Wissen Sich gegenüber Pferden in der Pflicht fühlen Ich bereite mich gegenwärtig auf die Brevetprüfung vor. Zu den im Brevetordner aufgeführten Grundsätzen habe ich nun eine Frage. Unter Fazit steht: «Jeder Pferdefreund wird für die Verwirklichung der ethischen Grundsätze eigene Wege finden müssen. Zu unterschiedlich sind die Rahmen­ bedingungen und Lebensbereiche, um einfache, allgemeingültige Lösungs­ möglichkeiten aufzeigen zu können.» Gerne würde ich wissen, was ein Ethiker dazu sagt. S. B. in L. Ich kenne die Hintergründe der Gedanken im Fazit nicht. Ich nehme nicht an, dass sich die Autoren den Aufgaben nicht stellen wollen. Ethische Grundsätze sind immer allgemein formuliert, z. B. «Der physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes ist unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeu- im Sinne Kants meint «Selbstgesetzgebung». Ich gebe mir die Regeln für den Umgang mit Pferden selber. Sie müssen also selber bestimmen, was bei Ihren Pferden in Ihrer konkreten Situation «physische und psychische Gesundheit» bedeutet und wie sie diese schützen und erhalten wollen. Das mag unangenehm und anstrengend sein, entspricht aber im Kern dem ethischen Selbstverständnis. Der dritte Grund ist aus dem zweiten abgeleitet und liegt in der Überzeugung, dass ernsthaftes verantwortungsvolles Handeln nicht befohlen werden kann, sondern aus Einsicht und innerer Überzeugung geschehen soll. Sie werden sich gegenüber Ihren Pferden nicht wegen des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport, dessen den Pferden verlangt es. Es ist wie bei einem schreienden Kleinkind in der Nacht. Sie brauchen weder einen EthikKodex, eine befehlende Autorität noch einen finanziellen Anreiz. Sie trösten das Kind, weil es die Situation verlangt. Sie werden mit Empathie die ethischen Grundsätze im Alltag umsetzen, ohne an diese zu denken. Aus selbstverständlicher innerer Notwendigkeit. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns nicht um die ethischen Grundsätze kümmern müssen. Diese sollen Sie immer wieder zum Nachdenken anregen. Was wir als «normal» anschauen, das Selbstverständliche, soll immer wieder hinterfragt werden, denn im Umgang wortung. Zweitens handeln Sie immer anderen Grundsätze zu übersetzen. Es unter der Bedingung des Nichtwis- gibt drei Gründe, weshalb die ethischen sens. Sie wissen nie genau, wie es den Grundsätze allgemein geschrieben Pferden geht und was deren Wünsche sind und Sie eigene Wege finden müs- sind. Ethische Reflexion wird mehr und sen. Erstens ist es kaum möglich, alle mehr Ihr Verständnis und Ihren Respekt konkreten Situationen zu erfassen, gegenüber Pferden vergrössern. Die oder man müsste fast unendlich viele entsprechende Haltung wird Ihr Han- Fallgeschichten schreiben. Wichtiger ist deln im Alltag prägen. der zweite Grund: Ethik ist nicht Moral. Freiheit und Autonomie. Autonomie Pflicht fühlen. Der Respekt gegenüber Pferd und deshalb eine grössere Verant- Aufgabe, für Ihre Pferde diesen und die denken an. Dahinter steht die Idee der Sie sich den Pferden gegenüber in der metrie. Sie haben mehr Macht als das Pferdefreund oder Pferdefreundin die zu tun haben, sondern regt zum Selber­ prüfung ethisch verhalten, sondern weil mit Tieren besteht eine Machtasym- tung einzuräumen». Sie haben nun als Ethik sagt Ihnen nicht, was Sie konkret ethischen Grundsätzen oder der Brevet- Thomas Gröbly Landwirt, Theologe, Ethiker www.ethik-labor.ch Ich wünsche Ihnen viel Freude mit Ihren Pferden! Kavallo 6/2014 59