10 München+Region WOCHENENDE, 13./14. FEBRUAR 2016 Neue -Serie: Top-Ärzte erklären ihre besten Therapien D er Rücken sticht und brennt, Knochen und Gelenke schmerzen, Husten hält sich hartnäckig, die Augen lassen nach, der Kreislauf spielt verrückt. Mal Hand aufs Herz: Fast jeder von uns kennt solche klassischen Beschwerden – oder zumindest ein Familienmitglied, einen Freund oder einen Arbeitskollegen, der darunter leidet. Aber längst nicht alle Betroffenen wissen, wie vielschichtig, effektiv und schonend die moderne Medizin den meisten Patienten helfen kann. Dazu liefert die tz jetzt einen Überblick – mit einer neuen Serie zu Volkskrankheiten bzw. Beschwerden, die vielen Menschen zu schaffen machen. Wir konnten über 130 Top-Ärzte aus München und der Region dafür gewinnen, ihre besten Therapien zu verschiedenen Volkskrankheiten zu erklären – natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit (siehe Beipackzettel zur Serie rechts). Denn die Bandbreite der Behandlungsmöglichkeiten ist gewal- Das Herz tig, und es entwickeln sich gerade in München, einer Hochburg der Hochleistungsmedizin, praktisch laufend interessante Alternativen. Mit unserer Serie wollen wir Sie, liebe Leser, dabei unterstützen, sich im InfoDschungel aus Therapieangeboten und Fachchinesisch besser zurechtzufinden. Wichtig dabei: Die Erläuterungen der Experten dienen zur Orientierung, können aber die persönliche Beratung durch einen oder besser mehrere Ärzte in keinem Fall ersetzen. ANDREAS BEEZ Neue Herzklappe Bypass-OP Heute: Der Beipackzettel zu unserer Medizin-Serie ■ Wechselwirkungen: Die Ärzte, die in unserer Serie jeweils nur eine Therapie bzw. eine Erkrankung erklären, kennen sich oft auch bei anderen Behandlungsmöglichkeiten bzw. Krankheitsbildern gut aus. Umgekehrt gilt: Es gibt in der Regel auch viele andere Ärzte, die die hier vorgestellten Therapien gut beherrschen. Unser Experte Unser Experte Prof. Rüdiger Lange, Deutsches Herzzentrum, München, Lazarettstr. 36, 80636 M., T.: 089-12184111, www.dhm.mhn.de Prof. Christian Hagl, Uniklinikum Großhadern, Marchioninistr. 15, 81377 München, Tel.: 089/4400-72950, www.klinikum.uni-muenchen.de Art bzw. Bezeichnung der Therapie Art bzw. Bezeichnung der Therapie Kathetergestützte Implantation einer Aortenklappenprothese (TAVI). Übersetzt: neue Herzklappe. Diese Untersuchungen sind nötig Befragung, körperliche Untersuchung, Untersuchung des Blutes, Ultraschalluntersuchung des Herzens, Herzkatheter-Untersuchung mit Darstellung der Blutgefäße am Herzen, Ultraschall-Untersuchung der Halsgefäße und der Blutgefäße an der Leiste, Computertomografie (CT), Untersuchung der Zähne und der Nasennebenhöhlen. Die typischen Beschwerden Atemnot bei körperlicher Belastung (beispielsweise Treppensteigen) oder auch in Ruhe, Schwindel, kurzzeitige Bewusstlosigkeit, Druckgefühl oder stechende/brennende Schmerzen im Brustkorb. Das Einsatzgebiet Ältere Patienten ab 75 Jahren mit Verkalkungen der Aortenklappe, die zu einer Verengung (Stenose) der Aortenklappe geführt haben und deren Risiko bei einer herkömmlichen Herzklappen-OP als hoch eingeschätzt wird. So funktioniert’s Ein Katheter – das heißt: ein dünner, biegsamer Kunststoffschlauch, in dem eine Herzklappenprothese verpackt ist – wird über ein Blutgefäß in der Leiste in die große Körperschlagader (Aorta) eingeführt und bis zum Herzen bzw. bis in die Aortenklappe vorgeschoben. Die im Katheter befindliche Herzklappenprothese wird aus dem Katheter freigesetzt, drückt die erkrankte Herzklappe zu Seite und übernimmt deren Ventilfunktion. Der Ablauf Der Eingriff wird in einem speziell dafür eingerichteten modernen Operationssaal durchgeführt und dauert ca. 1 bis 2 Stunden. Eine Katheter-HerzEr wird in Allgemein- oder Dämklappe (TAVI) merschlafnarkose gemacht – in Abhängigkeit vom Zustand und den Erfordernissen des Patienten. Im Anschluss wird der Patient auf der Intensivstation überwacht und am Folgetag auf die Pflegestation verlegt. Hier schließt sich ein ca. einwöchiger Aufenthalt mit intensiver Krankengymnastik an. Etwa 5 Tage nach der Operation werden Kontrolluntersuchungen (Ultraschall-Untersuchung des Herzens, Röntgen-Untersuchung des Brustkorbs) durchgeführt, bevor die Anschlussheilbehandlung in einem Rehabilitationszentrum beginnt. Chancen und Risiken Das Verfahren ist zurzeit noch eher älteren Patienten vorbehalten, die zusätzliche Begleiterkrankungen aufweisen. Darüber hinaus kommt es auch zur Anwendung, wenn die Patienten aus bestimmten Gründen ein außergewöhnlich hohes Risiko für eine herkömmliche Operation aufweisen. Herzrhythmusstörungen können auftreten. In manchen Fällen ist es erforderlich, einen Herzschrittmacher einzusetzen, wenn das Herz nach dem Herzklappeneingriff zu langsam schlägt. Kosten Werden von allen Krankenkassen übernommen, wenn die international anerkannten Richtlinien eingehalten werden. Anmerkungen, Erläuterungen Eingriffe dieser Art werden seit 2006 am Deutschen Herzzentrum München (DHM) durchgeführt. Damit war das DHM eine der ersten Kliniken in Deutschland, die dieses neue Verfahren angewendet haben. Bisher wurden mehr als 2000 Patienten erfolgreich behandelt. Teil 1 Foto: dpa Bypass-Operation. Diese Untersuchungen sind nötig Befragung, körperliche Untersuchung, bildgebende Verfahren wie Herzkatheter und/oder Computertomografie (CT), Untersuchung der Lungenfunktion, Untersuchung der Halsschlagadern, Untersuchung weiterer Organsysteme wie Niere und Leber. Fachbegriffe ■ Indikation: Grund bzw. Notwendigkeit für eine medizinische Maßnahme. Wenn eine Therapie indiziert ist, bedeutet das: Sie ist angezeigt bzw. ratsam. ■ Anamnese: Ein Gespräch, in dem der Arzt den Patienten zur Art und den Details seiner Beschwerden sowie zu seiner Leidensgeschichte befragt. Die typischen Beschwerden Patienten klagen häufig über Brustschmerzen unter Belastung und/oder bei Kälte. Diese können in Rücken, Arme, Bauch oder auch Hals ausstrahlen. Manchmal treten Schmerzen auch in Ruhe oder bei Aufregung auf. Bei zunehmenden Schmerzattacken ist das als Warnsignal für einen Herzinfarkt zu werten. Dann sollte man sofort zum Hausarzt, Kardiologen oder auch Herzchirurgen gehen. Stents (Gefäßstützen) Unser Experte Prof. Michael Block, Klinik Augustinum, Wolkerweg 16, 81375 M., Tel. 089/ 7097 1154, www.augustinumkliniken.de Das Einsatzgebiet Sind mehrere Herzkranzgefäße gleichzeitig betroffen oder bei jüngeren Patienten, vor allem mit Diabetes mellitus, bestehen bei der Bypass-OP Vorteile gegenüber den Katheterverfahren. Bei bestimmten Indikationen (siehe Fachbegriffe oben) sind beide Verfahren gleichwertig. Art bzw. Bezeichnung der Therapie So funktioniert’s In der Regel werden Gefäße aus Bein oder Arm als Bypass-Material verwendet. Diese funktionieren wie Umleitungen um die Engstellen in den Herzkranzgefäßen. In der Regel muss der Brustkorb dafür geöffnet werden, eine Herz-Lungen-Maschine hält den Kreislauf aufrecht und schützt das Herz vor Schäden. Am Ende führt die OP zu einer deutlich verbesserten Durchblutung des Herzens. Der Ablauf Patienten werden in tiefer Narkose operiert. OP-Dauer 2 bis 3 Stunden. Nach der OP werden die Patienten mindestens 12 bis 24 Stunden auf der Intensivstation überwacht. Danach Verlegung auf Normalstation und frühzeitige Mobilisation (Aufstehen, Waschen). Der Klinikaufenthalt dauert zwischen 8 und 12 Tage. Danach Reha. Chancen und Risiken Die Bypass-OP hat eine sehr hohe Erfolgsquote, das Risiko ist für eine Herz-OP als eher gering einzustufen. Natürlich hängt dies mit den Begleiterkrankungen und dem Alter des Patienten zusammen. Trotzdem sind bereits 15% der Patienten, die eine Bypass-OP bekommen, über 80 Jahre alt. Neben den bekannten Komplikationen, die bei jeder OP auftreten können, sind Wundheilungsstörungen, die Notwendigkeit von Herzschrittmachern, aber auch selten Schlaganfall oder Herzinfarkt zu nennen. Kosten Die Kosten werden von allen gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen, eine Anschlussheilbehandlung steht jedem Bypass-operierten Patienten zu. Anmerkungen, Erläuterungen Beseitigung von Verengungen der Herzkranzgefäße mit Stents. Diese Untersuchungen sind nötig Blutuntersuchung (u.a. auf Troponin, das bei Schädigung von Herzmuskelzellen freigesetzt wird), EKG oder Herzultraschall. Untersuchungen unter Belastung (EKG, Stressechokardiografie, Myokardszintigrafie, StressMagnetresonanztomografie) sowie Herz-Computertomografie. Die typischen Beschwerden Schmerzen im vorderen Brustkorb (Engegefühl = Angina pectoris) evtl. mit Ausstrahlung in Arme, Unterkiefer, Oberbauch oder zwischen die Schulterblätter. Entweder in Ruhe, zumeist anhaltend auftretend mit Verdacht auf akuten Herzinfarkt oder unter körperlicher Belastung. Das Einsatzgebiet Bei akutem Herzinfarkt sowie bei belastungsabhängiger Angina pectoris und/oder Nachweis einer Durchblutungsstörung in der Belastungsuntersuchung. In seltenen Fällen ist eine Bypass-OP vorzuziehen. So funktioniert’s Skizze eines Bypasses (blau) an einem verengten Blutgefäß Foto: A1PIX Bei Vorliegen einer schweren Erkrankung der Herzkranzgefäße ist es sinnvoll, verschiedene Therapieoptionen miteinander zu vergleichen. Hier steht der schonendere Eingriff eines mittels Katheter durchgeführten Verfahrens dem häufig länger anhaltenden Effekt der aufwendigeren OP gegenüber. Dabei sind Beratungen im Herzteam mit einem Kardiologen und einem Herzchirurgen wichtig. Ein circa 2 mm dickes Schläuchlein (Katheter) wird durch die Leiste oder den Arm eingeführt und bis ins Herz vorgeschoben. Beurteilung der Engstelle mit Bildgebung (Koronarangiografie) und Druckmessungen. Dann wird die Verengung mit einem dünnen (ca. 1/3 mm), weichen Draht passiert. Damit wird ein Ballon zur Verengung befördert. Er drückt Kalk, Fettpolster, Entzündungszellen und Gerinnsel, aus denen die Verengung besteht, nach außen. In Einzelfällen kommt auch ein Diamantbohrkopf zum Einsatz. Nach der Ballonerwei- terung wird ein Stent eingesetzt – eine zylinderförmige Gitterröhre –, um das Gefäß auf Dauer offen zu halten. Der Stent ist auf einem Ballon vormontiert und wird durch ihn mit hohem Druck an die Wand des Herzkranzgefäßes gepresst. Der Ablauf Eingriff unter lokaler Betäubung. Die Darstellung der Herzkranzgefäße ist nach ca. 10 min abgeschlossen. Die Reparatur an den Herzkranzgefäßen selbst kann zwischen einer Viertelstunde und 1 bis 2 Stunden schwanken. Nach dem Eingriff sollte der Patient über Nacht überwacht werden, nach einem Herzinfarkt länger. Bei einem Eingriff über die Leiste wird eine mehrstündige Liegezeit erforderlich. Bei Versorgung mit medikamentenbeschichteten Stents muss mit zwei Blutplättchenhemmern (häufig ASS und Clopidogrel) über zumindest 6 Monate nachbehandelt werden, um einen Verschluss des Stents durch eine Thrombose zu verhindern. Ausnahmen gibt es bei Patienten, die eine Blutverdünnung haben – z. B. mit Marcumar. Chancen und Risiken Etabliertes Therapieverfahren, das immer effektiver und sicherer wurde. 2014 ca. 50 000 Eingriffe in Bayern. Bei akuten Herzinfarkten wurde bei 89 % der Patienten das Herzkranzgefäß erfolgreich wiedereröffnet, bei geplanten Eingriffen in 95 % der Fälle. Für geplante Stentinterventionen berechnet sich die Komplikationsrate aus Herzkranzgefäßverschlüssen, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Todesfällen auf insgesamt 3,5 %, für akute Herzinfarkte sogar auf 9,4 %. Die Sterblichkeit während oder unmittelbar nach dem Eingriff liegt bei 2,8 % einschließlich aller Notfälle. Kosten Wird von allen Kassen bezahlt. Anmerkungen, Erläuterungen Bei komplizierten Fällen ist eine Beratung in einer Herzteam-Konferenz sinnvoll. Die Stentimplantation wird in der Klinik Augustinum München seit Jahrzehnten täglich bei mehreren Patienten durchgeführt.