Special Marketing

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Weiterbildung Sowohl Kalaidos als auch HWZ lancieren
Zertifikatslehrgänge im Luxusgüter-Management. Seite 45
| 28. März 2013
Special Marketing
inhalt
Cary Steinmann zur
Neuordnung der Welt
Mit dem Internet ist laut dem MarketingProfessor ein Dämon aus der Flasche gelassen worden, der in seiner Wucht und
Universalität vor 10 Jahren nicht vorstellbar war. «Um den Kontext zu verstehen:
Wir ­erleben die Erfindung ­einer neuen
£gesellschaftlichen Ordnung.» Seite 43
David Bosshart über
den Big Data Hype
«Während die uns vertraute industrielle
Welt mit ihren gemächlich entwickelten
Skaleneffekten vielen Menschen Arbeitsplätze, Wohlstand und ein bequemes
­Leben in der Mittelschicht brachte, geht
die digitale Welt in eine ganz andere
­R ichtung», sagt der Chef des Gottlieb
Duttweiler Institute (GDI). Seite 44
Swatch entthront die
Migros beim Image
Der Uhrenkonzern erhielt an der 23. GfM
Marketing-Trend-Tagung den erstmals
verlie­henen «Swiss Repu­ta­tion Award».
Vorjahressieger Migros landet im «GfK
BusinessReflector 2013» des Schweizer
Marktforschungsinstituts auf dem 2. Platz.
Dahinter folgt Lindt & Sprüngli. Seite 46
Wie Meteorologen das
Marketing vorhersagen
Fast zehn Jahre nach der Erfindung des
360°Touchpoint-Konzepts erstellt Acce­
lerom neu wissenschaftliche Zukunftsprognosen zum Marktbearbeitungsmix.
Zudem lassen sich Werbemassnahmen
mit der Media-Leistungskennzahl Gross
Rating Point (GRP) ausweisen. Seite 49
ss Poster Award 2 011
Markenrelevanz macht
Wettbewerber mundtot
Für Branding-Fachmann David Aaker ist
Ovomaltine ein grossartiges Schweizer
Beispiel für emotionalen Nutzen. «Wenn
es gelingt, ein Repräsentant einer ganzen
Kategorie zu werden, dann kann das niemand anders tun, denn der Name allein
steht für eine ganze Kategorie.» Seite 51
Swiss Poster
Award – «Plakat
des Jahres 2012»:
«Jetzt reden wir!»
für Jugendsession
(SAJV) von
Spillmann/Felser/
Leo Burnett.
Verantwortlich für diesen special:
Norman c. Bandi
Foto-Serie
Die Bilder zeigen alle 16 Gewinner
des «Swiss Poster Award 2012», der
am 14. März 2013 an der APG|SGA
Poster Night in Zürich vergeben
wurde. Neben dem Plakat des Jahres
(rechts) sind es die Sieger von Gold,
Silber und Bronze in fünf Kategorien.
Zielgruppe der Zukunft
Streuverlust Sie sind im Schnitt 32 Jahre alt und haben gehobenes Bildungsniveau. Die Männer sind
leicht überrepräsentiert, viele haben noch kein eigenes Einkommen – das sind «Digitale Kosmopoliten».
Norman C. Bandi
Streuverlust ist der grösste Ärger jedes
Marketing-Verantwortlichen und jedes
Werbetreibenden. Noch unbefriedigender als eine schlechte Kampagne ist
eine schwache Botschaft, die beim angepeilten Zielpublikum nicht ankommt.
Die relevanten Adressatengruppen sind
unklar oder nicht bekannt.
Nur wer versteht, was die Menschen
bewegt, kann sie auch bewegen. Genau
hier setzt die aktuelle MedienKonsumstudie von GfK Switzerland im Auftrag
der Publisuisse an. Basierend auf den
zehn überarbeiteten Sinus-Milieus des
deutschen Forschungsinstituts Sinus
für den Schweizer Markt (siehe Grafik
Seite 55) haben die Vermarktungs­
spezialisten ihre jährliche Erhebung
­angepasst und beispielsweise erstmals
«Digitale Kosmopoliten» erfasst – eines
der zwei ganz neuen Sinus-Milieus. Sie
machen 7 Prozent der Schweiz aus.
«Digitale Kosmopoliten» sind im
Durchschnitt 32 Jahre alt, die Altersgruppe der unter 30-Jährigen ist deutlich übervertreten, die Männer sind zu
den Frauen leicht überrepräsentiert.
Zwei Drittel sind ledig (höchster Anteil
im Sinus-Milieu-Vergleich). Sie leben
in Drei- bis Vier-Personen-Haushalten
(viele bei den Eltern) und haben ge­
hobenes Bildungsniveau (mit hohem
Akademiker-Anteil). Zwei Fünftel sind
derzeit in Ausbildung (Schüler oder
Studenten). Es gibt auch qualifizierte
und leitende Angestellte, viele ­haben
noch kein eigenes Einkommen, der Salärschwerpunkt liegt bei 6000 bis 9000
Franken (monatliches Haushaltseinkommen). Das die Zusammen­fas­sung
der experimentierfreudigen, weltoffenen, multimedial geprägten Avant­
garde laut dem Sinus-Institut.
«Digitale Kosmopoliten» brauchen
gemäss der MedienKonsumstudie 2013
der Publisuisse die Werbeträger wie
folgt: Bei Internet (private Zwecke) und
Fernsehen (Unterhaltung/Sport) sind
sie hohe Nutzer. Zudem haben sie eine
hohe Affinität zu Pendlerzeitungen sowie zur Finanz- und Wirtschaftspresse.­
Beim Konsum weist die Zielgruppe der
Zukunft diese Eigenschaften aus: Oft
Ferien im fernen Ausland. Marken­
käufer bei Kleidung, Möbeln, Brillen,
Schuhen, Lebensmitteln, Motorrädern,
Parfüm, Kosmetik. Preiskäufer bei Alkohol, Krankenkasse, Versicherung.
Marketing | 43
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Sieben Thesen
Denken in Silos ist Vergangenheit
D
ie Marketing-Welt erlebt derzeit
beinahe schon dramatische Veränderungen. Rezepturen, die über
Jahrzehnte beständig zu funktionieren schienen, verlieren zusehends ihre Effektivität, schlimmer noch, ihre
Validität. Eine definitiv subjektive Ansicht zeigt,
welche Tendenzen, Baustellen, Problemzonen
und Perspektiven sich in den Märkten des
angewandten Marketings erkennen lassen,
­
auch für die Schweiz.
Wir sprechen gerne von Umbrüchen, Disruptionen, Paradigmenwechseln. Die Welt verändert sich, die Finanzindustrie verändert sich
(ein bisschen), die Wirtschaft globalisiert sich,
ökonomische sowie betriebswirtschaftliche
Grundprinzipien stehen vor immer neuen
­Herausforderungen, und – wie wenn das alles
nicht schon genug wäre – mit dem Internet ist
ein Dämon aus der Flasche gelassen worden,
der in seiner Wucht und Universalität vor gut
10 bis 15 Jahren so nicht vorstellbar war.
Um den Kontext richtig zu verstehen: Wir
­erleben die Erfindung einer neuen gesellschaftlichen Ordnung, deren Herausforderungen und
Chancen überwiegen (siehe Francis Fuku­
yamas Bestseller «Der Grosse Aufbruch»). Aber
der permanente Wandel bricht klassische
Strukturen auf, was einige Protagonisten im
richtigen Leben wie im Marketing irritiert und
bisweilen sogar lähmt.
Wagen wir einen thesenhaften Blick in die
nahe Zukunft: Welche Trends sind zu erkennen? Was geht? Was nicht? Wo liegen die Chancen? Wo die Tretminen?
• These 1 – Kontrollverlust: Die Marketing-­
Abteilungen sind unter Druck und bisweilen
de facto obsolet. Die Positionierung von Unter-
Cary Steinmann
Marketing-Professor, Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften, Winterthur ZH
«Rezepturen, die über
Jahrzehnte beständig zu
funktionieren schienen,
verlieren zusehends ihre
Effektivität, schlimmer
noch, ihre Validität.»
nehmen und Angeboten machen zukünftig die
Kunden mit Hilfe der totalen Vernetzung, von
WOM (word of mouth) oder Social Media. Der
Kunde definiert ultimativ den Markenwert, das
Marketing läuft hinterher.
• These 2 – Permanentes Lernen: «New Marketing» ist neu ein Prozess, keine Abteilung mehr.
Marketing ist Verkauf, Prozessmanagement,
Produktentwicklung sowie Forschung und
­Entwicklung (F&E). Das Denken in Silos hat
keine wirkliche Zukunft.
• These 3 – Das Comeback der Intuition: Je
mehr Daten wir – webbasiert – zusammen­
tragen können, desto weniger wissen wir. Wenn
alles datengetrieben ist und in Echtzeit läuft,
dann agieren wir nicht, sondern wir reagieren.
Integriertes, Silo-übergreifendes, permanent
lernendes Marketing muss wieder intuitiver
werden. Ein Marketing, in dem das Bewusstsein­
und das Unbewusstsein gekoppelt sind, also
Verstand und Gefühle verbindet.
• These 4 – Konsument 2.0: Wir beobachten das
Ende des postmodernen, normativen Indivi­
dualismus hin zu einem kollektiven Individualismus, der sich unter anderem in sogenannten
Communities manifestiert. Diese überindi­
viduellen Wertesysteme weisen das neue
­Potenzial für das «New Marketing» auf. Der
Konsumentenversteher, schon immer die magische Kraft hinter jeder grossen Idee, wandelt
sich paradigmatisch zum Netzwerkversteher.
Und wenn die Inputs seitens der Community
richtig gelesen und strukturiert werden, dann
haben wir ein hyperreales Inbound-Marketing,
welches das gesamte Unternehmen betrifft.
• These 5 – Inbound ist das neue Outbound:
Zu Ende gedacht b
­ edeutet das eben, dass sich
dieses «New Marketing» zum universellen
Werkzeug der Inter­aktion mit den Konsumenten wandeln wird. Verkauf ist Marketing. HR
(Human Resources) ist Marketing. F&E, Produktentwicklung, CRM (Customer Relationship Management) – alles Marketing. So gesehen wird jeder Mitarbeiter einer Firma ein Inbound-Marketer. Was umfangreiche Konsequenzen in Bereichen wie Organisation, Auf­
gabenteilung, Strukturen, Entscheidungswege,
Aus- und Weiterbildung zur Folge hat.
• These 6 – Soziale Medien werden CRM, werden Marketing: Wir gehen davon aus, dass die
Unternehmen in naher Zukunft ihre SocialMedia-­
Aktivitäten zunehmend in Richtung
Kundenservice ausrichten werden. Eine inte­
grierte (bestimmt nicht Silo) Social-MediaStrategie im Kontext mit der neuen (ebenfalls
nicht Silo) datenbasierten Marketing-Strategie,
die Intuitionen nicht nur zulässt, sondern
­fordert, wird entscheidend sein.
• These 7 – von Social Media zu Social Enter­
prise: Social Media, insbesondere der Social
Content, werden es schaffen, die Parallelwelten
des heutigen (linienorientierten) Marketings
aufzulösen. Firmen werden menschlicher,
sprich offener, dialogorientierter, intuitiver und
notabene sozialer. Die Unternehmen werden
vermehrt eine Strategie des «Storytelling»
­wählen (mein aktuelles Lieblingsthema in der
Forschung), ein Gesicht bekommen sowie
­Vertrauen zwischen der Firma und den Konsumenten aufbauen.
Cary Steinmann ist Professor für Marketing und Kommunikation sowie Leiter International Marketing des neuen
Departement International Business (DIB) an der School
of Management and Law (SML) der Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur ZH.
Swiss Poster Award – Gold «Innovation»: «Les Frappés» für McDonald’s Suisse von TBWA Switzerland.
Kunden auf allen Kanälen
Agenda 2013 Social Media hält
Marketers dieses Jahr auf
Trab – aber auch Budget- und
Erfolgskontrolle.
Ulrich H. Moser und
Jean-Marc GranD
Wie in kaum einer anderen Disziplin wird
vom Marketing regelmässig der Blick in
die Glaskugel gefordert. Was wollen die
Konsumenten? Wie werden sich ihre
Anforderungen ändern? Was wird der
­
Wettbewerb tun? Wie gilt es auf Trends
und Technologien zu reagieren?
Das Hauptstichwort lautet Kunden­
zentrierung. Sie sollte für die Marketers
stets im Mittelpunkt ihres Denkens und
Schaffens stehen. Bei allen Diskussionen
über Online-Marketing, Mobile Marketing – oder was auch immer das neuste
«Buzzword» ist – muss der Konsument
der absolute Fokus bleiben.
Smarter, mobiler, effizienter
Soziale Netzwerke sind nach wie vor in
aller Munde. Immer mehr Unternehmen
sprechen mit ihren Kunden über Facebook oder Twitter und machen sich dabei
die Vorteile der beidseitigen Kommuni­
kation zunutze. In einem ersten Schritt
versuchten die meisten Firmen auf den
Social-Media-Zug aufzuspringen. Jetzt gilt
es, die neuen Möglichkeiten intelligenter
zu nutzen. Wer relevante Inhalte zur richtigen Zeit über die effizientesten Kanäle
an die richtige Zielgruppe vermittelt, wird
die Vorteile von Social Media voll ausnutzen. Dabei ist eine smartere Integration
der Sender und Empfänger (online und
offline) ausschlaggebend für den Erfolg
der Marketing-Kampagnen.
Mehr als 50 Prozent der Mobilfunk­
nutzer haben ein Smartphone (Stand
­Oktober 2012). Tendenz steigend. Die
­« Always-on»- und GPS-Funktionalität der
Smartphones wird vom Marketing heute
noch nicht umfassend genutzt. Ist es nicht
ein enormes Potenzial, zu wissen, wo die
Kunden gerade sind, und dann direkt mit
ihnen kommunizieren zu können? Sowohl «Location-based Services» als auch
«Mobile Payment» werden sicherlich zu
den Marketing-Trends in der Agenda 2013
gehören. Was sich in den Folgejahren
nicht ändern dürfte.
Messbarkeit der Aktivitäten
Marketing-Effizienz bleibt eine Herausforderung. Eine aktuelle US-Studie zeigt,
dass immer noch fast drei Viertel aller
Chief Executive Officer (CEO) nicht überzeugt sind, dass Marketing-Aktivi­täten
­einen direkt messbaren Einfluss auf die
Umsatzentwicklung haben. Hier sehen die
Schweizer Chefs klarer.
Aufgrund der doch eher moderaten
Konjunkturprognosen werden die Marketing-Budgets im laufenden Jahr bestimmt
nicht üppiger. Gleichzeitig wird «Big Data»
in Zukunft detailliertere Erfolgskontrollen
ermöglichen, wie dies heute der Fall ist.
Beides führt dazu, dass die Marketers 2013
noch stärker als bisher den effizienten
Einsatz ihrer finanziellen und personellen
Ressourcen sicherstellen müssen – und
natürlich können.
Ulrich H. Moser, Präsident, Schweizerische
Gesellschaft für Marketing (GfM), Zug;
Jean-Marc Grand, Geschäftsführer, Schweizerische
Gesellschaft für Marketing (GfM), Zürich;
Quellen: «Forbes», «Creative360», «Markding».
44 | Marketing
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Swiss Poster Award –
Silber «Innovation»:
«Schneestempel» für
VBZ Verkehrsbetriebe
Zürich von Ruf Lanz.
Willkommen in der «AGFA»-Welt
Big Data Bildung und Wissen sind die einzigen Mittel, um im Wettlauf mit der Maschine mitzuhalten. Doch das ist ein Trugschluss.
David Bosshart
E
rik Brynjolffson bringt es auf den
Punkt: Es gebe, sagt der Forscher
des renommierten Massachusetts
Institute of Technology (MIT), kein öko­
nomisches Gesetz, wonach automatisch
alle Menschen vom Fortschritt profitieren
werden. Gewinner sind die besten Daten­
aggregatoren und cleversten Infrastruk­
turanbieter. Denn wir stehen heute vor
einschneidenden Veränderungen. Wäh­
rend die uns vertraute industrielle Welt
mit ihren gemächlich entwickelten Skalen­
effekten vielen Menschen Arbeitsplätze,
Wohlstand und ein bequemes Leben in
der Mittelschicht brachte, scheint die digi­
tale, von «Big Data» getriebene Welt in
eine ganz andere Richtung zu gehen.
Diese neue Welt zeichnet sich in
­Umrissen ab, es ist die «AGFA»-Welt von
Amazon, Google, Facebook und Apple.
Zwar stehen Amazon und Apple wegen
­ihrer Arbeitsbedingungen immer wieder
in den Schlagzeilen, aber ihre Produkte
und Dienste erfreuen sich höchster Be­
liebtheit. Google ist inzwischen mächtiger,
als Microsoft es jemals war, erschliesst im­
mer mehr Geschäftsfelder. Und Facebook
hat mit seiner Graph-Search-Maschine
ein potentes Tool entwickelt, das einen
perfekten Spiegel unseres Selbst generiert.
All diesen Konzernen ist gemein, dass
ihr Umsatz pro Mitarbeiter weit über den
Industriestandards liegt, egal ob Detail­
handel, Industrie oder Informatik. Das gilt
sogar im Vergleich mit Top-Firmen wie
IBM oder Microsoft. Wie sehr sich jetzt
anzeige
das Verhältnis zur «Work Force» ändert,
­illustriert eine Aussage von SAP-Chef Jim
Hagemann Snabe: Sein Unternehmen
werde in den kommenden Jahren 1 Mil­
lion (!) Entwickler brauchen – doch ge­
denke er nicht, diese fest anzustellen.
Smarte Arbeitsunternehmer
Wir erkennen, dass hier nicht nur neue
digitale Produktewelten entstehen, son­
dern auch ganz neue Arbeitsstrukturen,
die nicht mehr viel mit der guten alten
­industriellen Welt gemein haben. Gesucht
sind willige und billige Programmierer auf
Abruf, die miteinander im Wettbewerb
stehen und nur noch bei Erfolg eine kleine
Beteiligung erwirtschaften können. Fabri­
kanten oder Pioniere werden damit zu
nostalgischen Figuren; die sich abzeich­
nende Welt braucht flexible, örtlich un­
gebundene «Arbeitsunternehmer». Deren
Grundregel lautet: «Hart arbeiten nützt
nichts, wenn du nicht smart bist.»
Maschinen werden täglich besser. Was
noch vor kurzer Zeit unvorstellbar schien,
ist heute banal. Der wirkliche Wettbewerb
ist der Wettbewerb Mensch kontra Ma­
schine. Amazon-Gründer Jeff Bezos sagt
denn auch, sein Unternehmen orientiere
sich nicht an Mitbewerbern, sondern nut­
ze einfach die Technologie immer weiter,
um die Kunden zufriedenzustellen. Die
beste Kundenbeziehung sei eine Kunden­
beziehung ohne Kundenkontakt. «It just
works», der Kunde hat gar keine Fragen
mehr. Eine solche Verlässlichkeit schafft
eine neue Art emotionaler Beziehung in
einer Welt, die immer verletzlicher und
unverlässlicher wird. Nicht zufällig führt im Wettlauf mit der Maschine mitzuhal­
Amazon in der Liste der aus Kundensicht ten. Doch das ist ein Trugschluss. Wir sind
beliebtesten Firmen in Deutschland, soziobiologische Wesen und viel zu lang­
Frankreich, England und den USA.
sam. Zudem kennen Maschinen weder
Wenn immer mehr digitalisiert, algo­ Bauchschmerzen noch Burnout. Wir kön­
rithmisiert und automatisiert werden nen noch so schnell immer mehr dazuler­
kann, werden immer weniger Jobs «siche­ nen, im Vergleich mit der Power der Ma­
re» Jobs für Menschen sein.
schine werden wir jeden Tag
Die Zahl der Dinge, die
ein bisschen dümmer. Was
Wir stehen erst
Maschinen nicht machen
­
logisch und argumentativ
am Anfang von
können, nimmt täglich ab.
oder formelhaft dargestellt
Immer bessere Vernetzung
und erklärt werden kann,
Prozessen, die
bringt Spracherkennung, sich exponentiell
kann auch als Algorithmus
Schrifterkennung oder Vor­
geschrieben und automa­
beschleunigen.
hersagewerkzeuge. Whitetisiert werden. Das ist der
Collar Workers (Büroange­
Punkt. Nicht nur repetitive
stellte) liegen im Wettbewerb mit täglich manuelle Arbeit, auch kaufmännische
besseren Algorithmen und Blue-Collar ­Berufe, journalistische Arbeit, ja die Lehre
Workers (Arbeiter) im Wettbewerb mit und immer komplexere juristische Arbeit
­Robotern. Was die «AGFA»-Welt in Um­ können maschinell ausgeführt werden.
rissen vorgibt, betrifft ausnahmslos alle
Branchen. Ob Minenkonzern, Fleisch­ Marginale Gehirnleistungen
Noch eindrücklicher: Komplexe Tech­
fabrik, Fussballklub oder Finanzinstitut,
sie alle sind im digitalen Zeitalter von «Big nologie macht die Zukunft unvorherseh­
Data» in erster Linie Software-Unterneh­ bar. Wir wissen nur, es geht schneller. Und
men, die nebenbei noch etwas verkaufen. wir stehen am Anfang von exponentiell
Die «AGFA»-Welt frisst sich sozusagen im­ sich beschleunigenden Prozessen, die zu
mer mehr ins Eingemachte der etablierten Beginn meist nicht wahrgenommen, ge­
Firmen hinein und transformiert die schweige denn ernst genommen werden.
­Geschäftsmodelle. So gesehen, können So hat niemand den Aufstieg der «AGFA»wir die «bösen» Investmentbanker zumin­ Welt vorhergesehen. Anfang der 1990erdest teilweise entlasten. Als Rädchen einer Jahre haben weder Bill Gates noch die bes­
Maschine haben sie uns in den letzten ten intellektuellen Köpfe um Bill Clinton
20 Jahren lediglich aufgezeigt, wohin eine das Internet und seine Potenziale erahnt.
Die wahre Herausforderung im Zeit­
komplexe technologiegetriebene Welt
alter von «Big Data» wird darin liegen,
geht, in der kurzfristig «smart» gewinnt.
Bildung und Wissen – sie seien, so glau­ dass immer mehr Teile unseres Körpers
ben jetzt fast alle, die einzigen Mittel, um arbeitslos werden, weil immer mehr an
die Maschine ausgelagert wurde. Nur noch
marginale Gehirnleistungen werden ge­
braucht. Der Taschenrechner hat das Kopf­
rechnen überflüssig gemacht, selbst simp­
les Kalkulieren beherrschen bald nur noch
ältere Menschen. Convenience Food und
McDonald’s haben unsere Zähne arbeits­
los gemacht, man kann ohne Kauen direkt
zum Schlucken übergehen. Zähne sind
bestenfalls Schmuckstücke. Der Auto­
mechaniker hat noch geschraubt und
­gefräst, heute genügt ein Antippen, ein
sanftes Berühren einer interaktiven Schalt­
fläche. Selbst unsere Muskelkraft wird
­arbeitslos.
Was kann die Maschine nicht? Immer
weniger. Bislang klar ist: Intuition und
Erfahrung, Urteilskraft und Kreativität
­
werden auch in der absehbaren Zukunft
gute Erfolgsfaktoren sein. Aber als Student
würde ich mir überlegen, was ich wirklich
will. Was Roboter und Algorithmen noch
nicht hinkriegen, sind feinmotorische
­Bewegungen. Wer seine Muskeln elegant
koordinieren kann, zumeist intuitiv wie
ein Gärtner, ein Bauer oder ein Coiffeur,
der hat viel bessere Überlebenschancen
als der studierte Manager. Denn Hand­
werker arbeiten bodenständig, und ihr
Körper, ihr Geist, ihre Seele sind immer
durch komplexe Koordinationsaufgaben
heraus­gefordert. Das ist es, was Maschi­
nen nicht können. Noch.
David Bosshart, Chef, Gottlieb Duttweiler Institute
(GDI), Rüschlikon ZH (Arbeitsschwerpunkte: Zukunft
des Konsums, gesellschaftlicher Wandel, politische
Philosophie, Management, Globalisierung, Kultur).
Marketing | 45
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Luxus lernen
Weiterbildung Gleich zwei
Fachhochschulen lancieren
einen Zertifikatslehrgang zum
Thema Luxury Management.
Denise Weisflog
W
as bisher nur in Monte Carlo,
Paris, München und Mainz
­
möglich war, kann neu auch in
Zürich absolviert werden. Im April startet
die Kalaidos Fachhochschule Schweiz das
Certificate of Advanced Studies (CAS) in
Luxury Management; ab August bietet die
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich
ein gleichnamiges Programm an. Beide
Kurse sind berufsbegleitend und dauern
keine sechs Monate. «Der Markt für
Luxus­güter ist zu einer der am schnellsten
wachsenden Industrien in der Schweiz
und auf der ganzen Welt geworden. Das
CAS in Luxury Management thematisiert
Besonderheiten und Herausforderungen
von Luxusanbietern im 21. Jahrhundert
und greift ökonomische, psychologische,
technologische und kulturelle Aspekte
gleichermassen auf», sagt Peter Stapfer,
Prorektor Weiterbildung bei Kalaidos.
Als Dozierende habe man namhafte
Experten aus europäischen Ländern ver-
pflichtet. Gleichzeitig werde aber auch
den Gegebenheiten der Schweizer Luxusgüterindustrie ein hoher Stellenwert beigemessen. Das Angebot werde akademisch durch Gérald Mazzalovo, früher
Chef von Bally oder Loewe, geführt.
Die HWZ setzt bei ihrem CAS Luxury
Management auf hochkarätige internationale Partner. Das Programm wurde mit
dem Center for Luxury Research der Universität Mainz, der Lingnan University in
Hongkong, der University of Monaco und
der Gesellschaft für Marketing (GfM) entwickelt. «Durch die Verbindung neuester
Forschungsergebnisse mit Fallstudien,
Gastreferaten und Exkursionen erhalten
die Studierenden Einblicke in diverse
­Luxusmärkte und -branchen, wodurch
auch ein unmittelbarer Anwendungsbezug der Inhalte sichergestellt wird», sagt
Michael Grund, Studienleiter und Leiter
des Center for Marketing an der HWZ.
Umgekehrte Marktmechanismen
Laut Grund folgt das Management
von Produkten und Dienstleistungen im
Luxus­
segment seinen eigenen Regeln.
Zwar würden viele Erkenntnisse des Marketings im Sinne der marktorientierten
Unternehmensführung auch für den
­Luxusbereich gelten. Es gebe aber auch
Unterschiede – bis hin zu ins Gegenteil
Neue Kurse
Anbieter
HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich Kalaidos Fachhochschule Schweiz
Offizieller TitelCAS Luxury Management
CAS in Luxury Management FH
Kursdauer4 Monate
1 Semester
Maximale Kosten13400 Franken
9000 Franken
ECTS-Kreditpunkte 12
15
UnterrichtsspracheDeutsch, teilweise EnglischEnglisch
Berufstätigkeit100 Prozent möglich
Mindestens 50 Prozent
Erste DurchführungEnde August 2013
April 2013
Präsenztage14 (Freitag/Samstag)
18 (Freitag/Samstag)
StudienortZürich (beim HB)
Zürich (Oerlikon)
CAS: Certificate of Advanced Studies (Zertifikatslehrgang)
anzeige
Quelle: jeweilige Fachhochschule
verkehrten Marktmechanismen. Die HWZ
fokussiert im neuen Studiengang auf die
vier Themenbereiche: «Grundlagen des
Managements von Luxusprodukten und
-dienstleistungen», «Marktformen und
Marketing im Luxussegment», «Marktbesonderheiten im internationalen Luxusmarketing» und «Herausforderungen und
Risiken im Luxusmarketing».
Der Kurs von Kalaidos startet mit einer
Definition des Luxusbegriffs und der Rolle
von Luxusmarken in der postmodernen
Gesellschaft. Zu den weiteren Inhalten gehören «Geschäftsmodelle und -strategien
in der Luxusgüterindustrie», «Aufbau von
nachhaltig erfolgreichen Luxusbrands»,
«Besonderheiten der Schweizer Luxus­
güterindustrie» und «Zukünftige Herausforderungen der Luxusgüterindustrie».
Das Programm richtet sich an Führungskräfte und Spezialisten, die das Mana­
gement im Hochpreissegment zu ver­
antworten haben, sowie an Berater und
Analysten, die ihre Kenntnisse in der
­
­Luxusgüterindustrie vertiefen wollen. Zugelassen werden Absolventen von Universitäten, Fachhochschulen, Höheren Fachschulen nicht ökonomischer Ausrichtung
oder Höheren Fachprüfungen. Es werden
mindestens fünf Jahre Praxiserfahrung
verlangt, davon zwei im Studienbereich.
Die HWZ spricht mit ihrem Angebot
Personen an, die bereits in Unternehmen
des Luxussegments tätig sind oder im
­Management, Marketing, Vertrieb, Verkauf
oder Einkauf von Luxusgütern arbeiten
und verantwortliche Positionen ausüben
oder übernehmen wollen. Es eignet sich
zudem für Leute, die den Einstieg in das
Hochpreissegment planen oder Interesse
am Luxusbereich und an dessen Funk­
tionsweisen haben. Voraussetzung für eine
Teilnahme sind Grundkenntnisse in den
Bereichen Betriebswirtschaftslehre und
insbesondere Marketing.
Swiss Poster Award – Bronze «Innovation»:
«Velo weg» für Mobiliar von Wirz Werbung.
46 | Marketing
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Swatch vor Migros
Reputationsstudie Im GfK BusinessReflector 2013 entthront der grösste
Schweizer Uhrenkonzern den grössten nationalen Detailhändler.
Norman c. Bandi
N
ach einem Jahr Unterbruch ist
Swatch vor der Migros wieder das
Schweizer Unternehmen mit dem
besten Image im Land. Damit tauschen
der grösste Uhrenkonzern und der grösste
Detailhändler zum vierten Mal seit 2010
die Spitzenposition. Zu diesem Ergebnis
kommt der GfK BusinessReflector 2013,
den das grösste hiesige Marktforschungs­
institut, GfK Switzerland, im Januar wieder
in Kooperation mit dem Forschungsbe­
reich Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög)
der Universität Zürich durchgeführt hat.
An dritter Stelle des nationalen Reputa­
tionsindexes folgt erneut Lindt & Sprüngli.
Der Schokoladenproduzent verteidigt die­
sen Rang ebenso zum vierten Mal in Folge.
Aus dem Stand auf den 4. Platz springt
­Geberit. Die Sanitärtechnikfirma ist Mitte
2012 in den Swiss Market Index (SMI) der
Schweizer Börse aufgestiegen und wird
somit automatisch vom GfK Business­
Reflector erfasst, der heuer insgesamt 52
Schweizer Unternehmen gemessen hat,
darunter sämtliche 20 Blue-Chips-Titel.
Auf den weiteren drei Rängen der Top
10 finden sich alte Bekannte. Auf dem
5. Platz landet wie im Vorjahr die Raiff­
eisenbank. Coop verliert hingegen zwei
Positionen. Somit liegt der Detailhändler
an der 6. Stelle. Auch Schindler Aufzüge
fährt runter, jedoch nur einen Rang auf
den 7. Platz. Weiterhin unter den besten
zehn des GfK BusinessReflector 2013 klas­
siert sich die Swisscom. Der Telekommu­
nikationskonzern verbessert sich um eine
Position an die 9. Stelle. Zu Neuzugängen
kommt es auf den Rängen davor bezie­
hungsweise dahinter. Rolex macht fünf
Positionen gut. Die Luxusuhrenmanu­
faktur erobert den 8. Platz. Emmi legt um
zwei Ränge zu. Der Milchverarbeiter be­
legt den 10. Platz. Aus den Top 10 fallen im
Vorjahresvergleich demzufolge drei Fir­
men: Die SBB (2012: 7. Stelle), die Swiss
(8.) und die Kantonalbanken (9.) – die
Lufthansa-Tochter flog 2012 erstmals in
die besten zehn, die Bundesbahnen und
die Finanzinstitute gehörten länger dazu.
Wer besonders beobachtet wird
Der GfK BusinessReflector misst das
Image der führenden Schweizer Unter­
nehmen. Um eine über die Zeit stabile
Grundlage zu erhalten, wird seit 2009 jähr­
lich eine sogenannte Benchmark-Gruppe
erfasst. Dazu gehören die wichtigsten
Branchen entsprechend ihrer Bruttowert­
schöpfung, die grössten nichtkotierten
­Arbeitgeber und alle 20 SMI-­Titel. Daraus
wird ein Reputationsindex gebildet, der
einen Richtwert in der hiesigen Firmen­
landschaft darstellt und mit dem sich
­jedes beliebige Unternehmen vergleichen
kann, wenn es denn möchte – 120 wollen.
Den Kern mit den 52 Indexfirmen für
2013 bilden: ABB, Actelion, Adecco, AFG
(neu), Alpiq, AXA Winterthur, Axpo, Basler
Versicherungen, Bell, BKW, CKW, Coop,
Credit Suisse, Emmi, Geberit (neu), Gi­
vaudan, Globus, Holcim, Implenia, Julius
Bär, Kantonalbanken, Lindt & Sprüngli,
Lonza, Manor, Migros, Mobiliar, Nestlé,
Novartis, Orange, Planzer (neu), Post,
Raiffeisenbank, Richemont, Roche, Rolex,
Ruag (neu), SBB, Schindler, SGS, Siemens
Schweiz (neu), Sika, SRG SSR, Sunrise,
Swatch, Swiss, Swiss Re, Swisscom, Syn­
genta, Transocean, UBS, UPC Cablecom,
Zurich. Nicht mehr dabei ist Synthes.
Die Ergebnisse basieren auf der Befra­
gung von über 3500 Personen zwischen 16
und 69 Jahren nach: Bekanntheit Unter­
nehmen gestützt (allgemein); Bekanntheit
Produkte und Dienstleistungen (spezi­
fisch); fünf wichtige Imagedimensionen
(Kompetenz, Qualität, Innovation, Erfolg,
Fairness) mittels einer auf dieses Jahr ver­
besserten Methode. Neu werden die 52
­Indexfirmen hinsichtlich ihrer absoluten
und relativen Stärke bezüglich der Image­
dimensionen bewertet. Anhand von neun
Fragen wird die Unternehmensreputation
ermittelt. Sie setzt sich aus der emotiona­
len sowie rationalen Wertschätzung sowie
der Nachhaltigkeit zusammen.
Warum eine Firma zum Vorjahr besser
oder schlechter abgeschnitten hat, kann
nicht begründet werden, weil dies so nicht
untersucht wird. Fest steht laut GfK Swit­
zerland für dieses Jahr nur, dass die meis­
ten Benchmark-Unternehmen – vor allem
unter den Top 10 – etwas an Reputation
eingebüsst haben, aber nicht signifikant,
wie Schweiz-Chef Peter Meyer erklärt.
www.gfk.ch/solutions/reputation/index.de.html
GfK BusinessReflector 2013
Rang 2013 Rang 2012 Unternehmen Trend
1 2 Swatch ➚
2 1Migros
➘
3 3 Lindt & Sprüngli
➚
4 – Geberit
*
5 5Raiffeisenbank
➘
6 4Coop
➘
7 6 Schindler ➘
813Rolex
➚
910 Swisscom ➘
1012Emmi
➘
*neu in der Reputationsstudie
Quelle: GfK Switzerland
Swiss Poster Award – Gold «National»: «Butter-Hamster» für
Schweizer Milchproduzenten von Spillmann/Felser/Leo Burnett.
«Rückläufiger Trend der Reputation»
Die indexierten Reputationswerte der
Top 10 sind mehrheitlich signifikant
rückläufig. Was haben die Schweizer
Konzerne falsch gemacht?
Peter Meyer: Es zeigt sich in diesem Jahr
generell ein rückläufiger Trend der
­Reputation unter den evaluierten 52
­Unternehmen. Die Schweizer beurteilen
die Konzerne also kritischer als noch im
­Vorjahr. Unter den Top 10 verzeichnen
die meisten Firmen jedoch nur eine
­geringe Abweichung zum Vorjahr.
Hängt die tiefere Reputation der hiesigen
Detailhändler etwa mit dem PferdefleischSkandal zusammen?
anzeige
fleisch-Skandals erfolgt. Über die Hinter­
gründe des Rückgangs kann aufgrund
der Reputationsstudie aber keine Aussage
gemacht werden.
Peter Meyer
Chef, GfK Switzerland, Hergiswil NW;
Vorstandsmitglied der GfM, Zürich
Meyer: Nein. Unsere Erhebung ist vor
den Medienberichten im Sog des Pferde­
Swatch hat die Spitze zurückerobert.
Hat sich die Migros verschlechtert?
Meyer: Diese beiden Unternehmen teilen
sich seit längerem die Spitzenposition.
Die Differenz zwischen Swatch und der
Migros ist auch dieses Jahr nur gering.
Die Migros ist zwar auf dem 2. Platz,
doch ist die Abweichung zum Vorjahr
ebenfalls nicht signifikant.
interview: Norman C. Bandi
Swiss Poster Award – Silber «National»: «Butter-Confi-Brot» für
Schweizer Milchproduzenten von Spillmann/Felser/Leo Burnett.
Marketing | 47
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
L’aura en il Grischun
Innovation Das Portal Wetter
Graubünden hat gemäss dem
Staatssekretariat für Wirtschaft
Modellcharakter für die Schweiz
als kompetitives Ferienland.­
Norman C. Bandi
D
ieser Sonntag hat seinen Namen
nicht verdient. Am 24. März 2013
ist passiert, was nicht sein darf. Auf
www.wetter-graubuenden.ch (L’aura en il
Grischun) zeigt keine der 26 Stationen ein
Symbol mit einem einzigen Sonnenstrahl.
Als «sonnigste» Gebiete werden Arosa,
Davos/Klosters, Flims/Laax, Scuol und
Vals gepriesen. Ein graues Bünden.
Die vorliegenden Aussichten stehen im
Widerspruch zur sinngemässen Aussage
von Thomas Bucheli, Redaktionsleiter von
SRF Meteo. «Das Wetter in Graubünden ist
einzigartig und durch die Täler und Re­
gionen, Nord- und Südeinflüsse oft sehr
unterschiedlich von Destination zu Destination. So existiert eigentlich kaum ein
Tag, an dem es in Graubünden nicht
­irgendwo schönes Wetter gibt», liess sich
der Meteorologe bei der Lancierung des
Portals Wetter Graubünden zitieren.
Unterländer zu Ausflügen motivieren
Damit soll Tagesgästen und Kurzaufenthaltern der Entscheid zu einem Besuch
in den Bergen erleichtert werden. 57 Prozent der Tagesgäste und 35 Prozent der
Kurzaufenthalter würden ihre Reisewahl
aufgrund der Wetterprognosen treffen.
Das Marktpotenzial für unentschlossene
Skifahrer und/oder Snowboarder aus dem
Kanton Zürich und der Ostschweiz betrage
Swiss Poster Award
– Bronze «National»:
«Poststempel» für die
Post von Spillmann/
Felser/Leo Burnett.
pro Winter 70 Millionen Franken. Wenn
lediglich 5 Prozent davon erreicht würden,
­ergäbe sich ein Volumen von immerhin
3,5 Millionen Franken, so die Projektleiter.
Im Winter seien 25 Prozent oder 65 Millionen Franken des gesamten Verkehrs- und
Gastronomieertrags der Bündner Bergbahnen direkt vom Wetter abhängig.
Als Grundlage dieser optimistischen
Einschätzung dient eine Studie von GfK
Switzerland. Das Marktforschungsinstitut
befragte 600 potenzielle GraubündenTouristen in der Deutschschweiz zu «Wet-
tervorhersage und Reiseverhalten». Es war
die erste Erhebung, die sich mit der Thematik befasste. Weil die durchschnittliche
Aufenthaltsdauer sinke und bei nur mehr
drei Übernachtungen liege, werde die
­Bedeutung von Tagesgästen und Kurzaufenthaltern immer grösser. Ziel der Studie
war es, Aufschluss über das zeitliche sowie
mediale Informations- und Selektions­vor­
gehen bezüglich Meteo-Daten zu gewinnen. Die vier wichtigsten Erkenntnisse sind
laut GfK-Studienleiterin Corinne Igel, dass
50 Prozent der Besucher flexibel bei der
Wetter Graubünden
Initiative des Bündner Tourismus mit SRF Meteo
Leitbild/Vision Ziel des Portals ist es,
mit einer Vielzahl lokaler Prognosen
den differenzierten Wettersituationen
in Graubünden gerecht zu werden. Dem
Feriengast soll durch die spezielle
­Aufbereitung der Meteo-Daten und der
Möglichkeit zur Individualisierung eine
echte Dienstleistung geboten werden.
Datenlieferant SRF Meteo ist der exklusive Partner von Wetter Graubünden
und als Lieferant der Meteo-Daten
­Garant für Qualität und Unabhängigkeit.
Projektleitung Das Portal ist ein Vor­
haben des Bündner Tourismus unter
anzeige
Umsetzung Weitere Partner sind Graubünden Ferien und die Destinationen
Arosa, Davos/Klosters, Engadin Scuol
Samnaun Val Müstair, Engadin St. Moritz, Flims/Laax, Lenzerheide, Savognin
Bivio und Engadin Bregaglia. Zudem
wird Wetter Graubünden unterstützt
vom Kanton Graubünden sowie vom
Staatssekretariat für Wirtschaft Seco.
Das Portal Wetter Graubünden gibt es
auch als Applikation für mobile Geräte.
der Leitung von Bergbahnen Graubünden mit ihren Mitgliedern, den Bergbahnunternehmen im gesamten Kanton.
Realisation Für die Umsetzung des
­Projekts sind Küng Pluskom in Chur
­(externe Projektleitung), Zutt+Partner –
EmoConsulting in Wolfhausen ZH
­(Konzeption/Design) und Clickwerk in
Chur (Entwicklung/Betrieb) zuständig.
Wahl ihres Wintersportziels sind, die Entscheide über einen Ausflug extrem kurzfristig gefällt werden, bei genügenden
­Pistenverhältnissen die Sonne doppelt so
häufig wie der Schnee als wichtigstes Kriterium genannt wird und die Mediennutzung hauptsächlich über das Fernsehen
und neutrale Internetseiten erfolgt. Diese
werden doppelt so oft genutzt wie die
­Meteo-Daten der Destinationen.
Emotionen für 1,5 Millionen Franken
Das alles nützt nichts, wenn die Botschaft nicht beim Zielpublikum ankommt.
In die Kommunikation zum Launch werden 500 000 Franken investiert. Nebst
­PR-Massnahmen sind TV-Spots mit den
beiden animierten Steinböcken «Gian
und Giachen», Banner-Werbung auf neu­
tralen Websites und eine von Graubünden
Ferien koordinierte Facebook-Kampagne
mit den 150 000 Fans von Graubünden die
Hauptträger der Kommunikation. Wetter
Graubünden hat noch keine 500 Likes.
Wie Marcus Gschwend, Geschäftsführer von Bergbahnen Graubünden, erklärt,
werden für die budgetierten ersten fünf
Jahre total 1,5 Millionen Franken investiert, davon 800 000 Franken Portalkosten
und 700 000 Franken Kommunikationsausgaben. Mit einem Drittel beteiligt sich
der Bund an der Finanzierung, genauer
das touristische Förderprogramm Innotour des Staatssekretariats für Wirtschaft
Seco. Dieses hält in seiner Beurteilung
fest: Das Projekt habe punkto Innovation
Modellcharakter für die Schweiz als Ferien­
land und trage zu einer nachhaltigen Entwicklung des Tourismus und dessen Wettbewerbsfähigkeit bei. Die restlichen Mittel
stammen vom Kanton Graubünden und
vom Bündner Tourismus.
Aufgesetzt ist der Internetauftritt als
Cockpit-Lösung. Konzeption und Design
stammen von Zutt+Partner – EmoConsulting. Die Vorgabe war es, das Thema zu
«emotionalisieren», sagt Philipp Zutt, Geschäftsführer der Zürcher Beratungsfirma.
Das Meteo-Portal nutze die Prognosen
neu aktiv als Marketing-Instrument. Es
basiert auf den drei Grundsätzen: Unten
Grau und oben Blau, Vergleichsmöglichkeiten sowie Interaktivierung und Individualisierung, etwa durch Aktionen.
Lanciert wurde Wetter Graubünden
auf die Wintersaison als Website für sta­
tionäre Computer und als Applikation für
Smartphones und Tablets. Die Funktionalitäten stehen in der mobilen Lösung
in angepasster Darstellung zur Verfügung.
Die Informationen von SRF Meteo sind
mit Webcams, Wintersportberichten,
Klima­tabellen, Messstationen und wetterabhängigen Angeboten von touristischen
Leistungsträgern in sogenannten Karussells abrufbar. Die hinterlegten persönlichen Profile können auch in der mobilen
Version verwendet werden.
Auf die Sommersaison wird das Portal
jenen Gästebedürfnissen angepasst und
es sollen weitere touristische Destinationen als Partner dazustossen.
Marketing | 49
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Swiss Poster Award – Gold «Lokal/Regional»: «Lass es raus» für Caran d’Ache von Wirz Werbung.
Verfeinerung
der Rezeptur
Marktbearbeitungsmix Seit rund neun Jahren bietet Accelerom Konzernen und KMU
­individuelle Marketing-Lösungen. Nun wird das Konzept um neue Werkzeuge ergänzt.
Olivier Kessler
C
hristoph Spengler, Gründer und
­Inhaber von Accelerom, ist es immer noch ungeheuer. «Als vor Jahren das erste Mal globale Multis wie BMW
oder Microsoft bei uns angeklopft haben,
waren wir schon ein wenig überrascht»,
blickt er zurück. Sein kleinflächiges Büro
im Techno­park Zürich bietet gerade einmal Platz für acht Personen. Diese helvetische Mini­truppe soll internationale Megakonzerne in Marketing-Belangen beraten? Das ­Unternehmen beschäftigt zwar
auch Consulting-Partner in Deutschland,
England, Frankreich, den Niederlanden
und Österreich. Insgesamt sind aber nur
16 Angestellte für die Firma tätig.
Die Ergebnisse lassen sich scheinbar
sehen. «Verdammt valide», ist laut Spengler das Feedback eines grossen Partners
gewesen, nachdem dieser mit unzähligen
Experten die Strategieempfehlungen von
Accelerom auf Herz und Nieren geprüft
habe. Der Beratungs- und Research-­
Spezialist bietet seinen Kunden auf sie
­individuell zugeschnittene wissenschaftlich fundierte Marketing-Lösungen.
17 Interaktionen vor Kaufentscheidung
Heute stellt sich für jede Firma die
­Frage, wie sie ihr Budget auf die unzähligen verschiedenen Möglichkeiten aufteilen soll. «Im Durchschnitt kommt es vor
einem Kauf zu 17 Interaktionen über unterschiedlichste Kanäle», weiss Christoph
Spengler. Macht eine Plakat- oder Inseratkampagne Sinn? Soll man einen täglichen
Newsletter machen? Ist eine Präsenz auf
Preisvergleichsportalen Pflicht? Ist ein
Webshop von Vorteil? Oder muss man auf
Social-Media-Plattformen wie Facebook
oder Twitter setzen? Bei diesen Fragestellungen kommt Accelerom ins Spiel.
Das Team erforscht im Chaos der
neuen­Kommunikationswelt, auf welchen
Kanälen man bei potenziellen Käufern
wirklich Aufmerksamkeit erregen kann
Accelerom
Aus dem Technopark Zürich in die Welt
Spezialist Accelerom ist ein international tätiges Beratungs- und ResearchUnternehmen mit Sitz im Technopark
Zürich. Es wurde 2004 von Christoph
Spengler gegründet und bedient Kunden in sämtlichen Ländern Europas.
Die Firma ist spezialisiert in der Maximierung der Effizienz und Effektivität
bei den Themen Marktbearbeitung,
Markenführung, Innovation, Transformation sowie Investitionssteuerung.
Seit neun Jahren verzahnt Accelerom
Managementpraxis, crossmediale Marketing-Forschung sowie moderne Analyse- und Visualisierungstechnologie.
Auftraggeber Zu den Kunden zählen
mittelständische Unternehmen, multinationale Konzerne sowie der öffentliche Sektor, dies in den Bereichen Busi-
ness-to-Consumer (B2C) sowie Business-to-Business (B2B). Die Liste der
namhaften Kunden umfasst zum
­Beispiel BMW, Emmi, Gore-Tex, Kuoni,
­Marionnaud, Microsoft, Post, Ricola,
SBB, Swisscom, TCS oder Toshiba.
Kooperationen Accelerom kooperiert
im Rahmen von Forschungs- sowie
Praxisprojekten zum Thema Touchpoint-Management mit dem Institut für
Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) der Universität Zürich.
Zudem fördert die Kommission für
Technologie und Innovation (KTI) des
Bundes im Rahmen anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung
b
­ eispielsweise die webbasierte Analyseund Planungsplattform Marketconnex
des Zürcher Spezialisten Accelerom.
und wie sich diese informieren, bevor sie
sich für einen Kauf entscheiden. Dies wird
jeweils kundenindividuell, abgestimmt
auf Strategie und Unternehmensziele,
­untersucht. Käme beispielsweise Ferrari
zu Accelerom, dann würde die Firma die
zu befragende Gruppe so einschränken,
dass sie auf den typischen Ferrari-Fahrer
zutrifft – exklusiv, sportlich unterwegs,
kaufkräftig. Anhand der Ergebnisse kann
eruiert werden, welche Kommunikationskanäle (sogenannte Touchpoints) für
­Ferrari wichtig sind, um am effektivsten an
potenzielle Käufer zu gelangen.
Accelerom offeriert ein ManagementKonzept namens 360°Touchpoint. Damit
finden Partner heraus, wo und wie oft die
Zielgruppe vor einer Kaufentscheidung
mit dem Unternehmen und den Produkten in Kontakt tritt. Diese Faktenbasis
­ermöglicht gemäss Spengler ein optimales
Multichannel-Management ohne Streuverlust – von Vertrieb und Marketing über
Kommunikation bis hin zum Service.
Die Firmenvertreter würden jeweils vor
der Auswertung gefragt, welche Kommunikationskanäle sie als die wichtigsten
einschätzten. «Unsere Kunden tippen im
Durchschnitt nur drei der zehn wich­
tigsten Touchpoints richtig», beschreibt
Spengler die Unsicherheit in der Marktbearbeitung. Diese Dissonanz zwischen der
persönlichen Einschätzung und der Realität zeige, dass es wichtig sei, sich nicht
­allein auf das Bauchgefühl zu verlassen,
sondern wissenschaftlich zu evaluieren,
wie der Marktbearbeitungsmix auszusehen habe, damit der Return on Investment
(ROI) maximiert werden könne. «Kunden­
projekte der letzten Jahre haben gezeigt,
dass sich mit dem gleichen Budget bis zu
30 Prozent Mehrumsatz generieren lässt»,
sagt der Accelerom-Chef.
In den Untersuchungen sei zudem
herausgekommen, dass die Aktivitäten
­
von Firmen auf sozialen Netzwerken oftmals überschätzt würden. Für Christoph
Spengler stellt sich generell die Frage,
­wieweit Social Media kommerzialisierbar
sind. «Es ist doch auch im echten Leben
komisch, wenn man sich auf dem Dorf-
platz mit jemandem unterhält und einem
dann plötzlich jemand anderes auf die
Schultern klopft und sagt: Hallo, ich bin
die neue Mayonnaise. Like mich doch.»
Auch wenn es um Produkteinführungen
gehe, seien soziale Kanäle nur in gewissen
Fällen geeignete Berührungspunkte mit
den Endkonsumenten.
Prognosen neu wie Wettervorhersagen
Die Entwicklung des 360°TouchpointKonzepts begann bereits vor zehn Jahren –
rund ein Jahr vor der Firmengründung.
Neu ist nun, dass Accelerom auch wissenschaftliche Zukunftsprognosen erstellt.
Weil der Spezialist schon über 50 000 Berührungspunkte untersucht hat, kann er
«Unsere Kunden
tippen im Schnitt
nur drei der zehn
wichtigsten Touchpoints richtig.»
Christoph Spengler
Inhaber, Accelerom, Zürich
auf ein breites Wissen über das Kauf­
verhalten von verschiedenen Personengruppen zurückgreifen. Das wird möglich,
indem Datensätze aus der Vergangenheit
mit aktuellen Befragungen verglichen
werden. Daraus können Prognosen für
kommende Entwicklungen abgeleitet
werden. «Etwa so, wie die Meteorologen
das Wetter vorhersagen», meint Spengler.
Der Accelerom-Chef erklärt, wie das geht:
«Wenn unser Kunde die 40-Jährigen als
seine Kernzielgruppe definiert, können
wir abschätzen, welche Charakteristiken
diese Personen in fünf Jahren an den Tag
legen und wie sie einkaufen werden.»
Zu den weiteren Neuerungen zählt,
dass der Benutzer der 360°TouchpointMethodik nun die einzelnen Kommunikations- und Verkaufsmassnahmen besser
miteinander vergleichen kann. Um das zu
ermöglichen, wird für jeden einzelnen
­ erührungspunkt die international verB
wendete Media-Leistungskennzahl Gross
­Rating Point (GRP) ausgewiesen. Dabei
handelt es sich um eine Währung, mit der
man feststellen kann, welche Bedeutung
eine gewisse Massnahme für die Kaufentscheidung des Konsumenten hat. GRP
stellt die Brutto-Reichweite in Prozent
­innerhalb des Zielgruppenpotenzials dar.
So können Roadshows, Kundengeschenke,­
persönliche Empfehlungen und OnlineBanner gegeneinander abgewogen werden, weil jedes Instrument einen gewissen
Wert in GRP ausweist. In der Praxis sieht
dies laut Spengler zum Beispiel folgendermassen aus: Jeder zweite Käufer habe die
Fernseh­werbung des Einzelhändlers drei
Mal gesehen (50 Prozent Käuferreichweite mal 3 Kontakte
gleich 150 GRP); gleichzeitig
habe jeder zweite Käufer
nach der Interessenweckung
drei Mal die Preise auf Vergleichsportalen geprüft (50
Prozent Käuferreichweite
mal 3 Kontakte gleich 150
GRP). «In diesem Fall erreicht
also die Fernsehwerbung bei
der Ziel­gruppe gleich viele
GRP wie die Preis­ver­gleichs­
portale», sagt Spengler. Oftmals kommt
man durch diese Gesamtübersicht zum
Schluss, dass man an falschen Berührungspunkten aktiv ist und die zentralsten
Stellhebel vernachlässigt.
Da sich jeder Marketing-Leiter diese
Wirkungstransparenz wünscht, lassen sich
die Unternehmen diese Analyse- und
Beratungsdienstleistung etwas kosten.
­
Wie viel Accelerom damit verdient, will
Christoph Spengler nicht preisgeben. Je
mehr Firmen allerdings den Wert eines
faktenbasierten Marketings erkennen,
desto lauter dürften beim 360°Touchpoint-Spezialisten die Kassen klingeln.
Olivier Kessler hat im Rahmen des Lehrprogramms
Wirtschaftsjournalismus am Institut für Medienund Kommunikationsmanagement der Universität
St. Gallen (LWJ-HSG) ein zweiwöchiges Praktikum
auf der Redaktion der «Handelszeitung» absolviert.
50 | Marketing
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Geist der Familie
Vermarktung Der führende Schweizer Zahnbürstenhersteller Trisa hat sein 125-Jahre-Jubiläum zum PR-Event ausgestaltet.
Pirmin Schilliger
E
igentlich wäre es naheliegend, ein
125-Jahre-Jubiläum eines solch traditionsreichen Unternehmens mit
allen zur Verfügung stehenden Mitteln
der Werbung möglichst auszuschlachten.
Klassische Kampagne? Fehlanzeige! Bei
der Trisa in Triengen LU, die heute von der
vierten Generation der Familie Pfenniger
geführt wird, haben die Verantwortlichen
ein eigenes Rezept entwickelt. «Zuerst
­einmal wurde bei uns bodenständig gefestet und gefeiert», erklärt Marketing-Leiter
Christian Wipfli.
Also ging im vergangenen Sommer ein
zweitägiges Geburtstagsfest über die Bühne. Ausserdem wurden für die Dauer des
gesamten Jubiläumsjahres PR-Aktionen
lanciert. Das medienwirksamste Ereignis
war zweifellos der Besuch von Bundesrat
Johann N. Schneider-Ammann, Vorsteher
des Eidgenössischen Departements für
Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF).
Zusammen mit der Bundeshausfraktion
der FDP machte er am 6. Juni 2012 dem
weltweit führenden Hersteller von Mundund Zahnpflegeprodukten seine Aufwartung. Fast so viel Resonanz wie die Visite
des Magistraten erzeugten die Beiträge
der ins Luzernische eingeladenen Radiound Fernsehreporter. Oft und ausführlich
berichteten sie in der Folge über den Pioniergeist, die Innovationsfreudigkeit und
die besondere Firmenkultur des Suren­
taler Unternehmens.
Aufmerksamkeit mit Innovationen
Beim nationalen Medienecho, das die
Trisa ausgiebig genoss, konnte sie von
ihrer bereits seit Jahren umfassenden
­
­Marketing-Strategie profitieren. Zur Philosophie der Firmenleitung gehört es, nicht
einfach ein Produkt, sondern den gesamten Familienbetrieb in den Vordergrund
zu stellen. Das Marketing ist denn auch
eng verknüpft mit der Unternehmens­
führung, die immer wieder drei Erfolgsfaktoren betont: Die starke Firmenkultur,
das systematische Innovationsmanage-
Swiss Poster Award – Silber «Lokal/Regional»: «Frühstücksbuffet» für Haus Hiltl von Ruf Lanz.
ment und die mutige Investitionspolitik.
Jeder dieser drei Erfolgsfaktoren ist den
meisten Medienvertretern jeweils mindestens eine eigene Geschichte wert.
Die Firmenkultur zum Beispiel basiert
auf dem sogenannten Trisa-Spirit. Dahinter steckt ein schon in den 1960er-Jahren
eingeführtes Modell der Erfolgs- und Mitarbeiterbeteiligung. Adrian Pfenniger als
Geschäftsführer (CEO) und sein Bruder
Philipp Pfenniger als Verwaltungsrats­
präsident führen diese von ihrem Vater
entwickelte Art der Partizipation weiter.
Jeder Trisa-Arbeiter besitzt also mindestens eine Aktie. 30 Prozent der Papiere
­gehören folglich der Belegschaft, die überdies den halben Verwaltungsrat stellt.
Auch das systematische Innovationsmanagement gibt, wenn es in der Öffentlichkeit kommuniziert wird, mehr als
bloss ein paar Anekdoten her – obwohl die
Zahnbürste längst erfunden ist. Doch aus
dem einfachen Instrument aus Holzgriff
und Schweineborsten ist in Triengen LU
Trisa
1 Million Zahnbürsten pro Tag
Familienbetrieb Die vor 125 Jahren von
der Familie Pfenniger gegründete T
­ risa
stellte zuerst vor allem Haar- und
­Haushaltbürsten her. Heute sind Zahnbürsten, von denen jährlich rund 250
Millionen Stück produziert und zu mehr
als 95 Prozent exportiert werden, das
Kerngeschäft. Daneben handelt die
­Firma mit Haar-Accessoires sowie
Elektro­geräten wie Haartrocknern oder
Staubsaugern. Trisa liefert in über 80
Länder und beschäftigt 1100 Mitarbeiter.
Philipp Pfenniger und Adrian Pfenniger
(rechts) führen Trisa in 4. Generation.
Frankenstärke Vor zwei Jahren musste
das vormals erfolgsverwöhnte Unternehmen einen Gewinnrückgang um 14
Prozent und einen Umsatzrückgang um
7 Prozent auf 215 Millionen Franken hinnehmen. Zu schaffen machte insbeson-
anzeige
dere der starke Franken. Die Zahlen
für 2012 werden von Philipp Pfenniger
(VR-Präsident) und Adrian Pfenniger
(CEO) Anfang Mai veröffentlicht.
Wachstumspläne Nach den beiden
­Krisenjahren ist nun eine klare Wachstumsstrategie angesagt, und zwar am
Standort Triengen in der Schweiz. Um
die damit verbundenen Nachteile im
­internationalen Umfeld wettzumachen,
setzt man auf innovative Erzeugnisse
und auf effiziente Fertigungsprozesse.
Wurden vor 40 Jahren rund 3 Millionen
Zahnbürsten jährlich produziert, so sind
es heute mehr als 1 Million pro Tag.
über zahlreiche Innovationsschübe die
hochmoderne Zahnbürste geworden.
Diese verkörpert etwa die «Sonicpower».
Die Schallzahnbürste wurde 2006 mit der
Marketing-Trophy von Swiss Marketing
ausgezeichnet. «Viele Innovationen, die
zwar vom Marketing getrieben werden,
können nur dank technologischen Quantensprüngen realisiert werden», meint
Christian Wipfli.
Den Innovationsfluss halten interne
Innovationsteams, externe Kooperationen
mit Forschungsinstituten sowie Rück­
meldungen der Konsumenten und Distributoren aufrecht. Der Umsatzanteil der
Innovationen – also von Produkten, die
jünger sind als drei Jahre – liegt mittlerweile bei rund 30 Prozent. Zur Umsetzung
der Ideen scheut die Trisa vor mutigen
­Investitionen nicht zurück. Rund 250 Millionen Franken hat sie seit dem Jahr 2000
investiert und damit gegen 400 neue Arbeitsplätze geschaffen. Produziert werden
die Zahnbürsten ausschliesslich in der
Schweiz. Bei deren Auslobung «Made in
Switzerland» ist das Swissness-Feilschen
um inländische Wertschöpfungsprozente
somit kein Thema.
Bester Familienbetrieb der Schweiz
Selbstverständlich hat die Trisa im
Jubiläumsjahr auch einige klassische
­
­Register der Werbung gezogen. Ein 125Jahre-Logo wurde kreiert, und eine Broschüre lässt die Firmengeschichte nun
­ evue passieren. Ausserdem wurde ein
R
neuer Fernsehspot lanciert. Das TrisaTraumpaar, das die Freude am Zähneputzen vermittelt, lächelt nun überall auch
von den Plakatwänden. Nicht zuletzt
­sollen die Konsumenten vom Jubiläumsjahr profitieren. An den Verkaufspunkten
gibt es verschiedene Sonderpromotionen:
Zahnbürsten in Sechserpackungen etwa
zum Jubiläumspreis, eingerahmt vom auffälligen Logo und vom stets lächelnden
Trisa-Traumpaar. Ins Auge stechen dabei
die Verpackungen und die Zahnbürsten
selbst, die immer bunter werden – bonbonfarbene optische Stimmungsbomben
im grauen Alltag.
Bleibt die Frage, ob sich die beträcht­
lichen Jubiläumsanstrengungen gelohnt
haben. Für eine definitive Bilanz sei es
noch zu früh, lässt Marketing-Leiter Wipfli­
durchblicken. Schliesslich dauert das Fest
noch bis zum Sommer 2013. Aber schon
jetzt registriert die Firma positive Auswirkungen, wie die mediale Auswertung
zeigt. Das Unternehmen erlebt jedenfalls
in seinem Jubiläumsjahr einen richtigen
Hype. Und die Sonderpromotionen haben
den Verkauf der Zahnbürsten kräftig ange­
kurbelt. Überdies erntete die Trisa eine
weitere Auszeichnung für ihre nachhaltige
Unternehmenskultur: Sie gewann 2012
den erstmals verliehenen Family Business
Award der Amag. Das Trisa-Traumpaar
setzt sich gegen 100 weitere Familien­
unternehmen durch.
Marketing | 51
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
«Ovomalitine ist grossartig»
David A. Aaker Der Vizepräsident des Verwaltungsrats der globalen Strategieberatung Prophet über Markenrelevanz.
Interview: Helga Wienröder
Der Name Ihrer Strategieberatung Prophet
ist ein Symbol für Ihre Philosophie. Sie
prophezeien in Ihren Büchern und Auf­
tritten, dass nur Marken mit innovativen
Angeboten eine Wachstumschance haben,
um Wettbewerber erfolgreich auszuschal­
ten. Ihr magisches Credo lautet «Brand
Relevance», also Markenrelevanz. Was
verstehen Sie darunter?
David A. Aaker: Ich bin der festen Über­
zeugung, dass das Konzept der Marken­
relevanz sehr gut erklären kann, warum
einige Marken wachsen und andere
schrumpfen. Mit wenigen Ausnahmen
entsteht Wachstum weder durch grosse
Marketing-Ideen, die mit grossen Budgets
und schrittweiser Innovation umgesetzt
werden, noch durch Massnahmen, die
­darauf abzielen, nach dem Motto «Ich
kann das auch» von bereits etablierten
Marken zu profitieren. Wachstum entsteht
fast immer aus substanziellen oder manch­
mal sogar revolutionären Innova­tionen,
die ein oder mehrere Must-haves für die
Kunden erzeugen.
Damit wird in Zukunft der Wettstreit um
die Markenrelevanz entschieden. Können
Sie das konkret ausführen?
Aaker: Wir haben festgestellt, dass fast in
sämtlichen Industriezweigen historische
Analysen zeigen, dass die bedeutenden
Wachstumsschübe einer Marke immer
von Innovationen ausgelöst werden, die
neue Kategorien und vor allem Sub­
kategorien schaffen. Eine Überlegenheit
im Wettbewerb nach dem Motto «Meine
Marke ist besser als deine Marke» bringt
dagegen kaum positive Auswirkungen mit
sich. Der einzige Weg, Menschen an­
zusprechen, die Produkte suchen und
­lieben, die das gewisse Etwas haben, das
andere nicht haben, sieht so aus: Her­
steller müssen etwas sehr Substanzielles
kreieren oder ihre Innovation so in Szene
setzen, dass sie aussergewöhnlich und
überzeugend daherkommt.
Swiss Poster Award – Bronze «Lokal/Regional»: «Pferdestärken» für Mercedes-Benz Schweiz von Jung von Matt/Limmat.
Es gibt bereits etliche Bücher zu Wachs­
tumsstrategien, die sich in irgendeiner
Art und Weise mit diesem Thema befassen.
Welche grundsätzlich anderen Denk­
ansätze haben Sie zu bieten?
Aaker: Die meisten bisher erschienenen
Bücher erwähnen niemals die Marke und
sie widmen sich kaum dem Thema Bar­
rieren. Ich habe aber in meinem Buch
«Markenrelevanz – Erfolgreich Wettbe­
werber ausschalten» die Bedeutung der
Marke stark gewichtet und lege den Fokus
darauf und die zugehörigen Methoden der
Markenführung. Hier sehe ich den Ansatz
vor allem darin, die eigene Marke als
­generisch für eine Kategorie oder Sub­
kate­gorie zu etablieren. Zweitens lege ich
einen wichtigen Schwerpunkt auf die Er­
richtung von Barrieren im Wettbewerbs­
umfeld, sodass das eigene Unternehmen
für einen längeren Zeitraum davon profi­
tieren kann. Drittens werden substanzielle
und revolutionäre Innovationen explizit
als der Weg zur Schaffung von Kategorien
und Subkategorien angesehen. Schliess­
lich räume ich der Schaffung von Subkate­
gorien denselben Stellenwert ein wie der
Schaffung von Kategorien.
Markenrelevanz
Erfolgreich Wettbewerber ausschalten
Schweizer Beispiele Achim Wirtz, Part­
ner von Prophet in Zürich, erklärt, was
helvetische Markenrelevanz ist:
• «Das Swiss Army Knife hat längst
Kultstatus – die rund 50 Typen stehen
für ständige Innovation und werden
auch von der US-Armee geordert.»
• «Flims-Laax: Reto Gurtner entwickelt
die Namen der beiden Orte zu einer der
innovativsten Marken für Sommerferien
in Flims oder Wintersport in Laax.»
• «Freitag: Die Brüder Markus und
­Da­niel Freitag kreieren unter anderem
aus alten LKW-Planen, Airbags, Fahr­
radschläuchen diverse Taschen-Typen.»
• «Ricola: Einfach unverwechselbar mit
ihrem ‹Wer-hat’s-erfunden?›-Slogan.»
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• «Nespresso: Klassisches Beispiel für
eine Technologie-betriebene Barriere –
hat Kultstatus erreicht.»
• «Marke Schweiz: Sie wird getrieben
von der Uhrenindustrie, der politischen
Sicherheit und der Bankenwelt. Die
Schweiz gilt als Symbol für Neutralität;
es ist ihr gelungen, Kriege zu vermei­
den. Die Marke Schweiz hat eine ein­
zigartige Substanz – ihre Geschichte,
ihre Charaktereigenschaften und ihre
Merkmale, die nicht zu kopieren sind.»
Inspirationsquelle David A. Aaker ver­
öffentlichte mehr als 100 Artikel und
15 Bücher. Sein neustes Werk, «Brand
Relevance: Making Competitors Irrele­
vant», ist diesen März erstmals in einer
deutschen Kurzfassung erschienen, auf
172 Seiten im handlichen Kleinformat
unter dem Titel «Markenrelevanz –
­Erfolgreich Wettbewerber ausschalten»
mit einem Fokus auf europäische Un­
ternehmen, etwa Bionade, Gillette, IBM,
Ikea oder Nivea. Erhältlich im WileyVCH-Verlag (14.95 Euro). Die englische
Originalausgabe hat eine Vielzahl an
Auszeichnungen erhalten, beispiels­
weise: «Ad Age: One of the Ten Marke­
ting Books You Should Have Read in
2011», «Strategy+Business: One of the
Best Business Books of 2011» oder
«800 CEO READ: Listed on the 2011
Business Book Awards: The Short List».
Sie nennen als Beispiel einer nicht kopier­
baren Barriere die international tätige USHotelkette Westin, die sich mit dem Zusatz
«Heavenly bed» schmückt und so unver­
wechselbar machen will. Alle wichtigen
Hotelketten versuchten, Westin zu kopie­
ren. Es gibt nur eine Marke mit «Heavenly
beds». Eine kluge Strategie stellt den Bettund Schlafkomfort ins Zentrum, von über­
grossen Matratzen zum grossem Luxus der
schneeweissen Federkissen. Die Westin
Home Collection kann man ausserdem
kaufen und nach Hause nehmen. Eine
­clevere Marke, der solche ­Innovationen
­gelingen, sagen Sie. Aber welche Beispiele
faszinieren Sie in der Schweiz, die bereits
legendär sind – oder aber «brandnew»?
Aaker: Wenn es gelingt, ein Repräsentant
einer ganzen Kategorie zu werden – wie
Ovomaltine, die diese Kategorie schon vor
über 100 Jahren kreierte und so weit vor­
aus ist und so lange am Markt gewesen ist –,
dann kann das niemand anders tun, denn
der Name allein steht für eine ganze Kate­
gorie. Ovomaltine ist ein grossartiges Bei­
spiel für emotionalen Nutzen. Eine a­ ndere
Art, eine Barriere zu kreieren, ist die stän­
dige Innovation, zum Beispiel die berühm­
ten Sigg Bottles, die eigene Formen von
Barrieren kreiert. Eine ganze ­Kategorie
Trinkflaschen für alle – Babys, Biker, limi­
tierte Editionen, etwa zum Z
­ urich Film
Festival – bildet Barrieren, die es schwer
machen, eine wettbewerbs­fähige Kopie
herzustellen. Sigg steht nie still. Das ge­
hört zum Erfolgsgeheimnis e­ iner ständi­
gen Innovation, die Wettbewerbermarken
irrelevant werden lassen.
der mensch
Name: David A. Aaker
Funktion: Vice Chairman, Prophet;
Professor Emeritus, Haas School of
Business, University of California
Alter: 75
Wohnort: San Francisco
Familie: Verheiratet, drei Töchter
Ausbildung: Ökonom; PhD und MS,
Stanford University; BS, Massachu­
setts Institute of Technology (MIT)
Das Unternehmen Prophet ist ein
weltweit tätiges Beratungsunter­
nehmen mit Schwerpunkt auf strate­
gischen marken- und marketing­
bezogenen Fragestellungen. Es un­
terhält neben dem Hauptsitz in San
Francisco neun weitere Niederlas­
sungen in den USA (Atlanta, Chicago,
New York und Richmond) sowie in
Berlin, Hongkong, London (zwei
­Büros) und Zürich. Zu den Kunden
zählen BMW, Cisco, DKSH, General
Electric, Kempinski, Johnson &
­Johnson, Kellogg’s, McDonald’s, The
­Cosmopolitan, UBS, Visa und Zurich.
52 | Marketing
Nicht richtig
oder falsch
Employer Branding Mit einer attraktiven
Arbeitgebermarke versuchen Firmen, die
passenden Mitarbeitenden zu gewinnen.
Marianne Rupp
P
lötzlich sinkt der Personalchef zu
Boden. Scheinbar ein Schwächeanfall. Das während des Bewerbungsgesprächs. Die Kandidatin ist erschrocken.­
Noch ratloser wird sie, als der HR-Mann
sie dort nach ihren Gehaltsvorstellungen
fragt. Diese Szene hat sich so zugetragen,
gehörte allerdings zum durchdachten
­Selektionsverfahren, das sich der niederländische Bierkonzern Heineken ausgedacht hat, um die geeignete Person für ein
zehnwöchiges Praktikum zu finden. Das
Bewerbungsvideo «The Candidate» wurde,
mit dem Einverständnis der Teilnehmenden, online geschaltet und soll verdeut­
lichen, dass sich die Firma von den Mit­
bewerbern abhebt und überraschend ist –
sogar im Bewerbungsprozess.
Dies zeigt exemplarisch zwei Trends
auf: Personal-Marketing-Massnahmen
müssen heute innovativ und gleichzeitig
kongruent sein mit dem Auftreten des Unternehmens und seinem Brand im Markt.
In Zeiten von Fachkräftemangel, War for
Talents und der Erkenntnis, dass die Mitarbeitenden den entscheidenden Erfolgsfaktor ausmachen, zählen nicht allein
die Kernkompetenzen und der Leistungs­
ausweis eines Kandidaten. Sondern seine
Handlungs- und Verhaltensweisen müssen im Einklang mit der Kultur des Arbeitgebers sein. Das bedeutet, nicht die besten
anzeige
Experten müssen rekrutiert werden, sondern die passenden.
Mit der Erarbeitung einer Arbeitgebermarke (sogenanntes Employer Branding)
wollen Firmen die richtigen Mitarbei­
tenden ansprechen. «Die Anziehung einer
Marke auf potenzielle Kandidaten ist nicht
zu unterschätzen», sagt Roland Bernhard
und verweist auf Swiss oder BMW. Als
Niederlassungsleiter Schweiz des Strategieberatungsunternehmens Vivaldi Partners in Zürich unterstützt er Kunden beim
Aufbau ihres Brands. «Wichtig ist, dass die
Firma herausschält, was ihre Kernbotschaft ist und was sie darum Spezielles
­anbietet.» Als Beispiel nennt Bernhard
eine Firma mit einem hohen Anteil Frauen
mit Familie. Hier werde Wert auf WorkLife-­
Balance und flexible Arbeitszeiten
gelegt. Bei einem Biotech-Startup mit vielen Hochschulabsolventen könne eher die
Aus- und Weiterbildung punkten.
VBZ und Baloise als Praxisbeispiele
«Erst wenn der Kompass auf strategischer Ebene ausgearbeitet ist, die Positionierung im Mitarbeitermarkt, kann man
mit der Umsetzung beginnen, mit der
­Rekrutierung der passenden Mitarbeitenden», sagt Roland Bernhard. Bei der Positionierung soll jedoch nicht mit Floskeln
gearbeitet werden. «Wer authentisch ist,
nur verspricht, was er halten kann, und als
Unternehmen erlebbar ist, wird die ge-
Swiss Poster Award – Gold «Public Service»: «Tannzapfen-Banane» für Suva Unfallversicherung von Ruf Lanz.
wünschte Resonanz auf dem Markt haben», ergänzt Bernhard.
Ein Unternehmen, das diesen Grundsatz seit 2010 umsetzt, sind die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ). Bei jeder freien
Stelle wird ein Video produziert, in dem
sich die Chefs sozusagen um neue Mitarbeitende bewerben und ihnen die Auf­
gaben der freien Stelle beschreiben und
den Arbeitsplatz zeigen. Zudem sprechen
sie über ihren Führungsstil oder erzählen,
warum sie bei der VBZ sind. Dies verleiht
dem Ganzen eine persönliche Note.
­« Potenzielle Stellenbewerber erhalten so
bereits vor dem Bewerbungsentscheid
­
viele Fakten und Eindrücke und lernen
­ihren neuen Chef kennen», erläutert Jörg
Buckmann, Leiter Personalmanagement
der VBZ. Mit der konsequenten Aus­
richtung auf Jobvideos konnte sich der
­Arbeitgeber laut Buckmann als pfiffige
und spannende Marke etablieren, und
ganz nebenbei wurden die Rekrutierungskosten gesenkt. Die Videos werden auf der
VBZ-Website und auf Social-Media-Plattformen aufgeschaltet.
Seit zwei Jahren spielt die Baloise
Group intensiv auf den Tasten der Social
Media. Gemäss Marcus Fischer, Head of
Employer Branding & Recruiting des Ver-
sicherungskonzerns, betreibt man erfolgreich einen Blog sowie Präsenzen auf
­Facebook und Twitter und ist auch auf
Xing und LinkedIn aktiv. «Wir nutzen alle
Kommunikationskanäle, bei denen wir
mit den Leuten ins Gespräch kommen»,
erklärt Fischer. Ziel ist es, den Menschen
das, was die Baloise als Arbeitgeber ausmacht, im direkten Kontakt erlebbar zu
machen. Er ist überzeugt, dass die Social
Media das Rekrutieren dramatisch verändert haben. «Das Prinzip ‹post & pray›,
­Anzeigen schalten und auf Bewerbungen
warten, funktioniert immer weniger.»
­Viele Internetnutzer pflegten ihren Auftritt
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
| 53
«Eine schöne Kampagne
ist ein Trugschluss»
Warum hat Employer Branding bei vielen
Unternehmen zurzeit hohe Priorität?
Marcel Oertig: Um sich im zunehmend
härteren Wettbewerb um die gut qualifi­
zierten Fach- und Führungskräfte mög­
lichst attraktiv zu positionieren. Dabei
kann die Ausgangslage bei den Firmen
sehr unterschiedlich sein. Einerseits geht
es darum, überhaupt eine Bekanntheit
zu erlangen, anderseits um ein zum Teil
falsch geprägtes Image zu verändern
oder die Positionierung im globalisierten
Wettbewerb zu verbessern.
Swiss Poster Award – Silber «Public Service»: «Schmierseife» für Suva Unfallversicherung von Ruf Lanz.
im Netz und hätten gut ausgearbeitete
Profile. «Auch die Bewerber beginnen, sich
eine Marke zu geben. Dieses sogenannte
Personal Branding ist im Vormarsch und
wird Unternehmen zum Umdenken zwin­
gen», sagt Fischer. «Die Leute wollen nicht
mehr Stellen suchen, sie ­wollen gefunden
werden.»
Die Leute wollen gefunden werden
Viele Personalchefs und Executive
Searcher finden denn auch diese Profile
im Netz, weil die sozialen Plattformen für
sie eine erste Informationsquelle dar­
stellen, wie Giuseppe Iuorno, Inhaber von
anzeigen
Active-Consulting in Winterthur ZH, weiss:
«Sie liefern viele Initialinformationen über
potenzielle Kandidaten und erlauben am
Anfang des Rekrutierungsprozesses eine
effiziente und effektive Beschaffung von
werthaltigen Kontakten.» Natürlich müsse
die Selbstdeklaration der Leute danach
überprüft werden, etwa durch persönliche
Interviews sowie relevante Referenzaus­
künfte, sagt er. Mehrstufige Auswahlver­
fahren sollen danach helfen, die Spreu
vom Weizen zu trennen. Denn die Einstel­
lung eines falschen Mitarbeitenden kommt
eine Firma teuer zu stehen. Er v­ erursacht
Rekrutierungs- und Einarbeitungskosten,
deren Höhe von seiner Position abhängig
ist. Neben dem finanziellen Aspekt kön­
nen auch die internen Aus­
wirkungen
­gravierend sein. Um solche Schäden zu
vermeiden, wird heute viel stärker auf das
Zusammenspiel von Kommunikation, HR
und Marketing geachtet.
Heineken hat dies erkannt. «Die in­
novativen Kommunikationsmassnahmen
stärken die Markenbekanntheit und ma­
chen damit unser Unternehmen auch als
Arbeitgeber attraktiver. Wir spüren dies
unmittelbar an der Anzahl und der Quali­
tät der Bewerbungen», erklärt Carmen
Wyss, Kommunikationsleiterin Schweiz.
Wo sollte Employer Branding im
­Unternehmen angesiedelt sein?
Oertig: Die genaue Ansiedlung ist weni­
ger wichtig, als dass die entsprechenden
Betroffenen im Prozess der Entwicklung
und Umsetzung des Employer Branding
eng zusammenarbeiten. Selbst als ehe­
maliger HR-Leiter bin ich nicht ganz
­unvoreingenommen und würde das im
HR-Bereich integrieren, weil hier die
hauptsächliche Ausgestaltung des
­Arbeitgeberangebots – die sogenannte
Employer Value Proposition – liegt. Mit
dem Arbeitgeberversprechen werden die
individuellen Stärken und die Einzig­
artigkeit der Arbeitgebermarke definiert.
Wer muss beim Aufbau der Arbeitgebermarke mit einbezogen werden?
Oertig: Ein systematischer Aufbau der
Arbeitgebermarke bedingt, dass beste­
hende sowie zukünftige Mitarbeitende
in die Analyse einbezogen werden. Wir
setzen das so um, dass wir intern eine
Mitarbeiterbefragung und extern eine
Marktbefragung bei relevanten Zielgrup­
pen durchführen und sie in einem integ­
rierten Arbeitgeberprofil zusammenfüh­
ren. Dies lässt sehr schnell die entspre­
chenden Lücken und Defizite erkennen.
Marcel Oertig
Partner, Avenir Consulting, Zürich
Worauf muss beim Markenaufbau
­speziell geachtet werden?
Oertig: Die grosse Bedeutung einer
­Marke im Wettbewerb um Kunden und
Marktanteile ist in der Unternehmens­
führung anerkannt. Dieselben Grund­
sätze gelten für den Markt der zukünfti­
gen Mitarbeitenden. Auch hier spielt
der Dreiklang von Wissen, Einstellung
und Verhalten: Ein potenzieller Kandidat
muss wissen, dass es die Firma gibt –
­Bekanntheitsziel, das Unternehmen at­
traktiv finden – Einstellungsziel und sich
schliesslich bewerben – Verhaltensziel.
Was ist der grösster Irrtum betreffend
­Employer Branding?
Oertig: Der Trugschluss, dass eine
­schöne Kampagne bestehende Defizite
in den Bereichen Führung, HR-Manage­
ment und Unternehmenskultur über­
deckt. Wer nicht zuerst seine Hausauf­
gaben macht, wird über kurz oder lang
keinen Erfolg mit der Positionierung
­seiner Arbeitgebermarke haben. Mass­
gebend für die gelebte Arbeitgebermarke
ist ein transparentes und funktionieren­
des Behavioral Branding, ein marken­
gerechtes Verhalten, im Unternehmen.
interview: Marianne Rupp
54 | Marketing
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
So kaufen die Schweizer
Wertschöpfung Die Studie «Konsumgüter 2023+» von GS1 Schweiz und IBM zeigt, wohin die Konsumentenreise geht.
Valentin K. Wepfer
W
ie entwickelt sich der Konsum in
den nächsten Jahren und wel­
ches sind die Auswirkungen auf
die Supply Chain (Wertschöpfungskette)
und die Logistik? Die Studie «Konsumgüter­
2023+» von GS1 Schweiz und IBM legt den
Fokus auf den hiesigen Konsumenten,
seine Präferenzen und seine Einkaufs­
­
gewohnheiten. Aufgrund der repräsentati­
ven Erhebung ist festzustellen, dass sich
die Welt, die Wünsche und Vorstellungen
der Konsumenten und damit deren An­
sprüche innerhalb kurzer Zeit stark verän­
dert haben. Dieser Trend setzt sich fort.
Die Schweizer Konsumenten sind kriti­
scher geworden. Bei der Beschaffung ihrer
Produkte legen sie vermehrt Wert auf Ge­
sundheit und Ökologie, aber auch auf das
Preis-Leistungs-Verhältnis. Letzteres zeigt
sich an den permanenten Preissenkungen
des Detailhandels, den steigenden Zahlen
des Einkaufstourismus sowie dem grenz­
überschreitenden Internethandel. Bei der
Wahl ihrer Produkte legen die Konsumen­
ten grossen Wert auf verständliche und
wahrheitsgetreue Informationen. Dabei
vertrauen sie überwiegend ihrem persön­
lichen Umfeld. Das Brauchen von Social
Media verstärkt diesen Umstand. Auch
Tauschplattformen, die nach dem Motto
«Nutzen und teilen statt besitzen» für die
Konsumenten attraktive Möglichkeiten
bieten, beeinflussen traditionelle Märkte.
Neue Herausforderungen
Bedingt durch die Verbreitung elektro­
nischer Geräte bieten sich dem hiesigen
Konsumenten neue Beschaffungsmöglich­
keiten. Während früher zu 100 Prozent
über traditionelle Kanäle eingekauft wurde,
bevorzugen bereits heute nur noch 60 Pro­
zent den klassischen Weg in den Laden.
Dabei erwarten die Konsumenten eine
hohe Verfügbarkeit der Produkte. Wenn
sie etwas nicht sofort erwerben können,
wählen sie einen anderen Kanal oder kau­
fen einen alternativen Artikel. Der Einsatz
mobiler Geräte ist auf dem Siegeszug.
­Vermehrt bedienen sich Shopper dieser
Technologien. Sie erwarten diesbezüglich
einen verkaufskanalübergreifenden Voll­
service – von der Beratung zum Produkt
bis zur Bewältigung von Retouren.
Deswegen werden Unternehmen im­
mer mehr mit Kleinmengenlogistik kon­
frontiert. Dies bedarf organisatorischer
Anpassungen, effizienter Prozesse und
besserer Standards. Pooling (Datenerfas­
sung) ist ein mögliches Rezept. Die Markt­
penetration mit mobilen Kommunika­
anzeigen
Swiss Poster Award – Bronze «Public Service»: «Elternclub Schweiz» für Pro Juventute von Jung von Matt/Limmat.
tionsmitteln hat stark zugenommen. Über
60 Prozent der Konsumenten sind gewillt,
zwei oder mehr Technologien für ihren
Einkaufsprozess zu nutzen. Trotzdem
­versorgen sie sich immer noch eher beim
Detailhändler als direkt beim Hersteller.
Durch die Vernetzung steigt die Daten­
menge unaufhörlich. Sie muss dazu ge­
nutzt werden, den Endverbraucher besser
zu kennen und auch spezifisch auf seine
individuellen Bedürfnisse einzugehen.
Mit diesen Trends konfrontiert, sind
­Unternehmen gut beraten, ihre Marken,
Produkte und deren Angebotsformen zu
hinterfragen. Wichtig sind präzise, ein­
fache und klare Informationen. Die meis­
ten dieser Herausforderungen müssen
primär intern angegangen werden, selbst
wenn sie einen starken Einfluss auf die
Kolla­borationsfähigkeit haben. Doch wenn
es um interne Prozesse geht, sind Stan­
dards und Richtlinien hilfreich.
Viele, wenn auch nicht die meisten
­Unternehmen arbeiten an der Implemen­
tierung oder Optimierung der Supply
Chain von modernen Konzepten und be­
reiten sich auf künftige Entwicklungen vor.
Teilweise mit sichtbarem Erfolg. Das ist
absolut richtig so, denn die fehlenden
­Skaleneffekte sowie die Sonderregelungen
in der Schweiz müssen möglichst durch
­Effizienz wettgemacht werden.
Aktuelle Fragestellungen
Es gibt aber viele Herausforderungen,
die so gelagert sind, dass sie durch einzelne
Unternehmen kaum gemeistert werden
können. Dabei geht es unter anderem um
technische Absprachen und Verhaltens­
muster. Es handelt es sich zum Teil
um kleinere, aber eben auch wichtige
­Detailfragen wie Datenformate, die gelöst
werden müssen. Teilweise sind es aber
wichtige Hauptfragen, die angegangen
werden müssen – beispielsweise:
• Wenn sich der E-Commerce (elektro­
nischer Handel) dynamisch weiterentwi­
ckeln soll, wie muss dann die letzte Meile
organisiert sein? In Städten? In ländlichen
Gebieten? Welches sind die Szenarien?
Soll tatsächlich jedes Unternehmen im
­Alleingang agieren? Müsste nicht ein ge­
meinsamer Standard geschaffen werden?
• Wenn Abfallmengen, CO2 und Ver­pa­
ckung reduziert werden sollen, braucht es
nicht ganzheitliche Prozessmodelle, die
auch über Unternehmensgrenzen hinweg
verstanden und angewandt werden?
• Wie kann die Rückverfolgbarkeit tatsäch­
lich proaktiv sichergestellt und wie können
damit Fälschungen verhindert werden?
• Wie lassen sich Konsumenten-zu-Kon­
sumenten-Prozesse fördern und nutzen?
Lösungsansätze auf diese aktuellen
Fragestellungen könnten kollaborative
Modelle im Sinne von Efficient Consumer
Response, kurz ECR (effiziente Konsu­
mentenresonanz), geben, die jeweils einen
ganzheitlichen Ansatz bedingen.
Valentin K. Wepfer, stellvertretender Chef, Leiter
Collaborative Supply Chains, GS1 Schweiz, Bern.
GS1 Schweiz
Für nachhaltige
Wertschöpfung
Fachverband GS1 Schweiz ist die
Kompetenzplattform für nachhaltige
Wertschöpfung auf der Basis optimierter Waren- und Informationsflüsse. Als Fachverband mit rund
5000 Mitgliedsunternehmen vernetzt GS1 Schweiz Beteiligte, fördert
die Kollaboration und vermittelt
Kompetenz in Wertschöpfungsnetzwerken. Globale GS1-Standards und
Prozessmodelle ermöglichen die
­Gestaltung effizienter Wertschöpfungsketten. Weiterbildung, Fach­
publikationen sowie Veranstaltungen
zum Erfahrungs- und Wissensaustausch sind weitere Tätigkeitsfelder.
Marketing | 55
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
So ticken die
Schweizer
Zielgruppen Das Update der Sinus-Milieus für die Schweiz
fördert zwei neue Kategorien von Gleic hgesinnten zutage.
Die neuen Sinus-Milieus für die Schweiz
Oberschicht/
Obere
Mittelschicht
Soziale Lage und Grundorientierung (Update für 2013)
Arrivierte
8%
ø: 47
Gehoben-Bürgerliche
16%
ø: 48
Genügsame Traditionelle
9%
ø: 64
Bewahren
Tradition
Pflichterfüllung.
Ordnung, Anstand
Seit 1984 würdigt die Schweizerische Gesellschaft für Marketing (GfM) mit ihrem
«Jahrespreis der Stiftung für Marketing in
der Unternehmensführung» hiesige Firmen, die sich fortwährend durch herausragendes Wirken ausgezeichnet haben. Im
Wesentlichen sollen ausserordentliche
Marketing-Leistungen auf einem der drei
folgenden Gebiete bewertet werden:
­Erfolgreiche unternehmerische Resultate,
die in hohem Ausmass innovativen Marketing-Strategien sowie effektiven Massnahmen zuzuschreiben sind; Förderung
von Marketing-Kernkompetenzen durch
praxisnahe Übertragung wissenschaft­
licher Forschungsergebnisse auf Lehre
und Unternehmensführung; überzeugende
Beiträge über Marketing sowie markt­
orientierte Unternehmensführung in den
Medien. Ab sofort können Schweizer
­Firmen als Kandidaten vorgeschlagen
Der Marketingpreis 2011 ging an Geberit.
Performer
10%
ø: 39
Postmaterielle
12%
ø: 45
Bürgerliche Mitte
15%
ø: 50
Konsumorientierte Basis
8%
ø: 55
AdaptivPragmatische
6%
ø: 35
Lebensstandard,
Status, Besitz
Digitale
Kosmopoliten
7%
ø: 32
Eskapisten
9%
ø: 35
Haben und Geniessen
Sein und Verändern
Modernisierung/Individualisierung
%: Anteil Schweizer Wohnbevölkerung; ø: Durchschnittsalter in Jahren
GfM-news
Marketingpreis 2013:
Firmen nominieren
Swiss Poster Award – Gold «Kultur»: «Zürich–London» (Poster Edition
House of Switzerland, Olympische Sommerspiele 2012) für Stadt Zürich
Stadtentwicklung von Prill Vieceli Cremers.
www.sinus-institut.de;
www.publisuisse.ch/sinus.
Mittlere
Mittelschicht
F
Kooperationspartner ist die Publisuisse
mit Direktionshauptsitz in Bern und Verkaufshauptsitz in Zürich. Der führende
nationale Vermarkter elektronischer Medien und kommerzielle Kompagnon der
SRG SSR nutzt die Sinus-Milieus für seinen neuen Mediacompass, nach eigenen
Angaben das Intermedia-Tool für die strategische Medienplanung im Schweizer
Markt. Dieser basiert auf den Resultaten
der MedienKonsumstudie 2013 von GfK
Switzerland, in die das Update der SinusMilieus eingeflossen ist, so Roland Kopf,
Leiter Research bei der Publisuisse.
Die webbasierte Planungshilfe Mediacompass ermöglicht das Gewinnen von
Erkenntnissen über Zielgruppen, deren
Alltagseinstellungen und Konsumverhalten sowie die Analyse der neuen Sinus-­
Milieus im Hinblick auf verschiedenste
Fragestellungen oder auf die Nutzung von
über 320 Schweizer Werbeträgern. Die
­Sinus-Milieus sind gemäss Roland Kopf
eine echte Alternative zur soziodemografischen Beschreibung von Adressaten.
Untere Mittelschicht/
Unterschicht
Darüber hinaus ist jede Jugendgeneration
mit neuen Werteumfeldern oder -hierarür Marketers gibt es hierzulande chien konfrontiert, woraus sich dann ganz
zwei neue Zielgruppen, die sie neue Milieus bilden», sagt Christoph Mülbewerben respektive umwerben ler, Generaldirektor M.I.S. Trend in Lau­
können: «Adaptiv-Pragmatische» und sanne und Bern. Die Firma ist in der
«Digitale Kosmopoliten». Verschwunden Markt- und Sozialforschung tätig sowie
sind hingegen «Statusorientierte» und der Lizenznehmer des Sinus-Instituts in
«Experimentalisten». Zu diesem Schluss der Schweiz. Zusammen haben sie das
kommt das deutsche Sinus-Institut, das Update der Sinus-Milieus gemacht.
seine vor zehn Jahren in der Schweiz
Die Experten des Sinus-Instituts und
eingeführten zehn Sinus-Milieus auf von M.I.S. Trend haben sich gründlich mit
­
den Prüfstand gestellt hat. Entsprechend den Auswirkungen von Globalisierung,
­wurde die als «Kartoffel-Chart» bekannte Digitalisierung und weltweiter WirtDarstellung (siehe Grafik unten) nun schaftskrise auf die Befindlichkeiten der
­aktualisiert. In dieser strategischen Land- Schweizer Bevölkerung auseinandergekarte können Marken, Produkte sowie setzt. Entwicklungen wie Flexibilisierung
Medien positioniert werden.
von Arbeit und Privatleben, Erosion klasBei den Sinus-Milieus
sischer Familienstrukturen,
handelt es sich um eine
Digitalisierung des Alltags
Nur wer
und wachsende Wohlstandsbewährte und akzeptierte
­
­versteht, was
polarisierung («Die MittelMethode der Adressaten­seg­
schicht unter Druck») resulmentierung. Wertorientiedie Menschen
tieren in einer nachhaltig
rungen gehen dabei e­ benso bewegt, kann sie
veränderten «Kartoffel-Grain die Analyse ein wie Allbewegen.
fik». Für die Erhebung der
tagseinstellungen – zur Arrepräsentativen Neumodelbeit, zur Familie, zur Freizeit,
zu Medien oder zu Geld und Konsum. Die lierung wurden 2500 Interviews in den
Sinus-Milieus fassen Personenschichten drei Sprachgebieten durchgeführt.
Ausgewertet wird nach dem Sinus-­
aufgrund von grundlegenden sowie gesellschaftlichen Faktoren zusammen, Milieu-Indikator. Dies ist laut dem Sinus­anstatt sie nur nach Alter, Geschlecht, Institut ein standardisiertes Instrument
­Beruf und Einkommen zu gliedern. Sie be- zur Diagnose der Kategoriezugehörigkeit
schreiben Menschen, die sich in Lebens- von Befragten, vorzugsweise in Breiten­
auffassung und -weise ähneln. Man kann erhebungen. Der neue Sinus-Milieu-Indikator für die Schweiz beinhaltet zurzeit 29
sie als Gleichgesinnte bezeichnen.
«Wir beschreiben mit unseren Ziel- Statements, die anhand einer vierstufigen
gruppen Kundensegmente, die wirklich Antwortskala zu beurteilen sind.
existieren. Nur wer versteht, was die Menschen bewegt, kann sie auch bewegen», Publisuisse nutzt neue Erkenntnisse
Im Vergleich zur bisherigen Landkarte
sagt Manfred Tautscher, Gesellschafter
und Geschäftsführer des Sinus-Instituts der Sinus-Milieus fällt bei der aktuellen
mit Hauptsitz in Heidelberg sowie Nieder- Hochrechnung für die Schweiz auf, dass
lassungen in Berlin und Wien. Die Firma sich bei der Neuorientierung die grössten
ist ein Spezialist für psychologische und Veränderungen ergeben haben. In den
sozialwissenschaftliche Forschung und modernen, jüngeren Lebenswelten entBeratung. Sie entwickelt Strategien für steht naturgemäss die grösste Dynamik.
­Unternehmen und Institutionen, die den Weshalb sich zwei neue Kategorien ergesoziokulturellen Fortschritt als Erfolgs­ ben haben, die jeweils auf unterschiedlifaktor nutzen wollen. Das in den 1980er- che Weise Reaktions- und BewältigungsJahren lancierte Modell der Sinus-Milieus strategien angesichts des beschleunigten
Wandels repräsentieren. «Adaptiv-Pragist mittlerweile in 18 Ländern verfügbar.
Sein nationaler Geschäftspartner er- matische» und «Digitale Kosmopoliten»
gänzt: «Wenn Werte sich wandeln, bleibt stehen wie «Performer» und «Eskapisten»
das längerfristig nicht ohne Einfluss auf für Machen und Erleben sowie für das
Struktur und Verfassung der Gesellschaft. Überwinden von Grenzen.
Norman C. bandi
Machen und Erleben Grenzen überwinden
Neuorientierung
Selbstverwirklichung, Multioptionalität,
Emanzipation, Authentizität Pragmatismus
Exploration,
neue Synthesen
quelle: Sinus-Institut
anzeige
werden. Das Nominierungsformular gibt
es online. Danach kürt eine Fachjury den
Gewinner. Der Marketingpreis wird zum
29. Mal verliehen am Mittwoch, 29. Oktober 2013, im Luxushotel The Dolder Grand
in Zürich. Vor der Gala findet die 72. GV
der GfM statt. Die Sieger in den Vorjahren
waren zum Beispiel: Freitag (2012),
­Geberit (2011), Mobiliar (2010), Mammut
(2009), Jura (2007), Sika (2005), Nespresso
(2004), UBS (2003), Emmi (2002).
www.gfm.ch/de/portrait/marketingpreis/
marketing-preis2013nominierung.htm;
www.gfm.ch/de/portrait/marketingpreis.
Drei weitere Brushups in diesem Jahr
Nach den beiden GfM Brush-ups zum
Jahresauftakt mit dem schwedischen
­Management-Guru Kjell Nordström und
demjenigen mit dem amerikanischen
Branding-Fachmann David Aaker (siehe
Interview Seite 51) ist die Pipeline für
­dieses Jahr noch lange nicht leer. Der
nächste GfM Brush-up ist am Montag,
6. Mai 2013, von 18.00 bis 19.00 Uhr im
Luxushotel Park Hyatt in Zürich. Das
Thema des Events mit anschliessendem
Apéro ist «Winning in China». Es referiert
die chinesische Expertin Viveca Chan,
Chairman & CEO der WE Marketing
Group mit Sitz in Hongkong sowie Büros
in Peking und Schanghai. Presenting-
Viveca Chan (links) und Scott M. Davis.
Partner ist Metzgerlehner Weltweit. Die
Teilnahme ist kostenlos.
Zwei weitere GfM Brush-ups sind dar­
über hinaus noch geplant. Am Mittwoch,
26. Juni 2013, von 17.30 bis 19.00 Uhr
­unter dem Titel «Catching the Digital &
Mobile Trends» bei Google Schweiz in
Zürich. Am Freitag, 6. September 2013,
von 12.00 bis 13.00 Uhr unter dem Titel
«The Shift: The Transformation of
Today’s Marketers into Tomorrow’s
Growth Leaders» mit Scott M. Davis,
Chief Growth Officer bei Prophet in
San Francisco, an der Hochschule für
Wirtschaft Zürich HWZ.
www.gfm.ch/de/veranstaltungen;
www.wemarketinggroup.com;
www.prophet.com/book/shift.
Impressum
Redaktion und Verlag, Axel Springer
Schweiz, Förrlibuckstrasse 70, 8021 Zürich
56 | Marketing
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Treu und Glauben
Kundenbindung Gut erzählte
Markenerlebnisse – gepaart mit
Vertrauen – steigern sowohl die
Loyalität zum Unternehmen als
auch dessen Wertschöpfung.
Alfredo Trasatti
N
eukunden werden von den Unter­
nehmen umgarnt. Sie werden mit
Geschenken und Zusatzleistungen­
eingedeckt. Ihnen wird viel versprochen.
Neukunden sind daher auch teuer. Doch
was passiert, wenn man sie dann endlich
am Haken hat? Bleibt die Wertschätzung
der Firma gegenüber der gewonnenen
Person hoch? Leider nur sehr selten.
Das Problem der Kundenbindung ist
folgendes: Sie geht vom Unternehmen aus
und ist an Bedingungen geknüpft, bei­
spielsweise durch Punkte, Prämien oder
Rabatte erkauft, durch Kleingedrucktes in
Geschäftsbedingungen erschlichen oder
durch Wechselbarrieren erzwungen. Der
Kunde bleibt nicht, weil er will, sondern
vielmehr, weil er mehr oder weniger muss.
Wenn dann noch die alltägliche Wert­
schätzung fehlt, ist er – zumindest auf der
emotionalen Ebene – verloren.
Faktor Lebensversicherung
In manchen Branchen, hat man das
­Gefühl, ist man erst einmal Kunde, dann
gehört man zum Inventar. Firmen geben
oft unglaublich viel Geld aus, um Neu­
kunden zu gewinnen. Doch kaum sind sie
endlich eingefangen, wird an allen Ecken
und Enden gespart.
Solche Marktteilnehmer vergessen,
dass stabile und dauerhafte Kundenbe­
ziehungen die Lebensversicherung jedes
anzeige
Unternehmens sind. Und in den letzten
Jahren wurde dies den Firmen auch aufge­
zeigt. Nicht in langwierigen Zyklen, nein,
schnell und brutal. Überrollt von «Shit­
storms» im Internet, mussten zahlreiche
Unternehmen zur Kenntnis nehmen, dass
ihre Kunden heute an prominenter Stelle
und mit viel Breitenwirkung ihre negative
Meinung ausdrücken können.
Ist Kundenbindung deshalb eine veral­
tete Strategie, die nicht mehr funktioniert?
Generell lässt sich diese Frage leider nicht
beantworten, aber so viel ist klar: Sie hat
keine rosige Zukunft. Zudem ist die Kun­
dengewinnung in vielen Branchen ausge­
reizt. Die Märkte sind gesättigt. Erstnutzer
werden immer seltener. Das Wachsen
geht nur noch auf Kosten der Mitbe­
werber. Doch das Abjagen funktioniert,
wenn man dem Rabattgeschrei der Firmen
lauscht, offenbar meistens über den Preis.
Der Ausweg liegt im Aufbau und Unter­
halt der Kundenloyalität. Sie ist im Gegen­
satz zur Kundenbindung freiwillig. Sie
entsteht durch Anziehungskraft, nicht
durch Druck oder Zwang. Sie kann nicht
eingefordert werden, man bekommt sie
aus Überzeugung geschenkt.
Wer die Treue seiner Käufer gewinnt
und dauerhaft bewahren kann, sichert
sich mehr Umsatz und reduziert gleich­
zeitig seine Kosten. Dieses Ersparte kann
loyalitätsfördernd investiert werden – in
umsatzträchtige Innovationen, in kunden­
fokussierte Mitarbeiter, in guten Service,
in loyalitätsorientiertes Marketing sowie
in zielgerechte Kommunikation.
So entsteht eine Treuespirale, die sich
immer weiter nach oben dreht. Darüber
hinaus ist Loyalisieren günstiger, als
­Neukunden zu gewinnen. Stammkunden
brauchen weniger klassische Werbung.
Durch die Konzentration auf die treuen
Zielgruppen entsteht parallel ein gerin­
gerer Streuverlust. In diesem Zusammen­
hang ist die Kommunikation eines der
wichtigsten Elemente, sowohl intern als
auch extern. Dazu gehören die Unterneh­
menspublikationen.
Mehrwert anstatt Nutzwert
Die früher vielfach PR-lastigen Objekte
im Stil von Werbepostillen haben sich in
den letzten Jahren zu hochwertigen und
journalistisch anspruchsvollen Produkten
gewandelt, die gut aufgemachte Geschich­
ten transportieren. Darum werden sie von
den Betroffenen nicht nur regelmässig
und intensiv genutzt, sondern auch als
kompetente, glaubwürdige Informations­
quellen geschätzt. Diese Kundenbindung
führt zu einem nachweisbaren Return on
Investment beziehungsweise Return on
Communication. Grund für die Wirksam­
keit der Magazine ist unter anderem die
Zufriedenheit der Leser mit der hohen
­redaktionellen und optischen Qualität der
Kundentitel. Nicht zuletzt hat ein als gut
beurteiltes Erzeugnis auch einen posi­
tiven Einfluss auf das Gesamtimage der
herausgebenden Firma.
Ein zeitgemässes Magazin vermittelt
nicht nur Mitteilungen zu Konsumenten
und Entwicklungen des Unternehmens.
Hintergründe und umstrittene Themen
werden angesprochen und bringen weg­
weisende Informationen, die Entschei­
dungsträger zwingend wollen. In diesem
Umfeld gilt es diverse Aspekte zu berück­
sichtigen. Heute muss eine Publikation
nicht nur einen Nutzwert, sondern auch
einen Mehrwert haben. Dafür braucht es
authentische Geschichten, professionell
aufbereitet und visuell stark begleitet.
Alfredo Trasatti, Chef, Infel Corporate Media, Zürich.
Swiss Poster Award
– Silber «Kultur»:
«There must be some
kind of way out of
here» für Südpol |
Musik Tanz Theater
Kriens von Felix Pfäffli.
Marketing | 57
handelszeitung | Nr. 13 | 28. März 2013
Bundesbahnen
machen mobil
M-Commerce Die SBB verkaufen mehr als die Hälfte ihrer E-Tickets via
mobile Endgeräte. Über 2,5 Millionen Menschen nutzen die App dazu.
Alice Baumann
F
ür Smartphone-Nutzer, welche mit
ihrem Lieblings-Gadget sogar zu
­
Bett gehen und morgens als Erstes
einen Blick auf den kleinen Bildschirm
werfen, ist es schwer verständlich, dass ihr
mobiles Wunder nicht schon längst weitgehend den Geldbeutel ersetzt. Im Alltag
buchen und suchen wir mit dem Smartphone und möchten auch gerne damit
einkaufen.
Einzig das Mobile Ticket scheint gang
und gäbe. Immer mehr SBB-Passagiere
ziehen es sich vor der Zugsabfahrt auf ihr
Handy. «Über 2,5 Millionen Schweizer­
innen und Schweizer haben die ent­
sprechende SBB-App auf ihr Smartphone
geladen», bestätigt Roger Grüring, Leiter
E-Marketing & E-Platform der SBB. Und
rund 1 Million Menschen reisen täglich
mit der Bahn.
SBB sind ein mobiler «Early Bird»
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung bezeichnet Grüring die SBB als
«­Early Bird» zum Thema M-Commerce
(Mobile Commerce, sprich mobiler Handel): «Mit dem SMS-Fahrplan verfügten
wir bereits früh über Dienstleistungen im
mobilen Bereich. Später verkauften wir
die ersten Tickets via SMS während der
Fussball-­Europameisterschaften 2008 in
Sparbillette
der Schweiz. Der Boom kam mit der Ein- (M-Business) Hoffnung an den Horizont.
führung der SBB-Mobile-App 2009. Bei Kernt­hemen der Organisation sind M-Mar­
den erfolgreichsten mobilen Tickets ver- keting, M-Advertising, M-Apps/M-Internet,
kaufen die SBB bereits einen Anteil von M-Content, M-Commerce und M-Technoüber 15 Prozent mit dem mobilen Kanal.» logy (siehe Artikel unten).
Wie sieht diesbezüglich die Zukunft der
Tatsächlich setzen die SBB in Kommunikation und Vertrieb seit über einem Jahr- Bundesbahnen aus? Roger Grüring betont
zehnt konsequent auf den strategischen in seinen Ausführungen für «smama»Ausbau der r­elevanten digitalen Kanäle. Mitglied Data­trans, ein Unternehmen mit
dem Claim «swiss e-payDie interne Abteilung E-Busiment competence», die SBB
ness plant, entwickelt und
Die mobile
seien bestrebt, «unseren
vermarktet alle Online- und
Kunden einen einheitlichen
Mobile-Plattformen der SBB. Website der SBB
­Zugang und ein geräte­­un­
Weitere Zusatznutzen verzeichnet über
abhängiges Kauferlebnis
­seien sehr wertvoll, so der
10 Millionen
zu bieten. Wir beabsichtiLeiter E-Marketing weiter.
gen, SBB Mobile stärker in
«Der Kunde findet Infor­ ­Visits pro Monat.
die Social-Media-Plattformationen zu den Leistungen
und Services am Bahnhof oder kann über men einzubinden und den Funktionsumein mobiles Formular unmittelbar eine fang mit sinnvollen Neuerungen zu erweiVerlustanzeige aufgeben.» Diese Dienst- tern, indem wir zum Beispiel verstärkt
daten miteinbeziehen. Das Smartleistung sei also bereits flexibel, einfach Geo­
und zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort phone wird zusehends zum Zugangs- und
tifikationsgerät. Der M-Commerce
­abrufbar, wie Grüring ergänzend ausführt. Iden­
Das ist ein guter Start, doch die Be- spielt dabei eine bedeutende Rolle, weil er
quemlichkeit für den Reisenden dürfte den medienbruchfreien Zugang zu
noch höher sein. Zu erfahren, dass sich ein Transak­tion und Leistung ermöglicht.»
halbe Hundertschaft innovativer Gross­
firmen wie Apple, Coop, Microsoft, Mig- Begleitende Marketing-Kampagnen
Grüring fügt hinzu: «Oberstes Gebot
ros, Ricardo, SBB, SIX Group oder Swiss
Post zum Verband «smama», «the swiss soll eine einfache und intuitive Benutzermobile association», zusammengeschlos- führung mit wenigen Klicks sein.» Dieser
sen hat, zaubert dem mobilen Geschäft mobile Vertriebs­kanal soll logischerweise
mit allen gängigen Smartphones und
­Betriebssystemen nutzbar sein.
Wie sehen die Nutzerzahlen aus? Die
Website der SBB gehört zu den Schweizer
Online- und Mobile-Plattformen mit der
grössten Reichweite. Sie verzeichnet über
10 Millionen Visits pro Monat. Die App
von SBB Mobile wurde bereits über
2,5 Millionen Mal heruntergeladen, was
pro Jahr zu rund 4 Millionen verkauften
M-­Tickets führt. Mehr als die Hälfte der
E-­Tickets sind bereits M-Tickets. Mobile
Web verzeichnet über 1 Million Visits pro
Monat. Der SBB-Fahrplan wird sogar täglich rund 1 Million Mal konsultiert.
Um die Erfolgsgeschichte laufend weiJeannine Pilloud, Leiterin Personenverter zu schreiben, lancieren die SBB regelkehr der SBB, führt die Sparbillette ein.
mässig Marketing-Kampagnen, etwa zum
Launch von SBB Mobile für Android oder
So kostet etwa die Strecke von Zürich
zur Bekanntheitssteigerung der SBB-Sparnach Arosa (Vollpreis) ab 24.60 statt
billette. Reicht virtuelle Werbung für reale
49.– Franken. Eine Reise von Luzern
Leistungen aus? Dazu meint Patrick Comnach Locarno (Vollpreis) wird ab 28.–
boeuf, Leiter E-Business der SBB: «Ja, die
statt 56.– Franken angeboten. Die
SBB setzten zum Beispiel 2011 auf 4500
Fahrt von Genf nach Bern (Vollpreis)
verschiedene Bannervarianten, welche
ist ab 24.60 statt 49.– Franken zu
parallel geschaltet wurden. Zudem lan­haben. Wer ein Halbtax-Abo hat, spart
cierten sie Schnitzeljagden per Facebook,
zusätzlich. Gemäss den SBB ist zu
welche letztlich zu Plakatstandaktionen an
­beachten, dass die Zahl der Sparbillette
Schweizer Bahnhöfen führten.»
begrenzt ist und das gelöste Ticket nur
Sein Departement trägt übrigens den
auf einem bestimmten Zug gültig.
Claim «Information – Inspiration – Interaktion – Transaktion».
Preise wie vor 30 Jahren
Aktion Anfang März lancierten die SBB
gemeinsam mit weiteren Anbietern
des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) die
Sparbillette-Kampagne. Bei Online-­
Buchungen können Kunden bis zu 50
Prozent auf den normalen Billettpreis
einsparen. Damit kostet eine Bahnfahrt
so wenig wie 1983 – wie «damals»
eben. Und dies zur Qualität von heute
mit den neusten Zügen, schnelleren
Reisezeiten und besserem Angebot.
Idee «Die Sparbillette ergänzen unser
bestehendes Sortiment sinnvoll. So
können wir freie Plätze in den Nebenverkehrszeiten besetzen und kurbeln
den Freizeitverkehr mit der Bahn
­zusätzlich an», umschreibt Jeannine
­Pilloud, Leiterin Personenverkehr der
SBB, das Ziel der neuen Kampagne,
die von Fernsehspots begleitet wird.
Tarife Wer online bucht und seinen
Reisezeitpunkt flexibel wählen kann,
profitiert von stark reduzierten Preisen.
85 Jahre Mobile-Erfahrung
«smama» Der junge Schweizer Dachverband hat unter Präsident Andreas Schönenberger viel vor.
Norman C. Bandi
«Wir treiben das Mobile Business der
Schweiz voran. Damit die kommerzielle
Bedeutung des mobilen Interaktions­
kanals im Marketing-Mix mit der dynamischen Marktentwicklung und Nutzung als
­Massenmedium Schritt halten kann», so
das Mission-Statement von «smama»,
«the swiss mobile association», mit Geschäftsstelle in Frauenfeld TG. Der neue
Schweizer Dachverband für Unternehmen­
und Organisationen, die sich mit dem
­Zukunftsmarkt Mobile Business befassen,
wurde vor knapp einem Jahr gegründet.
Geschäftsführer ist Fritz Reust (15
Jahre Mobile-Erfahrung). Präsident ist
­Andreas Schönenberger (6 Jahre MobileErfahrung), früherer Country Manager
von Google Schweiz und derzeitiger Ver­
waltungsrat der Publigroupe. Insgesamt
vereint der neunköpfige Vorstand total
85 Jahre Mobile-Erfahrung auf sich. Zusätzlich hat «smama» einen Thinktank aus
Business Leaders zusammengestellt. «Er
hat sich erstmals zusammengesetzt und
seine Ziele für das laufende Jahr definiert.
Und mit dem Ressort Startups fördern wir
Newcomer mit Potenzial im Mobile Business», ergänzt Andreas Schönenberger.
«smama» gehören nach einem Jahr
­bereits 62 Mitglieder an, darunter Unternehmen oder Organisationen wie Allianz,
AMAG, Apple, Canon, Comparis, Coop,
Datatrans, Deloitte, Dun & Bradstreet,
Flughafen Zürich, Gbanga, GfM, Goldbach, Google, Local.ch, Micro­soft, Migros,
Netcetera, NZZ, Postfinance, Publicitas,
PwC, Ricardo, Ringier, SBB, SIX Group,
Swiss Marketing, Swiss Post oder Tamedia.
«Wir wollen auch 2013 weiter wachsen»,
sagt Präsident Schönenberger – bis Ende
Jahr sollen es an die 100 Mitglieder sein.
«smama» widmet sich in ihren Fachgruppen folgenden sechs Hauptthemen:
• M-Marketing sind Marketing-Mass­
nahmen unter Verwendung von mobilen
Endgeräten mit dem Ziel, Konsumenten
möglichst direkt zu erreichen und zu
einem­bestimmten Verhalten zu führen.
• M-Advertising ist bezahlte, öffentliche,
unpersönliche Bewerbung einer auf Überzeugung zielenden Botschaft durch einen
namentlich genannten Auftraggeber.
• M-Apps/M-Internet sind Anwendungen,
die das IT-System eines Unternehmens
mit mobilen Endgeräten verbinden, um
Geschäftsprozesse zu unterstützen.
• M-Content ist eine Applikation (Anwendung) des M-Commerce, aufbauend auf
dem Begriff Content für Inhalte des stationären Internets; im Fachjargon hat sich
die Bezeichnung M-Content etabliert.
• M-Commerce ist eine spezielle Ausprägung des elektronischen Handels unter
Verwendung drahtloser Kommunikation
und mobiler Endgeräte.
• M-Technology befasst sich unter anderem mit Funktechnologien (etwa UMTS,
WLAN oder Bluetooth) in Verbindung mit
mobilen Endgeräten (etwa Featurephones,­
Smartphones oder Tablets).
Swiss Poster Award
– Bronze «Kultur»:
«Poliuto» (Oper) für
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Studio Geissbühler.
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