Kirche Maria-Magdalena und Ludwigskirche in Freiburg Eine

Werbung
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg – Kunstgeschichtliches Institut
HS „Facetten des Raumes“ – SS 2009
Prof. Dr. Hans W. Hubert – Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander
Kirche Maria-Magdalena
und Ludwigskirche
in Freiburg
Eine architektonische Analyse
Katharina Arning – Matrikelnummer 1508636
Email: [email protected] – Kunstgeschichte HF, M.A.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
2
I
Ökumenische Kirche Maria Magdalena in Freiburg/ Rieselfeld
2
I.1
Zwei Kirchen – Eine Kirche: Ein ökumenisches Gemeindezentrum entsteht
2
I.2
Spannungsfeld: Die Kirche im Stadtraum
3
I.3
Widerstreitende Kräfte: Der Außenbau
4
I.4
Das Prinzip Schlichtheit: Der Innenraum
7
II
Evangelische Ludwigskirche in Freiburg/ Neuburg
11
II.1
Verpflanzt, zerstört, erstanden: Die Geschichte der Ludwigskirche
11
II.2
Bescheiden überragend: Die Kirche im Stadtraum
12
II.3
Tradition in modernem Gewandt: Der Außenbau
13
II.4
Harmonisierte Gegensätze: Der Innenraum
16
III
Fazit. Die Ludwigskirche und die Kirche Maria-Magdalena im Vergleich
19
Verwendete Literatur
21
Abbildungen
22
1
Einleitung
Zwischen dem Bau der Ludwigskirche (1952-54) und der Kirche Maria-Magdalena (200204) in Freiburg liegt genau ein halbes Jahrhundert. Innerhalb dieser fünfzig Jahre haben
die Zeiten sich geändert – die Baukunst hat neue Impulse erfahren, die Rolle der Kirche
im Alltag hat sich gewandelt. Es überrascht daher nicht, daß die je verschiedenen
Entstehungsgeschichten, -zeiten und Ansprüche an den Bau zu sehr unterschiedlichen
Entwürfen geführt haben. Durch eine Analyse der Architektur möchte die vorliegende
Arbeit die jeweiligen Besonderheiten der beiden Gebäude aufzeigen. Die Unterschiede
zwischen ihnen, aber auch ihre Gemeinsamkeiten, sollen im Folgenden deutlich werden.
I. Ökumenische Kirche Maria-Magdalena in Freiburg/Rieselfeld
I.1
Zwei Kirchen – Eine Kirche.1 Ein ökumenisches Gemeindezentrum entsteht
Für das Freiburger Neubaugebiet Rieselfeld waren von Beginn an auch Kirchen für die
katholische und evangelische Gemeinde vorgesehen. Ging man zunächst von separaten
Räumlichkeiten aus, so traten bald auf beiden Seiten finanzielle Engpässe in den
Vordergrund.
Die
Verbindung
ökumenischer
Bestrebungen
und
ökonomischer
Erwägungen führte 1995 zu dem Entschluß, die zwei Gemeinden unter einem Dach
zusammenzubringen. Nicht unbedeutend war hierfür das Angebot der Stadt Freiburg, für
ein gemeinsam genutztes Gebäude einen zentral gelegenen Bauplatz zur Verfügung zu
stellen. In einem Stadtteil, in dem die Gruppe der Nichtgetauften mit etwa 40 % einen
entscheidenden Anteil der Bevölkerung stellt (gegenüber etwa 35 % Katholiken und 25 %
Protestanten), konnten auf diese Weise zugleich die christlichen Kräfte an einem Ort
gebündelt werden2.
Der Neubau sollte nicht nur sakrale, für Gottesdienst und Andacht nutzbare Räume für
beide Konfessionen, sondern auch einen gemeinsamen Kirchenladen sowie Verwaltungsund Unterrichtsräumlichkeiten und ein Gemeindezentrum beinhalten. Es sollte ein
1
So lautet der programmatische Titel des Entwurfs der Architekten. Vgl. W. Zahner: Maria Magdalena.
Katholische und evangelische Kirche im Rieselfeld, S. 5.
2
Vgl. zum Vorangegangenen H.-J. Gehrke: „Von der Planung zur lebendigen Gemeinde“ – Kirche im
Rieselfeld. In R. Overmans (Hrsg.): In Gottes Wort gehalten. Die evangelische Kirchengemeinde Freiburg
1807-2007, S. 107-114 und M. Ludwig/ R. Mawick: Gottes neue Häuser. Kirchenbau des 21. Jahrhunderts
in Deutschland, S. 129.
2
Kirchenzentrum entwickelt werden, das, wie es in der Ausschreibung heißt,
„ökumenische, aber auch eigene Arbeit ermöglicht, Orte der Ruhe und der Aktion
beinhaltet, sich zur Umgebung öffnet und sich selbstbewusst in den städtebaulichen
Rahmen einfügt. Das Kirchenzentrum soll das ganzheitliche Verständnis von Kirche in
der heutigen Zeit zum Ausdruck bringen und gerade im Kontext mit dem neuen Stadtteil
Rieselfeld einen Weg für die Kirche ins nächste Jahrhundert zeigen“3. Durch seine
Architektur sollte das Gebäude „die vielfältigen Gemeinsamkeiten der beiden
Kirchengemeinden“4 hervorheben.
Nicht nur diese, auch die Spannungen zwischen den Konfessionen werden Arno Lederer
zufolge in der Architektur des Baus ansichtig: „Die Unterschiedlichkeit beider
Konfessionen“, so schreibt er, „lässt sich in jedem noch so schön gezeichneten Plan nicht
verbergen. Dieser neue Kirchenbau scheint gerade die Polarität zum Thema zu nehmen
und trägt nicht einer Harmonie Rechnung, die es (noch) nicht wieder gibt.“5 Inwieweit
dies zutrifft, wird im Folgenden auch zu untersuchen sein. Unter 176 eingereichten
Arbeiten wurde im Jahr 1999 der Entwurf des Architekturbüros Kister/ Scheithauer/ Gross
(Köln/ Leipzig) ausgewählt. Nach zweijähriger Bauzeit wurde das Kirchenhaus im Juli
2004 geweiht.
II.2
Spannungsfeld: Die Kirche im Stadtraum
Die Kirche Maria-Magdalena liegt prominent im Zentrum des Neubaugebiets Rieselfeld
am Maria-von-Rudloff-Platz, der an die Haupterschließungsachse des Viertels, die
Rieselfeldallee, angrenzt. Rundum von Straßen flankiert, ist der Platz fest in die
Verkehrsinfrastruktur des Stadtteils eingebunden und leicht aus jeder Richtung
zugänglich. Er öffnet sich so zur Umgebung. Inmitten der überwiegend dichten Bebauung
setzt er sich als weitläufige und offene – hierdurch exponierte – Freifläche vom
städtebaulichen Umraum ab.
Die Fläche wird von dem Kirchenbau am süd-westlichen Rand und der in der nordöstlichen Hälfte gelegenen Kultur-Mediothek beherrscht. Diagonal gegenüberliegend,
stellen die zwei Gebäude innerhalb der Struktur des Platzes ein gewisses Gleichgewicht
3
Zitiert nach W. Zahner, a. a. O., S. 1.
Ebd., S. 2.
5
A. Lederer: Doppelkirche für zwei Konfessionen, Freiburg. In: DAM Jahrbuch Architektur in Deutschland
(2003), S. 60.
4
3
her. Die nicht spannungsfreie, dezidiert verschiedenartige Erscheinung der beiden Bauten
– der graue, geschlossen wirkende Sichtbeton der Kirche gegenüber der allseitig
verglasten Stahlkonstruktion des Kulturzentrums – macht gleichwohl deutlich, daß beide
Häuser als je eigenständige Baukörper wahrgenommen werden wollen. Ein zentrales, an
die Hauptstraße grenzendes Baumcarrée versucht, sowohl eine Verbindung zwischen den
beiden Gebäuden herzustellen als auch den Platz als Ganzes der baumgesäumten
Hauptverkehrsstraße gestalterisch anzuschließen. Auch die schlanken Säulenlaternen des
Straßenraumes finden sich vereinzelt auf der Platzfläche wieder.
Der Kirchenbau fügt sich in den städtebaulichen Umraum nur schwer ein. Hierzu trägt die
exponierte Lage nicht unwesentlich bei. Die Dimensionen des klotzigen, mehr in die
Breite als in die Höhe strebenden Gebäudes und seine grauen Sichtbetonfassaden stehen
im Kontrast zu den umstehenden bunten, verhältnismäßig schlanken Häusern. Ein in den
Boden eingelassenes, in variierenden Abständen um den Kirchenbau herumgeführtes
schmales Band kennzeichnet als ‚Schwelle’ die Außenbezirke des sakralen Raumes und
setzt die Kirche dezent vom Umraum ab. Der Baukörper, so Christian Holl, „ist keine
schwellenlose Fortsetzung des öffentlichen Raums, sondern sein Gegenüber. Die Kirche
definiert einen eigenen Raum, einen Raum, der in einer Welt steht, aber auf eine andere
verweist“6.
Mit seinen 15 m Höhe bleibt der Betonblock gleichwohl gut zwei Meter unter der
Traufhöhenobergrenze der umliegenden Wohnhäuser7. Sein wehrhaftes Äußeres
relativierend, steht er so gleichsam im Schutz der ihn umgebenden Siedlungsbauten. Trotz
seiner Andersartigkeit und Monumentalität will der Kirchenbau den Stadtraum nicht
beherrschen. Die Institution Kirche, so mag diese Geste verstanden werden, schätzt – bei
aller Bedeutung, die ihr noch immer zukommt – ihre zunehmend sekundäre Rolle im
Alltag vieler Menschen, zumal im fast zur Hälfte ‚heidnischen’ Rieselfeld, realistisch ein.
II.3
Widerstreitende Kräfte: Der Außenbau
Die Spannungen, die das Verhältnis des Kirchenbaus zum städtebaulichen Umraum
charakterisieren, manifestieren sich auch im Baukörper selbst. Dieser konstituiert sich in
einem Wechselspiel von gegensätzlichen, sich gegenseitig stärkenden und zugleich
6
C. Holl: Schutzbau und Auffanggefäß. Doppelkirche für zwei Konfessionen in Freiburg-Rieselfeld. In:
Deutsche Bauzeitung, November 2004, S. 38.
7
Vgl. www.zeitzeichen.skileon.de/reportage/evangelische-katholische-kirche.
4
destabilisierenden Formen und Kräften. „Erst das gesamte Bauwerk“, wie es in einer
Stellungnahme der Architekten heißt, „ist in sich selbst ausbalanciert“8. Für die –
kontrastreiche – Wirkung des Außenbaus sind im Wesentlichen zwei Faktoren
verantwortlich:
1. Dem durch die monumentalen, unverputzten Betonfassaden evozierten Eindruck der
Ge-, wenn nicht Verschlossenheit des Baukörpers stehen die zahlreichen Fensterflächen
und Türen gegenüber, die, differenziert gestaltet, alle vier Außenwände durchbrechen und
so den hermetischen Ausdruck relativieren. 2. Die je vierfach gefalteten und sich
unregelmäßig nach innen und außen neigenden Ost- und Westwände kontrastieren mit den
lotrechten Fassaden der Nord- und Südseite. Diese setzen der Labilität der Konturen auf
der West- und Ostseite Standfestigkeit entgegen und stabilisieren die Schrägen.
Durch den Einbezug schräger Wandflächen habe man, so die Architekten, den Eindruck
von „Offenheit und Beweglichkeit wie bei einem Zelt“9 angestrebt. So als wolle es eine
Verbindung zu seiner Umgebung aufnehmen, lehnt sich das Gebäude nach Osten und
Westen in den Stadtraum hinein und wird als „Auffanggefäß“10 für Gläubige und
Interessierte lesbar. Der Umstand, daß das Kirchenzentrum von allen vier Seiten, teilweise
mehrfach, zugänglich ist und die Durchfensterung der Fassaden tragen zu diesem
Eindruck der Offenheit bei. Der durch die Abgrenzungsversuche vom umliegenden
Stadtraum und die massiven, trutzigen Betonwände erwirkte Charakter der Autarkie des
Bauwerks wird so teilweise neutralisiert.
Die durch die flüchtenden, asymmetrischen Formen der Ost- und Westwand erzielte
Bewegung findet ihr Gegengewicht in den ruhigen, lotrecht aufstrebenden Nord- und
Südfassaden. Das komplementäre Verhalten der sich gegenüberliegenden Wände (Nordund Südwand sind gerade, Ost- und Westwand schräg) stellt in der Gesamtheit der
„stürzenden und sich gegenseitig stützenden kristallinen Formen des Baukörpers“11 ein
ordnendes Element dar. Der Bau wirkt letztlich – auch aufgrund des Fehlens einer
Höhendynamik in Form eines Turmes o.ä. – trotz der labilen Strukturen geerdet. Indem
die Wände der Süd- und Nordseite parallel zum Platzrand (und somit zum Straßenverlauf)
zu stehen kommen, integriert das Gebäude sich strukturell in den vom Umraum
vorgegebenen Rahmen.
8
Aus einem Anschlag im Kircheninneren mit Kurzinformationen über den Bau, Fotos und Grundrissen.
Zitiert nach www.baunetzwissen.de/objektartikel/Beton_Kirche-Maria-Magdalena-in-Freiburg_69808.html
10
C. Holl, a. a. O., S. 40.
11
M. Löffelhardt: Architektur in Freiburg. Stadtführer zeitgenössischer Architektur ab 1990, S. 16.
9
5
Der Formenreichtum der Fenster und deren aschematische Anordnung haben zur Folge,
daß das Gebäude zu allen Seiten hin je verschieden in Erscheinung tritt. Es ist auf einen
Blick nicht zu erfassen. Der vielgestaltige Bau wehrt so einer (vor)schnellen und
leichtfertigen Aneignung.
Bei der Konzeption des Kirchenbaus war, wie der Vorsitzende des evangelischen
Gemeinderats, Hans-Joachim Gehrke, schreibt, „ein ganzheitliches Verständnis von
Kirche wirksam“12. Der Ort Kirche, so die inhaltlichen Anforderungen an den Bau, „hat
zwei Pole beziehungsweise Ausrichtungen: der eine Pol macht das Heilige, Jenseitige,
Transzendente sichtbar (Haus Gottes, Kultort, Altarraum, Meditation), der andere Pol
steht für die Welt, das Diesseitige (Gemeindezentrum, Bürgerhaus, Kommunikation,
Service, Büro, niederschwelliger Bereich)“13. Diese der Einrichtung immanente Dualität
teilt sich nach Außen hin mit.
Die Nordwand und die nördliche Hälfte der Ostwand werden von zahlreichen
gleichgroßen und in regelmäßiger Folge angeordneten Fenstern dominiert, wobei die
Addition einiger vertikaler Fensterschlitze im Norden und eines Glastürenensembles im
nördlichen Bereich der Ostwand die Monotonie der Struktur durchbricht. Dahinter liegt
der
viergeschossige
Verwaltungs-
und
Bürobereich
mit
Gruppenräumen
und
Gemeindesaal, das ‚Haus im Haus’. Ein großes Fenster öffnet die Ostwand mittig zum
evangelischen Kirchenraum. Südlich davon liegen das Schaufenster des ökumenischen
Kirchenladens und ein Zugang zum protestantischen Raum.
Die Südseite ist fensterlos, wirkt aber durch die dominante, zwei Drittel der Vertikalen
ausmessende Eingangsöffnung dem Eindruck der Verschlossenheit entgegen. Der
eigentliche Portalbereich ist etwa sieben Meter zurückgesetzt und läßt einen
rautenförmigen Vorplatz frei, in den von oben Licht einfällt. Als ‚Zwischenraum’ markiert
dieser den Übergang vom profanen in den sakralen Bereich. Ein hier in den Boden
eingelassenes Labyrinth bezieht sich als Zeichen für den gewundenen Lebensweg (noch)
auf allgemein-weltliche Belange, als Symbol für den Tod und die Auferstehung Jesu14
gleichzeitig (bereits) auf religiöse Inhalte. Der Besucher gelangt ohne die Überwindung
von Niveauunterschieden vom Stadtraum in das Kircheninnere. Hierdurch wird
signalisiert, daß die Kirche sich in einem vom Weltlichen verschiedenen, nicht aber
diesem notwendig übergeordneten Raum situiert.
12
A. a. O., S. 112.
Zitiert nach W. Zahner, a. a. O, S. 1 f.
14
Vgl. W. Zahner, a. a. O., S. 6.
13
6
Anders als die stark durchfensterten, sich nach außen öffnenden Wände der Nord- und
Ostseite, weist die Fassade der Westwand, hinter der der katholische Kirchenraum liegt,
nur wenige schmale Fensterschlitze auf. Wie auch auf der Südseite bestimmen hier
geschlossene, ruhige Betonflächen die Erscheinung. In ihrer Gestaltung machen diese
Seiten des Baus den überweltlichen Aspekt von Kirche deutlich: Kirche erscheint als dem
profanen Raum abgewandter, meditativ-verschlossener, bergender und schützender Ort.
Demgegenüber bringen die aufgebrochenen, durchlässigen Nord- und Ostfassaden die
Verbindung der Kirche zum Diesseits zum Ausdruck: Kirche zeigt sich hier als
einladender und der Umwelt zugewandter Ort.
Auch die konkrete Verortung des Baus innerhalb der vier Himmelrichtungen kann
metaphorisch verstanden werden: die Sonne beleuchtet am Tagesbeginn den östlichen,
‚weltlichen’ Teil des Gebäudes. Ihrem Lauf folgend gelangt man gegen Abend (‚am
Lebensabend’) von der diesseitigen Sphäre in den westlichen, jenseitigen, heiligen
Bereich, in dem die Erfahrung des Transzendenten stattfindet.
Die Gestaltung des Bauwerks trägt meines Erachtens nicht, wie Arno Lederer glaubt15, der
Unterschiedlichkeit der beiden Konfessionen Rechnung, sondern der Dualität der
Institution Kirche als solche. Die architektonische Konzeption weist einen hohen
symbolischen Wertgehalt auf, der sich auch im Innenraum manifestiert.
II.4
Das Prinzip Schlichtheit: Der Innenraum
Der Grundriß der sakralen Räumlichkeiten deutet einen klassischen dreischiffigen
Kirchenbau an. Im westlichen Schiff liegt der katholische, im östlichen der kleinere Raum
der evangelischen Gemeinde. Durch die gemeinsame, zentrale Eingangshalle (das
Hauptschiff) sind die beiden Räume mittelbar verbunden. Deckenhohe, verschiebbare
Betontrennwände beiderseits der Halle machen die Öffnung der Kirchenräume zu dieser
hin und die Zusammenfassung der drei Kirchenschiffe zu einem großen Raum möglich.
Im rückwärtigen Hallenbereich befindet sich das gemeinsam genutzte Taufbecken. Dieses
dient symbolisch als verbindendes Element: In der Erlangung des Initionssakraments der
Taufe – das beide Konfessionen gleichermaßen anerkennen– vollzieht sich der Eintritt des
Individuums in die christliche Gemeinde. Wichtiger als die Frage, welcher der beiden
Konfessionen der Täufling sich anschließt, erweist sich der Entschluß, sich dem
15
Vgl. oben (S. 3 und Anm. 4).
7
Christentum als solches zuzuwenden – was die Lage der Taufstätte im gemeinsamen
Foyer veranschaulicht. Die Anlage der Räumlichkeiten verdeutlicht, so Gehrke, „dass die
immer noch notwendigen Trennwände ein störendes Element sind, dass sich die Kirche
erst richtig und ganz zeigt, wenn diese verschwinden“16. Die Konzeption des Innenraums
bringt die Gemeinsamkeiten der beiden Konfessionen zum Ausdruck.
Die Symbolik des Miteinanders zeigt sich auch im gemeinschaftlich betriebenen
Kirchenladen und im Inventar der Kirchenräume: beide sind mit den gleichen Stühlen und
dem
gleichen,
Massivholzaltar
von
der
Architektin
ausgestattet17.
Eine
Susanne
das
Gross
gesamte
entworfenen
Volumen
40-füßigen
überspannende
Holzbalkendecke, in die an der westlichen Peripherie jedes Raumes schmale, die
Raumlänge durchmessende Lichtbänder integriert sind, faßt die drei Raumeinheiten
thematisch zu einer Einheit zusammen. Auch in organisatorischen Belangen, darin, daß
beide Gemeinden denselben Namen tragen, die Gottesdienste parallel stattfinden und
verschiedene Festlichkeiten (Erntedank, Silvester, das Patrozinium) gemeinsam begangen
werden18, wird die gegenseitige Verbundenheit der Konfessionen deutlich.
Die Innenräume zeichnen sich durch stoffliche Kargheit aus. Der Reizüberflutung des
Außenraumes setzen sie die Einfachheit entgegen. Wie auch am Außenbau beherrschen
ungeschmückte Sichtbetonflächen (auch der Boden ist betoniert) das Bild. Diese
vermitteln eine Rohbauatmosphäre, die als „Sinnbild für Aufbruch“19 gelesen werden
kann. „Beton ist pur“, sagt die Architektin Gross20. In seinem Einsatz als Grundbaustoff
kommt sie der Forderung der beiden Gemeinden nach, derzufolge die verwendeten
Materialien „etwas von der natürlichen Schönheit der Schöpfung Gottes vermitteln
[sollen]“21. Von dieser legt auch die präzise kalkulierte Lichtregie Zeugnis ab. Durch die
Lichtbänder in der Decke und die vielgestaltigen Fenster leuchtet das Tageslicht, in je
anderem Winkel einfallend, die Räumlichkeiten differenziert aus. Im schmucklosen
Kircheninneren fungiert es (bald Streifen, bald andere Formen auf Wände und Boden
werfend) als wesentliches gestaltbildendes, dekoratives Element.
16
A. a. O., S. 112.
Auch der Altartisch weist auf die gemeinsamen Wurzeln des Glaubens hin, indem er, so Zahner, „an
biblische Erzählungen, wie die von den 40 Jahren, die das Volk Israel durch die Wüste wandern musste, den
(sic!) 40 Tagen und Nächten, die Moses auf dem Gottesberg und Jesus fastend in der Wüste verbrachte
[erinnert]“. A. a. O., S. 6.
18
Vgl. www.zeitzeichen.skileon.de/reportage/evangelische-katholische-kirche.
19
M. Löffelhardt, a. a. O., S. 18.
20
Zitiert nach www.zeitzeichen.skileon.de/reportage/evangelische-katholische-kirche.
21
Zitiert nach W. Zahner, a. a. O., S. 2.
17
8
Die Durchlichtung der Räume ist in hohem Maß vom Lauf der Sonne und von den
Wetterverhältnissen im Ganzen abhängig. Der direkte Einfluß der Witterungsbedingungen
auf die Atmosphäre des Kirchenraums macht die Wechselbeziehung zwischen ‚Innen’ und
‚Außen’ deutlich und mag im übertragenen Sinne als Zeichen der Einwirkung des
Transzendenten verstanden werden. Im Zurückgreifen auf die ursprünglichsten
Materialien bei der Gestaltung der Innenräume – Erde (d.h. ihre der Moderne angepaßte
Form Beton) und Licht – verbinden die Architekten symbolisch den Bereich des Irdischen
mit der Sphäre des Himmels. Gemeinsam mit dem unbehandelten Holz der
Deckenkonstruktion und dem des Inventars schließen sich diese – zufällig oder intendiert
– zu einer Materialien-‚Dreieinigkeit’ zusammen.
Die beiden Kirchenräume sind flächenmäßig vergleichsweise knapp bemessen, wobei der
protestantische mit etwa 100 Sitzplätzen (plus weiteren 25 auf der Empore an der Südseite
des Raumes) gegenüber 250 Sitzplätzen im katholischen Raum nochmals kleiner ausfällt.
Sowohl an der Nord- als auch an der Südseite des katholischen Raumes sind Emporen
angebracht, von denen die nördliche für die Kirchenorgel bestimmt ist und die
darunterliegende Sakristei nach oben hin abschließt. Unter der südlichen Empore ist ein
Andachtsbereich eingerichtet, der sich räumlich dezent absetzt. Eine weitere
kapellenartige Nische in der westlichen Längswand ist der Patronin der Kirche, Maria
Magdalena, gewidmet. Auch diese zeichnet sich durch Schlichtheit aus – nur ein auf die
Wand aufgebrachtes Bibelzitat und das auf Leinwand gedruckte Osterevangelium
(Johannes, 20), nicht aber Bildwerke, verweisen auf ihre Bestimmung. In Bezug auf die
üblichen Insignien wurde auch im Hauptraum mit Dezenz vorgegangen: so sind die
Stationen des Kreuzwegs mittels in die Wand eingelassener, kleiner Goldkreuze und
darüber befindlicher Wandkerzenhalter nur angedeutet; eine in der südlichen Raumhälfte
in eine Wandnische eingebrachte flache Weihwasserschale ist als solche kaum zu
erkennen; alle Fenster sind unbemalt. An den Kirchenraum schließen sich im Norden und
Süden separierte Gebetsräume an, von denen der südliche als ‚Raum der Stille’ auch von
Außen zugänglich ist.
Die Altäre in beiden Räumen sind mittig an der östlichen (evangelisch) bzw. westlichen
(katholisch) Längswand – nicht wie gewöhnlich an der Stirnseite des Raumes – platziert.
Halbkreisförmig gruppieren sich um diese die Stühle. Diese Anordnung hat verschiedene
Konsequenzen: Die in traditionellen Kirchengebäuden übliche Sichtweite ist erheblich
beschränkt, der Abstand zum Altar zugleich deutlich verringert. Es findet eine starke
9
Zentrierung auf diesen hin statt. Durch seine Lage inmitten des Stuhlhalbkreises ist der
Altarbereich nicht vom Restraum abgesetzt, sondern zum integrativen Bestandteil des
Gemeindebereichs geworden. Hierdurch, wie auch durch den Umstand, daß sich beide
Altäre ahierarchisch auf dem Niveau des Kirchenraumes befinden, kommt ein
demokratisches Verständnis von Kirche zum Ausdruck. Schon im Außenraum, von dem
der Besucher stufenlos in das Kircheninnere gelangt, ist dieses Motiv wirksam. Auch der
durch die schrägen Wände und die zahlreichen Fenster am Außenbau erzielte Eindruck
von Beweglichkeit und Offenheit der Kirche ist im Inneren fortgeführt: eine Vielzahl an
Türen verbindet hier die einzelnen Räumlichkeiten miteinander (Kirchenräume,
Eingangshalle, Kapellen, Gemeindesaal, Verwaltungszentrum, Kirchenladen), wodurch
die Bereitschaft zur Öffnung gegenüber der anderen Konfession wie auch die
Durchdringung von sakralem und weltlichem Raum deutlich wird.
Die Grundrisse der Kirchenräumlichkeiten sind asymmetrisch. In Verbindung mit den
schrägen (Ost- bzw. West-) Wänden bleibt dies nicht ohne Folgen für den Besucher. Die
lotrechte Wand ist, die Vertikale des aufrechten Ganges nachbildend, für die standfeste
Situierung im Raum bedeutsam. Fällt diese weg, so ist die Sicherheit des Standpunktes
beeinträchtigt. Positiv gewendet bedeutet dies, daß der Betrachter durch den (partiellen –
denn die Wände zur Eingangshalle hin sind gerade) Wegfall rechtwinkliger Wände mehr
‚Freiraum’ erhält. Auf diese Weise, wie auch durch die asymmetrische Grundform der
Räumlichkeiten, ist die ‚Lenkung’ des Besuchers vermindert. Dieser ist – in höherem Maß
als in üblichen rechtwinkligen Räumen mit lotrechten Wänden – dazu aufgefordert, sich
im Raum zu verorten, sich zum Raum in Beziehung zu setzen.
Der Zugewinn an individueller Freiheit kommt auch anderswo zum Tragen: durch die
kargen Sichtbetonflächen, durch den Mangel an Bild- und Schmuckwerk und durch die
Auflösung der traditionell autoritativen Position des Predigers entstehen Leerstellen
(Wolfgang Iser), die vom Betrachter ergänzend auszufüllen sind. Durch die erforderliche
Ergänzungsleistung ist der Besucher verstärkt mit sich selber konfrontiert22. Es handelt
sich insofern um ein individualisiertes Konzept von Kirche. Deren richtungsweisende
Kraft ist durch die besondere Konzeption des Bauwerks zugunsten der ‚Eigeninitiative’
geschwächt.
22
„Die Zurückhaltung“, so Zahner im Blick auf die Kargheit der Räume und die Reduktion der Bilder, „will
vielmehr dazu auffordern, sich mit den eigentlichen Bildern in uns und in der feiernden Gemeinschaft zu
befassen“. Und weiter: „Die im Raum Verweilenden werden nicht abgelenkt, sondern auf sich selbst und auf
die Begegnung mit Gott zurückverwiesen.“ A. a. O., S. 12.
10
II. Evangelische Ludwigskirche in Freiburg/Neuburg
II.1
Verpflanzt, zerstört, erstanden: Die Geschichte der Ludwigskirche
Die Ludwigskirche im Freiburger Stadtteil Neuburg (Herdern) hat eine bewegte
Vorgeschichte23. Im Jahr 1806 fielen das bis anhin vorderösterreichische und rein
katholische Freiburg und der Breisgau im Zuge des Preßburger Friedens an das
Großherzogtum Baden, das von einem protestantischen Herzog regiert wurde. Noch im
gleichen Jahr wurde die erste evangelisch-lutherische Pfarrgemeinde Freiburgs gegründet.
Konnte die neue Gemeinde zunächst im Allerheiligenkloster (das an der Stelle des
heutigen Erzbischöflichen Ordinariats stand) zusammenkommen, so erwiesen die
Räumlichkeiten sich bald als zu klein und überdies baufällig. Eine unerwartete Spende des
Magistrats der Stadt Freiburg im Jahr 1828 gewährte schließlich die notwendige
finanzielle Unterstützung für einen Neubau. Der Großherzog erteilte im Folgejahr den
Auftrag, die Kirche des ausgelassenen und vom Zerfall bedrohten Zisterzienserklosters
Tennenbach nahe Emmendingen abzutragen und in Freiburg wiederzuerrichten24. Nach
zehnjähriger Bauzeit kam die neue-alte Kirche 1839 in der Kaiserstraße (heute
Habsburgerstraße), zwischen Zähringer- (heute Rheinstraße) und Spitalstraße (heute
Albertstraße) zu stehen.
In den Abendstunden des 27. Novembers 1944 wurde die Ludwigskirche mitsamt großer
Teile der Innenstadt bei einem Bombenangriff auf Freiburg beinahe vollständig zerstört.
Der Gemeinderat faßte nach Kriegsende den Beschluß zu einem Neubau, welcher auf
einem einige hundert Meter entfernten Grundstück (Ecke Stadtstraße/ Starkenstraße)
errichtet werden sollte25. Der mit den Planungen betraute Architekt Horst Linde stand vor
23
Vgl. zum Folgenden H. Mayer: Aus der Geschichte der Evangelischen Gemeinde Freiburg im Breisgau.
In: H. Mayer/ G. Pfleiderer: Ludwigskirche Freiburg, S. 2-7 sowie M. Flashar/ R. Humbach: Stein auf Stein
– Architekturteile der alten Ludwigskirche kehren zurück. Herrn Privatdozenten Dr. Martin Flashar
verdanke ich diese und andere Literaturhinweise in Bezug auf die Ludwigskirche Freiburg.
24
Flashar und Humbach (a. a. O.) mutmaßen, daß v.a. politische Motivationen zu dieser Entscheidung
geführt haben. Mit der Versetzung der vom Herzog Berthold IV im Mittelalter gegründeten Klosterkirche
habe der badische Großherzog, der sich als Nachfolger der Zähringer betrachtete, „seine historische
Verbindung und damit seinen Anspruch auf Freiburg“ deutlich gemacht (S. 17). Weder praktische noch
finanzielle Erwägungen waren den Autoren zufolge für die Wiederverwendung der Kirche bedeutsam.
Mayer (a. a. O.) weist auf denkmalpflegerische Ambitionen des Herzogs hin: es galt, so schreibt er, „die
zerfallene Klosterkirche […] zu retten“ (S. 3).
25
Praktische Gründe waren für den Grundstückswechsel ausschlaggebend, wie aus Notizen des damaligen
Gemeindepfarrers Otto Katz hervorgeht. Er führt diesbezüglich den „starken stets zunehmenden
Fahrzeugverkehr“ in der Habsburgerstraße an, sowie die Tatsache, daß „Neueinteilungen der Pfarrbezirke
[…] zur Folge hatten, dass die Ludwigskirche letzten Endes an die Peripherie ihres Pfarrbezirks zu liegen
kam“. Die unveröffentlichten, als „Bauprogramm für die Gewinnung eines Entwurfs zu dem Kirchbau der
11
einer schwierigen Aufgabe. Hatte er in seinem Entwurf doch die Vergangenheit der
Kirche mitzubedenken und diese mit der Gegenwart zu verknüpfen – in einer Zeit, in der
die Menschen noch die Schicksalsschläge des zweiten Weltkrieges verwinden mußten26.
Seine „planenden Gedanken“ waren denn auch, wie er schreibt, „von Anbeginn an
begleitet von der Geschichtlichkeit der beiden zerstörten Kirchen“, verbunden mit dem
Wunsch, die neue Kirche „aus dem Geiste der heutigen Erlebenswelt heraus zu formen,
mit den technischen Möglichkeiten unserer Zeit, und doch zugleich den vielen
schicksalsbetroffenen Menschen der Nachkriegszeit eine Heimat innerer Sammlung zu
geben“27. Nach knapp zweijähriger Bauzeit konnte die Ludwigskirche als erster moderner
Kirchenneubau der Nachkriegszeit in Freiburg28 im März 1954 geweiht werden.
II.2
Bescheiden überragend: Die Kirche im Stadtraum
Der querschifflose, geostete Langbau wird im Süd-Westen auf der Höhe des Hauptportals
von einem freistehenden Glockenturm flankiert. Im Süden schließt sich an das
Kirchenhaus der Kirchenkindergarten an, der direkt an den Alten Friedhof in Herdern
grenzt. Der Solitärglockenturm, wie auch die direkte Verbindung der Kirche mit einem
Saal und einem Kindergarten zu einem Gemeindezentrum stellten damals Klaus Humpert
zufolge „ein Novum für Freiburg“ dar29.
Im Norden und Osten ist das Grundstück von Straßen (Starken- und Stadtstraße)
umschlossen. Es läuft im Westen in einen ursprünglich recht weitläufigen Kirchenvorplatz
aus. Jedoch verkleinern ein dort knapp zehn Jahre nach Errichtung der Kirche vis-a-vis
zum Haupteingang angelegter Gemeindesaal sowie ein aktuell im Bau befindliches
Erweiterungsgebäude die offen zugängliche Fläche erheblich und beschränken die von
Westen einstmals freie Sicht auf das Gebäude.
Die dichte Bebauung der Straßenränder macht eine Betrachtung der Kirche aus
gebührender Distanz von Norden und Osten unmöglich. Wegen des Baumbestands auf
Ludwigspfarrei“ betitelten Aufzeichnungen Katz’ (vermutlich vom Februar 1950; ohne Seitenzahlen)
wurden mir, im Archiv der Ludwigsgemeinde befindlich, von Herrn Dr. Flashar in seiner Funktion als
Vorsitzender des Gemeinderats freundlicherweise zugänglich gemacht.
26
Linde selbst war nur wenige Jahre zuvor aus der Kriegsgefangenschaft in die Heimat zurückgekehrt. Vgl.
das Interview mit dem Architekten auf www.ludwigsgemeinde.de/jubilaeum/jubel.html.
27
H. Linde: Gedanken zur Symbiose der alten und neuen Ludwigskirche. In: M. Flashar/ R. Humbach, a. a.
O., S. 11.
28
Vgl. K. Humpert [Hrsg.]: Neue Architektur in Freiburg, S. 9.
29
Ebd.
12
dem Friedhof ist der Bau auch von Süden nur partiell zu erfassen. Der Stadtstraße folgend,
läßt sich von Nord-Osten die größte Entfernung zu dem Gebäude einnehmen, wenngleich
auch von hier – wie von den anderen Seiten – der Baukörper nicht in Gänze in den Blick
genommen werden kann. Die fünfteilige Kreuzungssituation zieht zugleich die
Aufmerksamkeit ab. Der die Kirche allseitig umgebende, inzwischen hochgewachsene
Baumbestand behindert an vielen Stellen die Sicht auf die Außenwände.
Aufgrund seiner Lage im städtebaulichen Raum ist der Kirchenbau nur eingeschränkt und
nicht in seiner vollen Größe wahrzunehmen. Seine Wirkung ist hierdurch geschmälert.
Der Unterschied zwischen der Ludwigskirche und der Kirche Maria-Magdalena tritt
deutlich hervor. Durch ihre im Zuge der Neubaumaßnahmen großzügig bemessene
Stellung kann sich die Maria-Magdalena Kirche auf dem offenen Platz nach allen Seiten
hin präsentieren. Die Ludwigskirche hingegen, in die bestehende Struktur des Stadtteils
eingegliedert, scheint sich zwischen Häusern und hinter Bäumen im Straßengeflecht zu
verbergen. Der Kontrast dieses Baus zum Umraum fällt hierdurch bedeutend weniger
scharf aus – wenn auch Gestalt und Materialität des Gebäudes zu seiner Entstehungszeit
sicherlich augenfälliger waren, als sie es heutzutage sind.
Der hochaufragende Glockenturm mit weithin sichtbarem Kreuz und die Dimensionen des
Kirchenhauses im Allgemeinen verhindern, daß der Bau im Stadtraum verschwindet.
Durch die unmittelbare Nähe zum Alten Friedhof ist das Kirchengebäude in eine
angemessen weihevolle Umgebung eingebettet. Anders als die umliegenden Häuserzeilen
konkurriert das weitläufige Friedhofsareal was die Höhe betrifft mit dem Kirchenbau
nicht, sondern hebt ihn hervor. So vermag sich die Kirche letztlich, trotz der für ihre
Wirkung tendenziell nachteiligen Lage, innerhalb des urbanistischen Kontextes zu
behaupten. Im Unterschied zur Rieselfeldkirche ist die Ludwigskirche durch den sie
umsäumenden Baumbewuchs auf natürliche Weise mit dem Stadtraum ‚verwachsen’.
II.3
Tradition in modernem Gewandt: Der Außenbau
Der von Betonstützen getragene Stahlskelettbau knüpft an die von Auguste Perret 1922-23
erbaute Kirche Notre-Dame-de-la-Consolation in Le Raincy an30. Charakteristisch für den
Außenbau ist der rundumlaufende Stützenkranz, der auch den Innenraum strukturiert. Die
30
Vgl. R. Warland: Fünfzig Jahre Neue Ludwigskirche in Freiburg (1954-2004) – Le Raincy und der
Sakralbau der Moderne auf www.ludwigsgemeinde.de/sub/jbl.html#warland.
13
dreizehn arkadenähnlichen, erst unmittelbar unterhalb der Traufe flach gewölbten
Rundbögen ruhen auf schmalen Strebepfeilern auf. Sie gliedern die Fassaden in
regelmäßiger Form. Das Bogendach nimmt ihre Rundungen auf. Auch in der Bedachung
des Glockenturms werden die Rundbögen nochmals zitiert, wodurch der Turm (auch
durch die Verwendung des gleichen Putzes) mit dem Hauptbau eine stilistische Einheit
bildet.
Ein gebäudehoch verglaster, runder Chor schließt den Bau nach Osten hin ab und führt so
das Bogenmotiv auch im Grundriß fort. Hierbei bildet die leicht konvexe Westwand das
Pendant zum Halbrund der Ostseite. Den geschwungenen Formen stehen rechtwinklige
Elemente entgegen: Sie treten in den Strebepfeilern und in der Verglasung des
Chorbereichs hervor, die regelmäßig zickzackförmig gefaltet31 und durch waagerechte und
horizontale Streben symmetrisch in gleichgroße Glasflächen unterteilt ist. Die einzelnen
Fensterpartien setzen sich wiederum aus ungleich großen, bruchstückhaften, jedoch
geradlinigen Glaselementen zusammen. Im Wechselspiel von runden und eckigen Formen
erzielt der Außenbau eine grazil-bewegliche und zugleich standfeste Wirkung.
Die komplett verglaste Chorwand kontrastiert mit den fensterlosen Seitenwänden. Diese
stellen der Öffnung des Baus nach Osten (zur aufgehenden Sonne hin als Symbol für die
Auferstehung Christi) die Abgeschlossenheit gegenüber. Die leichte Außenneigung der
Strebepfeiler lockert hierbei die geschlossenen Fassaden auf und trägt, zusammen mit der
den Bau rhythmisierenden Faltung der Chorverglasung, zu einer Verlebendigung des
Ausdrucks bei. Eine unterhalb der Traufe konstant umlaufende, schmale Oberlichtzone
schließt die Außenwände zu einer Einheit zusammen und vermittelt zwischen der weiten
Öffnung der Ostwand und der Geschlossenheit von Nord- und Südfassade.
An der Westseite befindet sich das Hauptportal samt rechtsseitigem Nebeneingang. Vom
Eingang über den Kindergarten abgesehen, stellen diese beiden Türen die einzigen
Zugangsmöglichkeiten zum Kirchenraum dar. Das mittig gelegene, zweiflügelige
Holzportal wird von einem wenige Meter vorgestellten schlanken Doppelsäulenpaar
umrahmt. Die zwei nächstgelegenen Stützen tragen das hervorkragende Portaldach, dessen
Unterseite ein Mosaik aus Ähren, Reben und den Buchstaben Alpha und Omega ziert. Die
31
Die Faltung der Chorglaswand erfolgte aus statischen Gründen, wie Barbara Kahle in ihrem Buch
„Deutsche Kirchenbaukunst des 20. Jahrhunderts, S. 144 bemerkt.
14
Symbole veranschaulichen, daß Anfang und Ende in Gottes Hand liegen und fordern dazu
auf, die Gaben der Natur als Geschenk Gottes anzunehmen32.
Die beiden vorderen Stützen streben als Kolossalsäulen bis zum Traufgesims des
Kirchendaches empor, verbinden Unter- und Obergeschoß und gliedern die Fassade in
drei Achsen. Die Zentralachse mit dem Hauptportal erhält hierdurch flächenmäßig das
größte Gewicht. Nimmt auch das Obergeschoß dominant mehr als zwei Drittel der
Vertikalen ein, tritt das Portalgeschoß trotz seiner geringeren Ausdehnung hervor, da die
Wände dort, anders als die übrigen gelblich verputzten Fassaden, mit unverkleideten
Backsteinen ausgefacht sind. Ein die Front oberhalb des Portals abmessendes Fensterband
und zwei schmale Glasstreifen beiderseits der Türflügel durchbrechen die ansonsten
fensterlose Wand. Das horizontal in einer Rundung auslaufende Portaldach nimmt die
leichte Außenwölbung der Obergeschoßfassade und den Bogenschluß des Dachgeschosses
auf. Im Anschluß an den Rundchor der Ostseite und die Bögen des umlaufenden
Arkadenkranzes ist die geschwungene Form auch hier das dominierende gestalterische
Element.
Der Portalbereich ist vom Kirchenvorplatz durch drei Stufen abgehoben. Dieser
Niveauunterschied kennzeichnet den Übergang vom profanen in den sakralen Raum und
verdeutlicht, daß sich das Gotteshaus als besonderer, geweihter Ort von der weltlichen
Realität absetzt. Bemerkenswerterweise verlaufen die Setzstufen nicht parallel zueinander,
wodurch verschieden große, sich nach Süden weitende Auftritte entstehen. Analog zur
Asymmetrie der Treppenanlage, ist der Portalvorplatz asymmetrisch mit verschieden
großen Steinplatten gepflastert. Auffallend ist auch die leichte Schrägstellung der
Doppelsäulen. Möglicherweise ist die Dominanz geschwungener Formen, der Einsatz
feingliedriger Elemente und die gelegentliche Abweichung von der Symmetrie als
Distanzierung von der monumentalen, rechtwinkligen und streng symmetrischen
Architektur des Nationalsozialismus zu verstehen.
Die architektonische Gesamtkonzeption des Bauwerks zeugt von einer Verbindung
zwischen traditioneller Formsprache und behutsam modernisierender Gestaltung, die auch
den Innenraum kennzeichnet. Diese Symbiose von Tradition und Innovation mag als
Sinnbild für die Zerstörung und anschließende ‚Wiederauferstehung’ der Vorgängerkirche
begriffen werden. An diese jedenfalls erinnern einige schon zur Erbauungszeit auf dem
32
Vgl. Georg Pfleiderer: Bergung und Öffnung des Individuums. Ästhetisch-theologische Anmerkungen zur
architektonischen Konzeption der Ludwigskirche. In: Horst Mayer/ Georg Pfleiderer: Ludwigskirche
Freiburg, S. 15. Das Mosaik stammt von Peter Dietrich-Riedheim.
15
Kirchenvorplatz gelagerte Trümmerstücke, die den Bezug zur Vergangenheit konkrethaptisch zum Ausdruck bringen.
II.4
Harmonisierte Gegensätze: Der Innenraum
Die tonnenüberwölbte Hallenkirche deutet durch die rundumlaufende, den Wänden etwa
zwei Meter vorgestellte Säulenfolge einen traditionellen dreischiffigen Grundriß an. Den
schlanken Stützen jeweils zugeordnet, gliedern die Innenseiten der Strebepfeiler als
Lisenen die Wandflächen. Die flachen, in großer Höhe auf den kapitell- und basenlosen
Stahlbetonsäulen
aufruhenden
Quertonnen
erinnern
an
Arkadenrundbögen.
Das
Kircheninnere erzeugt auf diese Weise einen klassischen sakralen Raumeindruck33,
welcher durch die Schlichtheit der verwendeten Materialien gleichwohl „elementarisiert
und so auf seine Bildungsprinzipien hin durchsichtig“ gemacht wird34.
Für die Wirkung des Innenraumes sind die mit unverputzten, gelöcherten Backsteinen
ausgemauerten Wände sowie der weit geöffnete, deckenhoch verglaste Chor von primärer
Bedeutung. Er habe versucht, so der Architekt Horst Linde, „der Vision Gestalt zu
verleihen, in den schützenden, umwandeten Raum der Kirche das Licht des Himmels
hineinschwingen zu lassen als transzendente Kraft des kosmischen Raumes“35. Die
architektonische Gestalt der umgreifenden geschlossenen Wände sei aus dieser Leitidee
erwachsen. Die Verbindung des lichtdurchfluteten Chores mit den ansonsten fensterlosen
Seitenwänden setzt der größtmöglichen Öffnung des Raumes nach Außen die gleichfalls
maximale Abgeschlossenheit desselben vom Außenraum kontrastiv entgegen. Das durch
die Zusammenführung diaphaner (Hans Jantzen) und geschlossener Wandflächen
verdeutlichte dualistische Strukturprinzip wird so als Ausdruck der gleichzeitigen
„Bergung und Öffnung des Individuums“36 im und durch den Kirchenraum lesbar.
Die asymmetrische Anlage der bis in die Flanke der Nordwand ausgreifenden
Chorverglasung, die an der Südseite hingegen nicht einmal die Rundung des
Chorschlusses gänzlich ausfüllt, hat eine Dynamisierung der Räumlichkeit zur Folge. Die
Bewegung wird von der dem Chor gegenüberliegenden, in die westliche Hälfte der
33
In seinem „Bauprogramm“ vermerkt der die Planung und Errichtung der neuen Ludwigskirche
begleitende Gemeindepfarrer Katz, daß „bei der Gestaltung der Kirche […] durchweg eine sakrale Wirkung
anzustreben [ist]“.
34
G. Pfleiderer, a. a. O., S. 9.
35
Der Architekt im Interview auf www.ludwigsgemeinde.de/jubilaeum/jubel.html.
36
So der Titel von G. Pfleiderers Beitrag in dem Bändchen „Ludwigskirche Freiburg“, S. 8.
16
Nordwand asymmetrisch ausschwingenden Empore aufgenommen. Diese ist in der südwestlichen Raumecke über eine schmale, schwungvoll aufstrebende Wendeltreppe
zugänglich, welche sich als Ursprung des Bewegungsmotivs anbietet.
Die asymmetrische Konzeption findet in dem umlaufenden Säulenkranz, der den Raum
gleichmäßig gliedert, ihr Gegengewicht. Es entsteht so ein ausgewogener Raumeindruck.
Die Zitation von Elementen des Chorbereichs in der westlichen Raumhälfte trägt hierzu
bei – so spiegeln Glasflächen in der nord- und südwestlichen Raumecke die Durchlichtung
der Ostseite und das die Kanzel umschließende Holz wurde in der Verkleidung der
Emporenbrüstung wiederverwendet.
Die Gestaltung des Kirchenraumes hat die Arbeit mit Gegensatzpaaren zur Grundlage.
Diese werden jedoch nicht als unauflöslich gegenübergestellt, sondern erweisen sich
letztlich als die zwei äußeren Pole desselben Prinzips. Der Kontrastierung von
geschlossenen
und
durchfensterten
Wandflächen
und
der
Gegenüberstellung
symmetrischer und asymmetrischer Anordnung tritt die Kombination von runden,
geschwungenen (‚beweglichen’) mit rechtwinklig-geraden (‚statischen’) Formen – wie
schon am Außenbau beobachtet – zur Seite. So stehen der runde Chorschluß, die Säulen
(statt Pfeiler), die Arkadenbögen und die geschwungene Empore samt Treppe den
rechteckigen Fensterlaibungen und Bodenplatten und den annähernd quadratischen
Backsteinen der Wände entgegen.
Diesen Oppositionen schließt sich die Integration von Bauteilen der alten Ludwigskirche
als Konfrontation der Gegenwart mit der Vergangenheit an: Beiderseits des Kirchenschiffs
sind jeweils zwei Kapitelle des zerstörten Vorgängerbaus in die Wände eingemauert – in
ihrer ursprünglichen Höhe, sodaß der originale Grundriß andeutungsweise erhalten bleibt.
Ebenso ruhen die Kanzel und die Sandsteinplatte des Altars auf Trümmerteilen der alten
Kirche auf. An prominenter Stelle platziert, rufen die Überreste der Vorgängerkirche das
Vergangene
in
der
Erinnerung
wach
und
gemahnen
an
die
Folgen
der
Schreckensherrschaft des Naziregimes. Sie erinnern zugleich an die Versetzung der
Tennenbacher Kirche, aus der sie ursprünglich stammen, und deren Wiederaufbau zum
ersten evangelischen Gotteshaus Freiburgs. Die Geschichte im Allgemeinen und die der
protestantischen Gemeinde in Freiburg im Besonderen ist so stets präsent.
17
Aus „der erschreckenden Erfahrung mit der Totalisierung des Gemeinschaftsgedankens im
Nationalsozialismus“37 sind auch Elemente der Feinstrukturierung im Inneren zu
verstehen: Um der Vorstellung einer Gemeinschaft von eigenständigen Individuen
Ausdruck zu verleihen, entschied man sich bewußt für Kirchenstühle statt Bänke38. Auch
die
changierende
Tonalität
der
ganz
unterschiedliche
Muster
ausbildenden
Backsteinausfachung, die die Wände gerade nicht als einheitliche, gestaltlose Masse
erscheinen lassen, und die Auslegung des Kirchenbodens mit verschieden großen
Sandsteinplatten – wie auch am Portalvorplatz geschehen – mögen in diesem Sinne, als
Distanzierung von einer Vereinheitlichung begriffen werden, die den Einzelnen zum
Verschwinden bringt.
Die verwendeten Baustoffe – das unbemalte Holz, der unverkleidete Beton, die
unverputzten Backsteine – treten dem Besucher in ihrer naturechten Schlichtheit entgegen.
Auf das Wesentliche reduziert, setzen sie der „im Nationalsozialismus erlebte[n]
Perversion aller humanen Grundwerte […] die allen schönen Schein meidende
Ehrlichkeit“ gegenüber39. Die Elementarisierung der Materialien mag zugleich als
Verweis auf die Funktion des Raumes als Stätte der elementaren Begegnung mit dem
Göttlichen verstanden werden.
Die Gegensätze von alt und neu, runden und eckigen Formen, von Regelmäßigkeit,
Unregelmäßigkeit, Licht und Dunkel werden schließlich von dem mehrstufig erhöhten,
dominant in der Zentralachse des Kirchenraumes gelegenen Altartisch zu einer Einheit
zusammengefaßt. Auf den Altar hin zentriert sich auch die Ausmalung der
Chorverglasung, während sie sich zu den Flanken hin in überwiegend klarglasige
Bruchstücke auflöst. Im Ineinandergreifen der einzelnen Bestandteile der Farbflächen, die
erst beim näheren Hinzutreten überhaupt als voneinander ge- und verschiedene Gestalten
wahrnehmbar sind40, wird diese Einheit sichtbar. Das vom Architekten selbst entworfene,
mittig auf dem Altartisch ruhende Kreuz aus Bergkristallen scheint das von Osten
eindringende Licht zu einem einzigen Lichtstrahl zu bündeln. Die Aufhebung der
37
G. Pfleiderer, a. a. O., S. 13.
Vgl. G. Pfleiderer, ebd.
39
G. Pfleiderer, ebd.
40
Nach einem Wort des Propheten Jesaja gestaltet – „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie
auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde
werden“ (Jesaja 40, 31) – zeigt es zuunterst Fische, als Sinnbild für das Leben und als Geheimzeichen für
Christus, über diesen die von der Mitte des Altars aufsteigenden Adler, darüber die Flammen des Heiligen
Geistes, über denen am oberen Rand Engel schweben.
Vgl. auch F. Folkers: Die Fenster der Ludwigskirche: Himmelslicht – Licht des Himmels. Auf
www.ludwigsgemeinde.de/jubilaeum/jubel.html.
38
18
Gegensätzlichkeiten, so wird deutlich, geschieht dort, wo das Himmelslicht einfällt, dort,
wo der Zelebrant die „transzendente Kraft des kosmischen Raumes“41 empfängt, dort also,
wo die Erfahrung des Göttlichen statthat.
III. Ludwigskirche und Kirche Maria-Magdalena im Vergleich
Die beiden Gebäude sind in ihrer architektonischen Gestalt sehr verschieden. Schon die
jeweilige Lage im Stadtraum weist paradigmatisch auf die Differenzen hin: Während sich
die Kirche Maria-Magdalena, auf Außenwirkung bedacht, als Blickfang auf dem offenen
Platz dezidiert vom Umraum absetzt, kommt die Ludwigskirche wegen der dichten
Bebauung im Umraum nicht vollends zur Geltung und erscheint dadurch (wenigstens für
den zeitgenössischen Betrachter) zurückhaltender, fügt sich auf diese Weise aber zugleich
harmonischer in die Umgebung ein.
Die vielgestaltigen, aschematisch platzierten Fenster der Maria-Magdalena Kirche, ihre
schrägen Wände, die asymmetrischen Grundrisse der Kirchenräumlichkeiten und die auf
Bodenniveau gelegenen Altäre, die zum Bestandteil des Gemeindebereichs geworden
sind, legen Zeugnis ab von der Entwicklung der Kirchenbaukunst und von einem
gewandelten Verständnis der Institution Kirche. Trotz der Diskrepanzen in Bezug auf ihre
konkrete Konzeption bedienen sich die Architekten beider Gebäude dennoch teilweise
ähnlicher gestalterischer Grundprinzipien.
Beide Bauten referieren mittels symbolischer architektonischer Gesten auf die jeweils
zentrale Idee. So verweisen die differenziert gestalteten Fassaden der Kirche MariaMagdalena auf die unterschiedlichen Aspekte der Institution Kirche und bringen das der
Planung zugrunde liegende ganzheitliche Verständnis von Kirche zum Ausdruck; die
verschiebbaren Trennwände im Inneren machen den ökumenischen Gedanken deutlich.
Bei dem Entwurf der Ludwigskirche stand die Zerstörung der Vorgängerkirche und die
besondere zeitgeschichtliche Situation, die Zeit nach dem Krieg, im Vordergrund – die
Integration von Bauteilen der alten Kirche und die gestalterische Distanzierung von der
Architektur und, symbolisch, vom Gedankengut des Nationalsozialismus nehmen darauf
Bezug.
41
Der schon oben zitierte Architekt Linde im Interview; hier zur Chorverglasung; ebd.
19
Die Architekten beider Kirchenhäuser setzen auf die Schlichtheit der verwendeten
Materialien, was bei dem neueren Bau durch den flächenübergreifenden Einsatz von
Beton freilich in noch radikalerer Form geschieht. Auch spielt in beiden Kirchen das Licht
als wesentliches atmosphärisches Element eine große Rolle. Die weit geöffnete Ostwand
der Ludwigskirche entwickelt die diaphane Wand der Gotik zum raumstrukturierenden
Prinzip weiter. Durch die Lichtbänder in der Decke und die verschiedenartigen
Fensterflächen in den Außenwänden wird das Licht in der Maria-Magdalena Kirche noch
differenzierter genutzt und wirkungsvoll inszeniert.
Schließlich macht auch die – zumindest angedeutete – Erhaltung des dreischiffigen
Grundrisses in beiden Kirchen die Wurzeln im traditionellen Kirchenbau deutlich, wenn
auch, wie die Analyse gezeigt hat, die Kirche im Rieselfeld sich von den gemeinsamen
Ursprüngen noch weiter entfernt hat.
20
Verwendete Literatur
-
Flashar, Martin/ Humbach, Rainer: Stein auf Stein – Architekturteile der alten
Ludwigskirche kehren zurück. Promo Verlag, Freiburg 2007
-
Holl,
Christian:
Schutzbau
und
Auffanggefäß.
Doppelkirche
für
zwei
Konfessionen in Freiburg-Rieselfeld. In: Deutsche Bauzeitung, November 2004
-
Humpert, Klaus [Hrsg.]: Neue Architektur in Freiburg. Schillinger Verlag,
Freiburg 1986
-
Kahle,
Barbara:
Deutsche
Kirchenbaukunst
des
20.
Jahrhunderts.
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990
-
Katz, Otto [Hrsg.]: Ludwigskirche Freiburg i. Br. Evangelisches Pfarramt der
Ludwigskirche Freiburg, Freiburg 1954
-
Ders.: Bauprogramm für die Gewinnung eines Entwurfs zu dem Kirchbau der
Ludwigspfarrei (unveröffentlicht). Archiv der Ludwigsgemeinde Freiburg
-
Lederer, Arno: Doppelkirche für zwei Konfessionen, Freiburg. In: DAM Jahrbuch
Architektur, 2003
-
Löffelhardt, Markus: Architektur in Freiburg. Stadtführer zeitgenössischer
Architektur ab 1990. Modo Verlag, Freiburg 2004
-
Ludwig, Matthias/ Mawick, Reinhard: Gottes neue Häuser. Kirchenbau des 21.
Jahrhunderts in Deutschland. Hansisches Druck- und Verlagshaus, Frankfurt a. M.
2007
-
Mayer, Horst/ Pfleiderer, Georg: Ludwigskirche Freiburg. Evangelisches Pfarramt
der Ludwigskirche Freiburg, Freiburg 1994
-
Overmans, Rüdiger: In Gottes Wort gehalten. Die evangelische Kirchengemeinde
Freiburg 1807-2007. Schillinger Verlag, Freiburg 2006
-
Wöhler, Till: Neue Architektur. Sakralbauten. Verlagshaus Braun, Berlin 2005
-
Zahner, Walter: Maria Magdalena. Katholische und evangelische Kirche in
Freiburg-Rieselfeld. Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg 2006
-
www.zeitzeichen.skileon.de/reportage/evangelische-katholische-kirche
-
www.baunetzwissen.de/objektartikel/Beton_Kirche-Maria-Magdalena-inFreiburg_69808.html
-
www.ludwigsgemeinde.de/jubilaeum/jubel.html
-
www.ludwigsgemeinde.de/sub/jbl.html#warland
21
Abbildungen
Abb.1: MM. West- und Südseite
Abb.2: MM. Ostseite
Abb.3: MM. Nord- und Westseite (während des Baus)
22
Abb.4: MM. Blick vom evangelischen in den
katholischen Raum (Wände geöffnet)
Abb.4: MM. Lichtspiel im katholischen Raum
Abb.5: LK. Ost- und Nordseite
23
Abb.6: LK. Westseite mit Turm
Abb.7: LK. Blick zum Chor
Abb.8: LK. Blick zum Portal
24
Herunterladen