaten für eine Auswahlentscheidung bei der derzeit anlaufenden energetischen Gebäudesanierung zu nutzen. Der Bundesrechnungshof hat das Bundesministerium aufgefordert, bei der Genehmigung von Baumaßnahmen künftig die Bundeshaushaltsordnung zu beachten und die Bauverwaltungen auf das Einhalten der RBBau hinzuweisen. Dafür haben die Bauverwaltungen künftig die Baunutzungskosten vollständig sowie fachgerecht zu planen und in den Betriebsüberwachungsstellen die tatsächlichen Baunutzungskosten gebäudebezogen sowie vollständig zu erfassen. Hierfür sollten möglichst alle Gebäude mit den notwendigen Erfassungsgeräten ausgestattet werden. Das Bundesministerium muss einen regelmäßigen Vergleich der geplanten mit den tatsächlichen Baunutzungskosten und eine anschließende Abweichungsanalyse sicherstellen. So kann es die Baunutzungskosten senken und eine Qualitätsverbesserung im öffentlichen Bauen erreichen. 27.3 Das Bundesministerium hat eingeräumt, die Analyse von Baunutzungskosten habe in der Vergangenheit nicht die erforderliche Wertschätzung und Aufmerksamkeit erfahren. Um den Forderungen des Bundesrechnungshofes soweit wie möglich nachzukommen, habe es daher zwischenzeitlich u. a. eine Arbeitsgruppe beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung eingerichtet, die regelmäßig Auswertungen der bundesweit erhobenen Betriebsüberwachungsdaten (Benchmarks etc.) vorlegen solle. Es beabsichtige, künftig Baumaßnahmen mit unvollständigen baufachlichen Unterlagen grundsätzlich nicht mehr zu genehmigen. Auch wolle es die Bauverwaltungen anweisen, die Regelungen der RBBau zur Ermittlung der Baunutzungskosten und zur Betriebsüberwachung einzuhalten. Das Bundesministerium hat ergänzend erklärt, dass die RBBau keinen Vergleich der geplanten mit den tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten vorsähen. Zudem sei er nur bedingt geeignet, Aufschluss über Planungsdefizite zu geben. So lasse der zum Zeitpunkt der „Entscheidungsunterlage Bau“ vorhandene Erkenntnisstand über eine Baumaßnahme eine fundierte Sollwertbestimmung der Baunutzungskosten nicht zu, da diese lediglich nach überschlägiger Ermittlung geschätzt seien. Unabhängig davon setze – 107 – sich das Bundesministerium mit Nachdruck dafür ein, Unterbringungs- und Bauentscheidungen künftig noch stärker unter Berücksichtigung aller denkbaren Beschaffungsformen (einschließlich öffentlich-privater Partnerschaften) und unter Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu treffen. Es sei keineswegs ungewöhnlich, wenn die tatsächlich entstandenen Baunutzungskosten, wie vom Bundesrechnungshof ermittelt, um 29,5 % von den geplanten abwichen, da eine Kommentierung zur einschlägigen DIN Abweichungen von +/– 40 % als normal ansehe. Das Bundesministerium hat weiter ausgeführt, die personelle und finanzielle Ausstattung der in den Ländern für den Bund tätigen Betriebsüberwachungsstellen befinde sich, gemessen an den durchschnittlichen Energiekosten, auf einem teilweise sehr niedrigen Niveau. Es werde prüfen, inwieweit es möglich sei, diesen Bereich unter Einbeziehung von Lebenszyklusaspekten zu verstärken. 27.4 Der Bundesrechnungshof sieht in den zwischenzeitlich eingeleiteten Maßnahmen des Bundesministeriums erste Schritte, den Baunutzungskosten künftig sowohl während der Planung als auch im Betrieb die notwendige Beachtung zu schenken. Hierfür kommt es allerdings darauf an, dass das Bundesministerium hohe Anforderungen an die Qualität der in der Planungsphase erhobenen Daten u. a. zu den Baunutzungskosten stellt. Wenn auch die Zahlen in der Planungsphase teilweise nur geschätzt werden können, muss die Datenqualität hinreichend gut sein, um über die „Entscheidungsunterlage Bau“ die zu realisierende Variante der Bedarfsdeckung (Eigenbau, öffentlich-private Partnerschaft, Anmietung etc.) auswählen zu können. Daher stimmt der Bundesrechnungshof nicht mit dem Bundesministerium überein, die Abweichungen der geplanten von den tatsächlichen Baunutzungskosten seien unbedenklich. Gerade bei sich wiederholenden Bauaufgaben mit durchschnittlichen Planungsanforderungen, wie z. B. bei Verwaltungsgebäuden, müssen und können die Baunutzungskosten wesentlich genauer geplant werden. Auch stellt sich danach die Frage, wie das Bundesministerium die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen möglichen Formen einer Bedarfsdeckung zuverlässig beurteilen will, wenn es den Zahlen zu den Baunutzungskosten in der Planungsphase nur eine eingeschränkte Aussagekraft und Verlässlichkeit zubilligt. Da bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks die Baunutzungskosten eine entscheidende Rolle spielen, muss die Bauverwaltung alles tun, diese schon in der Planungsphase vollständig und verlässlich zu ermitteln. Wenn auch die RBBau derzeit nicht den Vergleich der geplanten mit den tatsächlich er- mittelten Baunutzungskosten vorschreiben, so hätte es doch nahegelegen, diese Möglichkeit angesichts des grundsätzlich hohen Detaillierungsgrades der Daten zu nutzen, um unwirtschaftliche Planungen zu vermeiden. Das Bundesministerium sollte kurzfristig derartige Vergleiche anstellen lassen und für die Bauverwaltungen nutzbar machen. Der Bundesrechnungshof begrüßt, dass das Bundesministerium die Bauverwaltungen zu einer regelgerechten Betriebsüberwachung anhalten will, zugleich aber auch die niedrige personelle und finanzielle Ausstattung problematisiert. Zur Sicherung eines wirtschaftlichen Gebäudebetriebes ist eine gebäudebezogene Betriebsüberwachung erforderlich. Die zurzeit praktizierte Betriebsüberwachung ist weit von dem entfernt, was eine ordnungsgemäß funktionierende Betriebsüberwachung zu leisten im Stande ist und sie im Ergebnis erst rechtfertigt. Um die derzeitig vernachlässigte Betriebsüberwachung in die Lage zu versetzen, fachgerecht arbeiten zu können, sind u. a. fehlende Zähleinrichtungen nachzurüsten, die Regeln zur Betriebsüberwachung einzuhalten sowie ggf. zu überarbeiten und das notwendige ausgebildete Personal bereitzustellen.