Pferdefuß bei der Produkt-Promotion Schleichwerbung in ärztlicher Informationsbroschüre werbung vor Gericht verantworten zu müssen. Autorin: RAin Dr. Gabriele Pietzko, Köln UR TEIL: Gericht: OLG München Aktenzeichen:29 U 4589/04 Datum: 20.01.2005 Mancher Arzt ist von bestimmten Produkten des Gesundheitsmarktes derart überzeugt, dass er es sich nicht nehmen lassen will, seine Patienten hierüber umfassend zu informieren. Geben Ärzte zwecks Informationsvermittlung Broschüren für ihre Patienten zu ausgewählten Gesundheitsthemen heraus, die einerseits reine medizinische Fachinformation beinhalten, andererseits aber auch gewerbliche Anzeigen für die bevorzugten Produkte vorsehen, laufen sie schnell Gefahr, sich wegen des Vorwurfs der Schleich- Sachverhalt Arzt A will seinen Patienten das Thema Nahrungsergänzung näher bringen. Er stößt er auf ein Nahrungsergänzungsmittel der X-GmbH, welches seiner Beurteilung nach hierzu äußerst geeignet erscheint. Daraufhin wendet sich A mit einem Schreiben an den Geschäftsführer der X, worin er zum Ausdruck bringt, dass seiner Meinung nach dieses Produkt das einzige auf dem Markt sei, welches alle Empfehlungen der Ernährungswissenschaftler zur täglichen Nahrungsergänzung in sich vereine, da es insbesondere alle hierzu notwendigen Inhaltsstoffe (die im einzelnen aufgelistet werden) vorsehe. Auch seine Patienten seien von dem Mittel begeistert. Dieses Schreiben veröffentlicht die X-GmbH auf ihren Seiten im Internet, ohne dass A dem zugestimmt hat. A gibt in seiner Praxis auch eine selbst verfasste Broschüre „LEBENSMITTEL UND VITALSTOFFE – DIE BASIS DER GESUNDEN ERNÄHRUNG“ heraus, worin er vertritt, dass viele Menschen mit der täglichen Nahrung nicht genügend Vitalstoffe zu sich nähmen. Nach Ausführungen dazu, was Vitalstoffe sind sowie zu Zusammenhängen zwischen Vitalstoffmangel und verschiedenen Krankheitsbildern folgt zunächst die Überschrift „Nahrungsergänzung – aber wie ?“ folgender Absatz: Der enorme Erkenntniszuwachs in den letzten Jahren über die große Bedeutung von Vitalstoffen hat eine Vielzahl von Herstellern auf den Plan gerufen, die mit mehr oder weniger seriösen Produkten und Aussagen den Gesundheitsmarkt schier überschwemmen. In regelmäßigen Abständen wird in der Öffentlichkeit die eine oder andere Substanz als das Nonplusultra für die Gesundheit gefeiert. Einzelne Vitamine werden synthetisch hergestellt und als Massenprodukt verkauft. Doch wir benötigen immerhin rund 50 Nährstoffe und zusätzlich noch eine Vielzahl von bioaktiven Pflanzeninhaltsstoffen. Unter der Überschrift „Wie erkenne ich also ein gutes nahrungsergänzungsmittel?“ auf der vorletzten redaktionell bearbeiteten Seite folgt die Auflistung der Kriterien eines idealen Nahrungsergänzungsmittels, die nahezu deckungsgleich mit denen des Produktes der X-GmbH sind. Hieran anschließend folgen unter der Überschrift„Anzeige“ drei Seiten Werbung für das Nahrungsergänzungsmittel der X-GmbH in der Weise, dass das Schreiben des A an die X abgedruckt ist. Dies ruft die Wettbewerbszentrale auf den Plan, die als alleinigen Zweck der Broschüre die Schleichwerbung für das Produkt der X sieht, was nach §§ 3, 4 Nr. 3 UWG untersagt sei. Gleichzeitig verstoße A hierdurch gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 9 HWG, für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise mit Veröffentlichungen, deren Werbezweck missverständlich oder nicht deutlich erkennbar sind, zu werben. A meint, die Broschüre diene allein der Information (potentieller) Patienten und damit natürlich auch der Werbung für seine eigene Praxis. Es sei aber weder Haupt- noch Nebenzweck, Werbung für in Produkt der XGmbH zu machen. Die Wettbewerbszentrale verlangt, dass A die Werbung für das Produkt der X-GmbH mit der Broschüre unterlasse. Zu Recht ? Bedeutung für die Praxis Vor dem Hintergrund des heutzutage für Nichtmediziner zunehmend undurchschaubareren Angebots auf dem Gesundheitsmarkt sind viele Ärzte geneigt, zum Wohle ihrer Patienten umfassende Sachinformationen zu gewissen Gesundheitsthemen anzubieten und in diesem Zusammenhang auch Produkte herstellender Unternehmen zu empfehlen. Dies geschieht oft auch in Form der Herausgabe von Praxisbroschüren. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die rein fachliche Sachinformation über Gesundheitsthemen im Patienteninteresse erlaubt ist; deren Verbindung mit empfehlenden Hinweisen auf als besonders hochwertig angesehene Produkte innerhalb der Broschüre kann jedoch schnell ein unlauteres Wettbewerbshandeln in Form der nicht zulässigen „Schleichwerbung“ darstellen: Hierunter sind Werbemaßnahmen zu verstehen, die als solche für den Adressaten nicht erkennbar sind, was z.B. in der Form der Einbindung eines Produktes oder eines Unternehmens in einen redaktionellen Text denkbar ist. Ob der Verfasser hierfür eine Vergütung seitens des Produktherstellers oder des Unternehmens erhält, ist für den Charakter der Schleichwerbung nicht entscheidend. Ein solches Werbeverhalten ist vor dem Hintergrund des Verbraucherschutzes als unlautere Wettbewerbshandlung untersagt. Handelt ein Arzt, der sich dieser Problematik nicht gewahr ist, diesen Anforderungen zuwider, kann er nicht selten geschehen, dass er sich vor Gericht mit dem Vorwurf der unerlaubten Schleichwerbung konfrontiert sieht. Mit dieser Problematik hatte sich vorliegend das OLG München zu befassen. Entscheidung 1. Ärzten ist es grundsätzlich erlaubt, wahrheitsgemäße Sachinformationen zu ihrer Berufstätigkeit und Gesundheitsthemen zu geben, um die Bevölkerung zu informieren. Der Werbung für Arzneimit- tel, Verfahren, Behandlungen oder Lebensmittel sind jedoch durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG), das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) – insbesondere zum Schutz der nicht medizinisch geschulten Verbraucher – enge Grenzen gesetzt: Zweck dieser Beschränkungen ist es, den Patientenschutz zu gewährleisten und das Vertauen in die medizinische Autorität des Arztes zu schützen. Zwar steht auch dem Arzt die Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 des Grundgesetzes zu. Diese kann jedoch durch gesetzliche Regelungen (wie z.B. UWG und HWG) beschränkt werden, wenn diese Gesetze ihrerseits unter Abwägung des hohen Gutes der Meinungsfreiheit und der Volksgesundheit andererseits nicht selbst unverhältnismäßig sind. So unterliegt auch die Werbung für Nahrungsergänzungsmittel diesen werblichen Beschränkungen: Je nach deren Einordnung als Arzneimittel (wenn nach der Verkehrsanschauung Zweck das Heilen krankheitsbedingter Beschwer den ist) oder Lebensmittel (wenn überwiegender Zweck die Nahrungsergänzung ist) richten sich die Werbebeschränkungen nach den Vorschriften des HWG oder denen des LMBG. Darüber hinaus müssen Ärzte die allgemeinen Regelungen des Wettbewerbsrechts beachten, wonach unlautere Wettbewerbshandlungen untersagt sind. Unlauter in diesem Sinne handelt gemäß § 4 Nr. 3 UWG insbesondere, wer den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert. Zweck des Verbots sog. „Schleichwerbung“ ist es, dass der Adressat von Maßnahmen mit Werbecharakter diese grundsätzlich auch als solche erkennen können soll, um nicht einer unbewussten „Manipulationsgefahr“ seitens des Werbenden ausgesetzt zu sein. 2. Vor diesem Hintergrund hatte das OLG die Frage vorrangig zu prüfen, ob der Arzt durch die Veröffentlichung seiner Broschüre unzulässige „Schleichwerbung“ für sich oder das Produkt der X-GmbH i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 3 UWG betrieben hat, also heimlich unter Verschleierung seiner wahren Absichten für seine Praxis oder das Produkt der X-GmbH im „Gewande“ einer sachlich informierenden Broschüre geworben hat. a. ) Das Gericht führt zunächst aus, dass in der Veröffentlichung der Broschüre eine sog. Wettbewerbshandlung des A zu sehen sei, d.h. eine Handlung mit dem Ziel, zu Gunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern. Die Veröffentlichung der Broschüre durch A sei objektiv geeignet, den Warenabsatz zu fördern, da die Broschüre den Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln befürworte und sich so eigne, nachfragefördernd zu wirken. Auch die Absicht des A, sowohl den eigenen wie auch den Wettbewerb der X-GmbH zu fördern, stehe nicht in Frage: A habe selbst eingeräumt, dass die Broschüre auch der Werbung seiner eigenen Praxis diene. Aber er habe auch den Wettbewerb der X-GmbH fördern wollen: Dafür spreche schon die nahezu lückenlose Übereinstimmung der von A aufgestellten Kriterien (im redaktionellen Teil) mit den nachfolgend in der Anzeige dargestellten Eigenschaften des Produkts. Auch wenn die von A aufgezählten Kriterien objektiv gerechtfertigt sein sollten, sprächen die Anpreisungen im Zusammenwirken mit der unmittelbaren Gegenüberstellung zur Werbeanzeige für die Absatzförderungsabsicht. Daher habe die Veröffentlichung der Broschüre durch A Wettbewerbscharakter. b. ) Weiterhin musste das OLG die Frage klären, ob die konkrete Darstellungsweise der Broschüre den Werbecharakter dieser Wettbewerbshandlung verschleiert. Hierzu führt das Gericht zunächst aus, dass der Text mit der Überschrift „Wie erkenne ich also ein gutes Nahrungsergänzungsmittel?“ übermäßig anpreisende Werbeaussagen enthalte und deshalb nicht als lediglich redaktioneller Text ohne Werbecharakter anzusehen sei. Dieser sei nicht bloß eine Aufzählung der Kriterien, sondern preise darüber hinaus ein Produkt, das die genannten Kriterien erfüllt, in einer Weise an, die von einem werblichen Überschuss ohne sachliche Rechtfertigung geprägt sei. Zudem spreche die unmittelbare räumliche Nähe des Texts zur Werbeanzeige für einen solchen Werbecharakter. Dieser Werbecharakter werde vorliegend auch verschlei- ert: Der Leser der Broschüre messe dem redaktionellen Text des A, der für sich Vertrauen in seine Sachkompetenz als im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel erfahrener Arzt in Anspruch nimmt, als fachlich orientierter und neutraler Instanz größere Bedeutung bei und stehe ihm unkritischer gegenüber als den werbenden Behauptungen von Inserenten. Der Leser erwarte nicht, dass in einem derartigen Text Werbung enthalten sei und könne sie nicht klar als solche erkennen. Seine Platzierung im redaktionellen Teil der Broschüre verschleiere daher den Werbecharakter dieses Texts. c. ) Darüber hinaus führt das OLG aus, diese unlautere Wettbewerbshandlung des A sei auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil sowohl der Verbraucher als auch anderer Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht nur unerheblich, sondern wesentlich zu beeinträchtigen. Gerade die Inanspruchnahme von Vertrauen in seine Eigenschaft als Arzt ermögliche es A, bei medizinisch nicht fachkundigen Lesern, an die sich die Broschüre richtet, in besonders wirksamer Weise den Eindruck zu erwecken, gerade das anschließend offen beworbene Produkt der X-GmbH verdiene besondere Wertschätzung. Durch das Ausnutzen dieses Vertrauens beeinflusse A besonders wirksam die freie Entschließung des Lesers als Kunden, ohne dass der sich dessen bewusst würde. Daher hat das OLG in der Veröffentlichung der Broschüre eine unerlaubte Schleichwerbung i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 3 UWG und so eine unerlaubte Form des Werbens für seine Praxis wie auch für das Produkt der X-GmbH gesehen. Vor diesem Hintergrund hat es dann die Frage dahinstehen lassen, ob die vorliegende Veröffentlichung der Broschüre als Werbung für Nahrungsergänzungsmittel dem HWG unterliegt und in diesem Falle ebenfalls ein Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Nr. 9 HWG vorgelegen hat. Fazit Ärzten ist die wahrheitsgemäße Sachinformationen zu ihrer Berufstätigkeit und Gesundheitsthemen erlaubt. Sie müssen hierbei – neben Sondergesetzen (HWG/ LMBG etc.) bei der Werbung für Arznei- oder Lebensmittel - die allgemeinen Regeln des Wettbewerbsrechts (UWG) beachten, das unlautere Wettbewerbshandlungen untersagt. Unlauter i.S.d. UWG handelt insbesondere, wer den Werbecharakter von Wettbewerbshandlungen verschleiert. Solche „Schleichwerbung“ bezeichnet sämtliche Werbemaßnahmen, die als solche für den Adressaten nicht erkennbar sind. Schleichwerbung kann auch in Form der Einbindung eines Produktes/Unternehmens in einen redaktionellen Text vorliegen. Schleichwerbung liegt aber auch dann vor, wenn zwar redaktioneller Text und Werbeanzeige räumlich getrennt dargestellt sind, aber im redaktionellen Text aufgestellte (auch zutreffende) Qualitätskriterien eines Produkts lückenlos mit dem nachfolgend beworbenen Produkt der Anzeige übereinstimmen und dieses aufgrund der konkreten Darstellungsweise dem Text unmittelbar gegenüberstellt. Der in diesem Fall gegebene Werbecharakter der Broschüre ist auch „verschleiert“, denn der Leser steht dem redaktionellen Text eines Arztes, der für sich Vertrauen in seine ärztliche Sachkompetenz in Anspruch nimmt, unkritischer gegenüber als gewöhnlichen werbenden Aussagen Dritter. Daher ist bei der Abfassung ärztlicher Informationsbroschüren Vorsicht geboten, da diese verbunden mit einer Anzeige schnell zur unlauteren Schleichwerbung werden können. RAe Pietzko Siekmann Pietzko Bachemstr. 8, 50676 Köln Redaktioneller Ansprechpartner: RAin Nicole Dura T +49 221 921228 240 F +49 221 921228 7240 [email protected]