RATGEBER Viele künstliche Hüftgelenke können vermieden werden! Hüft- und Leistenschmerzen frühzeitig behandeln Besonders bei jüngeren und sportlich aktiven Patienten ist guter Rat teuer, wenn das Hüftgelenk verschlissen ist. Sie wünschen sich natürlich eine belastbare Versorgung, welche die gewohnte Beweglichkeit und Lebensqualität erhält und das möglichst lebenslang. Eine mitunter nur schwer zu bewerkstelligende Aufgabe, wie Privatdozent Dr. med. Hans Gollwitzer von der ATOS Klinik in München betont. Er setzt daher auf die Hüftarthroskopie und die frühzeitige gelenkerhaltende Hüftchirurgie, um eine Arthrose dauerhaft zu vermeiden oder einen Gelenkersatz so lange wie möglich hinauszuzögern. Herr Dr. Gollwitzer, warum ist der Einsatz einer Hüftendoprothese beim jungen Menschen problematisch? Dr. Gollwitzer: Zum einen ist es die Haltbarkeit der Prothese. Selbst wenn wir aktuell schon in den meisten Fällen von mindestens 15-20 Jahren ausgehen können, so ist ein heute 45-50-jähriger Patient damit nicht lebenslang prothetisch versorgt und muss wahrscheinlich mindestens eine Wechseloperation über sich ergehen lassen. Zum anderen sind in der Regel die Anforderungen an den Gelenkersatz ungleich höher als beim älteren Patienten. Joggen, Skifahren, Tennisspielen – all das geht unmittelbar auf die Lebensdauer des Gelenks. Der erhöhte Abrieb, stärkerer Materialverschleiß und vorzeitige Auslockerung führen zu einer erhöhten Versagensrate der Prothese bei jüngeren Patienten. Mit der Hüftarthroskopie ist es jetzt in vielen Fällen möglich, das Gelenk zu erhalten und eine Prothesenoperation zu vermeiden. Welche Patienten lassen typischerweise eine Hüftarthroskopie bei Ihnen vornehmen? Dr. Gollwitzer: Hauptsächlich sind dies zwei Gruppen: Die erste Gruppe sind junge Patienten mit chronischen und immer wiederkehrenden Leistenschmerzen, die erfolglos konservativ behandelt wurden. Bei diesen Patienten kann die bestehende Fehlstellung und Schmerzursache häufig dauerhaft beseitigt und ein Gelenkverschleiß vermieden werden. Die zweite Gruppe sind etwas ältere Patienten mit einer Arthrose im frühen oder mittleren Stadium, bei denen der Einsatz einer Prothese oft erfolgreich verzögert werden kann. Auch wenn dies letztlich nur aufschiebende Wirkung hat, so gewinnt der Patient damit wertvolle Jahre der Mobilität und Lebensqualität. Privatdozent Dr. med. Hans Gollwitzer ist Leitender Arzt für Hüftchirurgie und Knieendoprothetik an der ATOS Klinik München und Sektionsleiter für gelenkerhaltende Hüftchirurgie am Klinikum rechts der Isar der TU München. RATGEBER Die Arthroskopiebilder zeigen eine Knorpelschaden der Hüftpfanne (Abb. links), welcher durch knöcherne Anbauten am Oberschenkelknochen (Abb. rechts) bei femoroazetabulärem Impingement verursacht wurde. Der überschüssige Knochen wird arthroskopisch abgetragen und der Knorpelschaden behandelt. Wie wird dieser Eingriff durchgeführt? Dr. Gollwitzer: Die Hüftarthroskopie ist technisch deutlich anspruchsvoller als die Spiegelung von Knie oder Schulter, da die Hüfte von einer dicken Muskelschicht umgeben ist. Bislang führen sie nur wenige Spezialisten häufig durch, welche über die entsprechende Erfahrung verfügen. Damit man sie vornehmen kann, müssen Hüftkopf und -pfanne etwa zehn Millimeter auseinander gezogen werden. Dies erfolgt durch die Lagerung auf einem sogenannten Extensionstisch. Mit entsprechend dünnen und langen Spezialinstrumenten kann die Arthroskopie dann in „Schlüssellochtechnik“ über 2 bis 4 kurze Hautschnitte durchgeführt und knöcherne Fehlbildungen sowie Knorpelschäden behandelt werden. Dies wäre bei einer offenen Operation häufig nur durch ein Ausrenken des Hüftgelenks möglich, welches aber mit einer deutlichen Traumatisierung einhergeht. Ist die Hüftarthroskopie nicht immer noch ein experimentelles Verfahren? Dr. Gollwitzer: Ganz und gar nicht. Vorab muss man sagen, dass die Hüftarthroskopie keine neue Therapie ist, sondern nur eine neuere Technik, mit der minimal-invasiv häufig das gleiche erreicht werden kann, wie mit einer großen offenen Operation mit Hüftausrenkung. Die Indikationen sind vergleichbar, häufige Indikationen sind das femoroazetabuläre Impingement, Labrumrisse und Knorpelschäden am Hüftgelenk. Die meisten Arthrosen beruhen auf Fehlstellungen, welche häufig durch eine Hüftarthroskopie mit dauerhaftem Erfolg behoben werden können. Inzwischen werden pro Jahr in Deutschland mehrere tausend Hüftarthroskopien durchgeführt. Je nach Ausmaß der knöchernen Deformität ist eine Behandlung aber nicht immer arthroskopisch möglich, sodass manchmal auch ein offener Eingriff mit Korrektur der knöchernen Fehlstellung notwendig wird. Das hört sich fast so an, als seien Hüftprothesen generell überholt. Dr. Gollwitzer: Im Gegenteil. Ich selbst führe als Hüftspezialist sehr häufig auch Implantationen von Hüftprothesen durch, kann aber mit dem gesamten Spektrum der Hüftchirurgie die individuell optimale Therapie für meine Patienten wählen. Nicht zu Unrecht wurde der Ersatz des Hüftgelenks zum erfolgreichsten operativen Eingriff des letzten Jahrhunderts gekürt. Bei richtiger Indikation ist dies auch eine absolut erfolgversprechende Therapie. Aber sie ist nicht immer nötig. Wenn die Möglichkeit zum Erhalt des natürlichen Gelenkes besteht, ist dieser meist mit unschlagbaren Vorteilen verbunden. Warum werden aber dann deutlich mehr Prothesen eingesetzt als Hüftarthroskopien durchgeführt? Mit einer rechtzeitig durchgeführten Hüftarthroskopie kann in bestimmten Fällen der Einsatz eines künstlichen Hüftgelenks vermieden oder aber um Jahre hinausgezögert werden. Dr. Gollwitzer: Häufig werden die Patienten einer solchen Behandlung zu spät zugeführt. Wenn erst einmal der ganze Knorpel im Gelenk abgerieben ist, bleibt als Therapieoption nur noch die Prothese. Hinzu kommt, dass – wie bereits erwähnt – die Hüftarthroskopie und offene Korrekturoperationen sehr anspruchvoll sind, und es auch nicht viele Zentren gibt, welche gelenkerhaltende Hüftoperationen regelmäßig durchführen. Diese beinhalten übrigens noch viele weitere moderne Techniken wie zum Beispiel den Teilersatz der Gelenkfläche des Hüftkopfes bei Hüftkopfnekrose (Durchblutungsstörung) oder die Knorpelzelltransplantation. Entscheidend bleibt aber immer, dass die Therapie rechtzeitig erfolgen muss, bevor der Knorpelschaden zu groß und die Arthrose da ist! Herr Dr. Gollwitzer, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch! Weitere Informationen Tel.: 089-204000-217 www.drgollwitzer.de