Christine Gotthardt (Stufe 12) berichtet über ihren Aufenthalt in Bombay/Indien im evangelischen Religionsunterricht der Stufe 10 Um unser Thema, den Hinduismus, im Religionsunterricht abzuschließen und unser Projekt WORTundTAT vorzubereiten, lud Frau Kretschmann Christine Gotthardt ein, die in den Sommerferien sieben Wochen bei einer Familie in Bombay verbracht hatte. Als erstes erzählte sie uns in ihrem Powerpoint-Vortrag einige Fakten zu Indien, über die Hauptstadt Neu-Delhi und über die verschiedenen Amtssprachen (Hindi und Englisch). Dann beschrieb sie, wie sie überhaupt auf die Idee kam, einen Austausch mit einem indischen Mädchen zu machen. Die Organisation, die sich die 17-jährige ausgesucht hatte, heißt „Rotary“ und veranstaltet u.a. Kurzaustausche im Zeitraum von drei bis acht Wochen. Tine hatte jedoch nur angegeben, dass sie in ein weit entferntes Land wolle, und so kam es, dass sie eine indische Austauschschülerin bekam, die während der Osterzeit bei Tines Familie gewohnt hat. Die 19-jährige Inderin studiert in Indien BWL und lebt zusammen mit ihrer 11köpfigen Familie in einer Wohnung in einem Hochhaus mitten in Bombay. Während Tines Aufenthaltes in Indien unternahm ihre Gastfamilie drei Tagesausflüge mit ihr, zu einer buddhistischen Tempelanlage, in die Berge und nach Jaipur, der Hauptstadt von Rajasthan, wo auch die ehemalige Königsfamilie lebt. Außerdem besichtigten sie das Wahrzeichen Indiens, den Taj Mahal, und Delhi. Dann berichtete sie von persönlichen Eindrücken und Erfahrungen: Über 250 Millionen Inder leben in Armut, Kinderarbeit ist zwar gesetzlich verboten, jedoch sind viele Familien auf das zusätzliche Einkommen der Kinder angewiesen. Frauen sind nicht gleichberechtigt. Ihre Gastschwester beispielsweise studiert zwar, wird das Erlernte aber nie nutzen können, da sie in zwei Jahren zwangsverheiratet werden soll. Nach ihrer Heirat wird sie sich um den Haushalt und die Kinder kümmern müssen und nie arbeiten gehen können. Ihren Ehemann konnte sie sich nicht selber aussuchen, aber ihre Familie gab ihr die Möglichkeit, zwischen dreien zu wählen. Ihre Brüder dagegen hatten deutlich mehr Freiheiten; sie konnten ihre Frauen selbst wählen, durften ihre Schwestern herumkommandieren und Discos gab es nur für Jungen. Tines Gastmutter wurde mit 12 Jahren verheiratet und bekam mit 15 ihr erstes Kind. Da wir das Kastensystem schon detailliert besprochen hatten, fasste sich Tine kurz und wiederholte nur die wichtigsten Fakten. Es ist seit einigen Jahren gesetzlich verboten, jedoch wird es in vielen ländlichen Gebieten immer noch angewendet. Die Kaste einer Familie erkennt man am Namen und hauptsächlich wird zwischen „Reinheit“ (Priester) und „Unreinheit“ (z.B. Friseure) unterschieden. Inzwischen ist das Wohlhaben einer Familie wichtiger als die Kaste. Lediglich bei der Heirat ist sie noch von großer Bedeutung, da man im Hinduismus niemanden aus einer höheren Kaste heiraten darf. Ausländer gehören keiner Kaste an. Der Unterricht im College war ziemlich langweilig, weil nur Lehrervorträge gehalten wurden. Da auf Englisch unterrichtet wurde, konnte Tine wenigstens alles verstehen. Das College ist im Gegensatz zu hier gebührenpflichtig. Es ist üblich, dass die Jugendlichen westliche Kleidung und Schuluniformen tragen, die Mütter und Großmütter jedoch traditionelle Saris. Tine hat als Christin während ihres gesamten Aufenthaltes keine Diskriminierungen erlebt. Auf die Frage, was sie am meisten verwundert hatte bzw. was ihr am merkwürdigsten vorkam, antwortete Tine, dass man zur Begrüßung immer die Füße der Großeltern, die ebenfalls bei der Familie leben, küssen muss, da man ihnen, als Ältesten, so Respekt erweisen würde. Sie selbst musste dieses „Ritual“ aber nicht mitmachen. Außerdem fügte sie hinzu, dass man in Indien sehr viele Götter verehren würde und dass viele Familien sogar einen eigenen Haustempel und einen Opfertisch besitzen, auf dem sie jeden Tag Essen oder kleine Geschenke opfern. In Indien gibt es sehr viele Feste. Sie selbst war einmal auf einem Geburtstagsfest für einen Gottes dabei gewesen und war sehr beeindruckt: Die Frauen bekamen rote Punkte auf die Stirn gemalt, es wurde Obst für die Götter geopfert und viele, auch Jüngere, rauchten Wasserpfeife. Die Kinder haben keine Hobbys; sie spielen oft Poker und abends müssten auf jeden Fall die Mädchen vor neun zu Hause sein, da es sonst zu gefährlich draußen sei. Alle waren sehr erstaunt, dass Tine Mitglied im Schulorchester ist und Tennis spielt. Was wir besonders interessant fanden, war die Tatsache, dass man in Indien nur mit der rechten Hand isst. Besteck gibt es sowieso nicht und die linke Hand wird in Indien als unrein bezeichnet, deshalb muss sie auch unter dem Tisch liegen. Neben dem indischen Essen gibt es auch Fastfood- Restaurants, die deutlich preiswerter sind als bei uns. Am meisten hat sie der Umgang mit dem Hausangestellten erschreckt. Er musste in der Küche auf dem Boden schlafen, und die gesamte Familie kommandierte ihn herum. Tines Entschluss, ihre Kleidung selbst zu waschen, löste bei allen großes Erstaunen aus. Als sie einmal die Möglichkeit hatte, sich mit ihm im Auto zu unterhalten, erklärte er ihr, dass dieser Umgang ganz normal sei. Er sei schon eher lange bei dieser Familie und sei froh, ein Dach über dem Kopf und etwas zu Essen zu haben. Als es dann keine weiteren Fragen gab, war die Stunde auch schon vorbei und wir bedankten uns bei Tine mit viel Applaus. Miriam Schulte, Julia Deichmann, Noelle Sieg (10a)