1 2 Kandidaten für logische Gesetze (nicht unbedingt erfolgreich) 1 Leibniz‘ Substitutionssatz Der Träger des Namens „A“ und der Träger des Namens „B“ sind identisch, wenn man an beliebiger Stelle einer Aussage den Namen „A“ gegen den Namen „B“ austauschen kann, ohne dass sich der Wahrheitswert der Aussage ändert. (vgl. Non inelegans specimen demonstrandi in abstractis, Def. 1, Gerhardt-Ausg. Bd.VII, S.228) 2a Leibniz‘ Gesetz der Ununterscheidbarkeit von Identischem (indiscernibility of identicals) Wenn der Träger des Namens „A“ mit dem Träger des Namens „B“ identisch ist, dann hat der Träger des Namens „A“ genau alle die Eigenschaften, die der Träger des Namens „B“ hat. 2b Leibniz‘ Gesetz von der Identität von Ununterscheidbarem (identity of indiscernibles) Wenn der Träger des Namens „A“ genau alle die Eigenschaften hat, die der Träger des Namens „B“ hat, dann sind der Träger des Namens „A“ und der Träger des Namens „B“ identisch. (für beide Aussagen vgl. Couturat-Fragment Nr. 8 - 10, 2. Brief an Clarke §4, und schon Thomas von Aquin, De veritate, qu. 1, art. 1, Punkt 6 des videtur quod) 3 Satz vom zureichenden Grunde Für alles, was geschieht, gibt es einen zureichenden Grund, warum es geschieht und nicht einfach ausbleibt. (vgl. Leibniz, z.B. Monadologie §32, Platon, Timaios 28A, Spinoza, Ethik I 8, Schopenhauer, Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde u.v.m.) Aristoteles (384 - 322! v. Chr.) - Die „Metaphysik“ 14 (antike) Bücher Thema (=> Met. IV (Γ), Kap. 1): „eine Wissenschaft vom Seienden, insofern es ist“ enthält, z.B.: ... den Versuch eines Gottesbeweises („Erster Beweger“, Met. XII (Λ)) ... den Satz vom Nichtwiderspruch ( Met. IV (Γ), Kap. 3, 1005 b 19 - 23) ... den Satz vom ausgeschlossenen Dritten ( Met. IV (Γ), Kap. 7, 1011 b 23 - 25) 3 4 Der Satz vom Nichtwiderspruch Methodische Vorüberlegung in Met. IV (Γ), Kap. 3 Für die ersten Prinzipien des Argumentierens kann man für sie nicht in Form eines Schlusses aus Prämissen argumentieren. Denn dann wären ja zwei Dinge noch fundamentaler als die vermeintlichen ersten Prinzipien, nämlich 1. die Prämissen, aus denen man auf sie schließt 2. die Schlussregeln, nach denen man das tut. Wer verlangt, dass man erste Prinzipien des Argumentierens direkt beweist, offenbart apaideusia, d.h. Unbildung bzw. Ungezogenheit (1005 b 3, 1006 a 6). to gar auto hama hyparchein te kai mê hyparchein adynaton tôi autôi kai kata to auto (kai hosa alla prosdiorisaimeth‘ an estô prosdiorisaimena pros tas logikas dyschereias) (1005 b 19 - 23) Desselben nämlich Zugleich-Zukommenund-auch-Nicht-Zukommen ist unmöglich demselben auf dasselbe hin (und was sonst noch einzuschränken, das sei eingeschränkt gegen bloß verbale Einwände) bzw. „Es kann nämlich dasselbe demselben und in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) unmöglich zugleich zukommen und nicht zukommen“ (Übersetzung nach Bonitz / Seidl) 5 6 1. Transformation „notwendig“ -> „wirklich“ „unmöglich“ = „notwendig nicht“ „unmöglich“ -> „nicht“ Folgendes ist nicht der Fall: Es kommt dasselbe demselben und in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) zugleich zu und nicht zu. Das Schema des Widerspruchs Es kommt dasselbe demselben und in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) zugleich zu und nicht zu. Das Schema des Widerspruchs (Hinsichtenklausel ausgeblendet) Es kommt dasselbe [Prädikat] demselben [Subjekt] ... ...zu und nicht zu. Formulierung beruht auf der These: In jeder Aussage wird etwas, ein Prädikat, über etwas, ein Subjekt, ausgesagt. Transformation : „Es kommt Subjekt S ... zu, P zu sein, und es kommt dem Subjekt S ... nicht zu, P zu sein“. 7 8 Die Hinsichtenklausel Gibt’s Widersprüche doch? „...und in derselben Beziehung (und dazu mögen noch die anderen näheren Bestimmungen hinzugefügt sein, mit denen wir logischen Einwürfen ausweichen) zugleich...“ Das Schema des Widerspruchs ohne Hinsichtenklausel „Es kommt Subjekt S zu, P zu sein, und es kommt dem Subjekt S nicht zu, P zu sein“. Hinsichten „Es kommt dem Zebra Ziggy zu, weiß zu sein, und es kommt dem Zebra Ziggy zu, nicht weiß zu sein“. „Es kommt dem Zebra Ziggy zu, überall weiß zu sein, und es kommt dem Zebra Ziggy zu, überall nicht weiß zu sein“. „Es kommt dem Zebra Ziggy zu, zu t‘ überall weiß zu sein, und es kommt dem Zebra Ziggy zu, zu t‘ überall nicht weiß zu sein“. usw. 1. Einerseits ist Y-Land reich: Es gibt dort einige extrem reiche Menschen. 2. Andererseits ist Y-Land wiederum nicht reich: Es gibt dort extrem viele arme Menschen. 3. Das ist ein Widerspruch. 4. Eine Gesellschaft geht an ihren Widersprüchen zu Grunde. 5. Also wird Y-Land demnächst zu einer neuen Gesellschaftsform finden, in der der Widerspruch zwischen arm und reich aufgehoben ist. Hegel (1770 - 1831): Bewegung ist der daseiende Widerspruch selbst (Wissenschaft der Logik, I.2.1, Kap.2, Anmerkung 3 zu C). parakonsistente Logik: Graham Priest (1970er Jahre), M. Bremer 9 10 Ein Argument für den NWS (Met. IV (Γ), Kap. 4?) Satzlogische Fassungen des Nichtwiderspruchssatzes Angenommen, X bringe einen Satz der Form „a ist F“ und „a ist nicht F“ vor. So mag man ihn fragen, ob er mit „F“ und mit „nicht F“ dasselbe meint. X kann dies bejahen oder verneinen: 1. In extremen Fällen mag X das bejahen. Es könnte z.B. eine angemessene Beschreibung desselben Gefühls sein, zu sagen „Ich liebe sie und ich liebe sie nicht“. In diesem Fall habe ich keinen Grund, nicht weiterhin an den NWS zu glauben. 2. Wahrscheinlicher ist, dass X verneint und darauf besteht, er habe mit „F“ und „nicht F“ durchaus etwas verschiedenes gemeint. In diesem Fall ist es angebracht, zurückzufragen: „Inwiefern hast Du mit „F“ und „nicht F“ etwas verschiedenes gemeint? X kann nun entweder antworten oder nichts mehr sagen. a) Gibt er eine Antwort, so wird er erklären, inwiefern er mit „F“ etwas anderes gemeint hat als mit „nicht F“; wenn er aber erklärt, inwiefern er mit „F“ etwas anderes meint als mit „nicht F“, dann kann ich das immer als Angabe einer Hinsicht deuten, in der sich sein Gebrauch von „F“ von seinem Gebrauch von „nicht F“ unterscheidet. Eklärt er also, inwiefern er mit „F“ etwas anderes meint als mit „nicht F“ und habe keinen Grund, nicht weiter an den NWS zu glauben. b) Weigert er sich zu antworten, muss ich ihn als Gesprächspartner nicht mehr ernst nehmen, und habe auch keinen Grund, nicht weiter an den NWS zu glauben. In keinem Fall habe ich damit einen Grund, nicht weiter an den NWS zu glauben. Es ist unmöglich der Fall, dass etwas der Fall ist (wie auch immer ein Satz intern strukturiert sein mag, mit dem ich dies behaupte, und in welcher Hinsicht auch immer ich ihn äußere), und dass dasselbe obendrein nicht der Fall ist. Folgendes ist nicht der Fall: etwas ist der Fall, und dasselbe ist nicht der Fall. nicht: (A und [nicht: A] ) 11 12 Konsistenzprinzip und Negationsregel erfordern den NWS Prinzip K Keine wahrheitswertfähige Zeichenkette wird sowohl wahr als auch falsch. Jede wahrheitswertfähige Zeichenkette kann höchstens einen Wahrheitswert auf einmal haben. Prinzip NEG 1 Genau dann, wenn α wahr ist, ist „nicht: α“ nicht wahr 2 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist „nicht: α“ wahr 3 Genau dann, wenn α nicht wahr ist, ist α falsch Argument 1. „A und (nicht: A)“ ist wahr Annahme 2. „nicht: A“ ist wahr 3. „A“ ist nicht wahr 4. „A“ ist falsch 5. „A“ ist wahr 6. „A“ ist zugleich wahr und falsch 7. „A“ ist nicht zugleich wahr und falsch 8. „Nicht: (A und [nicht: A])“ ist wahr Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten Ebensowenig aber kann zwischen den beiden Gliedern eines Paares von kontradiktorisch entgegengesetzten Aussagen (antiphasis) etwas mitten inne (metaxy) liegen, sondern man muß notwendig jedes von jedem (hen kath' henos) entweder bejahen oder verneinen (phanai ê apophanei). (Met. IV (Γ), Kap. 7, 1011 b 23 - 25) Entweder A oder [nicht: A] A oder [nicht: A]. aus 1. („α und β“ => α und β) aus 2. mit NEG 2 (v.r.n.l.!) aus 3. mit NEG 3 aus 1. aus 4. / 5. Prinzip K Neg. der Annahme wg. Wdspr. 6. / 7., QED bzw. - das inklusive „oder“ (Alternation): Die Oder-Verbindung ist wahr, wenn mindestens einer der beiden damit verbundenen Sätze wahr ist, evtl. aber auch beide; gesprochen „oder“. - das exklusive „oder“ (Disjunktion): Die Oder-Verbindung ist wahr, wenn einer der beiden Sätze damit verbundenen wahr ist, aber nicht, wenn beide es sind; gesprochen: „entweder ... oder“. (in diesem Fall ausnahmsweise egal!) 13 Pro SAD 14 Das Bivalenzprinzip Jede Aussage hat einen der Wahrheitswerte „wahr“ bzw. „falsch“; keine Aussage bleibt wahrheitswertlos. 1. Plausibel: Entweder ist Ziggy schwarzweiß-gestreift oder Ziggy ist nicht schwarzweiß-gestreift. Das BP erfordert (mit NEG) den SAD: 1. „(A oder [nicht: A] )“ ist falsch 2. NWS und NEG erfordern den SAD Annahme 2. „A“ ist nicht wahr 1. Nicht: (A oder [nicht: A] ) Annahme 2. (nicht: A) und (nicht: [nicht: A] ) aus 1. mit „nicht: (α oder β)“ = „weder α noch β“ 3. (nicht: A) und A aus 2. mit NEG „doppeltes `nicht´ löscht sich“ 4. A und (nicht: A) aus 3. mit Kommutativität von „und“ 5. Nicht: (A und [nicht: A] ) NWS 6. Entweder A oder [nicht: A] Kontrad. Gegenteil der Annahme wg. Wdspr. 4./5., QED ... sonst wäre „(A oder [nicht: A] )“ wahr 3. „nicht: A“ ist nicht wahr ... sonst wäre „(A oder [nicht: A] )“ auch wahr 4. „A“ ist nicht falsch ... sonst wäre, gegen 3., mit NEG 3, „nicht: A“ wahr 5. „A“ ist weder wahr noch falsch aus 2., 4. 6. „A“ hat einen Wahrheitswert Bivalenzprinzip 7. „(A oder [nicht: A] )“ ist wahr Neg. der Annahme wg. Wdspr. 5. / 6., QED Trotzdem: Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten und das Bivalenzprinzip sind nicht dasselbe. Der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist eine einfache Aussage über die Welt. Das Bivalenzprinzip ist eine Aussage über die Wahrheit und Falschheit von Aussagen. 15 16 Wahrheit Aristoteles‘ Definition von „Wahrheit“ Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch; dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr. (Met IV (Γ), Kap. 7, 1011 b 26 - 28) Die Korrespondenztheorie der Wahrheit veritas est adaequatio rei et intellectûs Wahrheit ist Übereinstimmung von Sache und Verstand (Isaak ben Salomon, ca. 900, als Zitat überliefert bei Thomas von Aquin, De veritate qu. I art. 1, corpus articuli) Oder, moderner: Wahrheit ist Übereinstimmung der Wirklichkeit mit dem - in einer Aussage geäußerten - Gedanken. Contra SAD „Es wird morgen zu einer Seeschlacht kommen“ „Es wird morgen nicht zu einer Seeschlacht kommen“. „Die Anzahl der Sterne ist gerade“ „Die Anzahl der Sterne ist ungerade“. Intuitionistischer Wahrheitsbegriff Eine Aussage kann nur dann als wahr gelten, wenn es einen Beweis für sie gibt. L.E.J. Brouwer (Anfang 20. Jhdt.) Michael Dummett (1960er und 70er Jahre)