Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34. (105.) Jahrgang (2011), Heft 2 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien ISSN 0344-3418 Die „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ setzt in IV. Folge das „Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ (I. Folge, 1878-1930), die „Siebenbürgische Vierteljahrsschrift“ (II. Folge, 1931-1941) und das „Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“ (III. Folge, 1971-1977) seit 1978 fort. 1999 wurde sie mit der Zeitschrift „Siebenbürgische Semesterblätter“ (München 1987-1998) vereinigt. Herausgeber: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg, Schloss Horneck, 74831 Gun­delsheim/Neckar, Tel. (06269) 42100, Fax (06269) 421010, E-Post: [email protected]. Redaktion: Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, Oldenburg, [email protected] (verantwortlich für dieses Heft); Dr. Stefan Măzgăreanu, Olching, [email protected]; Dr. Dirk Moldt, Berlin, [email protected]; Dr. Harald Roth, Potsdam, [email protected]; Daniel Ursprung, Zürich, [email protected]. Bankverbindung: Kreissparkasse Heilbronn (BLZ 620 500 00), Konto 009 574 520. Preis des Jahrgangs (bestehend aus zwei Heften): € 30,–. Für die Mitglieder des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde beträgt der Bezugspreis jährlich € 15,– (jeweils zuzüglich Versand). Die Mitarbeiter des vorliegenden Heftes Dr. Martin A r m g a r t , Institut für Evangelische Theologie der Universität Landau, Bürgerstraße 23, D-76829 Landau Dr. Petre B e ş l i u , Brukenthal-Museum Hermannstadt, Piaţa Mare 4-5, RO-550163 Sibiu/Hermannstadt, Rumänien Dr. Hansotto D r o t l o f f , Rillweg 8, D-63755 Alzenau Dr. Irmgard und Werner S e d l e r , Museum im Kleihues-Bau, Stuttgarter Straße 93, D-70806 Kornwestheim Dr. Zsolt S i m o n , Institutul de Cercetări Socio-Umane „Gheorghe Şincai”, str. Al. Papiu Ilarian 10A, RO-540074 Târgu Mureş/Neumarkt am Mieresch, Rumänien Dr. Ottmar T r a ş c ă , Institutul de istorie „George Bariţiu“, str. Mihail Kogălniceanu 12-14, RO-400084 Cluj-Napoca/Klausenburg, Rumänien Abkürzungen Abh. Acta Historica Acta Mus. Nap. An. Inst. I. Apulum Archiv = = = = = = Bll. DFSO Erd. Múz. Forschungen Jh. Jb(b). Kal. Kbl. AKSL = = = = = = = = Kbl. VfSL KK Lev. Közl. MIÖG Mitt. Rev. Arh. Rev. Roum. Sbg. Arch. Sbg. Vjschr. Schriften Sodt. Arch. Sodt. Vjbll. SOE-Mitt. SOF Stud. Com. Stud. Trans. Stud. Univ. B. B. Ub. = = = = = = = = = = = = = = = = = = ZfSL Zs. = = Abhandlung(en) Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae, Budapest Acta Musei Napocensis, Cluj (Klausenburg) Anuarul Institutului de Istorie, Cluj (Klausenburg) Apulum. Acta Musei Apulensis, Alba Iulia (Karlsburg) Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Hermannstadt (A.F., N.F. ­– Alte bzw. Neue Folge) Blätter Deutsche Forschung im Südosten, Hermannstadt Erdélyi Múzeum, Kolozsvár (Klausenburg) Forschungen zur Volks- und Landeskunde, Hermannstadt (Sibiu) Jahrhundert Jahrbuch (-bücher) Kalender Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für siebenbürgische Landes­kunde, Köln, Wien Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde, Her­mannstadt Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn Levéltári Közlemények, Budapest Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Wien Mitteilungen Revista Arhivelor, București (Bukarest) Revue Roumaine d’Histoire, București (Bukarest) Siebenbürgisches Archiv, Köln, Weimar, Wien Siebenbürgische Vierteljahresschrift, Hermannstadt, Bistritz Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Köln, Weimar, Wien Südostdeutsches Archiv, München Südostdeutsche Vierteljahresblätter, München Südosteuropa-Mitteilungen, München Südostforschungen, München Studii și comunicări, Muzeul Brukenthal, Sibiu (Hermannstadt) Studia Transylvanica, Köln, Weimar, Wien Studia Universitatis Babeș-Bolyai, Cluj (Klausenburg) Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, 7 Bde., Hermannstadt/ Bukarest 1892-1991 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, Köln, Weimar, Wien Zeitschrift In den durchnumerierten Anmerkungen sollen beim ersten Zitieren Vor- und Nachname des Verfassers, der vollständige Titel der Arbeit, Druckort und -jahr bzw. (In:) Zeitschrift, Jahrgang (ggf. auch Heft) und Erscheinungsjahr sowie die betreffenden Seiten, unter Vermeidung der Abkürzungen f. und ff., angeführt werden. Bei wiederholtem Zitieren desselben Werkes werden die üblichen Hinweise (Ebenda, wie Anm. „xy“, nicht aber „a.a.O.“) verwendet. Nachnamen werden g e s p e r r t geschrieben. Titel von Arbeiten, die nicht in einer Weltsprache erschienen sind, werden in eckigen Klammern [ ] ins Deutsche übersetzt. Die obigen Abkürzungen sollen in den Anmerkungen verwendet werden. Tabellen und Abbildungen sind auf das notwendige Maß zu beschränken. Fotos sollen scharf und kontrastreich sein und werden auf Wunsch nach der Veröffentlichung zurückerstattet. Legenden der Abbildungen und Tabellen sind beizulegen. Inhaltsverzeichnis Aufsätze Petre B e ş l i u : Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit . ........................................................................................................ Irmgard und Werner S e d l e r : Das „Spiel vom König und vom Tod“. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauchtum .............................................................................................. Quellen Zsolt S i m o n : Die Schäßburger Rechnung von 1522 ........................................................................ Ottmar T r a ş c ă : Die Deutsche Volksgruppe in Rumänien und die Ereignisse vom 23. August 1944 im Spiegel eines unveröffentlichten Manuskripts ...................................... Mitteilungen und Berichte Hansotto D r o t l o f f : Siebenbürgen im Spiegel der nachgelassenen Schriften der Familie Conrad von Heydendorff (1750-1850) ....................................................................................... Martin A r m g a r t : 800 Jahre Deutscher Orden in Siebenbürgen. 46. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde am 15./16. September 2011 in Kronstadt . ...... Nachrufe Lajos Demény ........................................................................................................................................... Bernd Hey ................................................................................................................................................. 121 137 167 186 229 235 239 240 ©. 2011 by Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar. Mit Namen gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Die Schriftleitung behält sich das Recht vor, die Beiträge redaktionell zu bearbeiten. In den Beiträgen werden die deutschen Ortsnamen verwendet. Für deren rumänische und ungarische Konkordanz wird verwiesen auf Ernst W a g n e r : Historisch-statistisches Ortsnamenbuch für Siebenbürgen. Köln, Wien 1977 (= Stud. Trans. 4). In der Spalte „Kolloquium“ werden primär Arbeiten von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern veröffentlicht. Manuskripte sind in druckfertiger Fassung an die Redaktion einzusenden. Spätere Autorenkorrekturen gehen zu Lasten der Verfasser. Die Redaktion bittet um Übersendung einer Word-Datei und ggf. von Fotos (in bestmöglicher Qualität und mit hoher Auflösung/Pixelzahl) via E-Mail oder auf CD-ROM. Die Satzanweisungen sind in der Datei mit roter Schriftfarbe kenntlich zu machen bzw. im Ausdruck nur mit Bleistift vorzunehmen. Die auf der dritten Umschlagseite dieses Heftes angeführten Abkürzungen und Siglen sind zu verwenden. Unveröffentlichte Manuskripte werden dem Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim übergeben. Satz und Gestaltung: Kraus PrePrint, Landsberg am Lech. Druck: Strauss GmbH, Mörlenbach. Siebenbürgische Landeskunde 2/2011 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 121 Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit Von Petre B e ş l i u Unter den Spitälern von Hermannstadt ist zwischen dem Siechenhaus und dem Leprosorium zu unterscheiden. Die mittelalterlichen Urkunden bringen beide Anstalten in Verbindung mit den Stadtarmen. Diese wurden finanziell von der Stadt gefördert, die Kirche gewährte geistlichen Beistand; räumlich und institutionell unterschieden sich die beiden Einrichtungen voneinander. Das Spital besaß in der Stadt mehrere Gebäude. Wie archäologische Untersuchungen gezeigt haben, verfügte der im heute so genannten Siechenhaus wirkende Orden zum Heiligen Geist bis zur Reformation über keine Krankensäle für Mittellose. Die Besonderheit des Spitals von Hermannstadt, seine Beziehungen zur lokalen Gesellschaft werden erst dann verständlich, wenn wir sowohl die geringe Anzahl der bis zur Neuzeit Hospitalisierten als auch die Fürsorgepflicht des Ordens für alle Mitglieder der Stadtgemeinschaft in Betracht ziehen. Die Gesellschaft des Spitals umfasst hier alle Personen, die eine geistliche oder produktive Tätigkeit entfaltet haben, also die Ordensmitglieder, Priester, Kaplane, Verwaltungsangestellte, Knechte, gelegentlich auch Handwerker. Dank der Nichteinmischung der Stadt sowie wegen der Nachbarschaft zu den Handwerkervierteln konnte der Orden der Pfarrkirche Konkurrenz machen. Die Bedeutung der von den Ordensbrüdern eingerichteten Kirche wurde gesteigert durch die Überlieferung, hier habe die frühere Pfarrkirche gestanden. Mit Sicherheit hat es hier einen älteren Friedhof gegeben. Der Konflikt mit der Stadt begann nach der Umwandlung des alten Spitals, das sich in der Nachbarschaft der alten Handwerkerviertel befand, in eine Kirche. Die Ordensbrüder haben schnell erkannt, dass die Bewohner vor allem eine Kirche für die Lebendigen und einen Friedhof für die Toten brauchten. Die rechtlichen Verhältnisse zwischen Stadt und Orden wurden 1292 durch eine vertraglich festgehaltene Schenkung geregelt. Gegenstand der Schenkung war im Wesentlichen ein Haus (domus), das die Stadt bis zu jenem Zeitpunkt als Spital genutzt hatte. Die im Verhältnis zur Stadtbevölkerung großen Ausmaße des Spitalgebäudes werfen die Frage auf, ob der Bau mit dem Mongolensturm von 1241 und dessen Folgen in Zusammenhang gebracht werden kann. Die Funktion des Spitals als Zufluchtsort in Extremfällen wurde in den kritischen Zeiten der späteren Seuchen und Kriege reaktiviert. Der Schenkungsvertrag verpflichtete den Orden zum Heiligen Geist zur geistlichen Betreuung der Kranken und zur Feier der Messe, eine finanzielle Hilfe für die Hospitalisierten war nur als Möglichkeit vorgesehen1. Die Satzung des Spitals wurde von der Grundfunktion – der Betreuung der Leidenden – und subsidiär von den Verhältnissen innerhalb der Hermannstädter Gesellschaft bestimmt. 1 Ub. 1, S. 191f. 122 Petre Beşliu Im Laufe seiner Geschichte hat sich das Spital den neuen sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst. Von einer Institution, die geistlich vom Orden zum Heiligen Geist und administrativ von den weltlichen Behörden geführt wurde, wandelte sich das Spital nach der Reformation in eine Anstalt der Stadtgemeinschaft. Seit der Neuzeit wurde das Spital von Hermannstadt mit einer großen Anzahl von Hospitalisierten – nach dem Beispiel der Schwesterinstitutionen in Mittel- und Westeuropa – von einer Wohltätigkeitsstiftung gefördert. Wie in den vorhergehenden Jahrhunderten war das Spital auch im 18. Jahrhundert ein privilegierter Ort für die Armen und Kranken, die von den religiösen und weltlichen Gemeinschaften im Namen Gottes Hilfe erhielten. 17642 wie 12923 oder 15544 wurden im Spital zusammen mit den benachteiligten Gruppen auch einige Fremde aufgenommen. Fremde waren desgleichen die Pilger, die sich im 17.-18. Jahrhundert in der Spitalkirche befanden. Einer von ihnen hat dort ein Medaillon des Hl. Benedikt verloren5. Die geistlichen Vorsteher und die Verwalter des Spitals von Hermannstadt Die religiöse Funktion des Spitals und des Ordens zum Heiligen Geist hat nach 1292 das für die Klöster kennzeichnende Programm der Gottesdienste bestimmt. Über das geistliche Leben in der Spitalkirche liegt nur indirekt eine urkundliche Information vor: das den Priestern der aufgelösten Propstei verliehene Recht, Messen und – als Beweis für die Funktion der Spitalkirche als Friedhofskapelle – Totenmessen zu zelebrieren6. In zwei nach der Reformation datierten Spitalsrechnungen über Nachlässe wird die Summe von vier Gulden für ein Leichenmahl (Mall) erwähnt, das von Nahestehenden bezahlt worden ist7. Die Summe kann mit jener verglichen werden, die beim Eintritt ins Spital bezahlt wurde. Das Einbeziehen der Gläubigen von außerhalb in das religiöse Leben innerhalb des Spitals war für die Ordensmitglieder und für die Hospitalisierten von Vorteil. Die Stadtbewohner bezahlten Ablassbriefe und legten Geld in die Gemeinschaftskasse. Die Spenden und Schenkungen kamen auf verschiedenen Wegen. Die Gläubigen der Unterstadt, Handwerker und vor allem Gesellen, rüsteten die Spitalkirche mit Kultgegenständen und Möbeln aus. Als Dank für ihre Freigebigkeit erhielten die Wohltäter einen Ruheplatz im Inneren der Kirche. Urkundliche Belege für Schenkungen stammen vor allem aus der Zeit nach der Reformation. Der Grabstein mit den Initialen WT wurde 1574 für einen Spender errichtet. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde das geistlich-religiöse Leben der „Klosterkirche“ auch von armen Schülern und Studenten (mendicantes) aufrechterhalten, die an den vier jährlichen 2 3 4 5 6 7 Direcţia Judeţeană Sibiu a Arhivelor Naţionale (fortan: ANS) [Kreisdirektion Hermannstadt der Nationalarchive Rumä­niens], Colecţia [Sammlung] Brukenthal, KK 1-31, 9, Fol. 4: „Das sogenannte Spital ist vor keine Kranken (bettlägerig) sondern Lahme, Blinde und Fremde errichtet worden.“ Ub. 1, S. 192: „et ipsis pauperibus, debilis, advenis et claudis”. Heinrich H e r b e r t : Die Gesundheitspflege in Hermannstadt bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts. In: Archiv 20 (1885), S. 42: „In das Spital wurden auch Fremde aufgenommen.“ Petre B e ş l i u M u n t e a n u : Spitalul medieval din Sibiu [Das mittelalterliche Spital von Hermannstadt]. Sibiu 2008, S. 68. Ub. 4, S. 219. ANS, Fond Primăria şi Magistratul oraşului Sibiu. Socoteli economice [Fonds Bürgermeisteramt und Magistrat von Hermannstadt], III, 218, S. 3; für 1582: ebd., 219, S. 3. Diese Funktion besteht heute noch. Die Spitalskirche wird gerne für Gedenkmessen genutzt. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 123 Abendmahlsgottesdiensten teilnahmen8. Die geistliche Betreuung des Spitals oblag bis zur Reformation der Gemeinschaft des Ordens zum Heiligen Geist, hospitalienses et fratres9, aber auch den Ortspfarrern. Urkundlich werden die geistlichen Vorsteher der Klostergemeinschaft oft erwähnt. Der erste war Valtherus, der in der Urkunde von 1308 Magister des Spitals genannt wird10. 1448 war Antonius Johannes von Werdt Kaplan des Spitals11. Die besondere Bedeutung des Spitalleiters wird von der Position bei der Aufzählung der Zeugen eines Abkommens aufgezeigt, das von einem öffentlichen Notar paraphiert wurde. An der Spitze der ehrenwerten Herren befanden sich Anthonius von Zibin, der Rektor des Spitals, und Petrus Möllenbecher von Heltau, der Kaplan des Spitals; ihnen folgte Stephanus von Marktschelken mit mehreren akademischen Titeln, aber mit dem bescheideneren Amt des Schulrektors und des Pfarrers in Hundertbücheln12. In einer Testamentsbeglaubigung von 1460 wird ein Paulus von Neudorf als Kaplan des Spitals erwähnt13. Die Erneuerung der königlichen Verordnung bezüglich der Abhaltung von Totenmessen in der Kapelle und im Spital erfolgte 1457, in dem Jahr, in dem der Kaplan Petrus Möllenbacher, der Pfarrer von Heltau, erwähnt wird14. In allen urkundlichen Informationen waren die Kaplane Einheimische; der eine hatte den Rang eines Plebans. Es ist leicht zu verstehen, dass die Macht des Priors (Rektors), der von außerhalb der lokalen Gemeinschaft kam, durch die Ernennung des Kaplans vermindert wurde, der später mit dem Diakon der Pfarrei von Hermannstadt gleichgestellt wurde15. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verfügten die Ordensmitglieder auch über ein Gebetshaus (oratoriolum) und zwei Wohnungen16. Die Anzahl der ständigen Mitglieder der Ordensgemeinschaft kann weder aufgrund der Zahl der Wohnungen noch von urkundlichen Belegen oder Schätzungen über die Zahl der Hospitalisierten ermittelt werden. Die Quellen erwähnen nur die Vorsteher mit Namen, und von den entdeckten Gebeinen können nur jene aus der Sakristei und wohl jenes, das eine Schnalle17 mit Inschrift trug, mit jenen von Brüdern des Ordens identifiziert werden. Die geistlichen Vorsteher des Spitals (prior, rector), die in der Kirche die Messe lasen und sich um die Armen und Leidenden kümmerten, waren sowohl dem Ordenshaus in Ofen als auch dem Bistum von Gran nachgeordnet. 1503 zahlten sie einen Pachtzins von einer Silbermark18. Die oberste Instanz befand sich in Rom. Folglich wandte sich Petrus Kempff, Prior des Spitals 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Petre B e ş l i u M u n t e a n u : Un text inedit al lui Franz Zimmermann despre Spitalul din Sibiu [Ein unveröffentlichter Text von Franz Zimmermann über das Spital von Hermannstadt]. In: Corviniana 9 (2007), S. 93. Gustav S e i v e r t : Das älteste Kirchenbuch. In: Archiv 11 (1874), S. 386. Ub. 1, S. 214. Ub. 5, S. 253. Ub. 5, S. 560. Georg S o t e r i u s : Cibinium. Eine Beschreibung Hermannstadts vom Beginn des 18. Jahrhunderts. Köln, Weimar, Wien 2006 (= Schriften 30), S. 97, 232. Ub. 1, S. 560. S o t e r i u s (wie Anm. 13), S. 98, 233. S e i v e r t (wie Anm. 9), S. 386. B e ş l i u : Spitalul (wie Anm. 5), S. 38, 68. Friedrich M ü l l e r : Geschichte der siebenbürgischen Hospitäler bis zum Jahre 1625. In: Programm des evangelischen Gymnasiums in Schäßburg und der damit verbundenen Lehranstalten, 1856, S. 27. 124 Petre Beşliu und des Hauses zum Heiligen Geist, 1466 mit einer Organisationsfrage unmittelbar an Rom19. Die Priore wurden von den Ordensvorstehern ernannt und abgesetzt. Sie konnten ein höheres Amt erreichen, etwa Petrus Kempff eines in Wien20. Nach der Reformation verließen die Ordensmitglieder, die übrigens bereits zuvor der Kritik durch die städtische Gemeinschaft ausgesetzt gewesen sind, das Spital. Die religiöse Funktion blieb erhalten. Zu ihrer Stärkung trugen Priester wie Martin Fölker bei, der 1508 ins Amt gewählt wurde und im Alter von 80 Jahren starb21. Der Prediger der Spitalkirche erhielt das Gehalt aus dem Pachtzins, zu dem die zu Hermannstadt gehörenden Gemeinden verpflichtet waren. Zudem standen ihm noch 40 Eimer Wein, 12 Eimer Getreide sowie Brennholz zu. 1746 wurde nur ein Viertel vom Gehalt des Predigers aus dem Spitalsfonds bezahlt. Mehr noch, der Prediger und sein Mitprediger erhielten für die zwischen Ostern und Himmelfahrt gehaltenen Predigten, für den Unterhaltung der Wohnung und für die vier jährlichen Abendmahlsgottesdienste zusätzliche Zahlungen oder Festmahle22. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte die Bevölkerungszahl insbesondere in der Unterstadt zugenommen, die Stadtpfarrkirche erwies sich als zu eng. Die Laubenkirche an der Lügenbrücke wurde als Provisorium eingerichtet. Zum geistlichen Personal des Spitals gehörten nun neben dem ersten Prediger ein zweiter, der die Predigten zwischen Ostern und Himmelfahrt und jene aus der Fastenzeit hielt, zudem ein Diakon, der in der Schmiedgasse wohnte, und ein Organist, der ebenso wie der Diakon auch in der Laubenkirche diente23. Das Interesse für die Spitalkirche war – wie schon früher – der Nähe der Handwerkerviertel zu verdanken. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurden neben der Kirche und wahrscheinlich auch in ihrem Inneren keine Bestattungen mehr durchgeführt. Das Gebäude konnte (wieder?) zu einer geräumigen Stadtviertel-Kirche umgestaltet werden. Die für die Neueinrichtung vorgenommenen Investitionen waren beachtlich. Die Schenkungen der Handwerker und Gesellen, die aus Möbeln und Kultgegenständen bestanden, beweisen die Beziehung der Stadtgemeinschaft zur Siechenhauskirche. Formell gehörte sie zum Spital, ihr Status veränderte sich nicht. Nutznießer der Kirche waren vor allem die Hospitalisierten, aber die Tore der Kirche sowie der Mädchenschule, die neben ihr funktionierte, standen für die Gemeinschaft offen. Im 16. Jahrhundert wurde die administrative Funktion in den Rechnungsregistern der Stadt oft urkundlich belegt. Damals wurde erwähnt, dass der Verwalter der Kirche (vitricus) einen Vertreter hatte. Vitricus und procurator (procuratrix) pauperum waren Vertreter der städtischen Gemeinschaft, die für die Verwaltung des Vermögens des Spitals sowie für die Betreuung der Armen und der hospitalisierten Leidenden sorgten. 1507 bekleidete die Witwe von Bwzer das Amt des Verwalters; ihre Hilfskraft war Johannes Agotha, locumtenens24. In Siebenbürgen gibt es keinen anderen urkundlichen Beleg dieser Art. 19 20 21 22 23 24 Ub. 6, S. 233. M ü l l e r (wie Anm. 18), S. 28. S o t e r i u s (wie Anm. 12), S. 97, 232. B e ş l i u : Zimmermann (wie Anm. 8), S. 94. Ebd., S. 96. Rechnungen aus dem Archiv der Stadt Hermannstadt und der Sächsischen Nation. In: Quellen zur Geschichte Siebenbürgens aus Sächsischen Archiven. Bd. 1. Hermannstadt 1880, S. 486-489. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 125 Der erste urkundlich früh vermerkte Verwalter war Nicolaus Pictor, der 1386 an der Errichtung der Spitalkirche und der Pfarrkirche beteiligt war. Clemens, provisor pauperum hospitali, ein ehrenwürdiger Mann, wurde 1448 als Zeuge erwähnt25. Einige Monate später bekleidete Petrus Sigismund von Salzburg denselben Titel26. Im Dezember 1507 wurde Johannes aus der berühmten Familie Lutsch zum vitricus27 gewählt und Johannes Agota stand ihm im Amt des locumtenens bei28. Petrus Sigismund von Salzburg nahm eine höhere Position in der Hierarchie ein, die der Notar Petrus Urbanus in der Urkunde von 1448 aufgezeichnet hat; Antonius Johannes wurde als zweiter aufgezählt29. Der Rang des Antonius Johannes änderte sich 1454, als er provisor domus sancti spiriti wurde30. Die Titel provisor und procuratrix pauperum, die für den Vorsteher des Spitals in den Rechnungen des Magistrats erwähnt wurden, könnten die Absicht andeuten, das Amt des Verwalters des Ordens (vitricus) mit jenem des Verwalters einer weltlichen Gemeinschaft (provisor) zu ersetzen, das Mathias Bwser vor 1506 einnahm31. Der Orden war aber noch recht groß, so dass die traditionelle Benennung vitricus beibehalten wurde. Nach der Reformation ist für den Verwalter die Benennung Vater des Spitals aufgekommen. Dieser war eine bedeutende Person, die aus der Reihe der Beamten ernannt wurde, die Buchhaltung des Spitals führen konnte, dem Magistrat einen jährlichen Bericht vorlegte und eine beträchtliche Entlohnung erhielt32. Die Hospitalisierten des Spitals im 16. Jahrhundert Die Bezeichnung Oberes Siechenhaus wurde erstmals im Rechnungsregister des Spitals von 1538 erwähnt. Vermutlich handelte es sich um das Gebäude neben dem Rathaus, das um die Mitte des 16. Jahrhunderts am Rand des damaligen Friedhofs errichtet wurde und von jenem neben der Spitalkirche zu unterscheiden ist. An unterschiedlichen Orten befanden sich kleine Gebäude des Spitals, die für 7 beziehungsweise 3 Gulden und 50 Denare verkauft wurden33. Die Anzahl jener, die von der Gemeinschaft Hilfe erfuhren und in das Spital gebracht wurden, kann schwer bestimmt werden. Julia Derzsis Schätzungen, dass im 16. Jahrhundert im Spital von Hermannstadt 10-15 Personen hospitalisiert waren, können schwer urkundlich oder archäologisch belegt werden34. Übrigens war die Zahl der Hospitalisierten schwankend. Andererseits war die gekaufte Nahrung für die Versorgung der Einwohner aus beiden Gebäuden sowie für die Angestellten bestimmt. Es kann angenommen werden, dass nach der 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 Ub. 5, S. 232. UB. 5, S. 253. Rechnungen (wie Anm. 24 ), S. 487. Johann Karl A l b r i c h : Geschichte der Hermannstädter Spithals- und Almosen-Stiftungen. Handschrift in: ANS, Colecţia Brukenthal, H-8, Fol. 26 v.-28 v. Ub. 5, S. 253. Ub. 5, S. 432. Rechnungen (wie Anm. 24 ), S. 446. Julia D e r z s i : Organizarea acţiunilor caritabile din Sibiu în deceniile de după Reformă [Die Organisation der karitativen Aktivitäten in Hermannstadt in den Jahrzehnten nach der Reformation]. In: Historia Urbana 18 (2010), S. 67. Friedrich Victor K e p p : O socoteală inedită a Spitalului Sibian din anii 1537-1538 [Eine unveröffentlichte Rechnung des Hermannstädter Spitals aus den Jahren 1537-1538]. Cluj 1934, S. 18f. D e r z s i (wie Anm. 32), S. 68. 126 Petre Beşliu Reformation die von der Verwaltung des Spitals angeschafften Lebensmittel auch für die Nahrung der nichtinstitutionalisierten Mittellosen verwendet wurde; also ist der Vergleich der Nahrungsmenge mit der Anzahl der Hospitalisierten nicht aufschlussreich. Anfangs bediente das Spital die Gemeinschaft der Stadt Hermannstadt und vermutlich auch den Stuhl Hermannstadt. Das Spital von Weißenburg – ebenso wie jenes von Mediasch – funktionierte sicherlich nur im 15. Jahrhundert. Versorgt wurden alle Bedürftigen, ungeachtet ihrer Herkunft, wie die Hospitalisierung einer Ungarin in der Woche der Allerheiligen 1537 zeigt35. Wie auch bei den Rumänen, die in der Wirtschaft des Spitals arbeiteten, wurde ihr Name nicht aufgezeichnet. Im christlichen Geiste bezieht sich der Vertrag von 1292 auf alle Notleidenden, die Armen und Schwachen, aber auch auf eine besondere Gruppe, die Hinkenden36. Beim Eintritt in das Spital oder das Siechenhaus musste, gemäß der Aufzeichnungen des Verwalters, die Summe von 4 Gulden bezahlt werden37. Später verdeutlichte der Verwalter, dass diese Summe für Lebensmittel bestimmt war38. Diese Summe wurde beispielsweise einer Dienstmagd aus Kleinscheuern beim Verlassen des Spitals zurückerstattet39. Wie aus dem Nachlassverzeichnis der Anna Zelerin ersichtlich wird, waren die persönlichen Güter der in Hermannstadt Hospitalisierten gering. Anna hinterließ zum Verkauf drei unterschiedlich abgenutzte Hemden, Kerzen, einen Mantel, einen Silberlöffel und eine Kuchenform40. Ein Jahr zuvor starb die noch ärmere Barbara, die alte. Nach ihrem Tod wurden nur ein Mantel und eine Brustjacke verkauft. Die dem Spital hinterlassene Summe betrug 2,64 Gulden41. Loerinz aus Neppendorf besaß nur drei für 10 Denare verkaufte Kittel, die er dem Spital hinterließ42. Die Meinung von Emil Sigerus, dass das Obere und das Untere Siechenhaus ausschließlich für Frauen bestimmt waren, muss mit Zurückhaltung betrachtet werden43. Gemäß dem Rechnungsregister von 1537 war eine Frau im Oberen Siechenhaus hospitalisiert, aber zwei andere kamen in das Spital44. Im gleichen Jahr vermietete das Spital einer Frau und einem Mann ein Zimmer45. 1527 wurden zwei Männer hospitalisiert und ein dritter kaufte für vier Gulden ein Zimmer im Seelhaus46. Angestelltengruppen Die Zahl der nachmittelalterlichen Angestellten des Spitals übertraf jene der Hospitalisierten; sie stellten die produktive Gruppe dar, als ständige oder als gelegentliche Angestellte. Das Spital stellte für gewisse Tätigkeiten Schmiede, Metzger, Zimmerleute, Maurer an. 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 K e p p (wie Anm. 33), S. 15. Ub. 1, S. 192. K e p p (wie Anm. 33), S. 15. ANS, Socoteli economice, III, 218 (wie Anm. 7), Fol. 3. D e r z s i (wie Anm. 32), S. 68f. ANS, Socoteli economice, III, 219 (wie Anm. 7), S. 3. Ebd., III, 218, S. 3. Ebd., III, 219, S. 3. Emil S i g e r u s : Vom alten Hermannstadt. Bd. 2. Hermannstadt 1923, S. 93. K e p p (wie Anm. 33), S. 15. Ebd., S. 18f. Gustav S e i v e r t : Aus dem Archiv. In: Transilvania 3 (1863), S. 176. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 127 Die Fuhrleute übten eine rentable Tätigkeit aus, wie die Geldsummen zeigen, die vom Spital für den Transport der Güter und Personen mit dem Fuhrwerk im 15. und vor allem im 16. Jahrhundert gezahlt wurden. Ein großer Fuhrwagen wurde 153847 vermerkt; ein Wagenknecht erhielt einen Rock und ein Haber Hafer48. Das Ausgabenverzeichnis von 1527 unterscheidet zwischen grosswagenknecht, vorreiter und kleinst knecht49. Auf Knechte und Tagelöhner beziehen sich mehrere Aufzeichnungen, etwa für die Bezahlung von Kleidung und Schuhwerk der Knechte, für den Unterhalt der Fuhrwagen, der Pferde und manchmal der Gebäude. Ein grosse(r) knecht wird 153850, gesind knechten und hirten werden 1527 erwähnt51. Gleichzeitig ist von schweinhirten52 und einem wird aus Hamlesch die Rede, der vermutlich den Weingarten zu verwalten hatte53. Dem Hirt stand 1527 sein weib zur Seite. Die Bedeutung der Beschäftigung und somit die Löhne waren nicht gleich. Ein Fuhrmann erhielt 1528 12 Gulden. Der Pfleger der Zugtiere bekam zusammen mit seiner Frau 8 Gulden und die Köchin Anna 3 Gulden. Alle erwähnten Personen wurden in ein getrenntes Kapitel eingetragen54. Die Köchin befand sich unter den ständigen Angestellten, die mit Geld und in Produkten bezahlt wurden. Das Register von 1582 erwähnt die köchin im Spital55. In der Regel wurde ihre Entlohnung zusammen mit jener der Knechte vom Maierhof eingetragen. Andere Knechte leisteten Gelegenheitsarbeiten. Drei Personen arbeiteten 1581 neben dem Spital, um einen Zaun anzufertigen und den Ort sauber zu halten56. Andere Knechte arbeiteten 1598 in Hamlesch bei der Reinigung des Weingartens57. Die Knechte (gesindt) vom Mayerhoff und Spital wurden in den Rechnungsregistern von 1581-1582 in ein gesondertes Kapitel eingetragen. Mit einer einzigen Ausnahme (Maeyrer Hansen) wurden ihre Namen nicht notiert58. Die Rechnungsverzeichnisse vom Ende des 16. Jahrhunderts enthalten selten Angaben zur Herkunft der Angestellten wie: Amlescher, mill Knecht59, bloch60. Die Beziehung des Spitals zu den Maierhöfen außerhalb der Stadt, die mehrheitlich von Rumänen bewohnt wurden, kann mit Hilfe der Quellen aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts veranschaulicht werden. 1538 wurden die Rumänen, die im Spital dienten, mehrmals erwähnt: 2 par wyrbess dem walachen61; item den vlachen das sie das gress bey der steinbrüken62; 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 K e p p (wie Anm. 33), S. 27. Ebd., S. 30. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 180. K e p p (wie Anm. 33), S. 30, 32. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 179. Ebd., S. 180. Ebd., S. 179. Ebd., S. 180. ANS, Socoteli economice, III, 219 (wie Anm. 7), Fol. 8. Ebd., III, 218, Fol. 14v. Ebd., III, 221, Fol. 5v. Ebd., III, 218, Fol. 9, 9v; 219, Fol. 8. Ebd., III, 221, S. 2. Ebd., III, 221, Fol. 2v, 4v, 6; 220, Fol. 9v.: mayrer bloch. K e p p (wie Anm. 33), S. 23. Ebd., S. 28. 128 Petre Beşliu Ecker vom vlachen63. Die Maier pflegten die Rinder und Schweine und verarbeiteten die Milch64. Die im Weingarten des Spitals geleistete Arbeit wurde gut bezahlt. Gemäß dem von Gustav Seivert veröffentlichten Register wurde Jacob Richerden für vier Arbeitstage mit 16 Gulden entlohnt. Frauen wurden schlechter bezahlt. Das Schneiden, Pflügen und die Überwachung des Weingartens wurden als getrennte Arbeiten betrachtet. 1538 wurde ein Wächter des Weingartens bezahlt65. Die Zahl der Angestellten des Spitals war 1578 höher. Im Register aus demselben Jahr treffen wir einen Rinderhirten neben jenem, der die Kälber hütete, und einen Schweinehirten an. Der Müller erhielt den höchsten Lohn66. Die Schmiede wurden sowohl für die Reparatur der Wagenachsen als auch als Hufschmiede gebraucht, wie aus dem Register von 1597 ersichtlich wird67. 1527 wurden einem Schmied, der am Fuhrwagen arbeitete, 7 Gulden ausgehändigt68. Im gleichen Jahre erhielt der Schmied Georg Schadelen 5 Gulden, weil er im Hof des Spitals gearbeitet hatte69. 1538 bekam ein Schmied 6 Gulden und 50 Denar70. Der Metzger, der 19 Schweine geschlachtet hatte, erhielt 1527 einen Gulden und 52 Denar und dem Metzgergehilfen Hupprich Rymmeren wurden 2 Gulden und 50 Denar ausbezahlt71. Die Zimmerleute wurden 153872 erwähnt, 1527 hingegen die Raddreher, die ebenso wie die Schmiede an den Fuhrwagen des Spitals arbeiteten73. Als Knecht im Spitalshof wird der Alte Benning (alten Bennick im Spital) bezeichnet, der 1538 die geringe, aber für einen Hospitalisierten erfreuliche Summe von 15 Denar erhielt74. Später wurde er mit Kleidung belohnt75. Nahrung, Heizung, Gesundheit, Sauberkeit – Fragmente aus dem Alltagsleben in der nachmittelalterlichen Zeit Die Nahrungsmittel bilden den größten Ausgabenposten der Spitalsrechnungen, Küchengeschirr ist archäologisch belegt. Eine Abhandlung über die Ernährung der Hospitalisierten im Hotel Dieu von Paris bietet suggestive Vergleichsmöglichkeiten76. 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 Ebd., S. 32. ANS, Socoteli economice, III, 218 (wie Anm. 7), Fol. 3. K e p p (wie Anm. 33), S. 32. ANS, Socoteli economice, III, 217 (wie Anm. 7), Fol. 7v. Ebd., III, 220, Fol. 11. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 180. Ebd., S. 178. K e p p (wie Anm. 33), S. 22. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 177. K e p p (wie Anm. 33), S. 25, 27. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 179. K e p p (wie Anm. 33), S. 21. Ebd., S. 29. Christine J e h a n n o : L’alimentation hospitalière à la fin du Moyen Àge. L’exemple de l’Hotel-Dieu de Paris (avec édition de texte). In: Hospitäler in Mittelalter und Früher Neuzeit. Frankreich, Deutschland und Italien. Eine vergleichende Geschichte. Hôpitaux au Moyen âge et au Temps modernes. France, Allemagne et Italie. Une histoire comparée. Hg. Gisela D r o s s b a c h . München 2007 (= Pariser Historische Studien 75), S. 107-162. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 129 Das Spital von Hermannstadt hatte eine Nebenwirtschaft im Mayerhof am Rand der Stadt, wo Schweine gemästet und wahrscheinlich Brot gebacken wurde. Die Menge der eigenen Produkte, die für die Ernährung der Hospitalisierten und Angestellten bestimmt war, ist ein Indikator für das Lebensniveau. 1527 wurden ein einziges Mal 19 Schweine geschlachtet77; am 23. November 1581 waren es 9 Schweine, aber bis zum Ende des Fiskaljahres wurde das Spital noch weitere 48 Mal mit Fleisch versorgt. Auch Öl wurde regelmäßig gekauft. Das Grundnahrungsmittel war Brot78. Die Hospitalisierten und die Hofknechte erhielten wahrscheinlich Schwarzbrot; das Weißbrot wurde für die Diensthabenden (dienst) gekauft79. Fisch war im Mittelalter ebenfalls ein Hauptnahrungsmittel. Ein Knecht brachte Fisch aus dem Hammersdorferteich80. Neben dem Stadttor gab es einen Fischteich des Spitals81. Die Rechnungsregister vermerken auch den Kauf von Fisch, Fleisch, Öl und manchmal, an Feier- und Sonntagen, von Käse82. 1538 wurden die Ausgaben für Fleisch und Fisch 19 Mal aufgezeichnet. In manchen Fällen wird angegeben, ob der Fisch wöchentlich oder nur am Freitag gekauft wurde. Ausgaben für Fleisch, Fisch und Öl könnten auch unter die Bezeichnung speyss83 oder czerung dieser woche84 verborgen sein. Meist wurde die Bestimmung des Fleisches, Fisches und Öls nicht angegeben oder es wurden beide Gruppen (auff das armut und ale ire helff und arbeitter)85 erwähnt. Es gibt auch Ausnahmen: auff dem czerung des armuts86. Ein einziges Mal wird die Gruppe angegeben, für die das Fleisch bestimmt war: schweine fleisch des armutts87. Der Ankauf von Knoblauch erfolgte gelegentlich88. Zum gekauften Gemüse gehören auch Erbsen (erbess) und Bohnen (bonen)89. 1538 wurde in drei Fällen auch die Fischsorte notiert: hausenfish90 und gruenfish91. Vor allem an Feiertagen (Weihnachten, Ostern, Hl. Markus und Matthäus, Allerheiligen) wurden 1527 für Fleisch und Fisch gleich 17 Ausgaben getätigt. Vor allem für Nahrung waren die 25 Gulden bestimmt, die der Bürgermeister am Sonntag nach der Hl. Margaretha spendierte (auff notdurfftickeit und auffhaltung der Armer leuth)92. Zwischen Mai 1552 und April 1553 wurde 61 Mal Fleisch gekauft93. Von November 1552 bis April 1553 wurde das Fleisch einmal und ausnahmsweise 2-3 Mal im Monat besorgt. 1561-1562 wurde 55 Mal Fleisch gekauft94. 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 180. ANS, Socoteli economice, III, 219 (wie Anm. 7), Fol. 14-18. K e p p (wie Anm. 33), S. 24. Das Weißbrot kostete 4 Denare. Ebd., S. 28. Toma Cosmin R o m a n : Sibiul între siguranţă şi incertitudine în zorii epocii moderne [Hermannstadt zwischen Sicherheit und Unsicherheit zu Beginn der Neuzeit]. Alba Iulia 2007, S. 115. K e p p (wie Anm. 33), S. 20ff.; S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 177-180. K e p p (wie Anm. 33), p. 27: „speyss dise wochen, speyss dem gesinth“. Ebd., S. 23f. (czerung und speyss), S. 27. Ebd., S. 31. Ebd., S. 20. Ebd., S. 19. Ebd., S. 28. Ebd., S. 24. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 179. K e p p (wie Anm. 33), S. 28. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 45), S. 176. ANS, Socoteli economice, III, 218 (wie Anm. 7), Fol. 1-12. Ebd., III, 216, Fol. 7-16. 130 Petre Beşliu 1578 wurden die Ausgaben für Nahrung wöchentlich unter dem allgemeinen Namen mall verzeichnet95. Das Fleisch wurde unter den Einkäufen an jedem Wochenanfang erwähnt. Auch Ende des Jahrhunderts (1598) war das Fleisch das erste unter den wöchentlich angekauften Produkten. Nur Ende Februar 1599 wurde kein Fleisch in die wöchentlichen Rechnungen eingetragen96. In acht Fällen wurde in einer Woche nur Fleisch gekauft97. Das Register von 1581 zeigt, dass Fleisch 48 Mal98 gekauft wurde; 1582 geschah das 42 Mal99. Käse wird in den Ankäufen von 1537 erwähnt100, 1597 und 1598 die Beschaffung von Salz101. Wein wurde nicht eingekauft, muss aber den Spitalbewohnern und den Maiern vorgesetzt worden sein, da das Spital Nutznießer der Hälfte des Weinzehntes von Hamlesch war und die Arbeit der Knechte bei der Herstellung von Most erwähnt wird (siehe das Kapitel über die Einkünfte des Spitals). Im Übrigen gibt es eine Notiz, dass für einen Knecht Wein (besserer Qualität?) gekauft wurde102. Die archäologisch entdeckten Knochenfragmente deuten auf Veränderungen in der Struktur der Nahrung hin. Die Bewohner aus dem 13. Jahrhundert aßen Fleisch von Haus- und Wildtieren. In den Ablagerungsschichten aus dem 15.-18. Jahrhundert ist die Anzahl der Tierknochenfragmente gering; die Knochenreste von Wildtieren verschwinden103. Außerhalb der Kirche war ein Friedhof, aber gleichzeitig auch ein Platz für die Ablagerung der Haushaltsreste; auf diese Art sind sehr viele Bruchstücke von Küchengefäßen erhalten geblieben. Die Fragmente von gebrannten Töpfen, mit oder ohne Henkel, und jene der Topfdeckel beweisen, dass in der Nähe für die Mitglieder der Gemeinschaft zum Heiligen Geist und später für die Hospitalisierten gekocht wurde. Ein Topf mit glasiertem Inneren wurde in dem Raum südlich der Kirche entdeckt. Die Töpfe sind sogar zahlreicher als die Tonkannen mit Fuß. Es wurden auch einige Bruchstücke von Schüsseln und Krügen aus Ton sichergestellt. Keramik guter Qualität vermischt mit minderwertiger Ware finden wir bei den meisten archäologischen Grabungen in Hermannstadt. Der Befund ist mit jenem von Heidelberg vergleichbar, wo im 15. Jahrhundert schlecht gebrannte Keramik hergestellt wurde104. Die Priester genossen auch im 16. Jahrhundert eine bessere Nahrung, 1538 etwa einen strucz(e)ll105. Merkwürdig ist für eine Anstalt, über die wir nicht wissen, ob sie Wälder besaß, dass in den Registern vom Anfang des 16. Jahrhunderts keine Ausgaben für Brennholz vermerkt wurden. Es kann angenommen werden, dass die Ausgaben für die Heizung vom Magistrat 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 Ebd., III, 217, Fol. 5-6 v. Ebd., III, 221 (wie Anm. 7), Fol. 1. Auch im vorhergegangenen Jahr wurde das Fleisch wöchentlich besorgt: ebd., III, 220, Fol. 1-8. Ebd., III, 221, Fol. 2, 4, 6, 6v, 7, 8. Ebd., III, 218, Fol. 14-16v. Ebd., III, 219, Fol. 12f. K e p p (wie Anm. 33), S. 20. ANS, Socoteli economice, III, 220 (wie Anm. 7), Fol. 7v; 221, Fol. 5. Ebd., III, 221, S. 30. Petre B e ş l i u M u n t e a n u : Cercetarea arheologică a Bisericii Azilului din Sibiu [Die archäologische Untersuchung der Siechenhauskirche von Hermannstadt]. In: Corviniana 7 (o. J.), S. 142f. Dieter L u t z : Vor dem großen Brand, Leinfelden-Echterdingen 1992, S. 66f. und Abb. 65 auf S. 66. K e p p (wie Anm. 33), S. 30. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 131 übernommen worden sind, weil dieser 1505 einen Gulden für das ad usum pauperum gebrachte Holz ausbezahlt hat106. 1554 bestellte der Magistrat kurz vor Weihnachten Holz107. Ausgaben für den Ankauf oder Transport von Holz häufen sich ab dem Ende des 16. Jahrhunderts. Zwischen April 1582 und März 1583 wurden 30 Gulden und 79 Denar für Holz ausgegeben, das für die Hospitalisierten und die Knechte bestimmt war108. 1654 wurde in der kalten Jahreszeit zweimal im Monat sowie einmal im Juni Geld für den Holztransport ausgegeben, aber zwischen Juli und Oktober gar keines109. Hingegen wurde 1582-1583 in den Monaten April bis September 3-5 Mal und im Oktober bis Februar 6-8 Mal Holz gebracht. Ausnahmen bildeten die Monate März, als zwei, und Januar, als fünf Holztransporte stattgefunden haben. Der Mangel an Informationen erlaubt uns keine detaillierte Analyse der Lebensqualität der Hospitalisierten. Außer der Nahrung und der Heizung gibt es urkundliche Angaben über die Kleidung und das Schuhwerk, die die Hospitalisierten und Knechte benutzten. Die Satzung der Leinweberzunft von Kronstadt verdeutlicht, dass die Stoffstücke, die nicht die vorgesehenen Maße hatten, beschlagnahmt und dem Spital gespendet werden konnten110. In der ersten Bestandsaufnahme von 1527 wurden das Leinen leymbeth vor da gesindt und ein Stuck Leymbeth erwähnt111. Bei der Auswertung der täglichen Bedürfnisse der Hospitalisierten muss ihr fortgeschrittenes Alter und der allgemeine Verbrauch der Bevölkerung der mittelalterlichen und nachmittelalterlichen Städte, insbesondere der armen Schichten, in Betracht gezogen werden. Die Kleidung der Knechte: Die jährlich verteilten Schuhe (schuhen, schuchen)112 werden öfter erwähnt. 1537-1538 wurden den Rumänen und den Knechten Bundschuhe (wyrbess-wuerbesswerbess) gegeben113. Stiefel (stiwell, stibell) trugen 1537 die Fuhrleute114. Die Belohnung in Produkten bestand aus Kleidern (gatcha-gatchen-gattia, grawen rock, kitten hemden, hosen)115, Hüten, Gürteln-Schnüren (huth, kelbergurtels)116 und Handschuhen117. Manchmal wird auch die Qualität der Kleider angegeben: lainen (groses) hosen118. Eine Aufzeichnung im Rechnungsregister von 1538 über den Ankauf von Schreibpapier bezeugt, dass es im Spital für Briefe und Abschreiben benutzt wurde119. Ein Schreiber wird 1578 erwähnt120. 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 Rechnungen (wie Anm. 24), S. 44. ANS, Fondul Primăria şi Magistratul oraşului Sibiu. Socoteli consulare [Bürgermeisteramt und Magistrat der Stadt Hermannstadt, Konsularrechnungen] 207, Fol. 58 v. ANS, Socoteli economice, III (wie Anm. 7), 219, Fol. 15, 15 v. A l b r i c h (wie Anm. 28), Fol. 41, Anhang XX. Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt, Bd. 9: Zunfturkunden (1420-1580). Bearb. Gernot N u s s b ä c h e r , Elisabeta M a r i n . Kronstadt 1999, S. 189. S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 179. K e p p (wie Anm. 33), S. 28. Ebd., S. 20, 22f., 27, 30. Sie erscheinen auch im Register von 1598 als einem Hirten zugeteilt (ANS, Socoteli economice, III, 221 (wie Anm. 7), Fol. 3 v). K e p p (wie Anm. 33), S. 21, 32; Stiefel mit unterschiedlichen Preisen an gross Knecht und gross Peter geschenkt. ANS, Socoteli economice, III, 218 (wie Anm. 7), Fol. 9; K e p p (wie Anm. 33), S. 21-24, 26, 29f. ANS, Socoteli economice, III, 218 (wie Anm. 7), Fol. 9; K e p p (wie Anm. 33), S. 22, 24. K e p p (wie Anm. 33), S. 22 (2 hyntschen). ANS, Socoteli economice, III, 217 (wie Anm. 7), Fol. 7. K e p p (wie Anm. 33), S. 30. ANS, Socoteli economice, III, 217 (wie Anm. 7), Fol. 7v. 132 Petre Beşliu Die gesunden Hospitalisierten wurden in die tägliche Verwaltungsarbeit einbezogen. In England wurde Arbeit als ein Mittel empfohlen, die Zeit sinnvoll zu verbringen121. Das vom Klang der Kirchenglocke rhythmisierte Alltagsleben wurde – wie in der ganzen Stadt – von unangenehmen Ereignissen wie dem 1509 von einer Frau und einem Mann (einer im Spital arbeitenden Familie?) verursachten Brand122 sowie von den religiösen Feiertagen unterbrochen. Oft fanden Begräbniszeremonien statt. Der bei archäologischen Grabungen entdeckte durchlöcherte Würfel beweist eine Art des Zeitvertreibs und nicht das von der Kirche verbotene Glückspiel123. Die Frauen beschäftigten sich mit dem Nähen; der in einer Ablagerungsschicht aus dem 19.-20. Jahrhundert entdeckte Fingerhut belegt diese Beschäftigung. Informationen über die Tätigkeiten der Hospitalisierten finden sich nur für das 18. Jahrhundert. Vor 1766 verfügen wir über wenige urkundliche Informationen und anthropologische Daten oder andere Anhaltspunkte über den Gesundheitszustand der Hospitalisierten. Bucklige waren selten. Zwei ausgegrabene Frauenskelette mit Säuglingen auf der Brust erheben die Frage: Waren im Spital von Hermannstadt mittellose Frauen mit kleinen Kindern oder sogar Schwangere untergebracht? Urkunden aus dem 18. Jahrhundert, aber auch archäologische Funde zeigen, dass eines der häufigsten physischen Leiden von Fußkrankheiten verursacht wurde. Im Register von 1527124 wird ein Hinkender erwähnt. Der Beitrag von Michael Altemberger, dem Sohn des wohlbekannten Bürgermeisters Thomas Altemberger, zur Ausrüstung des öffentlichen Bades im Spitalhof zeigt das Interesse der Hermannstädter Gesellschaft – und zwar nicht nur der reichen Familien – an der Körperpflege125. Die Entlausung der Hospitalisierten war üblich, wie ein ausgegrabener spezifischer Kamm beweist. Die Spitalbewohner in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts In der Zeit zwischen 1597, dem Jahr, aus dem das Verzeichnis der Ausgaben und Einkünfte stammt, und 1766, als die Konskription der Hospitalisierten erstellt wurde, haben im sozioökonomischen Leben der Stadt Veränderungen stattgefunden. Im Spital gab es nun noch mehr Hospitalisierte aus dem deutschsprachigen Raum. Das Spital musste inzwischen auch auf einen beachtlichen Teil seiner traditionellen Einkünfte verzichten, doch setzte sich die städtische Gemeinschaft weiterhin für ihre mittellosen Mitbürger ein. Dank der kaiserlichen Zensoren verfügen wir über detailliertere Informationen über die Hospitalisierten aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Doch sind nicht alle Mitteilungen sicher, das sie von älteren Menschen nur aus der Erinnerung wiedergegeben worden sind oder der Zurückhaltung gegenüber den nach Einquartierungsplätzen suchenden kaiserlichen Behörden zuzuschreiben sind. 121 Nicholas O r m e , Margaret We b s t e r : The English Hospitals. London 1995, S. 122. Rechnungen (wie Anm. 24), S. 78. 123 Ein Würfel wurde im Spital am Kornmarkt entdeckt: L u t z (wie Anm. 118), S. 117, Tafel 154. 124 S e i v e r t : Archiv (wie Anm. 46), S. 176. 125 Rechnungen (wie Anm. 24), S. 544. 122 Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 133 Zahl und soziale Stellung der Hospitalisierten Im Verzeichnis von 1766 wurden die Bewohner des Spitals nach den Gebäudeteilen verzeichnet, in denen sie sich aufhielten. Ihm zufolge gab es sechs Gebäudeteile, zwischen ihnen ein neues, gewölbtes Zimmer. Die für Krankensäle bestimmten Bauten waren mit Stockwerken versehen und das Haus des Predigers (der südlich an die Kirche angebaute Teil) hatte eine untere Wohnebene126. Nach den Modernisierungsarbeiten gab es 1773 im Spital 28 Zimmer mit je 1-2 Betten. Nur in zwei Zimmern befanden sich je drei Personen. Es handelte sich insgesamt um 59 Insassen beiderlei Geschlechts. In der Konskription von 1773127 finden wir nur sechs der dreizehn Namen aus dem Verzeichnis von 1766 wieder. Unter ihnen war Margaretha Kirscher (Kürscher im Jahre 1773), die sagte, dass sie aus Agnetheln stamme. Jede Familie hatte wie schon 1766 ein Zimmer. Die Alleingebliebenen wohnten einzeln oder zu zweit im Zimmer. Ausnahme bilden die sieben Patienten aus dem Krankensaal, den sie mit einer Pflegerin Agnetha Tratzko teilten. Die Patienten waren im Alter zwischen 19 und 84 Jahren, die meisten zwischen 50 und 60 Jahre alt. 1773 befanden sich im Spital 20 Emigranten. Folglich wurden ihnen neun Zimmer zugeschrieben. Die ziemlich hohe Zahl der Emigranten, die sich im Spital befanden, war in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts relativ konstant; 1766 waren es 13 Personen, die nicht aus Siebenbürgen stammten. Im Allgemeinen war die Bevölkerung des Spitals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts schwankend. Die Unterschiede zwischen der Zahl der Hospitalisierten in den drei Verzeichnissen kann der Entwicklung des Spitals und der zunehmenden Zahl der Betten zugeschrieben werden. Die undatierte Satzung der Spitalbewohner, die nach der erwähnten Zählung verfasst wurde, liefert besondere Informationen128. Agneta Tratzko kam zusammen mit ihrer Familie ins Spital, blieb später allein und wurde als Krankenpflegerin angestellt. Für die geleistete Arbeit (die Reinigung der Zimmer und wahrscheinlich die Pflege der Schwachen) erhielt sie 1773 ein Gehalt von 15 Gulden und Kleidung129. In der Gruppe der allein gebliebenen „Unglücklichen“ befanden sich mehrere Personen. Es traten in das Spital einige weniger bedeutende Stadtbeamte sowie die Witwen anderer Beamten ein130. Die zahlreichste Gruppe bildeten die Witwen und Witwer. 1766 waren von den 41 Erwachsenen 16 Witwen beziehungsweise Witwer; in der Satzung des Spitals waren 31 der 54 Erwachsenen Witwen oder Witwer. 11 Hospitalisierte waren nicht arbeitsfähig. 126 127 128 129 130 ANS, Colecţia Brukenthal, KK 1-31, 9, Fol. 11-14. Die Verzeichnisse mit den Spitalbewohnern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden publiziert von Petre B e ş l i u M u n t e a n u : Locuitorii Spitalului din Sibiu din a doua jumătate a secolului al XVIII-lea [Die Bewohner des Hermannstädter Spitals in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts]. In: Transilvania 3-4 (2011), S. 124-128. ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 15-17. ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 19. Ebd., Fol. 17. In der Satzung des Spitals: Johannes Kloess aus Zimmer 12, Maria Wolf, die Tochter des Stadtreiters aus Zimmer 20, Agnetha Buchholzer aus demselben Zimmer; Sophia Schuster, Trabantenwitwe aus Zimmer 7, Agnetha Klusch, Knechtswitwe aus Zimmer 11, Johannes Gottlieb Ventsch, ehemals Angestellter der Stadt Raab Zimmer 24, in ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126). Catharina Schuller, die Witwe eines Torwächters, im Jahre 1766 (ebd., Fol. 14). Johannes Gläser, ehemaliger Trabant aus Zimmer 10, im Jahre 1773 (ebd., Fol. 16). 134 Petre Beşliu Das Interesse der Zähler an der produktiven Tätigkeit der Hospitalisierten wird aus dem Urteil ersichtlich, dass Johannes Schell aus Zimmer 22 weniger arbeitet, in der Kirche hilft und bettelt. Gemäß den Informationen aus der Satzung hatten drei unverheiratete Frauen einen Vertrag mit dem Spital geschlossen, ein Hinweis auf die Herausbildung moderner Vertragsbeziehungen in der Kranken- und Altenpflege131. Die meisten Hospitalisierten, die aus christlicher Solidarität aufgenommen worden waren, wurden aus den sozialen Fonds der Stadt gefördert und arbeiteten ihren Kräften entsprechend. Es gab auch Sonderfälle wie Johannes Lorentz, einen Akademiker, der 1766 als unglücklich bezeichnet wurde132. Schicksale Hinter jedem Hospitalisierten stand ein dramatisches Schicksal, das die Anwesenheit in einer Wohltätigkeitsanstalt erklärte. Joseph Kassberger, in der Satzung des Spitals erwähnt, wohnte mit seiner Schwester Maria. Sie kamen aus Oberösterreich mit ihrer mittlerweile verstorbenen Mutter und blieben im Spital. Zur Zeit der Eintragung arbeiteten die beiden: Er war Tagelöhner, sie Dienstmagd und machte Handarbeit. Daniel Metass kam ins Spital aus Neustadt, weil er seine Kinder nicht unterhalten konnte. Er flocht Hauben, und weil er Hör- und Sprechschwierigkeiten hatte, blieb er im Spital, auch nachdem die Minderjährigen gewachsen und weggegangen waren133. Auch Joseph Kassberger war ein Leidender: Er war stumm. Daniel Mettert, der Sohn des Lehrers aus Reußdörfchen, war 1766 mit seiner Frau und einem kleinen Mädchen im Spital. Er war Weber, aber sie konnten ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten. Er stotterte und seine Frau war schwach. Sie erhielten nicht einmal Almosen134. Eine einzige Frau, Katharina Roeder aus Oberösterreich, erklärte 1755, dass sie ihr Leben aus eigenen Mitteln unterhielt135. Die meisten Personen erhielten Almosen und Brothilfe, und zwar die Menge von 5-6 Scheffeln Weizen. Ausnahmsweise erklärte Petrus Sigmund aus Hermannstadt, Zimmer 21, in der Satzung, dass er über kleine Einkünfte von einem Groschen verfüge, die ihm von seinem Anteil am Bäckerladen zustünden136. Alter Der Großteil der Hospitalisierten war im fortgeschrittenen Alter. 1766 war die 104-jährige Eva Kärntner die Veteranin. Margaretha Kürscher, die 1709 hospitalisiert wurde (wenn kein Fehler unterlaufen ist), muss auch ein fortgeschrittenes Alter gehabt haben137. Sie hielt sich kaum auf den Beinen, arbeitete aber im Rahmen des Möglichen. Die Veteranen – von den Ausnahmen abgesehen – wurden 1750 ins Spital gebracht; die letzten Hospitalisierten traten 1766, im Jahr der Zählung, ein. Die Konskription von 1773 berichtet über das Alter der Hospitalisierten: 37 waren über 50 Jahre alt, 13 Personen 70 oder über 70 Jahre alt. Auch bei der 131 132 133 134 135 136 137 Einen Vertrag hatten: Christina Krämer aus Durlach, Maria Wolff aus Hermannstadt und Agneta Buchholzer aus Hermannstadt, vgl. ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 19. ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 14. Ebd., Fol. 19. Ebd., Fol. 13. Ebd., Fol. 12. Ebd., Fol. 19. Ebd., Fol. 13f. Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus 135 unteren Altersgrenze gibt es Ausnahmen: Petrus Gündisch kam im Alter von 18 Jahren ins Spital; wahrscheinlich war er gelähmt. Jung und verwirrt war Ana Linder, die schwangere Tagelöhnerwitwe, die vom Rathaus hierher geschickt worden war. Aus diesem Fall erfahren wir einen Weg, wie man im Spital aufgenommen werden konnte138. Gesundheitszustand Die Krankheiten, unter denen die Hospitalisierten litten, waren unterschiedlich. Einige wurden vom fortgeschrittenen Alter hervorgerufen oder dadurch akuter (Erblinden, Gliederschwäche, Parkinson), andere wie die Epilepsie, Wassersucht oder Gicht waren altersunabhängig. In zahlreichen Fällen notieren die Zähler den allgemeinen Zustand: die Hospitalisierten sind geschwächt oder sehr krank139. Nur im Verzeichnis von 1773 erklärten elf Hospitalisierte, dass sie gesund seien. Agnetha Klusch aus Alzen, die erklärte, sie habe am ganzen Körper Nesselausschlag, kann keiner speziellen Gruppe von Kranken zugeordnet werden140. Einige Hospitalisierte von 1773 litten unter chronischen Krankheiten: Anna Henning (Gicht), Martin Mueller und Wolf Beninger (Schlaganfall), Maria Klett (Wassersucht)141, Johannes Kloes und Maria Riedler (vermutlich Arthritis, wegen der Wunden an den Füßen)142. In der Satzung des Spitals werden sechs und 1773 vier teilweise oder völlig gelähmte Hospitalisierte erwähnt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden die Hospitalisierten von einem Arzt untersucht, was in einigen Fällen die Diagnose erklärt. Herkunftsort Im Verzeichnis von 1766 waren die Hospitalisierten größtenteils aus Hermannstadt und einige aus den benachbarten Ortschaften (Reußdörfchen, Bogat, Neudorf); einige Frauen waren Emigrantinnen aus Durlach, Kärnten, Oberösterreich. Über eine einzige Hospitalisierte wird mitgeteilt, dass sie eine Ungarin aus Klausenburg sei. Die meisten waren wohl evangelisch und sprachen Deutsch. Die Schwäbin Elisabeth, die Ehefrau eines Soldaten, war katholisch. Zusammen mit Maria Muess, die mit ihrem Ehemann (einem ehemaligen General) gekommen war, bildete sie eine neue Gruppe von Angehörigen kaiserlicher Militärs143. Sittlichkeit Die christlichen Traditionen der Wohltätigkeitsanstalt und der sächsischen Gemeinschaft sind aus der Charakterisierung eindeutig, die den Hospitalisierten 1766 gemacht wurde. Einige wurden als gute Christen bezeichnet. Ana Linder, verwirrt und der Kirche entfernt, wurde als sündig erklärt. Auch Maria Binder ging nicht in die Kirche. Sie hatte auch einen anderen Fehler, der als Sünde betrachtet wurde, sie sprach nämlich zu viel. Die Zensoren haben auch 138 139 140 141 142 143 ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 14. Mathias Keiser (Zimmer 23) wurde 1773 erst als geschwächt, dann als krank bezeichnet; ebenso Susanna Hihn (Zimmer 13). Sehr krank waren Elisabeth Griener (75 Jahre alt) und Matia Schnureis (ebenda, Fol. 16f.). Ebd., Fol. 19. Ebd., Fol. 16f. Ebd., Fol. 13. ANS, Colecţia Brukenthal (wie Anm. 126), Fol. 13f. 136 Petre Beşliu aufgezeichnet, dass in der Familie des Kürschners Johannes Kloess für eine gute christliche Familie ungebührliche Streitigkeiten gehört werden144. Beschäftigungen Gemäß der Satzung der Spitalbewohner leisteten die Fähigen kleine Dienste in der Wirtschaft; sie wurden als Hilfskraft in der Wirtschaft, als Hilfe bei verschiedenen Tätigkeiten, kleinen Reparaturen, als Tagelöhner oder Hilfe bei der Kirche erwähnt. Die Frauen flickten, nähten. Sara Schuller aus Zimmer 24, über die der Zähler notierte, dass sie vom Schicksal geschlagen sei, nähte für Händlerinnen, andere Hospitalisierte spannen Baumwolle oder Wolle, webten Wolle, sammelten Daunen, reinigten die Öfen, fertigten Bänder oder verkauften verschiedene Sachen, wie Catharina Töpfer aus Hermannstadt, die in der Satzung der Spitalbewohner erwähnt wurde. Es ist nicht bekannt, welche Art von Gegenständen aus Birkenholz Catharina Binder, eine Witwe aus Hermannstadt, für Bedürftige angefertigt hat145. In der Satzung erscheinen auch neue Beschäftigungen. Die Feinbäckerin war bucklig, sie konnte aber ihren Beruf ausüben146, Johannes Jacob Reuter aus Kärnten, Zimmer 13, war Maurer, erklärte aber in der Satzung, dass er Bücher binde. Der Ausdruck steht auch bey der Kirche / steht auch vor der Kirchen-Thüre / geht auch bey die Kirche weist auf Betteln hin, etwa bei Johannes Kloes. Andererseits wurde nur über den in der Satzung des Spitals erwähnten Johannes Schell aus Zimmer 22 ausdrücklich behauptet, dass er bei der Kirche bettelte (steht bey der Kirche und geht betteln)147. Aus der Perspektive der Untersuchung der Entwicklung des mittelalterlichen und neuzeitlichen Spitals bildeten die Pfleger die interessanteste Gruppe der Spitalbewohner. Georg Schönhauser war Pfleger und Pförtner. Er hatte ähnliche Zuständigkeiten wie jene, die 1746 der Pfarrer Daniel Filtsch schriftlich überlieferte: Er sollte den Schnee um die große Kirche fegen, die Hunde verjagen und die Türe schließen148. Wegen der physischen Schwäche wurde er zum Dienst der Übernahme von Spenden versetzt. Der erwähnte Pfleger wohnte seit langer Zeit im Spital, zusammen mit seiner Frau, die auf Krücken ging, und seiner 13-jährigen Tochter. (Übersetzung aus dem Rumänischen: Eva-Maria P a p p ) 144 Ebd., Fol. 13. Ebd., Fol. 19. 146 Susana Berger aus Zimmer 19 war Feinbäckerin: ebd., Fol. 17. 147 Ebd., Fol. 16, 19. 148 Ebd., Fol. 5. 145 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 137 Das „Spiel vom König und vom Tod“ Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauchtum Von Irmgard und Werner S e d l e r Die Vorderste Nachbarschaft in Zied verwahrte noch in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein in blaues Papier eingeschlagenes Schulheft, das den Text eines bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts bei den Sachsen in ganz Siebenbürgen bekannten, dramatisierten und während der Faschingszeit aufgeführten Liedes/Spieles „Vom König und vom Tod“ beinhaltete. Der Vermerk auf dem Deckblatt nannte neben dem Titel das Jahr 1845 und den Namen des damaligen Altknechtes der Zieder Bruderschaft, Georg Homm (1825-1882)1, der die Aufzeichnung wohl zu Aufführungszwecken vorgenommen hatte. Im Jahr 1913 haben die erwähnten Aufzeichnungen des Georg Homm als Vorlage für einen weiteren, heute noch vorhandenen Text in der Niederschrift von Wilhelm Rothmann (18961931) gedient2. Anlässlich einer Inszenierung, die Richard Wolfram (1901-1995) nach jahrzehntelanger Aufführungspause im Ort im Jahre 1937 zu volkskundlichen Studienzwecken angeregt hatte, ist der Hommsche Text oder aber eine weitere Abschrift verwendet worden3. Letztlich liegt uns ein zwölfseitiges Typoskript des „Königsliedes/Todesliedes“ aus Alzen um 1900 vor, das sich ehedem im Besitz von Konrad Schuster (1934-2007) in der genannten Harbachtaler Ortschaft befand und anlässlich der letzten Aufführung im Jahre 1967 als Vorlage genutzt wurde. Auch hier spricht der knapp und präzise gehaltene Anweisungsapparat für eine zu Aufführungszwecken vorgenommene Aufzeichnung (im Folgenden Alzen I genannt)4. Eine weitere in Alzen aufgefundene, unvollständige Fassung auf sieben Seiten, die keinem Schreiber bzw. keiner Bruder-/Nachbarschaft zuzuordnen war, weicht in Wenigem von der hier wiedergegebenen ab (Alzen II)5. Die zeitlich uns am nächsten kommende Variante ist eine Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1986, die das gesungene „Königslied“ wiedergibt (Alzen III). Frühere Erwähnungen und wissenschaftliche Recherchen belegen die allgemeine Verbreitung des Fastnachtspieles in der zweiten Hälfte des 19. und noch zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Jahre 1901 erwähnte der Siebenbürgenreisende Emil Soffé (1851-1922) handschriftliche Belege vom Anfang des 18. Jahrhunderts zu dem „Königslied“, 1 2 3 4 5 Werner S e d l e r, Albert A r z : Die Höfe und ihre Bewohner. In: Zied. Ein Dorf und seine Geschichte. Hgg. Irmgard und Werner S e d l e r . Ludwigsburg 2003, S. 332. Ebd., S. 294. Die mir im Jahre 1995 erteilte Auskunft stammt von Johann R o t h m a n n (1908-2002), zuletzt in Bietigheim lebend, der 1937 maßgeblich an der Aufführung beteiligt war. Vgl. auch Richard W o l f r a m : Drei Volksschauspiele aus Siebenbürgen. In: Jahrbuch für ostdeutsche Volkskunde 19 (1976), S. 83-131. Privatarchiv Sedler, Kornwestheim. Ebd. Zudem Gesprächsaufzeichnungen und Tonaufnahmen mit Johann R o t h m a n n (Zied/Bietigheim, Hausnr. 22, 1995), der in der Zieder Aufführung von 1937 den Tod darstellte; mit Maria B a r t e l (Zied/Lauffen a. Neckar 2006) und Konrad S c h u s t e r (Alzen/Darmstadt 1986 und 2004). 138 Irmgard und Werner Sedler 1. Ausschnitt aus den „Statuten der Bruderschaft für die Ortschaften des Mediascher Stuhls“, eingeführt im Jahre 1822 in Reichesdorf. Artikel 18 betrifft das Verhalten in der Fastnacht. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 139 das in einigen Gegenden Siebenbürgens bis auf den heutigen Tag, hauptsächlich in der letzten Woche vor dem Advent oder nach Neujahr in der Woche, wenn das Evangelium von der Hochzeit zu Cana gelesen wird, zur Aufführung gelangt.6 Ohne auf die nähere Herkunft dieser Texte einzugehen, bezog sich Soffé auf das Gebiet der Großen Kokel, das Umland von Mediasch: Das Gedicht ist über den größten Theil des Sachsenlandes verbreitet und wird vollständig in mehreren Ortschaften des Mediascher, Großschenker und Bogeschdorfer Capitels aufgeführt, während es in andern Orten bloß fragmentarische Darstellung findet und von mannigfachen Gebräuchen umgeben ist.7 Solches hielt eine Generation vor Soffé schon der siebenbürgische Pfarrer und Dichter Martin Malmer (1823-1893) fest. Malmer erwähnt noch Braller, Feldorf, Nadesch und Leschkirch als Orte, an denen das Spiel seinerzeit lebendig war8. Er war auch der erste, der den überlieferten Spieltext in vollem Umfang in einem Aufsatz veröffentlichte und dabei auf zeitliche und brauchmäßige Umstände der Aufführungssituation einging. Auch Regieanweisungen kommen in dem mit „Königslied“ betitelten Beitrag von 1857 vor9. Johann Mätz (1826-1901) erwähnte seinerseits das Spiel im Zusammenhang mit Hochzeitsaufführungen10. Friedrich Wilhelm Schuster (1824-1914) richtete sein Augenmerk auf den mythischen Substrat respective die historischen Hintergründe, vor denen er die Verbreitung des Spieles in Siebenbürgen (siehe Aufführungen bei Hochzeiten) gerechtfertigt sah11. Zu einem Rückkoppelungseffekt kam es um die Wende zum 20. Jahrhundert: Ernst Buchholzer hatte das „Königslied“ in voller Textlänge in seinen Aufsatz über „Die siebenbürgisch-sächsische Volksdichtung“ aufgenommen. Der Text, 1900 in dem in ländlichen Leserkreisen sehr beliebten „Kalender des Siebenbürger Volksfreundes“ abgedruckt12, wirkte sich seinerseits spielfördernd auf die Brauchpraxis in der siebenbürgisch-sächsischen Dorfgesellschaft aus13. Die „Akademischen Blätter“ von 1908 druckten eine weitere Textvariante aus Reußen ab14. 1926 zeichnete Adolf Schullerus das „Lied“ auf und der Hermannstädter Stadtkantor Franz Xaver Dressler (1898-1981) bearbeitete die Melodie15. Nach Gottlieb Brandsch (1872-1959), der das „Königslied“ in seine Sammlung „Siebenbürgisch-deutscher Volkslieder“ von 1931 nach Recherchen in Roseln, Keisd und Schönbirk aufnahm16, erfuhr der österreichische 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 Emil S o f f é : Das Königslied. In: Jahres-Bericht der k. k. deutschen Staats-Ober-Realschule in Brünn für das Schuljahr 1901. Brünn 1901, S. 5. Ebd. Martin M a l m e r : Das Königslied. In: Aus Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart. Hermannstadt 1857, S. 75. Ebd., S. 74-80. Johann M ä t z : Die siebenbürgisch-sächsische Bauernhochzeit. In: Schäßburger Gymnasial-Programm 1859/1860, S. 87-92. Friedrich Wilhelm S c h u s t e r : Deutsche Mythen aus siebenbürgisch-sächsischen Quellen. In: Archiv 9 (1870), 2, S. 230-331; 9 (1871), 3, S. 401-497; 10 (1872), 1, S. 65-155. Ernst B u c h h o l z e r : Die siebenbürgisch-sächsische Volksdichtung. In: Kalender des Siebenbürger Volksfreundes 1900, S. 122-138. Siehe dazu Erhard A n t o n i : Volksschauspiele aus Siebenbürgen. In: Forschungen zur Volks- und Landeskunde 17 (1971), 1, S. 66-80. Hans U n g a r : Unsere Volksdichtung. In: Akademische Blätter 3-5 (1908), S. 20-23. Siebenbürgisch-sächsische Volkskunst-Aufführung. Zusammengestellt von Adolf S c h u l l e r u s (Dichtung) und Franz Xaver D r e s s l e r (Musik). Hermannstadt 1926. Gottlieb B r a n d s c h : Siebenbürgisch-deutsche Volkslieder. Hermannstadt 1931 (Schriften der deutschen Akademie 7), S. 155ff. 140 Irmgard und Werner Sedler 2. Fastnacht in Zied (gefeiert zu „Pauli Bekehr“) 1930. Eine Gruppe Akteure aus dem „Königslied“: „Soldaten“ mit ihrem „Hauptmann“. Volkskundler Richard Wolfram auf seiner siebenbürgischen Forschungsfahrt im Jahre 1937 in Agnetheln unter anderem vom „Königslied“ als einer seit Jahren aufgelassenen Brauchhandlung der Schuljugend. Es gelang ihm, wie schon erwähnt, das Spiel in Zied zu rekonstruieren. Allerdings publizierte er seine Erkenntnisse erst 197617, möglicherweise auch unter dem Eindruck der Veröffentlichungen zum Thema, die der siebenbürgische Volkskundler und Kunsthistoriker Erhard Antoni (1898-1985) zwei Jahre zuvor der Fachwelt präsentiert hatte18. Dazu Wolfram: Wenn ich hier nun zusätzlich meine Aufzeichnung des Königsliedes vorlege, trotzdem schon vier Textvarianten veröffentlicht wurden, dann vor allem deshalb, weil ich mich auf eigenen Augenschein berufen kann. Erst wenn man auch die Spielform kennt, die Melodien und die Art, wie das ganze Stück gesungen (nicht gesprochen!) wird, entsteht ein Vollbild.19 Wolframs Ausführungen betrachten darüber hinaus das siebenbürgische „Königslied“ in einem geographisch viel weiteren Kontext, indem er „zwei weitere bisher unveröffentlichte handschriftliche Texte, davon einen „aus dem südlichsten Zipfel der Kremnitz-Probner Sprachinsel“20, in die Analyse mit einbezog. 17 W o l f r a m (wie Anm. 3). A n t o n i (wie Anm. 13). 19 W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 89. 20 Ebd., S. 90. 18 Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 141 Vor Wolfram hatte der Klausenburger Germanist Harald Krasser (1905-1981) in den sechziger Jahren den Schauspielstoff aus inhaltlicher Perspektive in seinen gesamteuropäischen Zusammenhängen zur Sprache gebracht und das ihm zugrunde liegende Gedankengut in der Verbindung zu „Totentanz“ und „Jedermann“ betrachtet21. Erhard Antonis Beitrag liefert seinerseits die Belege für eine ehedem flächendeckende Präsenz des in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im ländlichen Bereich allmählich aus der Spielpraxis verschwindenden „Königsliedes“22. Ausgangspunkt für unser Aufgreifen der „Königslied“-Problematik waren nur zum Teil die neu hinzugekommenen Aufzeichnungen aus Zied und Alzen (beides Gebrauchstexte hinsichtlich intendierter Aufführungen). Weit mehr interessierten uns die Aspekte der Kontextualisierung, das heißt die Annäherung an das „Königslied“ unter den Aspekten des Anlasses von Aufführun- 3. Totengedenkfahne für Johannes Stamph von gen, der Textüberlieferung, der brauchmä- 1792 (evangelische Kirche in Werd). Die hier abgebildete Raupe gehört emblematisch zur überßig-rituellen Bindung, der Spielträgerschaft lieferten Darstellung des menschlichen Lebens in und des Publikums, des Bühnen-Ortes und christlicher Sicht und verweist auf die Heilserfah-Planes. Welche war die Zweckbestimmung rung des Verstorbenen (Raupe – Puppe – Schmetbzw. die Wirkungsabsicht des „Königslie- terling) (Aufnahme Konrad Klein). des“ in einer von protestantischer Ethik und Frömmigkeit geprägten siebenbürgisch-ländlichen Gesellschaft in Anbetracht seiner thematisch direkten Ausrichtung auf die „letzte Instanz“, die es in den Gedankenkreis der ars moriendi versetzt. Bei der wissenschaftlichen Betrachtung des „Königsliedes“ spielten diese kontextuellen und kulturgeschichtlichen Komponenten eine wichtige Rolle, auch, da ihre Reflexe im literarischen Gefüge der zahlreichen Varianten durchaus auszumachen sind – in diesem Sinne sei beispielsweise auf das Thema „Doktor Eisenbarth“ hingewiesen. Das Alzner „Königslied“/„Totenlied“ Als Ausgangspunkt stehen uns die ehedem im Besitz von Konrad Schuster befindliche Niederschrift (Alzen I), das Typoskript Alzen II und die von der Germanistikstudentin Maria 21 22 Vgl. Istoria teatrului în România [Geschichte des Theaters in Rumänien]. Bucureşti 1965, S. 85-87. A n t o n i (wie Anm. 13), S. 68. 142 Irmgard und Werner Sedler Schneider transkribierten Tonbandaufnahmen von 1986 (Alzen III) zur Verfügung. Hinzu kommt die eigene Erinnerung, welche die Verfasserin als 16-Jährige an die Aufführung von 1967 hat, dazu Interviews mit einigen der damaligen Akteure dieser letzten Darbietung sowie die 1986 von Maria Schneider (geb. 1963) aufgenommenen Tonkassetten mit den Kommentaren zum Spiel23. Im Folgenden der Text Alzen I: Quartiermacher/Hauptmann24: (Kommt hereinspaziert und spricht) Ich wünsch guten Abend, meine Herrn! Verzeihen’S, weil ich ein wenig einspazieret bin. Ich bin ein Kaiser-und-Königlicher Abgesandter. Ich bin ein Minister des Königs Leopold des Dritten und bin in einer heftigen Schlacht gewesen gegen den türkischen Kaiser Großsultan, wo meine Mannschaft tapfer kämpfte und doch geschlagen wurde und wir fliehen mussten. Wir flohen bei Nacht und Nebel. Wir kommen weite Straßen: vom Schwarzwald nach Irrland, von Irrland nach Schottland, von Schottland nach Deutschland. Von Deutschland sind wir endlich herübergekommen nach Siebenbürgen, wo uns der teuflische Tod auf der Straße nachgefolget ist, um unserem König das Leben zu nehmen. So hat mich unser König im Voraus geschickt, um für ihn ein Quartier zu bestellen. Da ich nun in diesem Dorfe kein anderes Licht erblickte als hier und auch einen fürchterlichen Lärm hörte, darum bin ich hereinspazieret, um mich zu überzeugen, ob hier Leute wären, um für unseren König Quartier zu erbitten. Nun, meine Herren, ist’s erlaubt, hereinzuspazieren? Ja oder nein? Quartiergeber (Nachbarvater, Hochzeitsvater): (macht Platz in der Stube) Ja, ja! Quartiermacher/Hauptmann: (streckt herrisch die Hand aus) Aber der Platz ist mir ein wenig zu klein und wenn der Platz nicht größer sein kann, spaziert mein König nicht herein. Also, Platz will ich haben! Dass ich es meinem König und meiner Mannschaft melde und sie hereinführen lasse. Ich bitt’ um einen Stuhl. Spazieren’S herein, lieber König! (Der Engel und der König treten ein, hinter ihnen paarweise die sechs Soldaten: zuerst zwei schwarze, dann zwei weiße, zuletzt wieder zwei schwarze. Der König setzt sich auf den Stuhl, der Engel bleibt neben ihm stehen. Die Soldaten bleiben im Hintergrund) Quartiermacher/Hauptmann: Erste Rotte im Gleichschritt, marsch! Zweite Rotte im Gleichschritt, marsch! Dritte Rotte im Gleichschritt, marsch! (Die Soldatenpaare kommen nacheinander vor, stellen sich vor dem König eine Gasse bildend auf. Sie stehen sich frontal gegenüber und beginnen mit ganz langsamen, wie abgesteckten Bewegungen ihre hölzernen Säbel kreuzend aneinander zu wetzen. Das Säbelwetzen geschieht abwechselnd, mal links, mal rechts. Das tun die Soldaten während der ganzen Aufführung, bis sie reihenweise ein Paar nach dem anderen vor dem Tod kapitulieren müssen.) 23 24 Gewährsperson Konrad S c h u s t e r , Alzen. In den Varianten Alzen I und II agiert der „Quartiermacher“, in Alzen III heißt er „Hauptmann“. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 143 Engel/Vorsinger25: (singt auf eine eigene Melodie) Hört zu mit Fleiß und merket auf, Neu Zeitung ich euch singen will Von einem König reiche. Der Tod auf einem freien Markt Dem König tut nachschleichen. Tod: (Die Todesgestalt hat sich, während der Engel singt, unbemerkt hereingeschlichen und verharrt zunächst im Hintergrund, am Rande der Spielfläche. Dann tritt er hervor, bleibt vor der Gasse stehen und singt dem König zugewandt auf eine gesonderte Melodie) Glück zu, du edler Königsmann, Neu Botschaft ich dir zeige an, Dein Tod ist schon vorhanden. An meinen Reihen musst du gehn, Ich fahr‘ durch alle Landen. König: Wer bist du denn, du kühner Mann, Dass ich mit dir gleich muss davon? Woher, aus welchen Landen? Wer ist dein Herr? Das zeig mir an. Sonst bestehest du in Schanden. Tod: Kennt’st du mich recht, es wär’ dir gut, Ich brech’ dir deinen stolzen Mut. Tod heißt man mich mit Namen. Der jungen und der alten Leut’ Tu’ ich gar wenig schonen. König: Vom Tod ich oft gehöret hab’, Nach dir ich nicht viel fragen mag. Pack dich aus meinen Landen. Sonst wirst du bald gefangen stehn In Ketten und in Banden. Engel: Der Tod schoss aus in schneller Eil’, Dem König zu mit einem Pfeil. Tod: Das wirst du bald empfinden, 25 In den Varianten Alzen II und III übernimmt ein „Vorsinger“ den Anfangspart des „Engels“. Anstelle der stumm agierenden „Soldaten“ handeln in Alzen II und III „Wächter“. Deren Zahl variiert von sechs (Alzen I) zu zwei (Alzen III). 144 Irmgard und Werner Sedler Du junger stolzer Königsmann, Ob du den Tod wirst binden. Engel: Der König bald entfärbet sich, Und sein Gestalt ward jämmerlich. König: Gott möcht’ sich wohl erbarmen, Dass ich so jählich sterben muss. Du find’st ja viel der Armen. Tod: Der Armen find’ ich viel zu viel, Der Reichen ich auch haben will. Die zieren meinen Reihen. Prälaten, Fürsten, König groß Tun mich allzeit erfreuen. König26: Groß ist dein Macht. Engel: Der König sprach, Wie er nun auf dem Bette lag. König: Drum geb’ ich mich gefangen. Aus meiner Hoffnung will ich noch Ein’ Bitt’ von dir erlangen. Tod27: Sag an, Engel: Gab ihm Bescheid der Tod, Tod: Was ängstet dich für große Not? König: Zwölf Jahre frisst mir noch mein Leben, Zehntausend Pfund des besten Gold’s Will ich dir zu eigen geben. Tod: Nach deinem Gold frag ich nicht viel, du bist jetzt übergeben mir, Auf diesmal musst du sterben. 26 Alzen II und III überlassen hier den Text ganz dem „Vorsinger“, Alzen I teilt ihn zwischen den Akteuren auf. 27 Wie Anm. 26. König28: Verleih’ mir nur, Engel: Der König sprach, König: Ein halbes Jahr und einen Tag, Ein Haus will ich noch bauen. Ein’ Turm und auch ein festes Schloss, Mein Land zu überschauen. Tod: Lass bauen, wer da bauen kann, Auf diesmal musst du mit daran, Schick dich an meinen Reihen. Ein’ Tanz ich mit dir tanzen will, Der wird dich wenig freuen. König: Noch eines will ich bitten dich, Das wirst du ja gewähren mir, Lass mich nur länger leben. Ein armer Bettler will ich sein, Dazu meine Kron’ dir geben. Tod: Herr König! Das sind unnütz’ Wort. Schick dich nun bald, wir müssen fort. Die Zeit vergeht mit Schaden. An meinen Reihen muss ich noch Viel tausend Menschen laden. König29: Nicht eil’, nicht eil’, Engel: Der König sprach, König: Verleih’ mir nur noch einen Tag, Ein Testament will ich bestellen. Mein Silber, Gold und Edelstein Ordnen nach meinem Willen ein. Engel: Der Tod, der sprach Tod: Das kann nicht sein! 28 29 Wie Anm. 26. Wie Anm. 26. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 145 Darum ergib dich willig drein, Dass wir jetzt auf die Straßen. Dein Silber, Gold und Edelstein Musst du der Welt nun lassen. König: Hilft kein Bitten, hilft kein Fleh’n? Tod: Flehen und Bitten helfen nicht! König: Sollt ich keinen Tag mehr sehn? Tod: Keinen, du musst vors Gericht! König: Nur Geduld, drei Wort’ zu warten. Tod: Kein’ Geduld wächst mir im Garten. (Die Demonstration des Unausweichlichen spielt sich nun mit symbolischen Gesten in voller Sprachlosigkeit ab. Der Tod nimmt drei „Anläufe“ durch die von den Soldaten „bewachte“ Gasse auf den König zu. Jeder „Anlauf“ ist durch einen einzigen Vorwärtsschritt markiert, dem gleich ein Rückwärtsschritt folgt. Beim ersten Schritt senkt das vorderste Soldatenpaar seine Säbel, beim zweiten das nächste, beim dritten das letzte. Der Tod steht vor dem König, bläst die Kerze in dem Mehlsieb aus, das er die ganze Zeit vor sein Gesicht gehalten hatte, der König streckt die Füße und sinkt auf dem Stuhl zurück. Der Tod schleicht hinaus, während der Engel zu singen anhebt.) Engel: Der König streckt’ bald Händ’ und Füß’, Sein stolzer Leib sich ganz entließ, Sein Mund tut ihm verbleichen. Der Würger würgt ohn’ Unterlass Den Armen wie den Reichen. Der Tod, der kommt zu solcher Zeit, Wenn man gedenkt, er ist noch weit. Er tut sein’ Pfeil abschießen. Darum erwart’ ihn jederzeit, Wirst Seligkeit genießen. Lied (Das singen alle im Publikum mit)30: Fahre wohl, du edler Held! 30 Der wohl im 19. Jh. hinzugekommene recht holprige Text rekurriert auf Georg Rudolph Weckherlins (1584-1653) Totenklage zu „Gustav Adolfs Tod“, wie sie Arnim und Brentano in „Des Knaben Wunderhorn“ (1857) festhielten. Vgl. dazu Ferdinand R i e s e r : „Des Knaben Wunderhorn“ und seine Quellen. Dortmund 1908, S. 401. Der Text wurde in Alzen auf die Friedrich Silcher-Melodie zu „Morgen muss ich fort von hier“ gesungen, siehe Tonbandaufnahme Maria S c h n e i d e r . 146 Irmgard und Werner Sedler Du musst nun von hinnen. Scheiden musst du von der Welt. Was geschiehet nun mit denen, Die in deinem Reiche steh’n Und dich nicht mehr um sich sehn? Sie beklagen dich mit Weinen. Engel: Ach sehet, wie der Tod mit kalter Hand Sein Opfer fasst, Wie er nicht fragt, ob arm ob reich. Dem Tod, dem sind wir alle gleich. Was hätt’ der König nicht gegeben, Noch für ein bisschen Leben? Aber der Tod kennt kein Pardon, Zu dem er kommt, der muss davon. Als für den Tod kein Kraut gewachsen ist, Denn was lebt, auch sterblich ist. (Hier schließt sich das in Prosa gehaltene, gesprochene „Doktorspiel“ an.) Quartiermacher/Hauptmann: (Sieht sich im Kreise um) Diesen Fall will ich retten, will hingehen und einen braven Arzt aufsuchen, der froh seine Künste über diesem Leichnam fassen [?] wird. Ist in diesem Haus kein Doktor zu finden? (Steckt den Kopf aus der Stube ins „Haus“ [det Hous, sächs. für den Herdraum, das Vorhaus]). Auch im Vorhaus keiner? (Der Doktor tritt ein, hinter ihm der Apotheker.) Leute (Publikum): O, ja! Hier ist einer. Spazieren’S herein, lieber Doktor. Quartiermacher/Hauptmann: I: Seine Majestät, mein König ist gestorben :I Herr Doktor Schwarzgeboren vierzehn Tage im Arrest gewesen Im Kopf verworren, herein, herein! Doktor: Verdorben? Wer ist verdorben? Quartiermacher/Hauptmann: Der König ist gestorben! Doktor: Aha, verworren. Ich wünsch schönen guten Abend, meine Herrn! Ich wünsch, dass in diesem Hause kein einziger Mensch gesund sein möge. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 147 Quartiermacher/Hauptmann: Aber Sakrament! Was für ein Wunsch ist denn das, dass unter so vielen Leuten keiner gesund sein möge? Doktor: Ha, ha! Das wär’ für mich der glücklichste Wunsch. Denn, wenn alle gesund sind, so krieg ich keinen Kreuzer und Katraker31 in meine Taschen, nun aber auch etliche krank sind, krieg ich auch etwas in meine Taschen. Da schauen’S, sie sind alle leer. Quartiermacher/Hauptmann: Von wo sind Sie? Doktor: Ich bin von Grönland. Von Grönland bin ich kommen nach Schwarzland, von Schwarzland nach Irrland, von Irrland nach Deutschland, von da bin ich endlich herübergekommen nach Siebenbürgen, wo ich das große Unglück gehört habe, das euch mit eurem König betroffen hat. Darum bin ich hereinspaziert. Quartiermacher/Hauptmann: Was für ein Doktor seid Ihr? Doktor: Ich bin der Doktor Eisenbart, Kurier die Leut’ nach meiner Art. Apotheker: Und ich nach meiner. Doktor: Kann machen, dass die Blinden gehn Und alle Lahmen wieder sehen. Ich bin der Doktor Fiffikus, Kurier die Mädcher am linken Fuß. Apotheker: Und ich am rechten! Quartiermacher/Hauptmann: Haben Sie auch studiert? Doktor: Ja, ich habe studiert. Auf der Schule Nirgendwo, drei Minuten und vier Sekunden. Quartiermacher/Hauptmann: Haben’S auch die Prüfung abgelegt? Doktor: Ja, ich hab’ auch die Prüfung abgelegt beim Obertierarzt Petru Barinu in der großen Löffelstadt Numeruschu32 14. 31 Verballhornung für Polturaken, das ist eine Rechnungsmünze bzw. eine minderwertige Schiedsmünze in Österreich und Ungarn vom 16.-18. Jh. Vgl. Andreas E g g e r e r : Anatomirte Arithmetik oder gründliche Anweisung zur gemeinen und welschen Rechenkunst. Hg. Franz Xaver M i l l e r . Graz 1802. 32 Verballhorntes Rumänisch, numeruşu statt număru, das ist [Haus-]Nummer. 148 Irmgard und Werner Sedler Quartiermacher/Hauptmann: Haben’S auch den Pass dazu? Doktor: Ich denke so, ich würd’ ihn haben. Quartiermacher/Hauptmann: Suchen’S ihn! Doktor: Hier ist nichts und hier ist nichts. Aus Nichts hat Gott die Welt gemacht. Find’ meinen Pass nicht. Quartiermacher/Hauptmann: Ohne Pass können wir Sie als keinen wirklichen Doktor annehmen. Doktor: Ich werde nochmals suchen, aber ich hab’ so viele Taschen, dass ich nicht weiß, wohin ich meine Hand stecken soll. Hier ist er! Quartiermacher/Hauptmann: (liest) Doktor Prostundedai33 hat wirklich studiert auf der Schule Nirgendwo, drei Minuten und vier Sekunden und die Prüfung abgelegt beim Obertierarzt Petru Barinu in der großen Löffelstadt Numeruschu 14. Es ist der wirkliche Pass. Sie können ihn versorgen. Haben Sie auch kuriert? Doktor: Ja, ich habe auch kuriert. Zu Potsdam trepanierte ich Den Koch des großen Friederich. Den schlug ich mit dem Beil vorn Kopf, Gestorben ist der arme Tropf. Zu Ulm kuriert ich einen Mann, Dass ihm das Blut am Beine rann. Er wollte gern gekuhpockt sein, Ich impft ihn mit dem Bratspieß ein. Zu Prag da nahm ich einem Weib Zehn Fuder Steine aus dem Leib. Der letzte war ihr Leichenstein. Sie wird wohl jetzt kurieret sein. Es war einmal ein alter Mann, Der hatte einen hohlen Zahn. Den schoss ich heraus mit dem Pistol, Ach Gott, wie ist dem Manne wohl. 33 Wortspiel um die absichtlich kompromittierende Namensgebung des Arztes, rum. prost unde dai, das ist Dr. Allzeitdumm bzw. Rundumblöd. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 149 Mein allergrößtes Meisterstück Macht ich zu Osna auf der Brück. Podagrisch war ein alter Knab’. Dem schnitt ich beide Beine ab. Apotheker: Und ich alle drei. Doktor: Das ist die Art, die ich studiert! Sie ist probat, ich bürg’ dafür. Dass jedes Mittel wirken tut, Schwör ich bei meinem Doktorhut. Aber leider hab’ ich keinen. Quartiermacher/Hauptmann: Wir hören, Herr Doktor, dass Sie vielen Menschen geholfen haben, aber können Sie tote Menschen lebendig machen? Doktor: Ja, ich kann lebendige Menschen tot machen. Quartiermacher/Hauptmann: Aber nicht so, Herr Doktor. Können Sie tote Menschen lebendig machen? Doktor: Ich hab’ Ihnen’s ja jetzt gesagt, ich kann lebendige Menschen tot machen. Man nimmt einen Stock und schlägt ihn vor den Kopf und er krepiert wie ein Hund. Quartiermacher/Hauptmann: Ich weiß nicht, was mit diesem Menschen ist, hört er nicht gut oder sieht er nicht gut? Doktor: Ich hör’ zwar gut, aber ich hab’ das Mädchensehn. Quartiermacher/Hauptmann: Ich will es ihm noch einmal laut in die Augen sagen. Können Sie tote Menschen lebendig machen? Doktor: Aha! Das ist was anders! Auch das kann ich für eine gute Bezahlung. Quartiermacher/Hauptmann: Was soll ich Ihnen geben, dass Sie unseren König gesund machen? Doktor: Sie sollen mir geben 400 Gulden, farzan Kratzer getrackter, 3 Groschen och zwien Kratzer, so will ich ihn gesund machen. Quartiermacher/Hauptmann: Das ist mir gar zuviel. Ich will Ihnen geben 600 Gulden, farzan Kratzer, farzan Katraker, 3 Groschen uch noch zwien Kratzer34. Ich denk’, es würde genug sein. 34 Verballhornung in sächsischer Mundart, einen sächsisch sprechenden Zigeuner parodierend; auch zwecks lautmalerischer Wirkung. Korrekt: firzän Krezer, firzän Katraker … uch nōch zwien Krezer, das ist „vierzehn Kreuzer, vierzehn Polturaken und noch zwei Kreuzer“. 150 Irmgard und Werner Sedler Doktor: Das ist mir gar zu wenig. Sie sollen mir geben 200 Gulden, farzan Kratzer, farzan Katraker, 3 Groschen uch noch zwien Kratzer. Quartiermacher/Hauptmann: Hören’S, meine Herren, jetzt verlangt er mir noch einmal so viel! Mein ganzes Königreich enthält nicht so viel, und so viel kann ich Ihnen nicht geben. Doktor: Und wenn sie mir nicht soviel geben, so weiß ich die Tür, wo ich hereinspazieret bin. Dahin will ich auch hinausgehen. Gute Nacht! Quartiermacher/Hauptmann: Bleiben’S stehn, Herr Doktor. Das sag ich Ihnen aber im Voraus: Wenn sie ihn nicht gesund machen, kriegen Sie keinen Kratzer uch Katraker in Ihre Taschen. Doktor: Das sag’ ich Ihnen aber auch im Voraus: Wenn er schon seit länger gestorben ist, so kann ich ihn nicht gesund machen. Quartiermacher/Hauptmann: Aber er ist nur in dieser Viertelstunde gestorben! Doktor: Ich werde gleich probieren. Aber ich habe mich erkühlt auf der Straße, ich bin sehr katharrig und muss zuvor meinen Apotheker hereingehen lassen mit meiner Schnupfdose. (Apotheker kommt nach vorn) Apotheker: Was wünscht mein Herr, der Herr? Doktor: Gib mir meine Schnupfdose! Apotheker: Deine zerrissene Hose? (Gibt ihm eine Dose) Doktor: Nun, meine Herren, will niemand mehr schnupfen? (Er schnupft Tabak aus der Dose, dann riecht er am toten König) Ach, der Kerl stinkt ja wie ein Aas. Der liegt ja schon von drei bis vier Tagen tot. Apotheker: O nein, er hat sich nur beschissen. (Apotheker geht hinaus) Quartiermacher/Hauptmann: Ach, mein Herr Doktor, er ist nur in dieser Viertelstund’ gestorben, das können alle Leute bezeugen, die hier in diesem Zimmer waren. Doktor: (Der Doktor untersucht den König, stolpert bald über dessen Füße, bald über sein Chapeau claque) Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 151 Ich weiß noch ein Mittel, aber ich habe meine Lornzette35 verloren und bitt’ daher um eine Stecknadel. (Der Doktor sticht den König mit der Nadel, der König zuckt.) Aha, es wird schon gehen. Ich bitt’ um einen Slibowitz! Mein Apotheker, herein! (Der Apotheker erscheint mit einer Zwiebel und einem Uringlas.) Apotheker, bring mir meine goldene Uhr! Apotheker: Deine goldene Schnur? Doktor: Was soll ich mit der goldenen Schnur? Apotheker: Mädcher schnüren, Herr Doktor. (Der Apotheker reicht dem Doktor eine Zwiebel.) Seht, ihr Leut’, man denkt das ist eine Zwiebel, aber es ist eine wirkliche Uhr. Quartiermacher/Hauptmann: Aber was tun’S mit der Uhr? Doktor: Ich will sehen, in wie langer Zeit ich euren König gesund mache. Jetzt ist es auf halber vier, bis halber drei ist euer König gesund. Apotheker: Was wünscht mein Herr, der Herr? Doktor: Bring mir das Gläschen mit der Medizin. Apotheker: Das Gläschen mit der Klavusin? Doktor: Was soll ich mit der Klavusin, du Esel. Das Gläschen mit der Medizin! (Apotheker reicht ihm das leere Urinfläschchen. Beide traktieren den König, ziehen an ihm, stellen ihn auf die Füße. Wenn dieser stehen bleibt, knicken sie sie ihm ab.) Seht her, man denkt, das Glas ist leer. (Dann wird der König „bespritzt“.) Das Wasser drin ist aus der lebendigen Brunnenquell. Nimm hin, du schlafender König und werd’ gesund. (Der König schlägt die Augen auf.) Quartiermacher/Hauptmann: Der König lebt und ist gesund, das mach ich allen Leuten kund. Alle: (Schlusslied): Dein ist die Kron’, oh Herr der Welt, Der alles kann und uns erhält. Was ist der Mensch, er ist nur Staub und schnell des sichern Todes Raub. Kein Stolz bezeichnet unsern Stand Es ist fürwahr nur eitler Tand. Oh Herr, führ’ uns auf Deine Bahn Und nimm uns einst in Gnaden an. 35 Wohl Lorgnette. 152 Irmgard und Werner Sedler Aufführungszeit und -anlass Wie knapp die festgehaltenen Angaben zu den tradierten Aufführungsanlässen des „Königsliedes“ im ländlichen Siebenbürgen auch sind bzw. wie vielfältig die genannten Spieltermine auf den ersten Blick auch erscheinen mögen, so tritt doch jedes Mal deutlich deren Bezug zum Kirchenjahr und die Einbettung ins überlieferte Jahres- und Lebensbrauchtum hervor. Hier die Erinnerungen des im Jahre des Interviews (1997) 89-jährigen Johann Rothmann: Zu Pålbekīhr [Pauli Bekehrung am 25. Januar] hielten die Nachbarschaften in Zied ihren Sitttag36. Nach der Kirch [Gottesdienst] und der Versöhnung37 am Vormittag gingen die Männer auf den Zugang, das war beim Nachbarvater38. […] Das war eine Zeit für die Frauen und Burschen, um sich zu verstellen [d. i. mundartlich für maskieren]. […] Damals, als ich noch klein war [vor und nach dem Ersten Weltkrieg], setzte man Gäkel39 auf ein Rad und zog das Rad durch die Gasse. […] Gegen Abend liefen de Verstålden [die „Verstellten“] auf der Gasse herum, man ging of Pålbekīhr bei die Nachbarschaften. Um Mitternacht hat die Bruderschaft dann das „Königslied“ aufgeführt, man ging in der Stube hinein beim Nachbarvater. […] so war das noch. Ich hab’ es aber so nicht mehr erlebt. Nachdem man bei uns das Saal gebaut hat [im Jahre 1897] ging man zum Feiern auf den [Marien-]Ball.“40 Hinsichtlich der Aufführungen andernorts notiert Antoni: Das Königslied ist bis etwa 1890 ausschließlich (sic!) bei Hochzeiten aufgeführt worden, so zum Beispiel in Bruiu (Braller) am ersten Hochzeitstag nach dem Abendessen. Seither (sic!) aber bekam man das Königslied auch bei gelegentlichen Unterhaltungen im Winter zu sehen. Der von Soffé genannte Termin, „wenn das Evangelium von der Hochzeit zu Cana gelesen wird“41, meint einen der Sonntage nach Epiphanias (6. Januar), während die Agnethler Aufführung auf den „Blasi“, die Schülerfeierlichkeiten am vorreformatorischen Feiertag des hl. Märtyrerbischofs Blasius, einem der Vierzehn Nothelfer (3. Februar), ausgerichtet war. Auch hier stand die Schau in Verbindung mit Maskerade. Carl Göllner beruft sich in diesem Zusammenhang auf Friedrich Rosler, Agnethelns wichtigsten Chronisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die Schüler tanzten bis die Verstolde (Masken) kamen und der „Quartiermacher“ die Aufführung des Spiels „Der König und der Tod“ ankündigte.42 36 37 38 39 40 41 42 Richttag oder Sitttag, Jahresversammlungstag der Nachbarschaften mit Rechenschaftsbericht und Rechtsprechung. Siehe Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd. IX. Q-R. Stichwort „Richttag“. Köln [u. a.] 2006, S. 206. Versöhnungsritual im Hause des Nachbarvaters im Vorfeld des gemeinsamen, nachbarlichen Abendmahls. Siehe dazu Christoph K l e i n : Die Versöhnung in der siebenbürgisch-sächsischen Kirche. Köln [u. a.] 1992 (Studia Transylvanica 21). „Nachbarvater“ oder „-hann“, gewählter Vorsteher der Nachbarschaft. Siehe Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd. VIII. N-P. Stichwort „Nachbarhann“. Köln [u. a.] 2002, S. 9. „Gäkel“, mundartlich für Strohpuppe. Der aus vorreformatorischer Zeit tradierte Festtermin zu Maria Lichtmess blieb dem Festkalender der Faschingszeit erhalten. Bei den evangelischen Siebenbürger Sachsen, die die Namenstagsfeier auch in nachreformatorischer Zeit beibehielten, wurde der 2. Februar als Namenstagsfest der zahlreichen Marien im Ort gefeiert. Mit dem Bau dörflicher Gemeindesäle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Tradition der Bälle eingeführt. S o f f é , wie Anm. 7. Friedrich R o s l e r : Der Agnethler Blasi vor mehr als 50 Jahren. In: Agnethler Wochenblatt. Folgen Februar - März 1919. Zitiert nach Carl G ö l l n e r : Im Kreislauf des Jahres. Bukarest 1987, S. 34. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 153 Ähnliches galt für Alzen: Mein Großvater und seine Tochter, meine Muhme, die Mari Trenj43, haben mir vom Aschermittwoch erzählt, wenn die Nachbarschaften früher ihren Richttag, so sagt man bei uns, gehalten haben … jede Nachbarschaft bei ihrem Nachbarvater […]. Der Quartiermacher hat in der Stube gesorgt, dass Ruhe ist, auch [hat er] die [Stuben-]Mitte frei gemacht. Der ist herrisch hereingekommen […], er hat mit dem Arm gezeigt und die Leute aus der Mitte [der Stube] weggejagt, es war ja nach Mitternacht, […] man musste die Besoffenen und die Lermentarenden [Lärmenden] ja im Zaum halten können. Dort in der Mitte haben sie [die Burschen] dann das „Totenlied“ gespielt. Auf den Hochzeiten auch.44 Es sind dieses zum größten Teil präzise Orts-, Personen- und Zeitangaben, die dem „Königslied“ hauptsächlich einen Platz im Brauchtum in den Tagen zwischen Geschworenem Montag und Aschermittwoch zuweisen und seine Funktion als Fastnachtsspiel offenbaren. Von daher birgt auch der Hinweis auf die Hochzeit keinen Widerspruch, da im überlieferten Brauchzusammenhang die siebenbürgisch-sächsischen Hochzeiten an Fastnacht bzw. in der Faschingszeit abgehalten wurden. [Es] hat die Fastnacht eine traurige Bedeutung für die übrig gebliebenen Mägde, denn mit diesem Tage schließt die erste – in den Ortschaften, wo alle Hochzeiten des Jahres an einem Tage stattzufinden pflegen – die einzige Heiratsperiode des Jahres. Daher kommt der verzweifelte Faschingsseufzer: Harze Fuesnich kist te widder? / Inzet e Jôr bliw ich widder. / Wô ich inzet iber e Jôr noch âne / dn Bôertn drû, / Såll der Dånder de Knêcht erschlû.45 De Fuesnicht, die Fastnacht / der Fasching, umfasste bei den Siebenbürger Sachsen die erwähnte Zeitspanne vom Geschworenen Montag (de klīn Fuesnicht) – dem Montag nach dem Dreikönigsfest am 6. Januar, an dem die neu gewählten Beamten auf Königsboden den Amtseid ablegten und die Dienstboten in neue Dienstverhältnisse aufgenommen wurden – bis hin zum Aschermittwoch (de grīß Fuesnicht)46. Letzterer, der „Aschentag“, besaß zwar sein eigenes, auf die Fastenzeit einstimmendes Brauchtum47, wurde jedoch vielerorts in die Faschingszeit mit einbezogen, weil an diesem Tag die Richt-/Sitttage der Nachbarschaften abgehalten wurden. Die wenigen außerhalb der Fastnacht liegenden Aufführungstermine, etwa im Advent, bilden somit die Ausnahme. Sie stellen das „Königslied“ ähnlich wie die Aufführungen an Hochzeiten somit in einen anderen, möglicherweise älteren Traditionszusammenhang, gerade auch wenn man die Sinnbezüge zwischen Tanz und Tod universal weit gespannt betrachtet, vielleicht auch die inhaltlichen Affinitäten zum geistlichen Spiel ins Auge fasst. Die Spanne reicht von hochzeitlichen Tanzspielen im Kreis um einen auf dem Tanzboden „aufgebahrten“ Scheintoten in Schlesien, Berlin, Brandenburg und Ungarn, von 43 Übername für Katharina Wallmen (1908-1988) aus Alzen. Gewährsperson Konrad S c h u s t e r , Alzen. Übersetzung ins Deutsche: Liebste Fastnacht kommst du wieder? / Letztes Jahr blieb ich wieder [ledig]. / Sollte ich ein weiteres Jahr noch immer / den Borten tragen, / Mag der Donner die Knechte [ledigen Burschen] erschlagen. Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd. II. D-F. Stichwort „Fastnacht“. Berlin, Leipzig 1912, S. 316; zu Hochzeit und Fasching siehe auch Hans S c h u h l a d e n : Faschinghochzeiten als Spielform. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1991, S. 61-101. 46 Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch (wie Anm. 45). Stichwort „Fasching“, S. 311. 47 Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd. I: A-C. Stichwort „Aschertag“. Berlin, Leipzig 1925, S. 208. 44 45 154 Irmgard und Werner Sedler dem u. a. die Totentanz-Fachliteratur berichtet48, bis hin zu archivalischen Quellen und noch um 1890 lebendigen Bräuchen49. Die närrische Zeit, über die es bei den Siebenbürger Sachsen die ersten schriftlichen Nachrichten zu Beginn des 16. Jahrhunderts gibt50, behauptete ungebrochen bis nach 1900 ihren hohen Stellenwert im Brauchkalender der evangelischen Siebenbürger Sachsen in Stadt und Land. Als großer feirtag51 wurde sie von der ganzen Gemeinschaft getragen; Stände und Altersgruppen fanden sich in „toller Festfreude […], die nicht selten ausartet[e]“52, vereint. Anschaulicher als in den Schilderungen des närrischen Treibens aus der Feder des Kleinpolder Pfarrers Damasus Dürr (um 1535-1585) im 16. Jahrhundert, ist der alljährliche gesellschaftliche Ausnahmezustand in der tradierten ländlichen siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft kaum festgehalten worden. Man beachte den persiflierend-moralisierenden Grundton des Geistlichen, der seinen Schäflein ob der „teuflischen Freud“ gehörig die Leviten zu lesen wusste: Was iung hausveter sein, in denen das iung, wild blut nicht gantz verkocht ist, die setzten sich zusamen auff die weinstüll, die scheiden sich selden vor dem schönen hellen tag, trinken nur darnider, biss offt cheiner kein wort mehr sprechen kann. Dem andern wird das haupt zu schweer, der legt sich auf den tisch und schlefft im ein seed herab. Der dritt sitzt da, sihet wie ein erstochen geiss, aber wie die fercklein im regenweder. Der viert singt vom alten Hiltenbrandt, mancheiner beweint sein trunken elendt. Die hausmütter aber, dieweill sie nicht durffen zum wein gehen und den mannsleuten gleich zechen, so suchen sie ander freud, damit sie die fastnacht heiligen: das etliche weiber die schleier verwerfen, setzen peltzhütt auff, verstellen sich in mannskleider […] Die grossknecht kauffen einen vierzigen wein, sauffen, spielen, die magd warten des tantzens auff. Lezlich die ierling [Jährlinge, Jungen], wenn sie sich auf ierem krentzlein voll getrunken haben, die ziehen kappen ubers haupt mit schellen, aber kriechen irgents in ein rauchloch, beschmeeren die angesichter mit Russ, lauffen wie die iung lucifern in der gassen.53 Spielträgerschaft und Publikum, Aufführungsort, Bühne und Kostüm Der große Stellenwert der Faschingszeit im siebenbürgischen Brauchtums-Kalender, die Einbindung aller Stände, Geschlechter und Altersschichten in das brauchtümliche Handeln, brachten es mit sich, dass auch die Faschingsspiele54 über Jahrhunderte hinweg ihren festen Platz im Ablauf der närrischen Tage zugewiesen bekamen, wobei ihre Aufführung in die Hände der gesellschaftlich wichtigen Jugendkorporationen, der Bruderschaften, gelegt wurde. 48 49 50 51 52 53 54 Franz Magnus B ö h m e : Geschichte des Tanzes in Deutschland. Leipzig 1886, S. 60; auch W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 114-116; Zoltán U j v á r y : Das Begräbnis parodierende Spiele in der ungarischen Volksüberlieferung. In: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 69 (1966), S. 267-275; Lutz R ö h r i c h : Tanz und Tod in der Volksliteratur. In: Tanz und Tod in Kunst und Literatur. Hg. Franz L i n k . Berlin 1993 (Schriften zur Literaturwissenschaft 8), S. 622ff.; Walter S a l m e n : Zur Praxis von Totentänzen im Mittelalter, ebd., S. 119-126. Siehe Anm. 45; vgl. auch Max B ö h m : Volkslied, Volkstanz und Kinderlied in Mainfranken. Nürnberg 1929, S. 7. „Item sabbato ante faschangum“ (1506). In: Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt in Siebenbürgen. 1: Rechnungen aus dem Archiv der Stadt Kronstadt. Rechnungen aus 1503-1520. Kronstadt 1889, S. 102. Zitiert nach Albert A m l a c h e r : Damasius Dürr. Ein evangelischer Pfarrer und Dechant des Unterwälder Kapitels. Hermannstadt 1883, S. 19. S c h u h l a d e n (wie Anm. 45); S. 316. Zitiert nach S c h u l l e r u s (wie Anm. 44), S. 316f. G ö l l n e r (wie Anm. 42), S. 17-54. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 155 Exkurs Bruderschaften Verbände zur Förderung religiöser Übungen und Unterstützung christlicher Wohlfahrtseinrichtungen, in denen geistliche wie weltliche Mitglieder zusammenfanden, sind in Siebenbürgen seit dem 14. Jahrhundert belegt55. Diese verschmolzen schon in vorreformatorischer Zeit mit den Gesellenvereinigungen der Zünfte. Sowohl die städtischen Gesellenbruderschaften des Handwerkerstandes als auch die seit dem 16. Jahrhundert nachweisbaren „bäurischen Bruderschaften“56, das heißt die auf dem Lande in Bruderschaften organisierte, der Schule entwachsene Dorfjugend verstanden sich auch nach ihrer Umstrukturierung im Rahmen reformatorischer Gemeindeneuordnung als die Folgeorganisationen der ursprünglichen religiös-christlichen Verbände des Mittelalters, indem sie vor allem deren Pflichten im Bestattungs-Brauchtum, etwa die obligatorische Teilnahme an Begräbnisfeiern ihrer Mitglieder (siehe Kalandbruderschaften), beibehielten. Die mit den Übungen und Verpflichtungen zum Seelenheil Verstorbener verbundenen Aktivitäten wandelten sich unter reformatorischem Vorzeichen in Memorial-Brauchtum57. Diese über Generationen weitergegebenen Pflichten fanden ihre Niederschrift in den „Artikel“ genannten Satzungen. Auch nach der Einführung der Konfirmation bei den Siebenbürger Sachsen im 18. Jahrhundert und dem damit verbundenen Wandel im Selbstverständnis der ländlichen Bruderschaften als Verband der konfirmierten männlichen Jugend auf dem Dorf unter Aufsicht der kirchlichen Laienvertretung, des Presbyteriums, blieben ihnen und den ihnen beigeordneten Schwesterschaften die Pflichten im Bereich protestantischer Memorialkultur erhalten. Diese wurden bis ins 20. Jahrhundert hinein wahrgenommen. Mit dem Verbot der Bruderschaften im Nationalsozialismus verlor sich deren gesellschaftlicher Einfluss im Dorfleben nur zum Teil. Es blieb den nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch locker organisierten Jugendlichen vor allem die Brauchpflege erhalten. Diese Kontinuität bruderschaftlichen Brauchtums – handwerklich eingebundener wie religiöser Prägung – ist auch im Zusammenhang mit der Aufführung des „Königsliedes“ und seiner Emblematik einer Betrachtung wert. Unter dem thematischen Aspekt des unbußfertigen bzw. des „unguten“ Todes lässt sich das „Königslied“ etwa zum Fahnenbrauchtum als Totengedenken in den evangelischen Kirchen Siebenbürgens in Beziehung setzen. Folgt man der Deutung des Totentanzes durch Hellmut Rosenfeld als Strafe für die unbußfertig Verstorbenen, denen die ewige Ruhe der selig Dahingeschiedenen im Jenseits verwehrt bliebe, lässt sich zumindest auf eine Verbindung mit dem kirchlichen Fahnenbrauchtum in der Pflicht der Bruderschaften spekulieren58. Die Jugendkorporationen verwalteten und handhabten rituell, nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert und bis weit ins 20. Jahrhundert hinein, unter 55 Siebenbürgisch-Sächsisches Wörterbuch. Bd. I (wie Anm. 47), Stichwort „Bruderschaft“, S. 766-778. Ebd., S. 777. 57 Siehe Georg Adolf S c h u l l e r : Volksthümlicher Glaube und Brauch bei Tod und Begräbnis im Siebenbürger Sachsenlande. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte (Programm des Evangelischen Gymnasiums A. B. in Schäßburg und der damit verbundenen Lehranstalten 1862/1863). Kronstadt 1863, S. 1-76. 58 Hellmut R o s e n f e l d : Der mittelalterliche Totentanz. Entstehung, Entwicklung, Bedeutung. 2. Aufl. Köln, Graz 1968 (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 3). 56 156 Irmgard und Werner Sedler anderem auch die Totengedenk-Fahnen im evangelischen Kirchenraum59. Dieses waren Stiftungen im Auftrag von Eltern und Verwandten Verstorbener, die unbußfertig bzw. durch eine Gewalttat oder durch unzeitigen Tod im Jenseits der Seligkeit beraubt hätten bleiben müssen. Solche Stiftungen standen in einem doppelten Sinnzusammenhang, entsprechend dem siebenbürgischen Volksglauben, wo sich oft vorreformatorische Vorstellungen mit protestantischem Glaubensverständnis zusammenfanden: Die Fahnen galten als Stiftungen zum Seelenheil des „ungut“ Verstorbenen, gleichzeitig dienten sie dessen Andenken in der Kirchengemeinde. Die Fahnen wurden von der Bruderschaft im Leichenzug bei jung Verstorbenen vorangetragen60. Die Tradition der bruderschaftlichen Spielträgerschaft bei Aufführungen des „Königsliedes“ lässt sich vorrangig und weniger spekulativ auch aus der wichtigen Rolle erklären, die den Bruderschaften als Faschings-Brauchträger allgemein zukam. Als Beispiel seien hier nur die Masken-Umzüge der Urzeln im Harbachtal genannt, die beim Lådendrōn [Ladentragen], d. i. die Überführung der Bruderschaftslade vom abtretenden zum neu gewählten Altknecht im festlichen Zuge, einen wichtigen Part innehatten61. Dieser Zusammenhang erscheint gerade am Agnethler und Zieder Beispiel sehr deutlich, wo sich die unterschiedlichen Brauchäußerungen miteinander vielfältig überschneiden: Die Bruderschaften wurden beim Umherziehen mit dem „Königslied“ von zahlreichen Urzel-Maskenträgern begleitet, die sich unter das Publikum im Hause des Nachbarvaters mischten; oder aber einzelne Komponenten des „Königsliedes“ verselbstständigten sich zu neuen Einkehr- und Heischebräuchen, wie etwa das „Soldatenspiel“ in Zied62. Das von uns betrachtete Erhebungsmaterial aus Alzen und Zied veranschaulicht exem­ plarisch den Tatbestand auf dem Lande in den letzten zwei Jahrhunderten, wirft Streiflichter auf konkrete Spielsituationen, auf die Spieler und Laienregisseure sowie auf das Publikum und letztlich auf die ritualisierte Aufführungspraxis des „Königsliedes“, wie diese spätestens seit dem 18. Jahrhundert für die erwähnten Orte bezeugt wurde. Konrad Schuster berichtete 1986 vom „Auftrag der Nachbarschaften“ an „einen Mann in der Gemeinde“, der zusätzlich zu seiner „würdigen“ Persönlichkeit und dem gehobenen gesellschaftlichen Status im Ort auch den benötigten Respekt und die „Theaterveranlagung“ mitbringen musste, um die Mitglieder der Bruderschaft nicht nur beim Einstudieren des „Königsliedes“ anzuleiten, sondern auch am Tage der Aufführung inmitten aller Narretei im Griff behalten zu können. Dieses „Amt“ des Laienregisseurs hatte in Alzen bis zum Zweiten Weltkrieg Johann Schuster (1882-1953), der Großvater unseres Gewährmanns, inne: Bei uns [in Alzen] hatte mein Mari-Großvater63 ein altes Heft, wo das „Lied“ stand. Das war von 1700 und ein paar Jahre. Das hat er noch einmal abgeschrieben. […] Wie er gestorben 59 60 61 62 63 Die ältesten anlässlich unserer im Jahre 2002 begonnenen Feldforschung zum Thema flächendeckender Erfassung der Totengedenk-Fahnen in den evangelischen Kirchen Siebenbürgens erfassten Fahnen stammen vom Ende des 16., Anfang des 17. Jahrhunderts (Durles, Schmiegen). Irmgard S e d l e r : Fahnenstiftung zum Gedächtnis und Seelenheil. In: Irmgard und Werner S e d l e r , wie Anm. 1, S. 176-183. R o s l e r ( wie Anm. 42). Auch Friedrich Wilhelm S c h u s t e r : Bruderschaftsbräuche. In: Die Karpathen Nr. 6 (1911/1912), S. 166-170; Nr. 13 (1912/1913), S. 696-702. W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 119-122. Übername für Johann Schuster (1882-1953), Alzen. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 157 war, bekam es der Vater von der Draser Susen-Muhme64. Der hat mit der Bruderschaft weiter gemacht. […] Das „Königslied“ und den „Herodes“ hat er [der Großvater] auch auswendig gekonnt, […] ich kann es auch ganz [singen], wenn ich nur Zeit habe und bekomme meine Gedanken zusammen. Mein Großvater hat das [Einstudieren des „Königsliedes“ mit der Bruderschaft] viele Jahre gemacht.65 Der als wichtig angesehene Spielauftrag an die Bruderschaften hatte damit vor allem den ebenso wichtigen Aufführungsort wie auch den Anlass und das Publikum im Visier – das Haus des Nachbarhannen/-Vaters als Treffpunkt der Nachbarn anlässlich des gemeinschaftlichen Abfeierns des „Sitt-/Richttages“. Denn das Nachbarschaftswesen (mit den dazugehörigen Bruderschaften der Jugend) bot als wichtigste Grundstruktur im traditionalen siebenbürgischen Dorf den ausschließlichen Rahmen des öffentlichen Lebens. Exkurs Nachbarschaft Zu einer Nachbarschaft gehörten alle Hausstände in einer Straße. Mit der Eheschließung, das heißt mit der Gründung eines eigenen Hausstandes, war jeder „Hausvater“ verpflichtet, sich in die Nachbarschaft „einzugrüßen“, die Frau gehörte dem Verband durch ihren Ehemann an. Seit dem 19. Jahrhundert galt das 24. Lebensjahr bei Ledigen als Schwelle und Aufnahmeberechtigung in die Nachbarschaft. Das Amt des Nachbarhannen oder -vaters übernahmen im ethnisch verstandenen Verband die Hauswirte abwechselnd in der Reihenfolge ihrer Gehöfte in der Straßenzeile. Über Jahrhunderte hinweg hat die Nachbarschaft als anerkannter Rechtsverband alle gesellschaftlichen Räume des Dorfes durchdrungen. Wirtschaftliche und moralische Hilfeleistungen waren dem Einzelnen über den Verband zugesichert. Die protestantische Ethik und die christliche Lebenseinstellung bildete die Grundfeste für alle moralischen und kulturellen Normen, die die Nachbarschaft vertrat, in ihren Statuten festschrieb und deren Einhaltung sie streng überwachte. Der Verband war zugleich unterste Rechts- und Schlichtungsinstanz. Recht wurde am Richt-/Sitttag gesprochen. An diesem Tag wurde im zwei- oder aber vierjährigen Turnus auch der neu gewählte Nachbarhann eingeführt66. Bei versammelter Nachbarschaft im Hause des Nachbarhannen war den Spielern eine zahlenmäßig große Publikumskulisse gewiss, die sich zudem aus dem sozial gewichtigen Stand der Verheirateten zusammensetzte. Von Straße zu Straße, von Nachbarhann zu Nachbarhann hatte die fastnächtliche Spielgesellschaft, begleitet von lärmenden Verstolden aller Altersklassen (in Zied waren das u. a. Urzeln), in den Stunden nach Mitternacht einzukehren. Entsprechend dem Charakter eines Einkehr- und Stubenspieles kam und kommt eine Aufführung des „Königsliedes“ mit wenigen Akteuren (Quartiermacher/Hauptmann, Engel, König, Tod, Doktor, Apotheker und Soldaten) aus; desgleichen mit reduzierter Requisite (ein Stuhl) und einer praktisch ortlosen Bühne (eine Stubenmitte, die gerade noch als 64 Übername für Susanna Mehburger (geb. 1935), Alzen. Wie Anm. 23. 66 Siehe Hans Achim S c h u b e r t : Nachbarschaft und Modernisierung. Eine historische Soziologie traditionaler Lokalgruppen am Beispiel Siebenbürgens. Köln, Wien 1980 (Studia Transylvanica 6). 65 158 Irmgard und Werner Sedler Tanzboden gedient hatte und nun als „freier Markt“ bedeutungsträchtig für den Totentanz umfunktioniert worden war). Schlicht, allein nur beim Tod auf dramatischen Effekt ausgerichtet, war auch die Vorlage für die Kostümierung. Arzt und Apotheker hatten sich in Alzen wie in Zied in bürgerlicher Kleidung zu „verstellen“, zuletzt vorzugsweise in jener des ausgehenden 19. Jahrhunderts – der Arzt mit Paletot und Zylinder, der „bucklige“ Apotheker im schlichten Mantel oder Überrock, unerlässliches Accessoire: der Stock in der Hand. Während der König im Zieder Spiel in zeitüblicher Männerkleidung – Stiefel mit Breecheshosen, dunklem Überrock – auftrat und seinen Stand ausschließlich über einen zur Krone umfunktionierten Hut mit Troddeln signalisierte, verlangte die Alzner Anweisung nach einer anderen Kostümierung: Zu der Grundausstattung aus weißer Hose und weißem Hemd gehörte ein prächtiger Bänderschmuck, wofür man sich der kostbaren, bestickten Bänder der weiblichen Kirchentracht bediente. Vorbild für dieses Kostümierungskonzept waren die österreich-ungarischen Militäruniformen des frühen 19. Jahrhunderts: Zu dem in der Art eines gekreuzten Bandeliers auf dem Hemd befestigten Bänderschmuck kam eine Schärpe aus einem weiteren Trachtenband hinzu. Rote oder aber blaue Binden an Oberarmen und -schenkeln, bänderverzierte Hosennähte und die obligate Krone vervollständigten die Königsfigur. Eine ähnliche Gewandung war auch für die Wächter-/Soldatenrolle vorgesehen, anstatt der Krone wurde hier ein aus Papier gefertigter, ebenfalls mit Trachtenbändern verzierter Tschako als Kopfschmuck verwendet. Unerlässlich war der lange hölzerne Säbel. Den Quartiermacher/Hauptmann zeichnete der üppige, mit Kokarde und Agraffe ausstaffierte Tschako aus. Der Engel hatte in einen schlichten weißen Umhang gehüllt aufzutreten. Weiß war auch die Farbe der Todesfiguration. Ein weites Leintuch diente dazu, den Körper des Spielers samt Kopf zu verhüllen. In gebückt-gekrümmter Haltung daherkommend, hielt er vor dem ausgesparten Gesichtsschlitz im Leintuch eine senkrecht gestellte Ziames67, ein etwas größeres Mehlsieb. Nach außen hin, an der Schauseite, war dieses mit weißer Leinwand überspannt, darauf war mit Kohle ein Totenschädel gemalt. „Beim Singen muss der Tod in die Ziames hineinhalten, […] der Tod klingt dumpf.“68 Am inneren Siebrand war eine Kerze – das Lebenslicht des Königs – befestigt, die der Akteur Tod zu gegebener Zeit auszublasen hatte. Die Zieder Variante bevorzugt anstelle des Siebes det Erlecht [Irrlicht]69, den halbierten, ausgehöhlten Kürbis mit geschnitztem „Gesicht“. Die Beispiele aus Alzen und Zied belegen auf den ersten Blick eine Kostümierungspraxis, wie sie u. a. im Volksschauspiel üblich ist: Die Akteure erhalten formelhafte Attribute – der König trägt eine Krone, der Doktor einen Doktorhut bzw. ein Stethoskop, die Soldaten Tschako und Waffe. Die Verkleidung orientierte sich auch im ländlichen Alzen am zeitgemäß Typischen des jeweiligen Standes in der eigenen Gesellschaft oder aber in einem Umfeld, zu 67 Ziames, mundartliche Bezeichnung für Haarsieb. Siehe Jacob und Wilhelm G r i m m : Deutsches Wörterbuch. Bd. 15. Leipzig 1956, Stichwörter „Zemse“, Sp. 631, und „Zimse“, Sp. 1370. 68 Wie Anm. 23. 69 „Irrlicht“ im wortwörtlichen Sinne von wanderndem Licht. Der ausgehöhlte, mit Augen und Mund im Ausschnitt versehene Kürbis steht im siebenbürgisch-sächsischen Volksglauben für das Totenhaupt. Siehe SiebenbürgischSächsisches Wörterbuch. Bd. IV. H-J. Bukarest, Berlin 1972, S. 351f. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 159 dem man sozial aufschaute – hier die Stadt oder aber das Militär. Solches ist für die siebenbürgische Brauchszene allgemein gültig, wie an der Kostümierung des Alzner Königs und der Soldaten zu erkennen ist. Das Kostüm mit gekreuztem Trachtenbänder-Bandelier und Militäruniform nachahmenden Arm- und Oberschenkelbinden findet sich in Südsiebenbürgen nachweisbar seit dem 19. Jahrhundert in unterschiedlichen Brauchzusammenhängen, wobei es stets positiv agierenden Protagonisten zugeordnet bleibt: Die Hīschen [Schönen] in der Marpoder Fastnacht sind so gekleidet, der „Pfingstkönig“ der Alzner Schuljugend und auch die Zieder Soldaten im „Königslied“. Die rumänischen căluşari-Tänzer70 zeigen ebenfalls das gekreuzte Bandelier. Die Darstellung des Todes fügt sich jedoch nicht in das erwähnte Kostümierungskonzept. Der aufgemalte Totenschädel auf dem Sieb knüpft zwar an die überlieferte Ikonographie an, die Todesfiguration des Knochenmannes evozierend. Anstelle des Knochengerüstes vermittelt das Kostüm indes eine die Suggestivkraft des Betrachters provozierende, weil nur zu erahnende, unter der weißen Leintuchhülle (Leichentuch?) versteckte grotesk-schaurige Körperlichkeit. In seiner Eigenart lässt sich diese Figuration keiner überlieferten Todes-/ Personifizierungstradition zuordnen. Stoff und Spielintention Inhalt- und Sprachanalyse der Alzner Varianten des „Königsliedes“ offenbaren eine dezidierte Zweiteilung des Spielstoffes: Dem ernsten Part des Königs im Streitgespräch mit dem Tod, wobei sich der höchste Repräsentant mittelalterlicher Ständegesellschaft letztendlich dem Unausweichlichen fügen muss, folgt das witzig-derbe, der Volksbelustigung dienende „Doktorspiel“. Im Handlungsablauf dieses zweiten Teiles wird der König von einem „Wunderdoktor“/Scharlatan wieder zum Leben erweckt. Am Beginn des Traditionsspieles steht ein Text in gebundener Sprache von nicht geringer literarischer Qualität, eine Dichtung von primär epischer Prägung, die sich, in musikalisch szenisch-dialogisierter Form dargebracht, strikt an ein überliefertes literarisches Komposi­ tionsmuster hält – Prolog, Streitgespräch, Epilog, Chor. Der strenge Versbau setzt auf fünfzeilige Strophen in steigendem Rhythmus: Die Zeilen 1, 2 und 4 sind vierhebig, 3 und 5 dagegen nur dreihebig. Der gereimte Text wird durchgehend gesungen. Die Melodie der Alzner Aufnahme von 1986 kommt einer Aufzeichnung von Gottlieb Brandsch in Roseln nahe71. Das „Königslied“ gehört inhaltlich in den Gedankenkreis der Ars moriendi, es zielt mit seiner thematischen Ausrichtung auf die religiös verwurzelte Selbstverantwortung des Menschen, die Rechenschaftsablegung und die letzte Verantwortung vor einer transzendentalen Instanz. Im Kontext religiöser Sinnkonstellationen, deren theologische Untermauerung bis ins Mittelalter zurückreicht, verbindet das „Königslied“ die Idee der Unentrinnbarkeit aller Menschen vor dem Tod (omnia mors aequat) mit einem eindringlichen Memento mori und Buße-Appell: Der Tod, der kommt zu solcher Zeit, / Wenn man gedenkt, er ist noch weit, / Er tut sein’ Pfeil abschießen. / Darum erwart’ ihn jederzeit, / Wirst Seligkeit genießen. 70 71 Ion G h i n o i u : Sărbători şi obiceiuri româneşti [Rumänische Feste und Bräuche]. Bucureşti 2002. Wie Anm. 16. 160 Irmgard und Werner Sedler Im Alzner bzw. in allen siebenbürgischen Varianten des „Königsliedes“ wird dieses „Jedermann“-Motiv über die Bildfindung des mittelalterlichen „Totentanzes“ in prägnanter Anschaulichkeit vermittelt. In die Vorstellung vom Spielmann-Tod, der den König – hier als Kristallisationsfigur einer ganzen Ständerevue – vortanzend in den Tod zwingt, fließen Sprache (der Ständedialog, reduziert auf das Streitgespräch Tod – König), Gesang und die optische Eindringlichkeit jener Bildgattung, die sich tableau vivant nennt, ein: „An meinen Reihen musst du gehn. / Ich fahr’ durch alle Landen.“ Die Stofftradition dieses als Ständereigen verbildlichten Totentanzes bündelt Überlieferungsstränge, die alle ins Spätmittelalter führen, möglicherweise allesamt einer gemeinsamen lateinischen Urquelle aus klerikalem Milieu entspringen, wie noch heute in der Forschung angenommen wird. Ein ursprünglich illuminierter, laut sprachgeschichtlicher Argumentation dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts zugehöriger Text, ist samt seiner aus gleicher Zeit stammenden deutschen Übersetzung in einer Augsburger Abschrift von 1443/1447 erhalten. Seine Entstehung in zeitlicher Übereinstimmung mit dem Beginn der Pestepidemien in Europa (ab 1347) unterstützt die These, die Pest als Anlass solcher literarischer und künstlerischer Beschäftigung mit dem Tod zu deuten, die Todespersonifizierung in Verbindung mit Tanz als geistige Reflexion zur kruden Realität der Allgegenwärtigkeit des Todes mitten im menschlichen Leben zu begreifen72. Reinhold Hammerstein mutmaßt, dass „die lateinische Basis auch die weite Verbreitung der Gattung über Europa begünstigt“ haben dürfte, „jedenfalls […] leichter, als wenn man den Text jeweils aus einer Nationalsprache in die andere hätte übersetzen müssen“73. Der in Frankreich seit 1424 belegte danse macabre und der Basler Totentanz (nach 1440), im deutschsprachigen Kulturraum wohl der bekannteste dieser Gattung, stehen am Anfang eigener Totentanz-Traditionen. Der Sinnbezug von Tod und Tanz offenbart sich im „Königslied“ noch auf einer zweiten Handlungsebene, die sich tradierter Szenen und Bewegungselemente aus den Schwerttänzen, dem Schwertfechterbrauchtum bedient. Die „Soldaten“ treten vordergründig zwar als Wächter des Königs auf, ihre gekreuzten Säbel stellen sich dem Widersacher Tod als anfängliche Barriere entgegen. Das Wetzen der hölzernen Säbel nimmt zugleich aber Bezug auf den „Schnitter Tod“74, das dumpfe Geräusch steht für Todesahnung und -ankündigung. Das „Königslied“ bedient sich hier einfachster dramaturgischer Mittel im Hinblick auf eine maximale Wirkung: Vorgeschrieben sind exakte, abgezirkelte Bewegungen, die Säbel werden mal von links, mal von rechts gekreuzt und gewetzt. Solches hat sehr langsam, jedoch formelhaft rhythmisiert zu geschehen, mit dem Effekt einer schaurigen Begleit-„Melodie“ zur dunklen Basslage des ins Mehlsieb hineinsingenden Todesspielers: eine dumpfe, von Rhythmen gegliederte Geräuschkulisse mit Synkretismus-Effekt, eine „Tanz-Choreographie“ für und über das Gehör. Ähnliche Szenen aus Schwertfechterspielen, wie sie auch im sie72 Reinhold H a m m e r s t e i n : Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben. Bern, München 1980, S. 29-42 und 149; L i n k (wie Anm. 48), S. 11-68. H a m m e r s t e i n (wie Anm. 72), S. 29. 74 Siehe „Ein schönes Mayenlied. Wie der Menschenschnitter, der Todt …“ (1638) – Ausgangstext für die „Schnitterlieder“ in katholischen Gesangbüchern des 17. und 18. Jahrhunderts (Martin von C o c h e m ) u. a. Bekannt wurde es vor allem durch die Aufnahme unter dem Titel „Katholisches Kirchen-Todeslied“ in: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder, gesammelt von L. Achim von A r n i m und Clemens B r e n t a n o . 3 Bde. (Ausgabe Mohr, Tübingen). In der Edition Heinz R ö l l e k e (Frankfurter Brentano-Ausgabe 1975-1978). Bd. 6, S. 51f. 73 Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 161 benbürgischen Brauchtum, vor allem dem der Kürschner, verankert waren (Hermannstadt, Mühlbach, Kronstadt, Schäßburg)75, sind als Versatzstücke im Volksschauspiel über das siebenbürgische „Königslied“ hinaus bekannt. Richard Wolfram führt in diesem Zusammenhang ein Christusgeburtsspiel aus Oberufer/Pressburg und ein weiter westwärts in Steirisch-Laßnitz dokumentiertes an76. Mit dem literarisch-musikalisch-choreographischen Motiv des Totentanzes sowie den Elementen des Schwerttanzes sind zwei Aspekte berücksichtigt, die das siebenbürgische „Königslied“ in einen gesamteuropäischen kulturhistorischen Kontext stellen. Es lassen sich in diesem Zusammenhang neben den stofflichen noch formal-literarische Aspekte anführen, etwa die Tradition der sogenannten „Zeitungs“-Lieder („Hört zu mit Fleiß und merket auf, / Neu Zeitung ich euch singen will …“), oder aber jene des literarischen Streitgesprächs mit Dialogen in gebundener Sprache, die nur durch Sprecherangaben untergliedert sind. Diese ganzen sprachlichen und kulturellen Kontinuitäten, die Einbettung des siebenbürgischen „Königsliedes“ in eine Spielkultur der Fastnachtzeit, wie sie im ganzen deutschsprachigen Kulturraum gepflegt wurde, deuten auf eine Herkunft außerhalb der Grenzen Siebenbürgens hin. Die im Text dem siebenbürgischen „Königslied“ sehr nahe kommende, 1976 von Richard Wolfram genannte Handschrift „Ein schönes Lied von einem König und den (!) Tod“ bringt Argumente zu solcher Annahme: Mein Freund Alfred Karasek notierte sie [die Handschrift] nach den Aufschreibungen eines gewissen Josef Glaser in Deutsch-Pilsen in Nordungarn, als wir 1930 eine Studienreise […] machten. […] Schon das Vorkommen im Südsaum der Kremnitz-Probner Sprachinsel – die Sprachinsel weist eine mitteldeutsch-bairische Mischung auf – lässt an Zusammenhänge mit dem deutschen Mutterland denken. Allerdings haben wir im deutschen Kernland das Königslied als Dichtung bisher noch nicht gefunden.77 Josef Ernyey und Gaisa Karsai verweisen ihrerseits auf Ähnlichkeiten der Aufzeichnung von Malmer mit den Herodesspielen in Johannesberg bei Kremnitz78. Lutz Röhrich79 brachte dann 1993 eine weitere Variante aus Wendelsheim bei Tübingen ins Gespräch, die er in Anton Birlingers80 „Schwäbischen Volksliedern“ von 1854 entdeckt hatte. Leopold Schmidt hatte 1963 in Kenntnis eines Spieles vom „König und Tod“ im Egerland die Vermutung ausgesprochen, das „Königslied“ könnte über bergmännische Vermittlung in den deutschsprachigen Kulturraum Siebenbürgens gekommen sein. Richard Wolfram, der diese Überlegung aufgriff, sah in der Kremnitz-Probener Sprachinsel eine Zwischenstation der Dichtung auf dem Weg nach Siebenbürgen81. Es sind dieses spekulativ erwogene Zusammenhänge, da etwaige frühere bergmännische Traditionen im Bereich siebenbürgischsächsischer Volkskultur kaum Spuren hinterlassen haben und die Bergleute im Städtewesen 75 76 77 78 79 80 81 Oskar W i t t s t o c k : Über den Schwerttanz der Siebenbürger Sachsen. Sonderdruck: Philologische Studien. Halle 1896; Friedrich Te u t s c h : Schwerttanz der Kürschner. In: Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde 19 (1896), S. 117-120; auch G ö l l n e r (wie Anm. 42), S. 41ff. W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 110ff. Ebd., S. 90. Josef E r n y e y , Geiza K a r s a i : Deutsche Volksschauspiele aus den Oberungarischen Bergstädten. Bd. II/I. Budapest 1938, S. 498f. R ö h r i c h (wie Anm. 48), S. 606. Anton B i r l i n g e r : Schwäbische Volkslieder. Freiburg i. Br. 1864, S. 58f. W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 116f. 162 Irmgard und Werner Sedler Südsiebenbürgens kaum je eine gesellschaftlich relevante Schicht darstellten. In etwas weiter gespannten Zusammenhängen könnte diese Annahme insoweit nachvollziehbar sein, als das Spiel seinen Weg im Zuge allgemein europäischer Gesellenwanderung den Weg in den Karpatenraum gefunden haben könnte. Für eine Resonanzbereitschaft der siebenbürgischen Gesellschaft in Bezug auf das „Königslied“ spricht, dass die Topoi „Totentanz“ und „Memento mori“ seit dem Mittelalter fester Bestandteil des siebenbürgischen Welt- und Kulturbildes waren, dass sie darüber hinaus in genuin siebenbürgischer Architektur, in Kunst- und Literaturäußerungen nicht nur deutlich fassbar, sondern oft in der Auseinandersetzung mit großen europäischen Vorbildern entstanden sind. In diesem Kontext sei hier nur auf die „Imagines mortis“ des Kronstädter Humanisten und Stadtpfarrers Valentin Wagner (um 1510-1557) hingewiesen82. Dessen Totentanzlieder von 1557, in „eine(r) Art Mittelstellung zwischen Epigramm und Elegie“83 komponiert, gelten als Auseinandersetzung des siebenbürgischen Humanisten mit den Holbein-Totentänzen. (Dementsprechend kommen die Illustrationen des Wagner-Druckes, Werke eines Holzschnittmeisters namens Iacobus Lucius, als versimpelte Nachahmungen der Holbein-Sequenzen daher.) Ein zweiter Grund, die Vermittlung auf der Ebene handwerklicher Kulturkanäle zu vermuten, ist die schon angesprochene Trägerschaft durch die Handwerksgesellen und Lehrbuben. Nur das handwerkliche Milieu mit seiner ausgeprägten und ritualisierten Spielkultur konnte die Voraussetzungen für die Übernahme einer Dichtung, wie es der erste Teil des „Königsliedes“ bietet, leisten. Zudem verweist auch die gehobene Sprache eher auf einen urbanen Interessentenkreis, auf ein städtebürgerliches Laienpublikum, das sich die Königsszene „auf einem freien Markt“ vorstellen kann. Außer dem Beispiel des Marktfleckens Agnetheln finden sich in Siebenbürgen keine weiteren Belege mehr hinsichtlich einer urbanen Spielträgerschaft. Das Beispiel Agnetheln könnte in diesem Zusammenhang exemplarisch für die Vermittlung des „Königsliedes“ ins ländliche Milieu erscheinen, die Transferschiene über das brauchrituelle Handeln der Bruderschaften ist nachvollziehbar. Wann das Spiel nach Siebenbürgen gekommen ist, bleibt ungeklärt. Die historisch nachweisbare Kontinuität des „Königslied“-Textes in Siebenbürgen reicht, wie gesehen, nur bis ins 18. Jahrhundert zurück, Aufführungsnachweise lassen sich gar nur bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen und sie stammen auch alle aus dem ländlichen Milieu. Nimmt man den vorangegangenen Transfer von der Stadt aufs Land an, dürfte man etwas weiter zurückgehen. Wie weit, muss derzeit ungeklärt bleiben. Denn schon der zeitliche Ansatz der Entstehung ist schwierig. Der vom Alzner „Quartiermacher“ evozierte historische Rahmen einer Türkenschlacht während der Regierungszeit „Leopold des Dritten (?)“ [gemeint ist wohl Leopold I.] liefert diesbezüglich kein stichhaltiges Argument: Zum einen ist dies ein Textzusatz im Sinne volkstümlicher Eintrittsreden zum ursprünglichen „Königslied“; zum anderen illustriert es einen allgemeinen Brauch im Bereich volkstümlicher Dichtung, nämlich den Rückgriff des Vortragenden glaubwürdigkeitshalber auf einen Katalog 82 83 Valentin Wa g n e r : Imagines mortis selectiores. Kronstadt 1557 (Archiv der Schwarzen Kirche in Kronstadt/Braşov). Stefan S i e n e r t h : Geschichte der siebenbürgisch-deutschen Literatur. Von den Anfängen bis zum Ausgang des 16. Jahrhunderts. Cluj-Napoca 1984, S. 135. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 163 geschichtlicher Ereignisse und Namen, die im Volksbewusstsein wach sind. Zum Vergleich siehe auch den siebenbürgischen „Buonapart“84. Ausgehend von der dramatischen Umsetzung des Heimholungsthemas bzw. des szenischen Grundgerüstes im Totentanz, findet das „Königslied“ mit seinem allein auf die Gestalten von König und Tod reduzierten Tanz/Streitgespräch seine Vorbilder in der barocken Spielkultur des 17. Jahrhunderts. Anders als im mittelalterlichen Totentanz mit seiner langen Ständerevue setzte vor allem das Jesuitentheater auf die Auseinandersetzung des Todes mit dem Individuum. Dazu Richard Wolfram: Auch in den reichen Volksschauspiellandschaften der Steiermark treffen wir das Heimholungsthema in Schäferspielen, im barockisierten Renaissancespiel von den sieben Hauptsünden, im steirischen Bauern-Jedermann […] Wir dürfen nicht fehlgehen, wenn wir zunächst die barocke Spielwelt als den Boden betrachten, aus dem das Königslied seine Kräfte zog. Dieses ungeachtet der Möglichkeit, dass einzelnes auch noch weiter zurückführt.85 Dass nicht nur das thematisierte Gedankengut des „Königsliedes“ bis ins Spätmittelalter hineinreicht, sondern auch seine Melodie – etwa in Schönbirk und Roseln (und nun auch Alzen) – zeigt Gottlieb Brandsch im Vergleich des Melodietypus des „Königsliedes“ mit einer Marienklage und einer Geißlermelodie aus dem 14. Jahrhundert auf86. Eine Überlieferung, dem ernsten Schauspiel eine Farce anzuschließen – dieses wohl als komische Reflexion des Sinnspieles – führt in die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts. In unserem Falle fügt sich dem mit großem Ernst vorzutragenden ersten Teil des Alzner „Königsliedes“ übergangslos ein volkstümliches Fastnacht-„Arztspiel“ an. Inhaltlich geht es um die Erweckung des Königs zu neuem Leben, eine komische Referenz auf die Intention des ersten Teiles. Auf einer anderen Traditionsschiene – jener der mittelalterlichen geistlichen Spiele im Osterzyklus – bilden der komische Arzt und sein Diener aus „Salbenkrämerspielen“ den Abschluss. Es sind Figuren ganz im Sinne der commedia dell’arte 87. Ein derart aufgeschwollenes Arzt-/Doktorspiel im Zusammenhang mit dem „Königslied“, wie wir es in Alzen fanden, ist uns nur noch aus Zied bekannt, wo es in der Fastnacht auch losgelöst vom Totentanz-Thema zur Aufführung gelangen konnte: In einem Umzugs- und Heischespiel zogen hier Knechte und Mägde (Bruder- und Schwesterschaft) noch in den vierziger Jahren mit dem „Doktor“ um, die „kranken“ Hausbewohner in Doktor-EisenbartManier zu kurieren88. Ansonsten kommt die Doktorszene in den anderen erwähnten Varianten von äußerst knapp bis kurz daher. Einen im Barockkostüm mit gepudertem Haar und Dreispitz agierenden Doktor erwähnt auch Soffé, notiert aber dazu, dass „in anderen Teilen des Sachsenlandes […] häufig der Schluss, der von der Erweckung des toten Königs handelt“, fehlt89. In einer Agnethler Variante90 erscheint die Auferweckungsszene als „bloße“ 84 85 86 87 88 89 90 Wiedergegeben bei W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 119-123. Ebd., S. 118. B r a n d s c h (wie Anm. 16). Dazu Max S i l l e r : Ausgewählte Aspekte des Fastnachtspiels im Hinblick auf die Aufführung des Sterzinger Spiels „der scheissennd“. In: ders. (Hg.): Fastnachtspiel, Commedia dell’arte. Gemeinsamkeiten, Gegensätze. Innsbruck 1992, S. 147-160. Information Johann R o t h m a n n , Zied. Vgl. auch W o l f r a m (wie Anm. 3), S. 87 und 99f. S o f f é (wie Anm. 6). Uns 1992 mitgeteilt vom Agnethler Schneidermeister Christian Lang (1926-1994), einem der maßgeblichen Akteure bei der Wiederaufnahme des Urzelbrauches in Agnetheln in den 1960er Jahren. 164 Irmgard und Werner Sedler Inszenierung, Doktor und Apotheker agieren stumm. Ebenso in Braller, Gürteln und Martinsberg91. In Tarteln reduzierte sich die Erweckungsszene auf eine Berührung des Königs durch den Engel mit einem weißen Stäbchen92. Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Teile – „Königslied“ und „Doktorspiel“ – inhaltlich, sprachlich und inszenatorisch unvereinbar. Mehr noch: hier das Unvermeidliche des Sterbens – dort die Auferweckungsszene, die quer zu stehen scheint hinsichtlich der Memento-mori-Intention des ersten Teils; hier die gehobene Dichtung mit streng vorgeschriebener, dem tableau vivant sich annähernder Abfolge fast bildhaft-statischer Spielszenen – dort die sprachliche Ungebundenheit eines derben bis groben Textes, der rezeptiv bedenkenlos vorgeformte Stoffe aufnimmt (Doktor Eisenbart) und sie in immer neuen Handlungssituationen variiert. Die Verbindung der beiden Texte kommt jedoch nicht aus dem Nichts. Ihre Verknüpfung ist mehrschichtig, sowohl vom Inhalt als auch von der Brauchgebundenheit her. Sie erschließt sich einem zuallererst aus dem Verständnis der Fastnacht in ihrem Bezug zur Fastenzeit, dem, wie kaum ein anderer, Werner Mezger nachgegangen ist: Ohne die [ihr nachfolgende] Fastenzeit ist die Fastnacht ihrem ursprünglichen Sinne nach strenggenommen funktionslos und hinfällig.93 In christlicher Deutung erhielte die zeitliche Bindung der Fastnacht an die Fastenzeit demnach Zweckmäßigkeit zugebilligt im Sinne therapeutischer Wirkung: Mit ihren Ausschweifungen, die sündhafte Kreatürlichkeit des Fleisches in allen Facetten bewusst darstellend, gelte sie als wirksames Mittel zur metanoia, den Menschen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit auf den Weg der Buße und Umkehr im Hinblick auf das nahe Ostern führend. Im Mittelpunkt des sündigen Treibens stünde dementsprechend nicht zufällig die Narrengestalt, galt diese doch im Kontext mittelalterlicher Denkweise als Personifikation des Sünders, des Todes schlechthin, gleichgesetzt mit dem alttestamentarischen Gottesleugner94. Werner Mezger hat aus kulturgeschichtlicher Perspektive die Zusammenhänge dieses spätmittelalterlichen Wissens „um den komplementären, wenn nicht gar identischen Bedeutungsgehalt der Symbolfiguren Narr und Tod“95 in den Brauchäußerungen der Fastnacht untersucht und mit gattungsübergreifenden Belegen überzeugend untermauern können. Wenn auch das nachreformatorische Denken die Eigenleistung der metanoia in Frage stellen musste, hat es dennoch die Traditionen der Fastnacht, im Dienste eigener Moralerziehung instrumentalisierend, gerade im Bereich des Fastnachtspieles weitergeführt. Im Zusammenhang solch fastnächtlich-sündiger, das heißt „verkehrter Welt“-Auffassung kommt das Alzner „Doktorspiel“ mit seiner ins Lächerliche gezogenen Auferweckung des Königs als intendiert inszenierter Gegensatz daher zu dem sehr ernsten Gedanken der Bußfertigkeit angesichts der Unentrinnbarkeit vor dem Tod, den das „Königslied“ propagiert. 91 A n t o n i (wie Anm. 13), S. 73. Ebd., S. 72. 93 Werner M e z g e r : Narrenidee und Fastnachtbrauchtum: Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäi­ schen Festkultur. Konstanz 1991, S. 13. 94 Dazu auch Eva W o d a r z - E i c h n e r : Narrenweisheit im Priestergewand. Zur Interpretation des spätmittelalterlichen Schwankromans „Die geschicht und histori des pfaffen von Kalenberg“. München 2007. 95 M e z g e r (wie Anm. 93), S. 437. 92 Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauch 165 Dabei ist der Gegensatz Sünde – Buße schon in der Memento-mori-Problematik des „Königsliedes“ angelegt, somit schon dem ersten Teil der Dichtung immanent. Das Ausdrucksmedium der Sünde, somit des „Närrischen“, ist hier der Tanz, symbolisch verbildlicht im Totentanz. Das Tanzen mit dem Tod geschieht in der negativen Konstellation eines sündhaften Tuns, das die Ankunft im Ewigen Leben und die Seligkeit in Frage stellt. Der Tanz als sinnliche Ausschweifung im Mittelpunkt fastnächtlicher Belustigung und das Motiv des Totentanzes stehen somit in unmittelbarer Beziehung, wobei diese Beziehung spätestens seit Sebastian Brand in dem Bild des „Teufelskreises“ seinen einprägsamen Ausdruck gefunden hat. Der Autor des „Narrenschiffes“ hat explizit den Umkreis definiert, in dem im Verständnis seiner Zeit der Tanz stand: Sünde, Narrheit, Ausschweifung und Fastnacht. Bei Werner Metzger ansetzend, hat in neuerer Zeit Gert Kaiser auf die „erniedrigende Funktion“ des Tanzens mit dem Tod bzw. im Angesicht des Todes aufmerksam gemacht und dessen sündhafte Verflechtung mit der Fastnacht erörtert: Der Tanz ist ein elementarer Teil des fastnachtlichen Treibens. […] Der Tanz ist ein boshafterniedrigendes Narren- und Teufelsmotiv – im Totentanz wie im Fastnachtgeschehen gleichermaßen.96 Die Verbindung des „Königsliedes“ mit der „Doktorspiel“-Thematik könnte somit in frühe Zeiten reichen. Die Einschübe des Eisenbart-Textes aus der Zeit nach 1800 belegen nur die Eigenschaft eines volkstümlichen Schauspieles, literarische Referenzen bedenkenlos und in immer neuen Zusammenhängen zu integrieren. Das Alzner „Doktorspiel“ zeigt in seiner Grundstruktur alle Merkmale der im 16. Jahrhundert sehr populären Gattung der Arztspiele, die zum festen Schauspielbestand der Fastnacht gehörten97. Dazu zählt zum ersten die eindeutige Stofftradition mit ihrem typisierten Schelmenpersonal und Szeneninventar. Da ist der Arzt, als Dr. Schwarzgeboren aus der Löffelstadt98, in rumänischer Sprache als Dr. Prostundedai unmissverständlich auf seine zigeunerische Herkunft angesprochen (Soziolektalisierung). Er ist, wie es die Rolle verlangt, ein unwürdiger Vertreter seines Faches, der die Dummheit seiner Mitmenschen für Scharlatanerien nutzt: „Kann machen, dass die Blinden gehn / Und alle Lahmen wieder sehn.“ In diesem Kontext ist sein Können als „Wunderdoktor“ unbegrenzt: „Können Sie tote Menschen lebendig machen? / […] Auch das kann ich gegen gute Bezahlung.“ Bei der Therapie kommt immer dasselbe Vorgangsmodell zum Tragen – es geht dem König an die Wäsche. In der Zieder Variante ziehen Arzt und Apotheker dem König den Bandwurm, in der Alzner wird er an eindeutiger Stelle gepiekst und sein „Leichnam“ hin und her geschubst. Die obszöne Hand96 Gert K a i s e r : Totentanz und verkehrte Welt. In: Tanz und Tod in Kunst und Literatur (wie Anm. 48), S. 113. Zur Gattung des Fastnachtspiels siehe Eckehard C a t h o l y : Das Fastnachtspiel des Mittelalters. Tübingen 1961; Carl I. H a m m e r : The Doctor in the Late Medieval „Arztspiel“. In: German Life and Letters 24 (1970-1971), S. 244256; vgl. auch Werner M. B a u e r : Das weltliche Spiel des Spätmittelalters in Österreich. In: Die österreichische Literatur. Ihr Profil von den Anfängen im Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert (1050-1750). Hg. Herbert Z e m a n (= Jahrbuch für Österreichische Kulturgeschichte 14-15, 1985-1986, S. 547-615; vgl. auch Dietz-Rüdiger M o s e r : Fastnacht, Fasching, Karneval. Das Fest der verkehrten Welt. Graz, Wien 1986; auch Francesco D e l b o n o : Das deutsche Fastnachtspiel, das „Karnevalsspiel“ bei Alione und das „Bauernspiel“ bei Ruzante. Versuch eines Vergleichs. In: Fastnachtspiel, Commedia dell’arte (wie Anm. 87), S. 13-73; M e z g e r (wie Anm. 93). 98 „Löffelstadt“, umschreibender Name des Zigeunerviertels in siebenbürgischen Ortschaften. Anlehnung an die hauptsächlich von Romafrauen ausgeübte Beschäftigung des Holzlöffelschnitzens. 97 166 Irmgard und Werner Sedler lung begleiten zweideutige Kommentare mit sexueller Anspielung (Mädchensehen, drei Beine), wobei für die Scharlatanerie der Aufweckung Zwiebeln vonnöten sind. Zudem wird im Arztspiel das Prinzip der „verkehrten Welt“ durchgängig befolgt – vom Gefeilsche um den Lohn des Arztes bis hin zur Handlung selbst: Die Erweckung des Königs mittels einer Zwiebel ist als parodistische Handlung zum sakralen Geheimnis der Auferstehung auch als fastnächtliche Inversion zu verstehen, doch auch als derbe Belehrung, eine volkstümlich Chiffre für die Absurdität, dem Tod entgehen zu wollen. Das „Doktorspiel“ ist letztlich ein Spiel mit den erspielten Wirklichkeiten des „Königsliedes“, dessen Mementomori-Intention. Die Deutungsperspektive wäre damit suspendiert, der zweite Teil hätte damit im Sinne der „verkehrten Welt“ die letzte Instanz aufgehoben. Das am Ende vom Publikum und den Akteuren gemeinsam gesungene Lied „Dein ist die Kron’, oh Herr der Welt“ führt zur Anfangsintention zurück. Man braucht sich nur die Wirkung der bruderschaftlichen Aufführungen des „Königsliedes“ während vergangener Jahrhunderte in Alzen/Siebenbürgen vorzustellen. Für ein Publikum, dem die christlichen Vorstellungen von Sünde und sündiger Lebenshaltung in der tradierten sächsischen Dorfgemeinschaft durch die kirchliche Predigt allsonntäglich vor Augen gehalten wurden, konnte sich der Tanz des Todes, aufgeführt auf einem zur Bühne umfunktionierten Stubenboden, auf dem bis unmittelbar davor bis zum Sinnenrausch getanzt worden war, zu einem starken Memento-mori-Signal verdichten. Umrahmt von Urzeln und anderen Verstålden im Publikum, konnte das eindringliche Bild des unerbittlichen Todes den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Ort festigen: Der Besuch der Bruderschaft bei den verheirateten Nachbarn zum Zweck der Aufführung war hauptsächlich gemeinsames Feiern. Die neuen Gemeindesäle, die ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts überall auf dem Lande gebaut wurden, brachten die Verlagerung der Dorffeste aus dem Bereich des privaten Stubenraumes in den öffentlichen Gemeinschaftsraum mit sich. Das mundartliche Volkstheater mit Stoffen aus dem Bauernleben fand Einzug auf die Dorfbühne und verdrängte allmählich die alten Spiele. Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 167 Quellen Die Schäßburger Rechnung von 1522* Von Zsolt S i m o n Kronstadt, Hermannstadt und Bistritz sind jene siebenbürgischen Städte, derer mittelalterliche Rechnungen in einer beträchtlichen Anzahl erhalten geblieben sind1. In dieser Hinsicht hatte Schäßburg weniger Glück, weil dort nur eine einzige Quelle dieser Art überliefert ist, die sich auf das Jahr 1522 bezieht. Diese Rechnung hat Georg Daniel Teutsch bereits im 19. Jahrhundert bekannt gemacht und in Teilen veröffentlicht2. In der vorliegenden Studie wird die Quelle in ihrer Gesamtheit ediert; ihre Analyse ist einer späteren Veröffentlichung vorbehalten. Dem Titel nach ist die Schäßburger Rechnung das Protokoll der drei sogenannten „Geldsammler” (registrum ... collectorium pecuniarum) Caspar Sartor, Lucas Doleator und Martinus Kyres, in deren erstem Teil die Einkünfte verbucht wurden: überwiegend die von den Siedlungen des Stuhls3 bezahlten Steuern, davor einige andere Eingangsposten, vor allem gewisser Rückstände. Im zweiten Teil der Rechnung wurden die aus diesen Steuern geleisteten Zahlungen vermerkt: vor allem Steuern, Kriegsausgaben, für unterschiedliche Abordnungen und Bauarbeiten bestimmte Summen, die Löhne des Trompeters, des Notars, Orgelspielers, des Dieners des Bürgermeisters beziehungsweise des Stuhlrichters sowie eine Reihe unterschiedlicher Ausgaben, die alle zusammen Daten über die mannigfaltigen Aspekte des spätmittelalterlichen Lebens des Schäßburger Stuhls und der Stadt Schäßburg liefern, die in anderen Quellen nicht anzutreffen sind4. * 1 2 3 4 Diese im Rahmen des Samuel-von-Brukenthal-Stipendiums erarbeitete Studie wurde finanziert durch das Projekt „Die sozial-humanistischen Wissenschaften im Kontext der globalisierten Entwicklung – Entwicklung und Durchführung“ des Programms für postdoktorale Studien und Forschungen., Vertrag: POSDRU 89/1.5/S/61104, und durch den Europäischen Sozialfonds (Sektorielles Operationelles Programm zur Entwicklung der Humanressourcen 2007-2013). Vgl. Rechnungen aus dem Archiv der Stadt Hermannstadt und der sächsischen Nation. Bd. 1. Hermannstadt 1880 (= Quellen zur Geschichte Siebenbürgens aus sächsischen Archiven I/1); Quellen zur Geschichte der Stadt Kronstadt in Siebenbürgen. Bd. 1. Rechnungen aus dem Archiv der Stadt Kronstadt 1503-1526. Kronstadt 1886; Konrad G ü n d i s c h : Cel mai vechi registru de socoteli al oraşului Bistriţa (1461, 1462) [Das älteste Rechnungsbuch der Stadt Bistritz (1461, 1462)]. In: Acta Musei Napocensis 14 (1977), S. 337-347. Für Mediasch und Klausenburg sind Rechnungen einiger Jahre bzw. eines Jahres erhalten geblieben. Joseph Bedeus von S c h a r b e r g : Mitteilungen über ein Mediascher Stadtbuch aus dem 16. und 17. Jahrhundert. In: Archiv NF 3 (1858), S. 55-66; Károly S z a b ó : Kolozsvár város 1496-diki számadása [Die Rechnung der Stadt Klausenburg von 1496]. In: Történelmi Tár [6] (1883), S. 571-584. Georg Daniel Te u t s c h : Die Schäßburger Gemeinderechnung von 1522. Züge aus dem sächsischen Leben zur Zeit des Untergangs des ungrischen Reichs. In: Archiv NF 1 (1853), S. 135-161. Denndorf/rum. Daia/ung. Szászdálya, Trapold/Apold/Apold, Meeburg/Beia/Homoródbene, Henndorf/Brădeni/ Hégen, Schaas/Șaeș/Segesd, Arkeden/Archita/Erked, Neidhausen/Netuș/Netus, Halwelagen/Hoghilag/Holdvilág, Großalisch/Seleuș/Keménynagyszőllős, Kelin-Alisch/Seleuș/Szászszőllős, Großlasseln/Laslea/Szászszentlászló, Dunesdorf/Daneș/Dános, Keisd/Saschiz/Szászkézd, Bodendorf/Bunești/Szászbuda, Proden/Prod/Prod, Radeln/ Roadeș/Rádos(d). Diesbezüglich siehe jüngst Gernot N u s s b ä c h e r : Aus Urkunden und Chroniken. Beiträge zur siebenbürgischen Heimatkunde. Bd. 9: Schäßburg, Kronstadt 2010. 168 Zsolt Simon Anhang 1522 [Schäßburg]. Die Rechnung des Schäßburger Stuhls und der Stadt Schäßburg. Rumänisches Nationalarchiv, Zweigstelle des Kreises Kronstadt, Schäßburger Stadtarchiv, Socoteli anuale [Jahresrechnungen], Nr. 1. Ein 100-seitiger Kodex, der einzeln aus dem Kollegat der fünf Hefte (jeweils aus in zwei gefalteten fünf Papierbögen gebildet) und des Pergamentdeckblattes entstanden ist. Ausmaße der Seiten: 22,5 x 30 cm. Die Papierblätter sind mit einem Wasserzeichen versehen, das eine Waage darstellt. Das Deckblatt ist am unteren und oberen rechten Rand zurückgebogen. Die ersten vier Seiten sind nicht paginiert. Leere Seiten: die unpaginierten Seiten 2-4, die Seiten 18, 22, 42, 66, 93-96. Auf dem ersten Deckblatt mit Schrift aus dem 18.-19. Jahrhundert steht: „1522., no. 27“. Folgende Abkürzungen werden verwendet: fl., flor.: florenus, asp.: asper (1 fl. = 50 asp.). Registrum prudentium et circumspectorum Casparis Sartoris, Luce Doleatoris et Martine1 Kyres, collectorium pecunearum(!) super annum Domini millesimum quingentesimum vigesimum secundum2 [P. 1.] Percepta3 Domini collectores pecuniarum perceperunt in parata pecunia, que de anno preterito post datam rationem superaverat Item Johannes Croner presentavit de pecuniis decimalibus, que levabantur ad stipendium versus Nandoralbam, quas idem antea non presentaverat Item feria secunda proxima post Letare4 percepit dominus Caspar a collectoribus pecuniarum ex parte educillationis vinorum Item ex piscina civitatis in loco deserto adiacento perceperunt domini collectores pecuniarum dominica Iudica5 Summa facit flor. et asp.6 [P. 2.] Item a certis hominibus causa pignorum redemptorum perceperunt domini collectores pecuniarum Item a Blasio Heftchyn de Gruen grass ratione sui census, quem7 de anno preterito remanserat, perceperunt domini collectores pecuniarum Item ratione expensarum, quas habuimus in causa litigiosa versus Albam cum domino Gregorio presbitero, filio Johannis notarii, quas idem nobis refudit, perceperunt domini collectores pecuniarum Item post compilationem registri et preparationem illius posuerunt certi domini cives rationem, de quibus perceperunt domini collectores pecuniarum Summa facit flor. 156 flor. 1 et asp. 31 flor. 3 et asp. 17 flor. 7 et asp. 37 flor. 3 et asp. 3 flor. 1 flor. 10 flor. 5 et asp. 8 flor. 187 et asp. 38 [P. 3.] Impositio prima facta per dominos provinciales causa solutionis certorum debitorum ac restantiarum anni preteriti super quamlibet domum numeralem flor. 250 impositis atque super quamlibet dicam civitatis nostre flor. 1 et denariis 25 impositis. Exacta est hec impositio et presentata circa festum sancti Vrbani9 et sequitur in sequentibus. Dalya presentavit flor. 58 et asp. 41 Trapoldt presentavit flor. 181 et asp. 37,5 Meberg presentavit flor. 44 et asp. 35 Summa facit flor. et asp.10 [P. 4.] Henndorf presentavit flor. 69 et asp. 46 169 Die Schäßburger Rechnung von 1522 Schegesdt presentavit Erket presentavit Nythusia presentavit Hodwilag presentavit [P. 5.] Nadg Zelewsch presentavit NadgZendtlaslo presentavit Danys contribuit Zaazkyzdt presentavit et contribuit Bodon presentavit et contribuit [P. 6.] Prod presentavit et contribuit Radlen presentavit et contribuit Summa presentationis totius sedis facit flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. 138 139 29 61 56 26 27 248 58 29 62 1231 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 28 0 0 35 14,5 45 0 20 0 0 0 2 [P. 7.] Presentationes dominorum civium in prenominata taxa Dominus Johannes Witeez presentavit flor. Et iterum presentavit flor. Dominus Laurentius Sartor presentavit flor. Dominus Theobaldus presentavit et contribuit flor. Dominus Johannes Kyser presentavit et contribuit flor. Dominus Georgius Genesch presentavit flor. [P. 8.] Dominus Mihael Rymmer presentavit flor. Dominus Petrus Zydler presentavit et contribuit flor. Dominus Johannes Konhart presentavit et dedit flor. Dominus Valentinus Keschner presentavit et contribuit flor. Dominus Petrus Holczappel iterum presentavit flor. [P. 9.] Dominus Stephanus Sutor presentavit et contribuit flor. flor. Dominus Nicolaus Herdenn11 presentavit et dedit Gruengrass presentavit flor. Summa presentationis dominorum civium ex parte civitatis facit flor. [P. 10.] Summa totius census, tam ex parte sedis, quam civitatis facit flor. 37 4 38 45 61 56 41 40 54 39 42 46 48 15 570 1801 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 0 25 19,5 2,5 0 18 33 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 48,5 35,5 25 16 23 25 [P. 11.] Taxa secunda super quamlibet domum numeralem flor. 50 impositis pro solutione stipendariorum anni preteriti, dum proficiscebatur ad Hungariam versus Nandoralbam, in civitate super quamlibet dicam asp. 8 et de quolibet hospite asp. 12 pro dicta stipendariorum solutione impositis et exactis et hoc circa festum beati Johannis baptiste12 Dalya presentavit et contribuit flor. 24 et asp. Segest presentavit flor. 57 et asp. Danys presentavit flor. 11 et asp. Prod presentavit flor. 14 et asp. [P. 12.] Nythusia presentavit flor. 12 et asp. Nadg Zelews presentavit flor. 22 et asp. Hodwilag presentavit flor. 27 et asp. Zendtlaslo presentavit flor. 35 et asp. Zazkyzdt presentavit flor. 39 et asp. [P. 13.] Trapolt presentavit flor. 68 et asp. 20 0 37,5 0 24 0 0 0 5 12 170 Meberg presentavit Bodon presentavit Hegenn presentavit Radosch presentavit [P. 14.] Erkedt presentavit Summa13 presentationis sedis totius14 facit Zsolt Simon flor. flor. flor. flor. flor. flor. 18 16 28 24 40 437 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 0 0 0 37,5 0 36 [P. 15.] Presentatio dominorum civium ex parte civitatis Dominus Georgius Genesch presentavit flor. 16 et asp. 44 42 Dominus Johannes Witez presentavit flor. 11 et15 asp. Dominus Petrus Zydler presentavit et contribuit flor. 13 et asp. 25 Dominus Mihael Rymmer presentavit flor. 12 et asp. 42 Dominus Johannes Kyser presentavit flor. 20 et asp. 36 [P. 16.] Dominus Nicolaus Hedenn presentavit flor. 16 et asp. 22 Dominus Petrus Holczappel contribuit flor. 14 et asp. 28 Dominus Johannes Konhart presentavit flor. 15 et asp. 12 Dominus Theobaldus presentavit flor. 13 et asp. 43 Dominus Valentinus Keschner contribuit flor. 16 et asp. 0 [P. 17.] Dominus Laurentius Sartor flor. 12 et asp. 0 Dominus Stephanus Sutor presentavit flor. 17 et asp. 41 Gruen grass presentavit flor. 8 et asp. 27 Summa presentationis dominorum civium ex parte communitatis totius flor. 190 et asp. 12 facit Summa presentationis totius taxe, tam ex sede, quam civitate facit flor. 627 et asp. 48 [P. 19.] Taxa tertia imposita per dominos provinciales super quamlibet domum numeralem flor. 125 exacta circa festum Exaltationis sancte Crucis16 in civitate super quamlibet dicam asp. 28 impositis Szazkysdt presentavit flor. 129 et asp. 8 Erkedt presentavit flor. 63 et asp. 0 Bodon presentavit flor. 28 et asp. 0 Radosch presentavit flor. 30 et asp. 40 [P. 20.] Meberg presentavit flor. 23 Dalya presentavit flor. 30 Trapolt presentavit flor. 88 Hegenn presentavit flor. 33 Nythusia presentavit flor. 25 Segesdt presentavit flor. 110 31 Nadg Zelewsch presentavit flor. 27 et17 asp. [P. 21.] Prod presentavit flor. 13 Hodwilag presentavit flor. 30 et asp. 35 Zendtlaslo presentavit flor. 20 Danys presentavit flor. 14 et asp. 25 Summa presentationis sedis totius facit flor. 665 et asp. 39 171 Die Schäßburger Rechnung von 1522 [P. 23.] Presentationes dominorum civium ex parte civitatis Dominus Theobaldus presentavit flor. Dominus Mihael Corrigiator presentavit flor. Dominus Petrus Zydler presentavit flor. Dominus Johannes Konhartt flor. Dominus Johannes Witez presentavit flor. [P. 24.] Dominus Laurentius Sartor presentavit flor. Dominus Johannes Kyser presentavit flor. Dominus Georgius Genesch presentavit flor. Dominus Stephanus Sutor presentavit flor. Dominus Nicolaus Hedenn presentavit flor. [P. 25.] Dominus Nicolaus Hedenn presentavit flor. Dominus Valentinus Keschner presentavit flor. Dominus Petrus Holczappel presentavit flor. Gruengrass presentavit flor. Summa presentationis dominorum civium ex parte communitatis facit flor. [P. 26.] Summa presentationis totius taxe, tam ex sede, quam ex civitate facit flor. 18 19 17 20 18 18 29 26 20 22 0 19 21 4 258 923 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 47 12,5 44,5 29 0 40 21 31 13 24 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 26 47 22 7 46 [P. 27.] Exactio pecuniarum pro solutione stipendariorum et duorum milium florenorum domino waywode deputatorum, dum circa festum sancti Mihaelis archangeli18 proficiscebatur ad terram Transalpinam, ex sede super quemlibet19 domum numeralem flor. 28 et in civitate super quemlibet hospitem asp. 20 impositis et exactis Zentlaslo presentavit ad presens stipendium flor. 16 et asp. 0 Schegesdt presentavit flor. 45 et asp. 25 Erkedt presentavit flor. 26 et asp. 0 Nadg Zelews presentavit flor. 10 et asp. 0 flor. 6 et asp. 25 [P. 28.] Nythusia presentavit20 Meberg presentavit flor. 5 et asp. 12,5 Danysch presentavit flor. 6 et asp. 25 Rados presentavit flor. 13 et asp. 0 Hodwilag presentavit flor. 13 et asp. 25 Dalya presentavit flor. 13 et asp. 0 [P. 29.] Prod presentavit flor. 6 et asp. 25 Szazkysdt presentavit flor. 58 et asp. 20 Bodon presentavit flor. 13 et asp. 0 Trapolt presentavit flor. 39 et asp. 0 Hegenn presentavit flor. 13 et asp. 40 [P. 30.] Summa presentationis sedis totius facit flor. 285 et asp. 47,5 [P. 31.] Exactio pecuniarum decimalium in civitate pro solutione stipendariorum de quolibet hospite asperis 20 levatis Johannes Croner presentavit flor. 4 Cristianus Corrigiator ex suo decimali flor. 4 Thies Keschner presentavit flor. 6 Lucas Wagner presentavit flor. 2 et asp. et asp. et asp. et asp. 5 9 26 49 172 Johannes Bayers senior Johanness Gyrharts presentavit Summa facit [P. 32.] Lucas Gotschling presentavit Gregorius Kesler presentavit Lucas Bydner in vico Bayer Petrus Textor presentavit Sigismundus Fenestrator presentavit Blasius Fischer presentavit Summa facit [P. 33.] Georgius Sutor presentavit Thomas Schyner presentavit Johannes Dellendorffer presentavit Andreas Burgellen presentavit Andreas Olmacher Bydner Stephanus Errenst presentavit Mihael Kursner presentavit Summa facit [P. 34.] Blasius Kursner presentavit Mihael Stomp presentavit Sigismundus Textor presentavit Andreas Clitschenn21 presentavit Lucas Konhart presentavit Valentinus Hon presentavit Bartholemeus Schonweder presentavit Summa facit [P. 35.] Stephanus Fischer presentavit Vittus Dellendorffer presentavit Benedictus Bayer presentavit Georgius Horarumfactor presentavit Blasius Kyndtler presentavit Georgius Wagner presentavit Georgius Pletsch presentavit Summa facit [P. 36.] Georgius Mensator presentavit Bartholomeus Goss presentavit Servatius Sartor de duobus decimalibus Johannes Mydwescher aurifaber Blasius Wagner presentavit Barthlomeus Terner presentavit Georgius Rasor presentavit Summa facit [P. 37.] Andreas Fyltstich presentavit Georgius Sadler presentavit Zsolt Simon flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. 4 3 26 4 4 4 3 6 3 27 3 2 4 4 3 4 4 27 3 3 4 4 4 4 3 29 6 3 2 7 4 3 4 33 6 3 6 4 5 2 4 35 3 6 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 32 39,5 10,5 7 25 16 48 31 49 26 0 0 29 6 45 42,5 40 12,5 45 26 38 39,5 9 48,5 40 46 21 17 46 34 36 35 25 14 17 40 39 38 32 45 40 1 18 16 173 Die Schäßburger Rechnung von 1522 Georgius Czymmerman presentavit Georgius Rymmer presentavit Gruengrass presentavit Summa facit [P. 38.] Summa presentationis civitatis totius facit Summa presentationis huius stipendii tam ex sede, quam ex civitate facit flor. flor. flor. flor. flor. flor. 2 5 10 28 207 493 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 45 6 45 30 40 37,5 [P. 39.] Exactio secunda vice pecuniarum pro solutione stipendii super quolibet stipendario flor. 3 circa festum Omnium sanctorum,22 dum stipendium transmitti debuit ad terram Transalpinam Presentatio sedis Szazkysdt presentavit flor. 69 Erkedt presentavit flor. 30 36 Meberg presentavit flor. 823 et asp. 24 flor. 3 Radosch presentavit Bodon presentavit flor. 14 Dalya presentavit flor. 15 [P. 40.] Nythusia presentavit flor. 8 et asp. 48 flor. 17 et asp. 20 Hegen presentavit25 Trapolt presentavit flor. 40 Segesdt presentavit flor. 46 et asp. 25 26 Danysch presentavit ad presentem stipendium flor. Laslo presentavit flor. 15 et asp. 0 [P. 41.] Hodwilag presentavit flor. 18 Prod presentavit flor. 9 Nadg Zelewsch presentavit flor. 15 Summa presentationis sedis totius facit flor. 309 et asp. 29 [P. 43.] Presentatio civitatis pro solutione stipendariorum de quolibet hospite asperis decem levatis Georgius Czymmerman presentavit flor. 1 et asp. 19 Mihael Kursner presentavit flor. 2 et asp. 3 Simon Bydner presentavit flor. 1 et asp. 25 Blasius Kynndtler presentavit flor. 2 et asp. 13 Vittus Dellendorffer presentavit flor. 2 et asp. 19 Georgius Essig presentavit flor. 2 et asp. 8 Summa facit flor. 11 et asp. 37 [P. 44.] Lucas Wagner presentavit flor. 1 et asp. 25 Benedictus Payer presentavit flor. 1 et asp. 18 Georgius Tischler presentavit flor. 4 et asp. 0,5 Lucas Konhart presentavit flor. 1 et asp. 44,5 Georgius Stundenmacher presentavit flor. 3 et asp. 15 Andreas Olmacher presentavit flor. 1 et asp. 48 Petrus Wewer presentavit flor. 1 et asp. 45 Summa facit flor. 15 et asp. 46 [P. 45.] Stephanus Zakmans presentavit flor. 2 et asp. 20 Lucas Gotschling presentavit flor. 1 et asp. 44 174 Zsolt Simon Cristianus Rymmer presentavit Sigismundus Fenestrarius presentavit Andreas Clitschenn presentavit Georgius Bydner presentavit Mathias Keschner presentavit Summa facit [P. 46.] Georgius Scherer presentavit Johannes Dellendorfer presentavit Johannes Mydwescher presentavit Stephanus Errenst presentavit Egidius Schuster presentavit Blasius Kurschner presentavit Georgius Czekmantler presentavit Summa facit [P. 47.] Blasius Fischer presentavit Schoyen Thies presentavit Georgius Wagner presentavit Bartholomeus Terner presentavit Burgellen Endres presentavit Pletsch Jerg presentavit Gregorius Bydner presentavit Summa facit [P. 48.] Sigismundus Gyger textor Stephanus Fischer presentavit Rudt Lucas presentavit Andreas Fylstich Schynen Thomas presentavit Johannes Croner presentavit Georgius Rymmer presentavit Bartholomeus Goss presentavit Summa facit [P. 49.] Johannes Gochmans presentavit Servacius Sartor presentavit Gruen Grass presentavit Summa huius medii 27 folii facit Summa huius stipendii secunda et ultima vice exacti ex parte civitatis totius facit Summa presentationis totius stipendii prescripti sive presentis tam ex sede, quam ex civitate facit [P. 50.] Summa summarum totius percepti facit flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. flor. 2 3 1 3 3 17 2 1 2 2 3 2 1 15 1 1 1 1 1 1 1 11 2 3 1 1 1 1 2 1 15 1 1 3 6 94 et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. et asp. 2 22 15 12 20 35 0 40 8 5 24,5 1 48 26,5 49 48 40 24 40 35,5 10 46,5 13 10 35 43 0 48 0 38 37 0,5 30 39,5 20 48 flor. 404 et asp. 27 flor. 4439 et asp. 21,5 175 Die Schäßburger Rechnung von 1522 [P. 51.] Sequuntur extradata primi census28 Georgio Kyral eo, quod fuit Bude cum domino magistro civium, dati sunt pro suis fatigiis Eidem Georgio Kyral ratione sui sallarii feria 5ta proxima ante Carnisprivium29 Tympaniste, quem domini convenerant tempore Quadragesimali30, in suo salario Francisco aurige, quondam famulo domini iudicis sedis, qui fuit cum domino magistro civium Bude Stephano Lapicide, qui secuit globos ad bombardas lapideas32, pro suis laboribus Bartholomeo sub porta habitanti pro resolutione sive depositione 6 vasorum cementis soluti sunt Summa facit [P. 52.] Petro Lwtsch eo, quod fuit cum iudice sedis in terra Barcza in quadam expeditione circa festum Omnium sanctorum preteriti anni33 Pro solutione certarum restantiarum et debitorum de anno preterito miserunt collectores pecuniarum cum domino iudice regio et Johanne Witez dominica Invocavit34 ad Cibinium Eisdem nuntiis eo tempore ad Cibinium missis pro expensis Iterum Johanni Witez quem dedit mutuo Notario in suo sallario dominica Invocavit36 dederunt domini collectores pecuniarum Georgio Carpentario feria 5ta ante Letare37 ratione laboris, quem fecit in muro circa sorores ordinis sancti Francisci Pro teglis(!) ad murum in castro circa predictas sorores ordinis sancti Francisci Summa facit [P. 53.] Johanni Balistario in suo stipendio dominica Letare38 Petro Lwtsch propter multifaria servitia civitati per eundem facta atque in posterum faciendis dederunt domini consules in subsidium unius vestis emendis Eidem Petro Lutsch eo, quod duxit certas litteras magnifici domini waywode ad Ruppes, pro expensis Eidem Petro Lwtsch pro ducendis certis litteris ad Cibinium domino magistro civium pro expensis Domino magistro civium et Luce Doleatori ad Cibinium pergentibus dominica Letare39 pro expensis Certis hominibus, qui resolverunt sex vasa cementi in castro Summa facit [P. 54.] Georgio Kyral in suo stipendio dominica Iudica40 dederunt domini collectores pecuniarum Ladislao servitori cum certis litteris citatorialibus in causa Johanni de Kysdt ad quosdam nobiles missi eosdem citando pro expensis Johanni, servitori domini magistri civium in festo beati Marci ewangeliste41 Tubicinatori eodem die42 in suo salario dati sunt Dominica Quasi modo geniti43 miserunt domini collectores pecuniarum cum domino iudice regio ad Cibinium ibidem presentando flor. 2 asp. 25 flor. 231 flor. 1 flor. 11 flor. 0 et asp. 6 flor. flor. 16 1 et asp. et asp. 31 25 flor. 300 flor. flor. flor. 3 135 1 flor. 1 asp. 19 et asp. asp. et asp. 44 45 25 asp. 10 asp. 7 asp. et asp. asp. 25 12 12,5 asp. 14 asp. asp. 12,5 12,5 flor. 307 flor. 1 flor. 7 flor. 10 flor. 800 176 Zsolt Simon Eidem domino iudice regio eo tempore ad iter illud perficiendum pro expensis Mathie organiste eodem die44 dedit dominus Caspar ratione sui sallarii Summa facit [P. 55.] Pro cemento vasis duobus ad edificium civitatis feria 5ta proxima post Quasi modo geniti45 Pro uno vaso vini ad nuptias nobilis Mihaelis Sykes donati solverunt hominibus de Prod Georgio Kyral ratione sui stipendii in festo beatorum Philipi et Jacobi apostolorum46 Francisco notario in suo stipendio eodem die47 Domino magistro civium pro una vectura ad Cibinium facta, dum sua dominatio fuerat cum Luce doleatore ibidem in Quadragesima48 Ladislao servitori conducto pro custodiendo frugibus et pratis in suo salario Summa facit [P. 56.] Feria secunda proxima post festum Inventionis sancte Crucis49 cum Laurentio Sartore et Stephano Sutore, ut presentarent in Cibinio domino magistro civium Eisdem nuntiis eodem die50 pro expensis dati sunt versus Cibinium Tubicinatori novo prima vice pro expensis ad rationem sui sallarii Baccalaureo rectori schole causa unius vestis, quam domini consules dederunt illi, ut habeat diligentiam cum iuvenibus Dominis magistri civium et duobus iudicibus certis vicibus ad Zenthagata ad magnificum dominum waywodam pergentibus pro expensis Eisdem dominis ad tres resas pro pipere et croco et pro una vectura ad Zenthagata Summa facit [P. 57.] Circa festum sancti Seruacii52 villico pro necessitate civitatis Petro Lwtsch cum certis litteris ad Zentagatha misso pro expensis Tubicinatori novo in suo stipendio feria 4ta ante Zophie53 Johanni, servitori civitatis causa unius vestis solvimus Petro Zydler Notario solvimus in suo stipendio feria quarta ante festum sancti Vrbani54 Feria sexta ante festum sancti Vrbani55 cum domino Theobaldo, ut presentaret in Cibinio, missi sunt Et eidem eodem tempore pro expensis Summa facit [P. 58.] Summa extradate presentis taxe facit [P. 59.] Exitus secunde taxe56 Feria tertia redemimus Czyganos ab waywoda illorum Notario in suo stipendio feria quarta in vigilia Ascensionis Domini58 Georgio Kyral in suo stipendio dominica proxima post festum Ascensionis59 Tubicinatori in suo stipendio feria tertia ante festum Penthecostes60 Ladislao servitori, qui mitebatur ad Zeplak ad Johannem Both procuratorem in causa homini de Zazkysdt, pro expensis Rogationum57 flor. 3 flor. flor. flor. 1 805 1 flor. 2 flor. 2 flor. 2 flor. flor. 8 500 flor. 2 flor. 4 flor. 351 flor. 1 flor. flor. 510 2 flor. flor. flor. flor. 1 1 6 300 flor. flor. flor. 2 312 1971 flor. 3 et asp. et asp. 1,5 40 asp. 25 asp. et asp. 25 40 asp. 12,5 et asp. 12,5 asp. 5 et asp. 10 et asp. et asp. 15 6 asp. asp. asp. asp. 25 25 25 12,5 177 Die Schäßburger Rechnung von 1522 Eidem Ladislao eodem die61 eo, quod custodivit fruges et prata civitatis, in suo salario Summa facit [P. 60.] Postos(?) abietum sive pluteos pro edificio muri in claustro solverunt collectores pecuniarum Domino magistro civium et iudici regio ad Cibinium ad convocationem generalem vocatis feria 4ta ante festum Penthecostes62 pro expensis et solutionis hospitis Johanni, servitori civitatis ex parte sui stipendii eodem die63 Quirino Lateratori pro lateribus ad murum circa sorores ordinis sancti Francisci dederunt collectores pecuniarum Pro velocibus pulveribus64 bombardarum, videlicet talentis 14, exposuerunt collectores pecuniarum Summa facit [P. 61.] Mathie organiste in suo stipendio eodem tempore dederunt collectores pecuniarum Sagitatoribus balistarum pro ave sagitantibus iussu dominorum consulum Petro Lutsch pro diversis resis, quas fecit civitati, in sortem sui solutionis Quibusdam hominibus de Segesdt pro avena ab eisdem ad necessitatem civitatis recepta Georgio Kyral in suo stipendio feria 3a proxima post Trinitatis65 Notario in suo stipendio feria 3a proxima post Trinitatis66 Summa facit [P. 62.] Tubicinatori in suo stipendio eodem tempore duabus vicibus, videlicet in vigilia Corporis Christi et feria 3a post nundinas67 Lateratoribus duobus pro lateribus ad necessitatem civitatis receptis solvit dominus Caspar tempore nundinarum Mathie organiste in suo salario tempore nundinarum Pro saletro sive sale nitri certis hominibus tempore nundinarum Petro Lwtsch ad Zeplak misso in factis homini de Zazkysdt ad procuratorem misso pro expensis Summa facit [P. 63.] Georgio Kyral in suo salario duabus vicibus circa nundinas Johanni Sass, qui custodivit tempore nundinarum, solvimus Iudici regio et Georgio Genesch ad Cibinum pergentibus in festo sancti Johannis baptiste68 Iudici regio pro duobus equis curriferis sive curru subiugatis, quos dedit ad currum, dum dominus magister civium porrexit ad Budam, solverunt collectores pecuniarum eodem die69 Causa Mihaelis, servitoris iudicis sedis solverunt collectores pecuniarum pro una veste Feria secunda proxima ante festum sancte Margarethe70 cum Francisco notario et domino Johanne Penhart ad Cibinium miserunt collectores pecuniarum Summa facit asp. 25 et asp. asp. 12,5 25 asp. 25 flor. 5 flor. 8 flor. 1 flor. 1 et asp. 20 flor. flor. 11 1 et asp. 20 flor. 1 flor. 1 et asp. asp. et asp. 30 25 30 3 8 1 asp. et asp. et asp. 25 flor. flor. flor. 10 flor. 3 flor. 1 et asp. asp. asp. 25 25 8 flor. flor. 6 1 et asp. 8 asp. 12,5 flor. 4 flor. 14 flor. 1 flor. 600 flor. 620 et asp. 12,5 178 Zsolt Simon [P. 64.] Eodem tempore pro usura sive additione flor. 200, quos dominus magister civium et iudex regius in auro a domino Marco, iudice regio71 mutuo receperant Eisdem nuntiis eodem tempore ad Cibinium cum pecunia presentanda missis pro expensis Hospiti dominorum in Cibinio miserunt domini collectores pecuniarium cum eisdem nuntiis in paratis Summa facit [P. 65.] Summa extradate pecunie presentis contributionis facit [P. 67.] Exitus tertie taxe72 Notario Francisco tempore nundinarum ex presenti taxa dedimus in sortem solutionis sui stipendii Petro Lutsch, qui detulit flor. 50 ad Cibinium de altera taxa, dederunt collectores pecuniarum pro expensis Mathie organiste in suo stpendio feria 4ta ante Margarethe73 Johanni, famulo testudinario domini Wolfgangi ratione auri blacterati(?) ad tabulam beate Virginis in ecclesia parrochiali(!) nostra situatam in festo sancte Margarethe74 Tubicinatori eodem die75 in suo stipendio Mihaeli, servitori iudicis sedis ad Ladislaum Baladfy in causa homini de Kyzdt misso, pro expensis Summa facit [P. 68.] Domino Petro Zydler, qui in absentia villici exposuit certas76 res, restituti sunt Tubicinatori in suo stipendio circa festum sancti Laurencii martiris77 Certis hominibus de Hamerodt, pro saletro circa festum sancti Laurencii78 Mihaeli, servitori dominorum de Megyes ad Siculiam misso, ut saletrum conductum adducere mitteret pro expensis Georgio Kyrall(!) duabus vicibus, videlicet dominica ante Laurencii79 et feria 2a ante Stephani regis80 in suo salario Domino Stephano Poor et domino Theobaldo ad Cibinium ad convocationem dominorum provincialium pergentibus in vigilia Assumptionis Marie81 pro expensis Summa facit [P. 69.] Ladislao servitori in sua custodia iuxta conventionem cum eodem factam Tubicinatori in suo stipendio dominica in festo sancti Bartholomei apostoli82 Iudici regio ad dominum waywodam misso in causa homini de Bodon propter stuprum pro expensis in festo sancti Bartholomei83 Georgio Kyral dominica in festo sancti Bartholomei84 in suo salario Fratri Vrbano suppriori85 pro ligatione unius libri Johannis Both procuratoris Causa census ipsius Mihaelis, servitoris iudicis sedis ad rationem suam solverunt collectores pecuniarum Johanni Dacz Summa facit flor. 4 flor. 2 flor. 3 flor. flor. 9 660 flor. 8 flor. et asp. 25 et asp. et asp. 24 38 asp. 25 asp. 25 asp. asp. 25 8 et asp. asp. 33 16 asp. 12,5 asp. 37,5 6 flor. 15 flor. flor. 1 2 flor. 2 et asp. 25 flor. flor. 6 1 et asp. et asp. 41 10 asp. 25 flor. 1 asp. asp. 12,5 25 asp. 20 et asp. 42,5 flor. 3 179 Die Schäßburger Rechnung von 1522 [P. 70.] Feria sexta ante festum Exaltationis sancte Crucis86 cum domino Mihaele, iudice regio et Laurencio Sartore ex predicta taxa, ut presentarent in Cibinio, miserunt collectores pecuniarum Eisdem nuntiis ad expensas eodem die87 ad Cibinium Notario eodem tempore in suo stipendio dederunt domini collectores pecuniarum Johanni Konhart causa cyphii argentei domino waywode donati solverunt collectores pecuniarum eodem tempore Domino Stephano Poor iudici sedis ad Terram Barcza ad magnificum dominum waywodam cum Johanne Both procuratore in causa homini de Bodon misso pro expensis Summa facit [P. 71.] Causa saletri sive salis nitri solvit dominus Caspar hominibus de Hammerodt Tubicinatori pro uno pellioco(?) emendo ad rationem sui stipendii dati sunt Eidem tubicinatori duabus vicibus in suo salario Ladislao servitori, qui porrexit cum iudice regio ad Cibinium, pro fatigiis et resa Mihaeli, servitori domini Stephani Poor in suo salario circa festum Exaltationis sancti Crucis88 dederunt domini collectores pecuniarum Nicolao Rusner propter certa negotia ad Cibinium misso pro expensis Summa facit [P. 72.] Valentino, servitori domini magistri civium ad rationem sui salarii Eidem Valentino cum certis litteris ad nobilem Petrum Mihalfy misso in factis homini de Kyzdt pro expensis Eidem Valentino causa stipendariorum ad Cibinium misso circa festum sancti Mihaelis archangeli89 pro expensis Cuidam clienti ignoto certas litteras ad castrum Gergyn et ad nobilem Leonardum Barlabassy ducenti pro expensis Notario Francisco pro multiplicibus suis fatigiis, que habuit Albe 8 vicibus ex parte civitatis dederunt domini consules pannum pro una veste Eidem in suo salario feria quarta proxima post festum Exaltationis sancte Crucis90 Summa facit [P. 73.] Eidem notario emerunt domini collectores 3 libros papyri pro necessitate civitatis Mathie organiste in suo salario solverunt collectores pecuniarum eodem tempore Iudici regio in suis debitis, que remansit civitas illi habita ratione circa festum Nativitatis Domini preteriti anni91 cum eo, solverunt collectores pecuniarum Habita ratione cum Petro Lwtsch pro wariis et diversis suis fatigiis civitati factis solverunt collectores pecuniarum in festo sancti Mathei apostoli92 Eidem Petro Lutsch pro emendo uno equo dederunt collectores pecuniarum mutuo ex pecunia civitatis Georgio Kyral ratione sui stipendii dederunt collectores pecuniarum eodem die93 Summa facit flor. 500 flor. 4 asp. 25 flor. 16 flor. 1 et asp. 25 flor. flor. 522 10 et asp. et asp. 0 25 asp. asp. asp. 40 25 12,5 asp. et asp. asp. asp. 20 22,5 25 4 asp. 20 asp. 5 et asp. asp. 4 12 asp. 25 et asp. 37 flor. 1 flor. 13 flor. 3 flor. 2 flor. 6 flor. 5 flor. 2 flor. 1 flor. 1 flor. 9 180 Zsolt Simon [P. 74.] Notario Francisci in suo stipendio dominica in festo sancti Mathei apostoli94 Valantino Barbitonsori eo, quod sanavit Thomam Sartorem per Gothardum lesum eodem die95 Domino Stephano Poor ad Cibinium misso pro querendis et conducendis stipendariis pedestribus videlicet pixidariis pro expensis Johanni Balistario causa sui stipendii feria sexta ante Mihaelis96 Tubicinatori in suo stipendio in festo sancti Mihaelis97 Staphano Talos98 muratori in laboribus civitatis in sortem sue solutionis circa festum sancti Mihaelis99 Summa facit [P. 75.] Villico domino Cristiano ratione globorum ferreorum, quos idem mutuo dedit pro civitate, soluti sunt Mihaeli, servitori dominorum de Megyes, qui propter saletrum conductum et partim solutum mitebatur ad Siculiam, expensis Domino iudici regio pro100 apparatione et dispositione sua, ut necessaria sua emere posset, dum ad terram Transalpinam proficisci debuit, decreverunt domini consules Eidem ratione debiti, quod eidem remansimus circa festum Nativitatis Domini101 Pro conducendo stipendariis pedestribus102 sive pixidariis misimus domino iudici regio cum Valentino Keschner versus Terram Barcza ex presenti taxa Summa facit [P. 76.] Hospiti dominorum in Cibinium commoranti ratione hospitii dati sunt in festo sancte Vrsule103 Circa festum sancte Vrsule104 misimus cum domino Petro Szydler ad Cibinium presentandos Eidem domino Petro Zydler pro expensis dum eosdem deferebat 200 fl. Mihaeli, servitori iudicis sedis in suo salario dominica proxima post Vrsule105 Blasio servitori pro duabus seris, quas domini dederunt Paulo litarato tylle106 mester eo, quod excepit litteras in causa homini de Kysdt Domino Petro Zydler pro una veste, quam anno preterito dederat Georgio Kyral Summa facit [P. 77.] Eidem domino Petro Sydler pro una veste Benedicti servitoris de presenti anno Domino Mihaeli Corrigiatori solvimus expensas, quas107 ipse cum domino Petro Szydler fecerant in Eppesfalwa dum sub arresto ibidem detinebantur Eidem domino Mihaeli causa census de domo sua in qua lapidei globi pro bombardis secabantur de ebdomadis 10 Eidem pro sex rhedis wlgo zylen, duobus frenis novis, flagello, cingulo et diversis aliis instrumentis, que fecit ad currum drabantorum dum proficiscebatur ad terram Transalpinam Mihaeli, servitori iudicis sedis in suo stipendio feria sexta post Martini108 Summa facit [P. 78.] Summa exitus huius tertie contributionis facit simul flor. 2 flor. 1 flor. 1 flor. 3 flor. 3 flor. flor. 11 5 flor. 10 flor. 2 flor. 186 flor. 203 flor. 200 flor. 1 flor. 1 flor. flor. 204 1 flor. flor. 3 999 et asp. 25 asp. 25 et asp. 0 asp. 10 et asp. asp. 10 25 asp. asp. 40 25 et asp. 25 et asp. et asp. 15 25 asp. 16 asp. 16 asp. 40 asp. et asp. et asp. 12,5 9,5 14,5 181 Die Schäßburger Rechnung von 1522 [P. 79.] Exitus pecuniarum decimalium de singulis hospitibus asp. 20 levatis Notario Francisco in suo salario dati sunt ex presenti taxa flor. 3 Johanni Kyser, substituto villico pro certis rebus pro apparatione currus flor. 3 civitatis ementibus dum proficiscebatur ad terram Transalpinam Iudici regio dum discessit ad terram Transalpinam pro expensis et conduflor. 16 cendo uno stipendario dederunt domini collectores pecuniariarum(!) Georgio Genesch pro duobus lardis ad currum iudicis regii dum ibatur ad flor. 2 terram Transalpinam Mihaeli, famulo iudicis sedis in suo salario feria 3a post Francisci109 Summa facit flor. 24 [P. 80.] Domino Valentino Keschner tribus vicibus ad terram Barcza misso flor. 1 pro expensis Iudici regio, domino Mihaeli Hedyes, ut deferret et presentaret magnifico flor. 200 domino waywode in terra Barcza Pro vectura currus stipendariorum pedestrum dederunt collectores pecuniaflor. 4 rum domino Valentino Keschner Eisdem stipendariis pro vasculis ad bombardas Cuidam Briccio de Ewlesch,110 qui fuit cum domino iudice regio in Cibinio, pro suis fatigiis Telam grossam pro faciendo saccis pecuniarum solverunt collectores pecuniarum Summa facit flor. 205 flor. 6 [P. 81.] Notario in suo stipendio dominica proxima ante festum sancti Galli111 Telam rubeam et tropes(?) ad faciandam vexilla pro stipendariis pedestribus flor. 1 Georgio Kyral in suo stipendio feria secunda ante Galli112 Pro quatuor equis ad currum stipendariorum solverunt collectores pecuniaflor. 13113 rum Ratione laboris currus civitatis, dum iudex regius discessit ad terram Trans­ flor. 1 alpinam, solverunt collectores pecuniarum flor. 113 Stipendariis equestribus et pedestribus dum discesserant ad terram Transalpinam pro suo stipendio114 Summa facit flor. 134115 flor. 50 [P. 82.] Domino magistro civium, ut deferret ad Cibinium ibidem presentandi dominica proxima ante festum sancti Martini116 Eodem tempore domino magistro civium pro expensis ad Cibinium flor. 6 Causa equi iudici regio dono dati Cibiniensis solverunt collectores prima flor. 4 vice Summa facit flor. 60 flor. 425 Summa exitus117 totius contributionis presentis stipendii facit [P. 83.] Exitus pecuniarum decimalium secunda vice levatarum de quolibet hospite asp. 10 flor. Feria quinta proxima ante festum Omnium sanctorum118 misimus cum domino Valentino Keschner et Johanne Konhart ad Cibinium pro solvendo stipendariis in terra Transalpina existentis Eisdem nuntiis versus Cibinium pro expensis eodem tempore et asp. 20 asp. et asp. 12,5 32,5 asp. asp. 5 12,5 asp. 3,5 et asp. 21 asp. 23,5 et asp. 28 et asp. 25 et asp. 26,5 et asp. et asp. 0 30 asp. 40 200 182 Zsolt Simon Cuidam famulo, qui cum domino Petro Zydler fuit in Cibinio circa festum sancte Vrsule119 pro fatigiis Mihaeli, filio Seruacii Sartoris cause unius bombarde solvimus illi Petro Corrigiatori unam vecturam ad Cibinium magistrum civium et iudicem regium illic ductos Summa facit [P. 84.] Eidem Petro Corrigiatori pro una vectura ad Valle Agnetis magistrum civium et iudicem regium illic ducens pausavit certis diebus ibidem Causa unius bombarde, quam idem Petrus Rymmer dedit ad terram Transalpinam Notario papyrum pro usu civitatis et necessitate papirii libra 3 Eidem domino Petro Corrigiatori ad expeditionem currus pro certis rhedis et corrigiis et aliis attinentiis Paulo litterato certarum litterarum gratia,120 quas excepit in causa homini de Zazkyzdt, rhedas rubeas sex, frena sex cum cingulis et aliis attinentiis dedimus medio Petri Corrigiatoris in valore Summa facit [P. 85.] Mathie organiste ratione sui stipendii feria secunda proxima ante festum Emerici ducis121 Mathie, servitori iudicis sedis Stephani Poor in suo stipendio Georgio Kyral feria 5ta in festo sancti Leonardi confessoris122 Francisco notario eodem die123 in suo stipendio feria sexta post Leonardi124 Johanni Armbroster in suo stipendio eodem die125 Eodem die eidem Johanni Balistario in suo stipendio126 Mihaeli, servitori domini iudicis sedis pro adductione certis litteris ad Johannem Both pro expensis Summa facit [P. 86.] Eidem Mihaeli eodem die127 in suo salario dedit dominus Caspar Bernardo, moderno baleatori,128 qui de Megys(!) venit ad civitatem nostram, dederunt domini cives mutuo Ladislao servitori pro expensis ad Brassouiam misso ex parte homini de Bodon causa stupri Johanni Both et domino Petro Zydler pro certis causis expediendis ad dominum waywodam ad Brassouiam missis pro expensis Ratione tegumenis novi currus pannum rubeum vlnas 25 solverunt In festo sancte Katherine129 dominis magistro civium et iudicibus ad Cibinium pergentibus pro expensis, solutione hospitis et emptione certorum munerum Summa facit [P. 87.] Georgio Kyrall(!) ratione sui stipendii eodem130 Mihaeli Kolf ad Bochnyam(!)131 in certis factis, precipue causa ovium ad relictam Nicolai de Bethlen misso, pro expensis Stipendariis pedestribus, dum reversi fuissent ex Transalpina pro suo stipendio132 soluti sunt Equestribus stipendariis dum revertebantur ex terra Transalpina in suo stipendio133 Johanni Armbrester in suo stipendio in vigilia sancti Nicolai134 flor. 2 flor. flor. 203 1 asp. 10 asp. 10 et asp. 10 asp. 25 asp. asp. 12 13 flor. 4 et asp. 8 flor. flor. 6 1 et asp. et asp. 8 16,5 asp. asp. et asp. 12,5 25 25 asp. asp. 39 10 et asp. asp. 28 12,5 asp. 30 et asp. 42,5 asp. 13 flor. flor. 1 3 flor. 7 flor. 5 flor. 2 flor. flor. 5 23 flor. flor. 35 1 flor. 26 flor. 77 et asp. 2,5 flor. 2 et asp. 25 183 Die Schäßburger Rechnung von 1522 Summa facit [P. 88.] Valentino Hon in suo stipendio eo, quod fuit in terra Transalpina Tubicinatori in suo salario tribus vicibus circa festum sancti Nicolai135 Mihaeli, servitori domini iudicis sedis in suo stipendio duabus vicibus Ratione unius bombarde, quam redemimus civitati a drabantis sive stipendariis pedestribus Ladislao servitori ad Brassouiam in factis homini de Bodon misso pro suis fatigiis et resa Iterum eidem Ladislao dum mitebantur ad sedem Schenk at(!) prope Kwkwle pro citando Mihaele Horwath et Georgio Swllok pro fatigiis et expensis Summa facit [P. 89.] Notario Francisco in suo stipendio in vigilia sancti Nicolai136 Eodem die137 Johanni Balistario138 in suo stipendio Cuidam stipendario de Kereztur, quod solutioni ceterorum stipendariorum non interfuit Ratione unius domus et lignorum prope portam solvit dominus Caspar Valentino Keschner pro diversis resis et fatigiis, que duobus annis fecit causa civitatis, presertim dum in expeditione versus terram Transalpinam tribus vicibus porrexit ad terram Barcza, dederunt domini consules in subsidium unius vestis pannum Summa facit [P. 90.] Tubicinatori circa festa Natalia139 in suo stipendio Johannis Armbrester in suo salario in vigilia Nativitatis Domini140 Gerogio Kyral eodem die141 in suo salario circa festa Natalia142 Petro Lutsch ratione certorum servitiorum, que idem fecit civitati diversis temporibus pro homine verberato in Regenn Mihaeli Molitori ad rationem villici pro laboribus in molendino factis solvit dominus Caspar Quatuor libros papyri pro conficiendis et faciendis registris presentibus et143 certis aliis litteris scribendis pro necessitate civitatis Summa facit [P. 91.] Item ratione saletri solvit iterum dominus Caspar certis Siculis Summa facit Summa presentis stipendii videlicet extradate facit Summa summarum totius extradate facit flor. 106 flor. 1 flor. 1 et asp. asp. 40,5 25 asp. 25 asp. 25 flor. 1 et asp. 25 flor. flor. flor. flor. 5 1 3 1 et asp. 0 et asp. 25 flor. flor. 0,5 2 flor. 8 flor. 1 et asp. asp. et asp. asp. 0 37,5 13 25 flor. 1 flor. 1 asp. 16 et asp. 41,5 et asp. et asp. 20,5 9 flor. flor. flor. flor. flor. 4 1 1 378 4435 [P. 92.] Nos, Mihael Khremer, magister civium, Mihael Hedyesch, Stephanus Poor, iudices ceterique iurati cives unacum centum electis viris in persona totius communitatis nostre Segeswariensis fatemur presentibus prudentos et circumspectos Casparem Sartorem, Lucam Doleatorem et Martinum Kyres, collectores pecuniarum de pecuniis undecunque collectis et perceptis, iuxta contenta registri, secundum laudabilem huius civitatis consuetudinem dignam et honestam, dedisse atque pasuisse rationem, quare prefatos dominos collectores pecuniarum suomodo reddimus quitos, liberos et absolutos cum maxima gratiarum actione et in signum huius hac presens registrum committere duximus et committimus omnibus modis pronunciare. Delati sunt ad Cibinium de anno 1522144 Magistris civium presentati flor. 3650. Habita ratione cum domino Mihaele Hedyesch, iudici145 regio remansit civitas illi flor. 2 asperi146 8. Ratione stipendii, quod meruit in terra Transalpina conclusione dominorum civium et ceterorum electorum virorum, iterum tenetur civitas et sedes eidem domino Mihaeli flor. 20. 184 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Zsolt Simon Korrekt: Martini. Mit größeren Zierbuchstaben geschrieben. Mit größeren Fettbuchstaben geschrieben. 31. März. 6. April. Die Summe wurde nicht eingetragen. Richtig: qui. Danach folgt keine Summe. 25. Mai. Die Summe wurde nicht eingetragen. Unsichere Lesung. 24. Juni. Danach f durchgestrichen (vermutlich der Anfangsbuchstabe des aus Versehen begonnenen Wortes facit). Unsichere Lesung. Danach nochmals: presentavit. 14. September. In der nächsten Reihe erneut e (der erste Buchstabe des aus Versehen nochmals begonnenen Wortes et). 29. September. Korrekt: quamlibet. Danach f (gewiss aus Versehen der erste Buchstabe der Abkürzung flor.). Unsichere Lesung. 1. November. Unsichere Lesung, möglicherweise aus einem ursprünglichen 0 oder einer 4 verbessert, aber aufgrund der Endsumme sind 8 Gulden die richtige Summe. Daneben auf der linken Seite: reliqua pars relaxata est propter exustionem. Danach erneut: presentavit. Leer. Der letzte Buchstabe aus einem unleserlichen Buchstaben verbessert. Mit größeren Fettbuchstaben geschrieben. 27. Februar. 26. März. Mit römischen Zahlen geschrieben. Der vorletzte Buchstabe aus einem unleserlichen Buchstaben verbessert. 1. November 1521. 9. März. Die Zeile wurde mit hellerer Tinte und an die vorherige Zeile angefügt geschrieben, ist also eine spätere Hinzufügung. 9. März. 27. März. 30. März. 30. März. 6. April. 25. April. 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 25. April. 27. April. 27. April. 1. Mai. 1. Mai. 1. Mai. 26. März. 5. Mai. 5. Mai. Verbessert aus 2. 13. Mai. 14. Mai. 21. Mai. 23. Mai. Mit größeren Fettbuchstaben geschrieben. 27. Mai. 28. Mai. 1. Juni. 3. Juni. 3. Juni. 4. Juni. 4. Juni. Velox pulver: Durch die Vermengung von Salpeter, Kohle und Schwefel in einem Verhältnis von 4:1:1 hergestelltes Schießpulver, vgl. Trude E h l e r t , Rainer L e n g : Frühe Koch- und Pulverrezepte aus der Nürnberger Handschrift GNM 3227a (um 1389). In: Medizin in Geschichte, Philologie und Ethnologie. Festschrift für Gundolf Keil. Hg. Dominik G r o ß, Monika R e i n i n g e r . Würzburg 2003, S. 308. 17. Juni. 17. Juni. 18. Juni. 24. Juni. 24. Juni. 11. Juli. Markus Pemphlinger. Vgl. Károly F a b r i t i u s : Pemfflinger Márk szász gróf élete, különös tekintettel a reformatio elterjedésére az erdélyi szászok között [Das Leben des Sachsengrafen Mark Pemfflinger, mit besonderer Berücksichtigung der Verbreitung der Reformation unter den Siebenbürger Sachsen]. Budapest 1875 (= Értekezések a történeti tudományok köréből IV. 6), S. 13f. Mit größeren und verzierteren Buchstaben geschrieben. 9. Juli. 13. Juli. 13. Juli. Unsichere Lesung – aus einem unleserlichen Wort verbesserte Form. 10. August. Die Schäßburger Rechnung von 1522 78 10. August. 79 3. August. 80 18. August. 81 14. August. 82 24. August. 83 24. August. 84 24. August. 85 Unsichere Lesung. 86 12. September. 87 12. September. 88 14. September. 89 29. September. 90 14. September. 91 25. Dezember 1521. 92 21. September. 93 21. September. 94 21. September. 95 21. September. 96 27. September. 97 29. September. 98 Unsichere Lesung. 99 29. September. 100 Darüber gestrichenes Abkürzungszeichen. 101 25. Dezember. 102 Der zweite und teilweise der dritte Buchstabe über zwei unleserliche Buchstaben geschrieben. 103 21. Oktober. 104 21. Oktober. 105 26. Oktober. 106 Unsichere Lesung. 107 Endung aus einem unleserlichen Buchstaben verbessert. 108 14. November. 109 7. Oktober. 110 Großalisch. 111 12. Oktober. 112 14. Oktober. 113 Die zweite Zahl möglicherweise aus 1 verbessert. 185 114 Korrekt: suis stipendiis. 115 Die letzte Zahl verbessert und teilweise verwischt, deshalb ist ihre Lesung unsicher. 116 9. November. 117 Über die Reihe geschrieben, über das durchgestrichene introitus. 118 30. Oktober. 119 21. Oktober. 120 Über die Reihe eingefügt. 121 3. November. 122 6. November. 123 6. November. 124 7. November. 125 6. oder 7. November. 126 6. oder 7. November. 127 6. oder 7. November. 128 Bestimmt Verschreibung anstatt balneatori. 129 25. November. 130 Danach wurde das Wort die nicht mehr geschrieben. 25. November. 131 Bachnen. 132 Korrekt: suis stipendiis. 133 Korrekt: suis stipendiis. 134 5. Dezember. 135 6. Dezember. 136 5. Dezember. 137 5. Dezember. 138 Vorher gestrichen: bast. 139 25. Dezember. 140 24. Dezember. 141 24. Dezember. 142 25. Dezember. 143 Zweimal geschrieben. 144 Die folgenden Aufzeichnungen auf der Innenseite des hinteren Deckblattes, mit zeitgenössischer Schrift. 145 Korrekt: iudice. 146 Unsichere Lesung. 186 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 Die Deutsche Volksgruppe in Rumänien und die Ereignisse vom 23. August 1944 im Spiegel eines unveröffentlichten Manuskripts1 Von Ottmar T r a ş c ă Die politischen und militärischen Ereignisse des Sommers 1944 haben auch die interne Entwicklung und die internationale Lage Rumäniens bestimmt. Die erfolgreiche Landung der Alliierten in der Normandie, die Offensiven der Roten Armee an der Ostfront (die Operationen „Bagration“ und „Lwow-Sandomierz“ von Juni/Juli 1944) und schließlich, Anfang August 1944, das Aufkünden der diplomatischen Beziehungen der Türkei zum Dritten Reich, trugen dazu bei, dass die öffentliche Meinung beziehungsweise die rumänischen politischen und militärischen Kreise immer skeptischer wurden hinsichtlich der Fortsetzung einer Allianz mit dem nationalsozialistischen Deutschland. Die besorgniserregende interne politische Lage in Rumänien, das heißt die Verschärfung der Unzufriedenheit mit der Politik Antonescus, die chronische Kriegsmüdigkeit der rumänischen Gesellschaft sowie die von der demokratischen Opposition initiierten Schritte, um Rumänien aus dem Kriegsgeschehen herauszuholen, blieben von der Führung des Dritten Reiches nicht unbemerkt. Obwohl die Zahl der in Berlin eingegangenen Warnungen, Rumänien könne aus der Allianz mit Deutschland austreten, 1944 exponentiell anstieg, enthielten die Berichte der in Rumänien anwesenden deutschen Dienste (Deutsche Gesandtschaft, die deutsche Wehrmachtmission, die Abwehr und SD) sowie jene der Deutschen Volksgruppe in Rumänien meist widersprüchliche Angaben und boten kein kohärentes Bild der bestehenden Lage in Rumänien. Trotz dieser Unzulänglichkeit können in von den deutschen Diensten in Rumänien verfassten Berichten zwei übereinstimmende Fakten politisch-militärischer Natur ausgemacht werden, die die Entwicklung der rumänisch-deutschen Beziehungen im Sommer 1944 und insbesondere im August 1944 maßgeblich bestimmt haben. Im Verlauf des Jahres 1944 hat Berlin auf verschiedenen Kommunikationskanälen wahrheitsgetreue Informationen über die Pläne der demokratischen Opposition, des Königshauses und von Mitgliedern des Generalstabs (Marele Stat Major) erhalten, das Antones­ cu-Regime zu beseitigen und einen Waffenstillstand mit den Alliierten zu schließen. Die Warnungen blieben jedoch ohne konkrete Folgen, da die Führung des Dritten Reichs sie konstant ignoriert und die Fähigkeiten der demokratischen Opposition, einen Sturz Marschall Ion Antonescu herbeizuführen, arg unterschätzt hat. Dieses Verhalten ist mit dem unbegrenzten Vertrauen Berlins und insbesondere jenem Adolf Hitlers in die Person des rumänischen Staatsführers zu erklären. In der Reichsführung herrschte die Meinung vor, für Deutschland gebe es keinen Grund zur Besorgnis, solange Marschall Antonescu an der Leitung des Staates bleibe. Die deutschen Dienste gaben, von militärischem Gesichtspunkt 1 Diese im Rahmen des Samuel-von-Brukenthal-Stipendiums erarbeitete Studie wurde finanziert durch das Projekt „Die sozial-humanistischen Wissenschaften im Kontext der globalisierten Entwicklung – Entwicklung und Durchführung“ des Programms für postdoktorale Studien und Forschungen., Vertrag: POSDRU 89/1.5/S/61104, und durch den Europäischen Sozialfonds (Sektorielles Operationelles Programm zur Entwicklung der Humanressourcen 2007-2013). Die Ereignisse vom 23. August 1944 187 aus betrachtet, die Wichtigkeit des militärischen Faktors für die Stabilität des AntonescuRegimes und das Bestehen der Allianz mit Deutschland korrekt an. So zum Beispiel war die Deutsche Gesandschaft im Februar 1944 der Ansicht, dass von der rumänischen Armee Widerstand zu erwarten sei, solange die militärischen Operationen auf dem Gebiet Bessarabiens ausgetragen werden. Hingegen werde das Einrücken russischer Truppen in das Altreich […], falls keine deutsche Hilfe zur Verfügung steht, wahrscheinlich den militärischen und politischen Zusammenbruch Rumäniens bedeuten, auch wenn man noch im letzten Augenblick versucht haben sollte, mit England und Amerika Frieden zu schließen.2 Eine Einschätzung der Lage und der Haltung Rumäniens aus demselben Monat von Seiten des „Marine-Verbindungsstabs Rumänien“ ging ebenfalls davon aus, dass Marschall Ion Antonescu die Macht fest in den Händen habe und es keinen Grund gebe, an seiner Loyalität gegenüber Deutschland zu zweifeln. Die Verfasser des Berichtes kamen zum Schluss: Wenn keine schweren Rückschläge an der Ostfront kommen und die Türkei neutral bleibt, besteht keine Gefahr, daß Rumänien abspringt. Sollten aber diese Voraussetzungen sich nicht erfüllen, müßte mit einem Ausscheiden Rumäniens gerechnet werden, sofern nicht die Zusammensetzung der augenblicklichen Regierung rechtzeitig eine andere wird.3 Selbst das Vorrücken der Roten Armee auf das Gebiet Rumäniens während der militärischen Offensive im März 1944 scheint die Position des rumänischen Staatsführers und die Haltung der öffentlichen Meinung in der Einschätzung der deutschen militärischen Führung nicht verändert zu haben. Der Leiter der deutschen Wehrmachtmission in Rumänien, Kavalleriegeneral Erik Hansen, teilt dem OKW am 2. April 1944 mit, der Kampfwille des Marschalls sei „ungebrochen“. Der OKW-Vertreter, Oberst im Generalstab Fritz Poleck, der eine Dienstreise durch Rumänien unternahm, berichtete zwei Tage später an die ihm übergeordneten Gremien seine Eindrücke, denen zufolge Rumänien nicht zusammenbreche, sondern sich weiterhin mit erhöhten Anstrengungen am Kampf beteiligen werde.4 Ähnliche Informationen gingen in Berlin einschließlich von der Abwehr ein und nach deren Übernahme durch das Reichssicherheitshauptamt im Februar 1944, vom Militärischen Amt. Ein Bericht des Militärischen Amtes vom 5. August 1944 zum Beispiel gibt an: Nach wie vor liegen die machtpolitischen Verhältnisse ausschließlich in der Hand des Marschalls und der rumänischen Wehrmacht. Die Oppositionen haben keine Bewegung hinter sich, die wirklich gewillt ist, zu kämpfen und die Möglichkeit besäße, dem Marschall die Macht zu entwinden.5 2 3 4 5 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (fortan: PAAAB) Berlin, R 29711, Büro des Staatssekretärs – Rumänien, Bd. 15, 1. November 1943 - 30. April 1944, E. 187204f. Telegramm Nr. 520 der deutschen Gesandtschaft in Bukarest vom 15. Februar 1944, gezeichnet Killinger. Bundesarchiv-Militärarchiv Freiburg im Breisgau (fortan: BMF), RM 35 III/173, Gkdos 241 A. Bericht des MarineVerbindungsstabes Rumänien vom 5. Februar 1944 über Lage und Stimmung in Rumänien. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht. Wehrmachtführungsstab. 1. Januar 1944 - 22. Mai 1945. Bd. 4, Erster Halbbd. zusammengestellt und erläutert von Percy E. S c h r a m m . Augsburg 2007, S. 775. Arhivele Naţionale Istorice Centrale [Historisches Zentralarchiv Bukarest], Sammlung Mikrofilme USA – Deutsche mikroverfilmte Dokumente in Alexandria/Virginia – Rolle 59, Fol. 5631433f.; Oberkommando der Wehrmacht, Wehrmachtführungsstab, Amtsgruppe Ausland, OKW/988. Februar. Bericht des Militärischen Amtes des Reichssicherheitshauptamtes vom 5. August 1944 über die innenpolitische Lage in Rumänien. 188 Ottmar Traşcă Während die Berichte der Vertreter von verschiedenen deutschen Stellen (OKW, Auswärtiges Amt, Militärisches Amt) die Lage in Rumänien in optimistischem Licht darzustellen versuchten, indem sie die politische Stabilität des Antonescu-Regimes überbewerteten und die Rolle der demokratischen Opposition unterschätzten, malte die von Andreas Schmidt geführte Deutsche Volksgruppe in Rumänien die Lage des Landes in düsteren Farben. Selbst wenn die Position von Andreas Schmidt an der Führung der Deutschen Volksgruppe zu Beginn des Jahres 1944 wegen seines totalitären Führungsstils ernsthaft angeschlagen war6, vermittelten seine Berichte nach Berlin ein realitätsnäheres Bild der Lage. Da die Deutsche Volksgruppe in Rumänien über ein Informationsnetz verfügte, das vor allem aus volksdeutschen SD-Offizieren bestand, ein Netz, das sozusagen das gesamte Territorium des Landes abdeckte und äußerst wirksam agierte, lieferte die Volksgruppenleitung der Führung des Dritten Reiches im Verlauf des Jahres 1944 äußerst kritische Berichte über die Politik des Antonescu-Regimes. Trotz der Präsenz der ideologischen und rassischen Klischees – wie zum Beispiel des angeblichen Einflusses, den die Juden auf die Entwicklung des politischen Lebens in Rumänien haben – beweisen diese Berichte eine gute Kenntnis der in Rumänien herrschenden Stimmungslage sowie der hinter den Kulissen von den wichtigsten politischen und militärischen Vertretern der Regierung und der Opposition durchgeführten Schritte, insbesondere was die Waffenstillstandsverhandlungen mit den Alliierten und der UdSSR betrifft. Nach Meinung von Andreas Schmidt gab es in der Politik der rumänischen Regierung zwei entgegengesetzte Tendenzen, deren Exponenten Marschall Ion Antonescu beziehungsweise Mihai Antonescu, der stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates, waren. Während der rumänische Staatsführer als Verfechter der Zusammenarbeit mit Deutschland und der Fortsetzung des Krieges betrachtet wurde, galt Mihai Antonescu als der wichtigste Vertreter der Kreise, die sich bemühten, die politische Linie des Marschalls zu „sabotieren“ mit dem Ziel, die Allianz mit dem Dritten Reich aufzukündigen und aus dem Krieg auszutreten. Hinsichtlich der Position von Marschall Antonescu im politischen Leben Rumäniens und der Möglichkeiten Deutschlands, den rumänischen Staat weiterhin im deutschen Einflussbereich zu behalten, sprach sich Andreas Schmidt gegen die militärische Besetzung Rumäniens aus, dies aus mindestens zwei Gründen: die Schwächung der rumänischen Armee und die Gefahr, dass hinter der deutschen Front Partisanenbewegungen auftauchen. Angesichts dieser Argumente schlägt er eine geschickte politisch-diplomatische Lösung vor, und zwar die Umbildung des von Marschall Antonescu geleiteten Kabinetts durch Ersetzen der deutschlandfeindlichen Minister mit Persönlichkeiten national-konservativer Orientierung oder mit deutschlandfreundlichen Militärs, eventuell auch durch das Heranziehen deutscher Experten. Neben der Entfernung oppositioneller Elemente aus der Regierung und der Garantie, Rumänien in der deutschen Einflusssphäre zu behalten, würde diese Lösung seiner Meinung nach den Vorteil einer besseren Mobilisierung und Ausbeutung des wirtschaftlichen und militärischen Potentials des Landes zum Nutzen der deutschen Kriegsmaschinerie 6 PAAAB, R 29711, Büro des Staatssekretärs, Rumänien, Bd. 15, 1. November 1943 - 30. April 1944, E 187415–187420. Bericht Nr. 13/44, geheim, des deutschen Konsulats Kronstadt vom 3. April 1944 betreffend Volksgruppenführer Andreas Schmidt, gezeichnet Rodde. Die Ereignisse vom 23. August 1944 189 bieten7. Andreas Schmidt war der Ansicht, dass der Fortgang der Kämpfe an der Ostfront die Einstellung Rumäniens zur Allianz mit Deutschland und zur Fortsetzung des Krieges bestimmen werde8. Im Unterschied zu ihm setzten die deutschen Dienste auf eine bedingungslose Loyalität Antonescus und auf seine Fähigkeit, die Geschicke Rumäniens weiter zu bestimmen. Andreas Schmidt sprach sich für eine reichsdeutsche Einmischung in die rumänische Innenpolitik aus, da das Land eigentlich von Mihai Antonescu geleitet werde, da der Staatsführer fast ausschließlich mit Inspektionen an der Front und mit militärischen Angelegenheiten beschäftigt sei. Diesbezüglich ist Schmidts Schlussfolgerung im monatlich verfassten und den übergeordneten Stellen in Berlin zugestellten Bericht für Juni 1944 mehr als aufschlussreich und verdient es, zitiert zu werden: Marschall Antonescu wird eines Tages durch uns genau wie Mussolini die Wahrheit erfahren müssen, wenn wir Rumänien behalten wollen, oder wir verzichten auf Rumänien als Staat in der Zusammenarbeit. Rumänien kann ohne deutsche Korsettstangen im Inneren des Landes genau so wenig die Schwierigkeiten überwinden, wie sich das an der Front erwiesen hat.9 Dieselbe Meinung über die Möglichkeit, Rumänien als Verbündeten des Reiches zu behalten, wiederholt Schmidt in seinem Monatsbericht vom Juli 1944, ergänzt jedoch: Diese Frage hat natürlich nur dann einen Sinn aufgeworfen zu werden, wenn die Regierung des Marschalls nicht mit England und Amerika konspiriert. Wenn dies der Fall ist, so gibt es hier nur eine Möglichkeit, daß eine Militärregierung aus ehrlichen rumänischen Offizieren in Gemeinsamkeit mit den radikalen Flügeln der Legionäre, die sich im Reich befinden, gebildet wird.10 Andreas Schmidt beschränkte sich nicht auf das Einreichen der Berichte. Von der Entwicklung in Rumänien alarmiert, begab er sich am 10. August 1944 in Hitlers Hauptquartier, um ihm persönlich die Lage darzustellen. In einer Audienz bei Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop machte Schmidt auf den Ernst der politischen Lage in Rumänien aufmerksam und forderte entsprechende Maßnahmen. Nach dem Gespräch schickte Ribbentrop der Deutschen Gesandtschaft in Bukarest ein Telegramm, in dem er das Überprüfen der Informationen betreffend einer imminenten Abtrünnigkeit Rumäniens forderte. In seiner – wahrscheinlich vom 15. August 1944 stammenden – Antwort bezeichnete der Gesandte Manfred von Killinger diese Aussagen als „schmutzige Gerüchte“ und behauptete, es bestehe kein Grund, an der Loyalität Rumäniens zu zweifeln11. 7 8 9 10 11 Bundesarchiv Berlin (fortan: BB), NS 19 – Persönlicher Stab des Reichsführers SS – 2146, Fol. 1f. Bericht des Volksgruppenführers Andreas Schmidt vom 2. Juni 1944 über die Lage in Rumänien; PAAAB, R 101118, Inland II, geheim, Bd. 427, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien 1944-1945, E. 393421-393425. Inland II 1418 g, Auszug aus dem Monatsbericht für Juni 1944 der Deutschen Volksgruppe in Rumänien (fortan: DVR). PAAAB, R 101118, Inland II, geheim, Bd. 427, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien 1944-1945, E. 393363. Inland II 1634 g. Aufzeichnung über die politische Atmosphäre in Rumänien. PAAAB, R 101118, Inland II, geheim, Bd. 427, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien 1944-1945, E. 393421-393425. Inland II 1418 g, Auszug aus dem Monatsbericht für Juni 1944 der DVR. PAAAB, R 100377, Inland II C (Volkstumsfragen, Volksgruppen, VoMi), Deutschtum in Rumänien, Bd. 55, 1944. Auszug aus dem Monatsbericht Juli 1944 des Volksgruppenführers. Andreas H i l l g r u b e r : Hitler, Regele Carol şi Mareşalul Antonescu. Relaţiile germano-române (1938-1944) [Hitler, König Carol und Marschall Antonescu. Die deutsch-rumänischen Beziehungen (1938-1944)]. Bukarest 1994, S. 396, Endnote 20. 190 Ottmar Traşcă Aus dem Dargelegten geht hervor, dass Berlin im Großen und Ganzen informiert war über die Entwicklung der politischen Lage in Rumänien und über die Initiativen, die das Ausscheiden aus der Allianz mit Deutschland und aus dem Krieg zum Ziel hatten. In den meisten Fällen jedoch waren die erhaltenen Daten widersprüchlich, ohne ein einheitliches und überzeugendes Bild der wahren Absichten zu bieten, die die führenden Kreise hegten. Selbst in den Fällen, in denen die deutschen Dienste sowie die Volksgruppenführung wahrheitsgetreue Informationen über eine mögliche Defektion Rumäniens lieferten, hat die Führung des Reiches diese ignoriert und blieb auf unerklärliche Weise weiterhin der Überzeugung, es bestehe kein Grund zur Besorgnis, solange sich Marschall Ion Antonescu an der Macht befinde. Diese Überzeugung hat sich zerschlagen mit der am 20. August 1944 gestarteten großen sowjetischen Offensive der 1. und 2. Ukrainischen Front unter dem Kommando der Armeegeneräle Rodion I. Malinowski und Fjodor I. Tolbuchin (Operation Jassy-Kischinew). Die Offensive hat bereits an den ersten beiden Tagen zu Durcheinander in den von den rumänischen Divisionen verteidigten Frontabschnitten geführt12 und zum Vertiefen der bestehenden Vertrauenskrise in den rumänisch-deutschen Befehlsstäben. Diese Ereignisse haben die Gerüchte über die Abtrünnigkeit Rumäniens intensiviert, und es gibt Quellen, die besagen, dass Berlin über den Ernst der Lage sofort informiert wurde. Am 21. August 1944 teilte Eugen Cristescu, der Leiter des rumänischen Geheimdienstes (SSI – Serviciul Special de Informaţii) sowohl der deutschen Gesandtschaft in Bukarest als auch der Abwehrstelle Rumänien mit, dass König Mihai I. Iuliu Maniu in Audienz empfangen habe, „man müsse in den nächsten Tagen mit schwerwiegenden Ereignissen rechnen“. Der Leiter der Abwehrstelle Rumänien, Oberst Fritz Baur, hat die Information sofort den übergeordneten Behörden in Berlin zugestellt, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten13. Mehr noch, am darauffolgenden 22. August 1944 hat Rudolf Brandsch den Hauptabteilungsleiter in der Deutschen Volksgruppe in Rumänien und Leiter der Pressestelle Bukarest, Otto Liess, darüber informiert, dass eine „Clique“ mit General Nicolae Rădescu an der Spitze sich vorbereite, einen Staatsstreich durchzuführen mit dem Ziel, Marschall Antonescu abzusetzen14. Die vorhandenen historischen Quellen widerlegen die in der Historiographie vertretene Meinung, Berlin sei über die politisch-diplomatischen Vorbereitungen des Staatsstreiches vom 23. August 1944 nicht informiert worden. Vielmehr hat die Führung des Dritten Reiches sogar die am Vorabend des Staatsstreiches erhaltenen Warnungen ignoriert, was dazu führte, dass Berlin nicht imstande war, dem Ernst der politischen und militärischen Lage entsprechend zu reagieren. Der Staatsstreich vom 23. August 1944 hatte für das Dritte Reich verheerende wirtschaftliche, politische und militärische Folgen. Von politischem Gesichtspunkt aus betrachtet bedeutete der Akt für Berlin den Verlust eines Alliierten und Zulegen eines neuen Feindes, wobei 12 BMF, RH 19 V-Heeresgruppe Süd/36, Fol. 3-14. Kriegstagebuch der Heeresgruppe Südukraine, Eintragung vom 20. August 1944; Die geheimen Tagesberichte der deutschen Wehrmachtführung im Zweiten Weltkrieg 1939-1945, Bd. 10: 1. März 1944 – 31. August 1944. Hg. Kurt M e h n e r . Osnabrück 1985, S. 458, 461. Tagesmeldungen vom 20. und 21. August 1944; H i l l g r u b e r (wie Anm. 11), S. 253. 13 Erich R o d l e r : Von Conrad zu Keitel. Erinnerungen eines österreichischen Nachrichtenoffiziers. Handschrift. Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Nachlass Erich Rodler, B 653: 4. 14 Vgl. dazu von Otto L i e s s : Einzelangaben zum rumänischen Frontwechsel am 23. August 1944, im Anhang. Die Ereignisse vom 23. August 1944 191 das Herauslösen Rumäniens aus dem Bündnis mit Nazi-Deutschland auch die Haltung der anderen Satelliten beeinflusste, vor allem Bulgarien, Ungarn, Finnland und die Slowakei. Wirtschaftlich führte der Verlust des Erdölgebietes bei Ploieşti zum dramatischen Sinken der zur Verfügung stehenden Treibstoffmengen für die deutsche Kriegsmaschinerie, was zur Folge hatte, dass die militärischen Operationen der Wehrmacht in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges stark beeinträchtigt waren. Schließlich erlitt die Heeresgruppe „Südukraine“ infolge der sowjetischen Offensive und der Abtrünnigkeit des rumänischen Allierten ein „zweites Stalingrad“ durch den Verlust von 5 Armeekorps-Befehlsstäben und 18 Divisionen15. Genauso unheilvoll waren die Konsequenzen des Frontwechsels vom 23. August 1944 für das Schicksal der deutschen Minderheit in Rumänien. Der Verlust der strategischen Position in den Karpaten und das rapide Eindringen der Roten Armee in Siebenbürgen führte zur Flucht eines Teils der deutschen Bevölkerung, während die in Rumänien Verbliebenen in der folgenden Zeit den Schikanen der rumänischen Behörden und der sowjetischen Besatzungsarmee ausgesetzt waren. Die von Nazi-Deutschland eingeleiteten militärischen und politischen Gegenmaßnahmen zwecks Wiederherstellung der Lage in Siebenbürgen und damit zum Schutz der deutschen Minderheit vor der Roten Armee konnten nur zum Misserfolg führen, weil sie zu spät begonnen wurden und die eingesetzten militärischen Kräfte unzulänglich waren. Das im Anhang edierte, bisher unveröffentlichte Manuskript von Otto Rudolf Liess (19141994), eines Mitglieds in der Leitung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien in den Jahren 1940-1944, informiert über diese Ereignisse und Entwicklungen aus der Sicht eines kundigen Zeitzeugen. In Wien geboren, hat Liess an den Universitäten Königsberg, Leipzig, Tübingen und Berlin Philosophie und Theologie studiert. Er promovierte 1939 in Berlin mit einer Dissertation über „Stephan Ludwig Roth, ein Publizist des Südostens“. In der Zeitspanne Dezember 1940 – August 1944 gehörte er als Leiter der Hauptabteilung Presse im Amt für Presse, Propaganda und Kultur der Volksgruppenführung an. Nach dem 23. August 1944 hat er sich in Wien niedergelassen, wo er bis zu seinem Lebensende als Schriftsteller und freier Journalist tätig war16. Sein 1958 verfasster Bericht, der in seinem Nachlass im Österreichischen Staatsarchiv Wien, Abteilung Allgemeine Verwaltungsarchive, aufbewahrt wird, bietet äußerst interessante Informationen über die Präliminarien des Staatsstreichs vom 23. August 1944, die Meinungsunterschiede, die 1944 innerhalb der Führung der Deutschen Volksgruppe in Rumänien geherrscht haben, die Reaktion von Andreas Schmidt und seiner Führungsmannschaft auf die Ereignisse vom 23. August 1944, die von der Führung des Dritten Reichs getroffenen Maßnahmen, um die militärische Situation in Siebenbürgen wiederherzustellen und die deutsche Minderheit zu schützen, die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen 15 BMF, RH 19 V-Heeresgruppe Süd/98, Fol. 23. Fernschreiben der Heeresgruppe Südukraine an OKH / Generalstab des Heeres, Ia Nr. 3648/g. Kdos. vom 22. September 1944, gezeichnet von Grolmann. 16 Zu Leben und Werk von Otto Rudolf Liess siehe Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abteilung Allgemeines Verwaltungsarchiv, Nachlass E 1760 – Otto Rudolf Liess; Schriftsteller-Lexikon der Siebenbürger Deutschen. Biobibliographisches Handbuch für Wissenschaft, Dichtung und Publizistik. Bd. 8: K-L. Hg. Hermann A. H i e n z . Köln, Weimar, Wien 2001 (= Schriften 7/VIII), S. 400-410; Johann B ö h m : Hitlers Vasallen der DVR vor und nach 1945. Frankfurt am Main u. a. 2006, S. 187-194. 192 Ottmar Traşcă Volksgruppe und der Legionärsbewegung zwecks Bildung eines deutschfreundlichen Widerstands in Rumänien und vieles mehr. Selbst wenn der Bericht von Otto Rudolf Liess viele der von der Volksgruppenführung getroffenen Entscheidungen und Handlungen rechtfertigt – was durchaus verständlich ist angesichts der Karriere des Autors –, so bietet er doch authentische und zum Teil bislang unbekannte Informationen über die Lage der Deutschen Volksgruppe in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges, welche die in der Fachliteratur vorhandenen Kenntnisse ergänzen und in vielen Punkten sogar korrigieren. (Übersetzung der Einleitung und der Anmerkungen aus dem Rumänischen: Hannelore B a i e r ) Anlage17 Betr.: Beitrag: N.B.: Einzelangaben zum rumänischen Frontwechsel am 23. August 1944. Dr. phil. Otto Rudolf Ließ, z. Zt. Schriftsteller in Wien II, Taborstraße 22/14 Das nachfolgende Konzept ist die zweite Fassung einer ersten Aussage zu dem obigen Thema, die am 29.10.1957 im Bundesarchiv Koblenz diktiert wurde. Abgabetermin: 14. Juni 1958 Persönliche Angaben: Der obengenannte Berichterstatter des Beitrags war von Ende November 1940 bis zum 23. August 1944 als Hauptabteilungsleiter der deutschen Volksgruppenführung in Rumänien und Leiter der Pressestelle/Bukarest tätig. Vom 25.8.1944 bis 1.9.1944 im Stab der „Edelweiß“-Division zu St. Georgen (südliches Szeklerland, Sfântu Gheorghe, Szent György) eingesetzt, wurde der Berichterstatter bis Mitte Oktober 1944 in der Abteilung Ic dem Frontstab des SS-Obergruppenführers Phleps eingegliedert. Ab Ende Oktober 1944 gehörte der Berichterstatter bis zum Kriegsende der Sondereinheit „Skorzeny“ für Fallschirmeinsätze nach Rumä­ nien an. I. Die Vorbereitung des rumänischen Frontwechsels vom 23. August 1944 durch Politiker und Militärs 1) „Arbeitsteilung“ zwischen Marschall Antonescu und der Opposition Die Katastrophe von Stalingrad, rumänische Frontverluste und deutsche Rückzüge, deren Widerstandslinien und Riegelstellungen sich langsam und unaufhaltsam den rumänischen Staatsgrenzen näherten, schafften dem Beobachter in Rumänien bereits 1943 die Gewißheit: Bündnistreue und Durchhaltevermögen des Staatsführers Marschall Antonescu waren einer Zerreißprobe ausgesetzt. Der rumänische Frontsoldat zeigte opfervolles Standvermögen, kämpfte aber seit Stalingrad ohne den geschlossenen seelischen und materiellen Rückhalt der Heimat. Kriegsmüdigkeit und Defaitismus breiteten sich innerhalb der demokratischen 17 In: Österreichisches Staatsarchiv Wien, Abteilung Allgemeine Verwaltungsarchiv, Nachlass E 1760 – Otto Rudolf Liess, Karton 14; Bundesarchiv, Lastenausgleichsarchiv Bayreuth, Ost-Dokumente 16, Sammlung zur Geschichte der deutschen Volksgruppe in Südost-Europa vom Ende des Ersten Weltkrieges bis 1944/45-83, Fol. 3-121. Die Ereignisse vom 23. August 1944 193 Opposition aus und erfaßten mehr und mehr auch die Regierungsränge – mit Ausnahme der Person des Staatsführers Ion Antonescu18 selbst. Ein deutliches Symptom schwankender Bündnistreue Rumäniens gegenüber Hitlerdeutschland bildete die Zurückhaltung des gesamten Ernteüberschusses 1943 im Lande. Konnte man es aber einem kleinen Volk an der Ost-Westscheide Europas verdenken, wenn seine anglo- und frankophilen Kreise, ja sogar ein Regierungsflügel auf einen Ausweg sannen? Die Überzeugung wuchs in allen politischen Lagern, daß der Krieg gegen Rußland unwiderruflich verloren sei. Lediglich die antibolschewistische Einstellung des Rumänentums und der trotzige Widerstandswille kleiner rumänischer Gruppen im Lande verhinderten bis nach dem 20. Juli 1944 den Frontwechsel Rumäniens. Insgeheim richtete sich die Hoffnung demokratischer Politiker auf eine anglo-amerikanische Landung entlang der Schwarzmeerküste; damit sollte eine sowjetische Besetzung Rumäniens verhindert werden. Außerdem war beim Herannahen westalliierter Truppen mit einem schlagartigen Ausscheiden Rumäniens aus dem Kriege zu rechnen. Im Mai 1944 erreichte die Offensive Roter Armee-Einheiten die bessarabische Grenze. Im Juni reisten rumänische Beobachter zur alliierten Kriegskonferenz nach Kairo. Nicht allein der stellv. Ministerpräsident und Außenminister Mihai Antonescu19 war aktiver Mitwisser vorbereitender Waffenstillstandsgespräche der demokratisch-westlichen Opposition. Auch deutsche Stellen hatten Kenntnis von quertreibenden rumänischen Politikern gegen das deutsche Bündnis20. Schließlich konnte nach dem 20. Juli 1944, nach dem italienischen Absprung auch der rumänische Frontwechsel nur noch eine Frage der erstbesten Gelegenheit sein. Diese Gelegenheit aber bot sich dem kriegsmüden Teil der rumänischen Opposition und Führung nach der Rückeroberung Bessarabiens durch die Sowjets, angesichts einer chaotischen Frontentwicklung in Polen und im Augenblick neuer, sowjetischer OffensivVorbereitungen entlang des Pruths. Staatsführer Marschall Ion Antonescu blieb von den auftauchenden Alternativen rumänischer Politik nicht unberührt. Als verantwortlich empfindender Staats- und Regierungschef traf er im Juni 1944 z. B. mit dem Führer der Nationalen Bauernpartei Iuliu Maniu21 eine 18 Ion Antonescu (1882-1946), rumänischer Berufsoffizier und Politiker. Verteidigungsminister (1938); Ministerpräsident und Führer des rumänischen Staates (6. September 1940 - 23. August 1944). Am 23. August 1944 verhaftet, Anfang September den sowjetischen Behörden übergeben. Von September 1944 bis April 1946 in der Sowjetunion inhaftiert und verhört, ins Land zurückgebracht, vor Gericht gestellt und vom sogenannten „Volksgericht“ zum Tode verurteilt. Am 1. Juni 1946 in Jilava hingerichtet. Vgl. über ihn Şefii Statului Major General Român [Die Chefs des Rumänischen Generalstabs]. Hgg. Teofil O r o i a n und Gheorghe N i c o l e s c u . Bucureşti 2002, S. 163-190. 19 Mihai Antonescu (1904-1946), Jurist, Professor und Politiker. Justizminister (14. September 1940 - 24. Januar 1941); Staatsminister (ab 27. Januar 1941); zuerst ad-interim (27. Mai - 27. Juni 1941), dann Minister für nationale Propaganda (27. Juni 1941 - 23. August 1944); stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister (27. Juni 1941 - 23. August 1944). Er war zweifelsohne der wichtigste Mitarbeiter des rumänischen Staatsführers. Zusammen mit Ion Antonescu am Nachmittag des 23. August 1944 verhaftet, ereilte ihn dasselbe Schicksal wie die anderen nahen Mitarbeiter des Staatsführers: Haft in der UdSSR (September 1944 - April 1946); Prozess und Verurteilung zum Tode. Urteilsvollstreckung am 1. Juni 1946. Vgl. über ihn: Dicţionar enciclopedic [Enzyklopädisches Wörterbuch]. Bd. I: A-C. Bucureşti 1993, S. 85. 20 Zu den Nachrichten, die die deutschen Dienste über die Haltung der führenden Kräfte in Rumänien zur Fortdauer des Bündnisses mit dem Dritten Reich erhalten haben, vgl. Ottmar T r a ş c ă : Der 23. August 1944. Das Ende der deutsch-rumänischen Waffenbrüderschaft und der Kampf um Bukarest. In: Schlüsseljahr 1944. Hg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. München 2007, S. 187-189. 21 Iuliu Maniu (1873-1953), rumänischer Jurist und Politiker. Studium in Klausenburg, Wien und Budapest; JuraPromotion (1896). Führer der Rumänischen Nationalbewegung in Siebenbürgen, Abgeordneter im Budapester Parlament (1906-1910); Vorsitzender der Nationalen Bauernpartei (Partidul Naţional Ţărănesc, 1926-1947, mit Ausnahme der Jahre 1933-1937); Ministerpräsident (1928-1930). Gegner von König Carol II. und des Antonescu- 194 Ottmar Traşcă Geheimabsprache, die eine Art „Arbeitsteilung“ zwischen dem bündniswilligen Rumänentum unter der Führung des Marschalls und der demokratisch-westlich gesinnten Opposition vorsah. Bei weiterem Vordringen der Sowjetarmee sollte sich ein nationaler Regierungsflügel unter dem Schutz rumänischer Elitetruppen zur Verteidigung in die „Festung Siebenbürgen“ zurückziehen. Iuliu Maniu dagegen sollte im Raum der ehemaligen rumänischen Fürstentümer eine den Westalliierten genehme Koalitionsregierung bilden, um, im Falle der deutschen Niederlage, die Ansprüche Rumäniens gegenüber den alliierten Siegern geltend zu machen.22 Diese voraussehende und charakterlich saubere Planung einer „Arbeitsteilung“ hatte einen einzigen Nachteil: sie rechnete nicht mit den Kriegszielen, der Eigenwilligkeit und der erdrückenden Nachbarschaft des weltrevolutionären Sowjetsystems. 2) Zwietracht unter den deutschen ND-Stellen Rückblickend fragen wir, wieso das Führerhauptquartier und dessen Kompetenzen in Rumänien keine rechtzeitigen Abwehrmaßnahmen gegen die ziemlich ungeniert auftretende antideutsche Fronde einleiteten. Die entscheidende Antwort auf diese Frage besagt, daß um die Mitte des fünften Kriegsjahres die deutsche Führungsspitze unter Adolf Hitler politisch und militärisch zu einer wirkungsvollen Gegenaktion bereits unfähig geworden war. Zum Teil jedoch lag das Verschulden dieser müßigen Zuschauerhaltung im Anblick offenkundiger Gefahren an der Zwietracht der deutschen ND-Stellen, an den „NS-Kampfspielen“ etappenmäßiger „Kriegsgenießer“, denen ihre frontferne uk-Stellung wichtiger schien als alle Belange deutscher Selbstbehauptung und Abwehr gegen den Bolschewismus. In Bukarest amtierten an wichtigen ND-Stellen u. a. der Informationsdienst der Deutschen Gesandtschaft (im Rahmen der Gesandtschaft der offizielle SD-Beauftragte für Rumänien) (1)23, verschiedene Abwehrstellen der Deutschen Wehrmacht, eine kaum getarnte Abteilung Rumänien des Reichssicherheits-Hauptamtes der SS/Berlin24. Neben Volksgruppenangehörigen in diesen ND-Stellen hatte Volksgruppenführer Andreas Schmidt seit 1939 einen eigenen Nachrichtenapparat aufgezogen. Auf Grund der persön- Regimes, nach 1944 Leiter der antikommunistischen Opposition. Von den kommunistischen Behörden verhaftet und in einem Schauprozess 1947 zu lebenslanger Haft verurteilt. Tod im Gefängnis in Sighetul Marmaţiei. Vgl. über ihn: Dicţionar enciclopedic (wie Anm. 19). Bd. IV: L-N. Bucureşti 2001, S. 246. 22 Ion Antonescu hat Iuliu Maniu 1944 mehrmals getroffen, es gibt jedoch keinen Nachweis, dass eine Vereinbarung dieser Art geschlossen wurde. 23 Die fett gedruckten und in Klammern gesetzten Ziffern verweisen auf Anmerkungen/Endnoten des Verfassers dieses Berichtes, Otto Liess. 24 In Rumänien waren hauptsächlich folgende deutschen Nachrichtendienste aktiv: 1. OKW/Amt Ausland Abwehr durch die Abwehrstelle Rumänien (17. Oktober 1940 - 23. August 1944), geleitet von Oberst Erich Rodler (17. Oktober 1940 - 30. April 1944) beziehungsweise Oberst Fritz Baur (30. April - 23. August 1944). Die Abwehr war der einzige deutsche Nachrichtendienst, dessen Tätigkeit in Rumänien offiziell von der rumänischen Regierung anerkannt war, wobei es Vereinbarungen über eine informative Zusammenarbeit mit dem von Eugen Cristescu geleiteten rumänischen Geheimdienst (Serviciul Special Român) gab; 2. Amt VI – Ausland des RSHA, dessen Vertreter unter diplomatischem Deckmantel im Rahmen der deutschen Gesandtschaft in Bukarest als SS-Polizei-Attaché oder Berater in verschiedenen Bereichen tätig waren, aber auch über vorwiegend volksdeutsche Agenten verfügten, die ihre Tätigkeit in Rumänien im Geheimen durchführten; 3. Politischer Nachrichtendienst der deutschen Gesandtschaft in Bukarest, geleitet ursprünglich von Legationsrat Hermann von Ritgen und später von Willy Roedel, unterstand dem Auswärtigen Amt. Bis zum Herbst 1940 hat die Volksgruppenführung vor allem mit dem OKW/Amt Ausland Abwehr zusammengearbeitet. Während der Amtszeit von Andreas Schmidt war die Volksgruppenführung der SS untergeordnet, so dass die informative Zusammenarbeit insbesondere über das Amt VI – Ausland des RSHA erfolgte. Die Ereignisse vom 23. August 1944 195 lichen Stellung und des engen Verhältnisses von Andreas Schmidt25 zum Reichsführer SS Heinrich Himmler26 gewann die Informationstätigkeit dieses „SD“ nach und nach an Bedeutung. SD-Südost – Volksgruppenführung: Im Februar 1944 erfolgte zwischen den SD-Beauftragten der Abt. Südost des SD-Reichssicherheitsdienstes in Rumänien und Volksgruppenführer Andreas Schmidt ein unheilvoller Bruch. Diese ND-liche Zwietracht an einem bedrohten Außenposten des Deutschen Reiches bot indes bloß das Widerspiel von Auseinandersetzungen auf höchster Berliner Ebene. Auslösendes Moment dieses gemeinen und häßlichen Streites war ein Beschwerdebrief des SS-Untersturmführers Mathias Liebhardt27 (2) an SS-Obergruppenführer Gottlob Berger28 über die persönliche Lebensführung des Volksgruppenführers Andreas Schmidt29. Berger, 25 26 27 28 29 Andreas Schmidt (1912-1948), Siebenbürger Sachse, Führer der DVR (27. September 1940 - 23. August 1944). Kam während der Schulung in Deutschland in Kontakt zu einflussreichen Kreisen der SS und NSDAP, von denen er verschiedene Aufträge erhielt. 1939 zum Stabsleiter der Nationalen Arbeitsfront, des radikalen Flügels der deutschen Minderheit in Rumänien, ernannt. 1940 profilierte sich Andreas Schmidt 1940 durch das Rekrutieren von 1000 jungen Volksdeutschen zur Waffen-SS, die sogenannte „Tausend-Mann-Aktion“. Deren Erfolg trug maßgeblich dazu bei, dass er am 27. September 1940 von Berlin zum Volksgruppenführer ernannt wurde. Durch die Heirat mit der Tochter des SS-Gruppenführers Gottlob Berger wuchs der Einfluss von Schmidt in Berlin, aber auch in Rumänien. Unter seiner Führung wurde die Deutsche Volksgruppe zu einem politischen Instrument, das voll den politischen und militärischen Zielen der Reichsführung in diesem Raum diente. Nach dem Frontwechsel Rumäniens sprang Andreas Schmidt mit dem Fallschirm auf rumänischem Territorium ab, um den antisowjetischen Widerstand zu organisieren, wurde jedoch von den sowjetischen Behörden im Februar 1945 gefangen genommen. In die UdSSR gebracht, vom NKWD verhört und zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, starb er im Lager Workuta unter bislang nicht geklärten Umständen. Vgl. über ihn: BB, BDC-Personalunterlagen, Parteikorrespondenz und SS Rasse- und Siedlungshauptamt, Akten Andreas Schmidt (fortan: BB, BDC, PK Akten und RuSHA Akten). Heinrich Himmler (1900-1945), deutscher Politiker, Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei (1936-1945). Vgl. über ihn Ernst K l e e : Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945? Frankfurt am Main 2003, S. 256. Mathias Liebhardt (1918-?), Mitglied der DVR. Zu Kriegsbeginn freiwillig der „SS-Standarte Adolf Hitler“ in BerlinLichterfelde beigetreten, wurde er später in die SD-Schule in Charlottenburg verlegt. Nach Beenden dieser Schule wurde er als SD-Offizier nach Rumänien gesandt, wo er im Rahmen des von Hauptsturmführer SS Kurt Auner geleiteten SD-Informationsnetzes arbeitete. Mitglied des SS-Hauptamtes, Amtsgruppe D (seit 4. Mai 1944). Im Frühjahr 1944 gerät er in Konflikt mit Andreas Schmidt und schickt an Gottlob Berger, den Chef des SS-Hauptamtes, einen Brief, in dem er sich über den Lebensstil von Schmidt beklagt. Der Konflikt wurde im Herbst 1944 beigelegt. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Mathias Liebhardt. Gottlob Berger (1896-1975), Politiker und SS-Offizier. Turnlehrer in Wankheim (1928-1933); Mitglied der NSDAP (1922-1923, 1929-1945); Mitglied der SA (seit 15. November 1930), wo er den Rang eines Oberführers SA (seit 15. Oktober 1932) hatte; Rektor der Knabenschule Esslingen am Neckar (1933-1935); SS-Mitglied (Nr. 275991) im Rang eines SS-Oberführers (ab 30. Januar 1936); Rektor der Württembergischen Landesturnanstalt Stuttgart (1936-1938); Chef des SS-Ergänzungsamtes (seit 1. Juli 1938) und von Heinrich Himmler gleichzeitig beauftragt, den „Volksdeutschen Selbstschutz“ (seit 26. September 1939) zu organisieren; Chef des SS-Hauptamtes (ab 1. April 1939); Verbindungsmann Heinrich Himmlers im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete (ab 1. April 1943); Generalinspektor des Kriegsgefangenenwesens (seit 1. Oktober 1944). Als Leiter des SS-Hauptamtes war es seine wichtigste Aufgabe, die Rekrutierung von Volksdeutschen aus den europäischen Staaten zur Waffen-SS zu organisieren und durchzuführen. Nach Kriegsende von den Alliierten festgenommen und interniert, wurde er 1949 – im Rahmen des Ministerprozesses – zu 25 Jahren Haft verurteilt. Am 15. Dezember 1951 aus der Haft entlassen. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten und RuSHA Akten Gottlob Berger; K l e e (wie Anm. 26), S. 40f. Der Brief war an Gottlob Berger gerichtet, der Inhalt gelangte aber zur Kenntnis des RSHA-Leiters, Obergruppenführer SS Ernst Kaltenbrunner, des Leiters der VoMi, des Obergruppenführers SS Werner Lorenz, und schließlich des Reichsführers SS Heinrich Himmler. Zu den gegen Andreas Schmidt vorgebrachten Anschuldigungen und zur Haltung der SS-Führung vgl. BB, Parteikorrespondenz – Andreas Schmidt, Film 128, Bild 2554-2590; NS 19 – Persönlicher Stab des Reichsführer SS – 2859, Fol. 94f. Die Dokumente wurden veröffentlicht von Johann B ö h m : Die Affäre zwischen Volksgruppenführer Andreas Schmidt und Volksgruppen-SD-Chef Mathias Liebhardt. In: Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik 16 (2004), 1, S. 97-107. 196 Ottmar Traşcă der ehemalige Schwiegervater von Andreas Schmidt, sollte durch die Bloßstellung des führenden Vertreters der Deutschen Volksgruppe in Rumänien selbst desavouiert werden. Aus diesem Grunde versandte Liebhardt gleichzeitig einige Durchschläge seines persönlichen Schreibens an mehrere SS-Obergruppenführer „zur Kenntnisnahme“, um eine inoffizielle Bereinigung der „Affäre Schmidt“ von vornherein zu vereiteln. Als Drahtzieher stand dabei hinter Liebhardt der SD-Hauptsturmführer Kurt Auner30, der in diesem Streit seinerseits von übergeordneten Berliner Kompetenzen dirigiert wurde. Sehen wir von den Schlafzimmergeheimnissen und persönlichen Anwürfen dieses Machtkampfes zwischen der Abt. Südost des Reichssicherheitshauptamtes SS und der Person Andreas Schmidts ab, so ergab sich aus dem haßvollen Zwist die zeitweise Lähmung der Informationstätigkeit des SD in Rumänien. Ab April 1944 hatte sich die Position von Andreas Schmidt wieder soweit gefestigt, daß der Volksgruppenführer in Kronstadt einen eigenen Vertreter für ND-Belange ernannte und seine – technisch allerdings behinderte – Berichterstattung über SS-Gruppenführer Schellenberg31 unmittelbar an den Reichsführer SS Himmler richten konnte. Fraglos waren die persönlichen und ethischen Mißstände in der Arbeit der deutschen Informationsstellen Rumäniens Vorboten des Untergangs. 3) Berichterstattung der Volksgruppenführung vor dem 23. August 1944. Ungeachtet des verantwortungslosen Gegeneinanders in der militärischen und geheimdienstlichen Etappe Rumänien wird man die informative Grundtendenz und das Wahrheitsstreben der Volksgruppenorgane in deren Berichterstattung an die Reichsstellen und das Führerhauptquartier anzuerkennen haben. Aus der persönlichen Erfahrung des Berichterstatters sei folgendes Beispiel zutreffender Berichterstattung aus Volksgruppenkreisen an Berliner Stellen angeführt: Im Sommer 1943 erfuhr der Berichterstatter von einem rumänischen Gewährsmann besorgniserregende Tatsachen hinsichtlich des persönlichen Einflusses des jungen Königs, Michaels I. von Hohenzollern-Sigmaringen, auf die deutsch-rumänische Bündnissituation. Entsprechend dieser Information meldete Andreas Schmidt nach Berlin: die Bedeutung der Person des jungen Herrschers liege vor allem darin, daß, im gegebenen Augenblick, antideutsche Oppositionelle den König gegen Staatsführer Antonescu und das deutsch30 Kurt Auner (1914-?), Mitglied der DVR. Gymnasialstudien in Mediasch; Militärdienst in der rumänischen Armee (1932-1933); Studium der Rechts- und Staatswissenschaft in Berlin (1935-1939); Tätigkeit in der Hitlerjugend und im Bund Auslanddeutscher Studenten (1935-1939); Beitritt zur SS am 9. September 1942 (Nr. 431427); Freiwilliger in der Waffen-SS (13. September 1939 - 10. März 1940); ins RSHA – Amt VI verlegt und mit informativen Aufgaben nach Rumänien, Ungarn, Griechenland, Bulgarien entsandt (März 1940 - April 1941). Offiziell im SS-Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle tätig, war Kurt Auner eigentlich Mitglied des RSHA – Amt VI, und zwar Leiter des SD-Informationsnetzes in Rumänien (1941-1944), ein Netz, das von Wien aus vom SS-Sturmbannführer Wilhelm Waneck beziehungsweise SS-Sturmbannführer Wilhelm Höttl koordiniert wurde. Nach dem Krieg trat er der „Organisation Gehlen“ bei, der Vorgängerin des Bundesnachrichtendienstes. Er hat auch mit OSS, der späteren CIA, zusammengearbeitet. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Kurt Auner. 31 Walter Schellenberg (1910-1952), SS-Offizier. Medizin- und Jura-Studien in Bonn; NSDAP-Mitglied (seit April 1933, Nr. 4504508), SS-Mitglied (seit März 1933, Nr. 124817). Im Rahmen des SD-Hauptamtes tätig (seit Sommer 1934); Führer des Departements Spionageabwehr im RSHA (seit 1939); Führer des Departements VI – Auslandnachrichtendienst im RSHA (seit 1941). Hat die Aktion „Rote Kapelle“ zerschlagen und Admiral Wilhelm Canaris im Juli 1944 verhaftet. Im Mai 1945 von Admiral Karl Dönitz nach Schweden gesandt zu Verhandlungen mit den Alliierten. Von diesen 1945 verhaftet; Zeugenaussage im Prozess von Nürnberg. 1949 zu 6 Jahren Gefängnis verurteilt, ist er im Dezember 1950 aus Gesundheitsgründen entlassen worden. Hat in der Nachkriegszeit mit dem CIA zusammengearbeitet Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten und RuSHA Akten Walter Schellenberg; K l e e (wie Anm. 26), S. 529. Die Ereignisse vom 23. August 1944 197 rumänische Bündnis einsetzen könnten. Auf diesen Bericht hin stellte die Wilhelmstraße an den Deutschen Gesandten in Bukarest, SA-Obergruppenführer Freiherr Manfred von Killinger32, eine Rückfrage. Der Gegenbericht von Killingers an Ribbentrop33 lautete: „Der kleine König“ sei ausschließlich für die Sportfliegerei und waghalsige Geländefahrten mit einem deutschen Amphibienwagen begeistert. Dagegen müsse man ihn innerhalb der außen- und innenpolitischen Konstellation Rumäniens als völlig irrelevant bezeichnen. Die Information über eine bestehende „Arbeitsteilung“ Marschall Antonescu – Iuliu Maniu für den Fall eines deutschen Rückzugs aus Ost- und Südrumänien hat der Berichterstatter ebenfalls persönlich nach Kronstadt durchgegeben. Ferner seien aus der persönlichen Erfahrung des Berichterstatters noch drei Einzelmeldungen aus den Tagen unmittelbar vor dem rumänischen Frontwechsel erwähnt: Etwa am 10. August 1944 teilte dem Berichterstatter dessen Bukarester Sekretärin, Frl. Anwander34 (Tochter eines angesehenen Temeswarer Buchdruckers), mit: während eines vorabendlichen Diners habe ihr der im Ministerpräsidium amtierende Oberst Zaharia 35 erklärt, Rumänien werde binnen weniger Tage kein kriegführender Staat mehr sein. Frl. Anwander sei zur Weitergabe dieser Information berechtigt. Zaharia ersuche lediglich darum, seinen Namen nicht zu erwähnen. Binnen 24 Stunden traf diese Alarmmeldung in Kronstadt ein. Mit einer neuerlichen Verspätung von zwei Tagen übergab ein Sonderkurier diese Nachricht der Dienststelle des SS-Gruppenführers Schellenberg in Berlin. Denn seit dem Bruch SD-Südost – Andreas Schmidt verfügte weder die Verbindungsstelle Bukarest, noch die Volksgruppenführung Kronstadt über die Möglichkeit der Funkübermittlung (3). Am 22. August vormittags erschien in der Pressestelle Bukarest der dem Berichterstatter persönlich befreundete Staatssekretär a. D. Rudolf Brandsch36 und meldete: einwandfreien 32 33 34 35 36 Manfred Freiherr von Killinger (1886-1944), deutscher Berufsoffizier, Politiker und Diplomat. Nahm als U-BootKommandant an der Schlacht von Skagerrak teil. 1920 zog er sich aus der aktiven Militärlaufbahn zurück. Mitglied der „Freikorpsbrigade Ehrhardt“ (1919-1920); Mitglied der Organisation „Consul“ (1920-1923); Führer des „Wikingbundes“ (1923-1928); NSDAP-Mitglied (seit 1. Mai 1928); SA-Mitglied (seit 1. Mai 1928), Obergruppenführer SA (seit Februar 1933); Abgeordneter im Sächsischen Landtag (1928-1933); Reichskommissar für Sachsen (10. März - 6. Mai 1933); Ministerpräsident von Sachsen (6. Mai 1933 - 28. Februar 1935). Trat im April 1937 in den diplomatischen Dienst, Generalkonsul in San Francisco (1937-1939), Gesandter in der Slowakei (21. Juli 1940 - 21. Januar 1941) und in Rumänien (24. Januar 1941 - 23. August 1944). Beging am 2. September 1944 im Gebäude der Gesandtschaft in Bukarest Selbstmord. Vgl. über ihn: BB, BDC, PK Akten und SA Akten Manfred Freiherr von Killinger; Arhiva Ministerului Afacerilor Externe, Fond 14 Reprezentanţi/Germania, K 26 – Manfred von Killinger (fortan: AMAE). Joachim von Ribbentrop (1893-1946), deutscher Politiker und Diplomat, Außenminister (4. Februar 1938 - 8. Mai 1945). Vgl. über ihn: K l e e (wie Anm. 26), S. 494. Konnte nicht identifiziert werden. Romeo Zaharia (1899-?), rumänischer Berufsoffizier. Absolvent der Offiziersschule für Kavallerie (1915-1917) und der Militärakademie (1924-1926). Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Leiter des Generalstabs der Brigade 8 Kavallerie (10. Januar - 15. Dezember 1941); Offizier an der Kriegsakademie (15. Dezember 1941 - 15. März 1942); Offizier im Militärkabinett des Staatsführers (15. März 1942 - 1. Oktober 1944); Offizier an der Kriegsakademie (1. Oktober 1944 - 15. April 1945); Offizier im Inspektorat der Kavallerie (15. April 1945 - 9. August 1946); freigestellt (ab 9. August 1946) und in Reserve (seit 22. Juli 1947). Beteiligte sich am antikommunistischen Widerstand, wurde von den kommunistischen Behörden verhaftet und verurteilt. Vgl. über ihn: Anuarul Ofiţerilor Activi pe anul 1944 [Jahrbuch der aktiven Offiziere]. Bucureşti 1944, S. 441. Rudolf Brandsch (1880-1953), Politiker der deutschen Minderheit in Rumänien. Unterstaatssekretär für Minderheiten im Kabinett Nicolae Iorga (23. April 1931 - 5. April 1932); Vorsitzender des Verbandes der Deutschen in Großrumänien (1921-1931). Gegner der radikalen, nationalsozialistischen Strömung innerhalb der deutschen Minderheit. Nach dem Krieg von den kommunistischen Behörden inhaftiert, starb er im Gefängnis Doftana. Vgl. über ihn Eduard E i s e n b u r g e r : Rudolf Brandsch. Zeit- und Lebensbild eines Siebenbürger Sachsen. Cluj-Napoca 1983. 198 Ottmar Traşcă Quellen zufolge werde eine rumänische Generalsclique um General Rădescu37 binnen kürzester Frist einen Staatsstreich gegen Marschall Antonescu und Rumäniens Bündnisverpflichtungen durchführen. Voraussichtlich werde der König diese Gruppe decken. Am Abend des gleichen 22. August 1944 suchte der rumänische Kriegsberichter, Hauptmann Niculescu38, die Pressestelle Bukarest auf. Seit 1940 hatte Niculescu der Agentur des Berichterstatters sowie zwei weiteren deutschen Agenturen in Bukarest, pressemäßige Informationen aus rumänischen Regierungs- und Militärkreisen überbracht. Niculescu hatte seinen Armeestab ohne Befehl verlassen, um uns über „die schlechte Moral“ höchster rumänischer Stabsoffiziere zu berichten. Niculescu teilte in großer Erregung mit, im rumänischen Frontabschnitt sei „etwas in großer Unordnung“. Er befürchte, die rumänische Armeeführung werde die anlaufende Sowjetoffensive in der Moldau nicht zum Stehen bringen, weil auch vermutlich die zwischengeschalteten deutschen Wehrmachteinheiten keinen ausreichenden Widerstand gegen die Rote Armee leisten würden. II. Der 23. August in Kronstadt 1) Das „Rumpfkabinett“ der Volksgruppenführung und die Wehrmachtstellen Kronstadts Der endesgefertigte Berichterstatter (im folgenden „e. B.“) fuhr am Morgen des 23. August 1944 nach Kronstadt, um die Volksgruppenführung bezüglich der bedrohlich verschärften Lage ins Bild zu setzen. Unterwegs reiste der e. B. im Triebwagen-Expreß mit Dr. Fritz Theil39 (4), bis dahin Chefkommentator des Deutschen Rundfunks, zusammen. Theils Bemerkungen deuteten den raschen Zusammenbruch der deutschen Front auf rumänischem Boden an. Theil vermutete richtig, daß die deutschen Volksgruppenangehörigen Rumäniens sich weder mit Trecks, noch durch Fußmärsche aus dem näher rückenden Frontgebiet nach dem Westen retten könnten. In der Kronstädter Volksgruppenführung traf der e. B. lediglich ein mehr oder minder entschlußunfähiges „Rumpfkabinett“ an. Volksgruppenführer Andreas Schmidt, die Amts- 37 Nicolae Rădescu (1874-1953), rumänischer Berufsoffizier. Generalstabschef (15. Oktober - 6. Dezember 1944); Ministerpräsident (6. Dezember 1944 - 28. Februar 1945). Widersetzte sich während des Zweiten Weltkriegs der Fortführung des Krieges jenseits des Dnjepr und protestierte öffentlich gegen die deutsche Einmischung in die inneren Angelegenheiten Rumäniens mit einem Brief an den deutschen Gesandten Manfred von Killinger. Aus diesem Grund in das Lager für politische Häftlinge in Târgu Jiu interniert (1941-1942), danach (1942-1944) unter Hausarrest. Nach der unfreiwilligen Amtsniederlegung als Ministerpräsident 1945 flüchtete er in die britische Gesandtschaft in Bukarest und verließ das Land 1946. Vgl. über ihn: Şefii Statului Major (wie Anm. 18), S. 246-253. 38 Konnte nicht identifiziert werden. 39 Fritz Theil (1895-1961), Journalist und Publizist. Hauptschriftleiter des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes“ und der „Kronstädter Zeitung“. Ließ sich in Deutschland nieder, wo er Kommentator beim Deutschen Rundfunk wurde. Gehörte zu den Verschwörern des 20. Juli 1944, flüchtete nach dem Scheitern des Umsturzversuchs nach Rumänien. Wegen der in Deutschland ausgeübten journalistischen Tätigkeit am 17. August 1948 verhaftet und zu 5 Jahren Haft verurteilt, saß er in den Gefängnissen Craiova, Târgşor, Jilava, Fogarasch und Văcăreşti ein. Am 19. November 1955 entlassen, reiste er später in die Bundesrepublik Deutschland aus. Vgl. über ihn: PAAAB, R 101221 Inland II Geheim Bd. 522 Akten betreffend Namen Th-Tz (Fritz Theil); Institutul de Investigare a Crimelor Comunismului şi Memoria Exilului Românesc, Fişe matricole penale-deţinuţi politici [Institut für die Erforschung der kommunistischen Verbrechen und des Erinnerns an das rumänische Exil. Matrikel-Zettel der politischen Gefangenen]: Fritz Theil. Die Ereignisse vom 23. August 1944 199 leiter Walter May40 und Wilhelm Schiel41 hatten am 20. August 1944 eine Dienstreise nach Berlin unternommen, deren Ziel gerade eine warnende Berichterstattung hinsichtlich der Kriegslage an der Südfront war. Infolgedessen konnte der e. B. seine Besorgnisse lediglich dem mit den Geschäften vorübergehend betrauten Amtsleiter des Kronstädter Rechtsamtes der Volksgruppenführung, Rechtsanwalt lic. Otto Ließ42, sowie dem Geschäftsführer des Stabsamtes, Hauptabteilungsleiter Rudolf Sontag43, übermitteln. Der Abend des 23. August 1944: Bereits die Abendnachrichten des Bukarester Rundfunks um 22 h meldeten triumphierend den Abschluß eines rumänisch-alliierten Waffenstillstandes und das offizielle Ausscheiden Rumäniens als Kriegspartner. Der e. B. war kurz vorher von dem rumänischen Frontwechsel telephonisch verständigt worden, zog sofort seine Waffen-SS-Uniform an und eilte aus seinem Kronstädter Untermietzimmer in das nahegelegene Honterus-Gymnasium. Das weitläufige Gebäude des deutschsprachigen Realgymnasiums diente damals bereits seit Monaten als deutsches Reservelazarett. Zugleich war in dem Gebäude der Wehrmachtstab unter Oberst Stollewerck44, sowie die Unterkunft der Offiziersreserve der deutschen Südfront untergebracht. Beim Eintreffen des e. B. herrschte in den Diensträumen und auf den Gängen des Honterus-Gymnasiums bereits ein hektisches und kopfloses Treiben. Schon in den ersten Stunden des rumänischen Frontwechsels wurde offenkundig, daß für die in Rumänien stationierten Wehrmachtseinheiten keinerlei Alarmplan ausgearbeitet war. Außerdem erklärte sich Oberst Stollewerck außerstande, der neuen Lage entsprechende Befehle zu erteilen. Zuvor müsse er von der Wehrmachtmission in Bukarest und aus dem Führerhauptquartier Weisungen einholen. 40 41 42 43 44 Walter May (1912-?), Mitglied der Volksgruppenführung. Schriftleiter der „Akademischen Blätter“ (seit 1934) und von „Volk im Osten“ (seit 1940); Leiter der Pressestelle der Volksgruppenführung (1940-1944); Landesleiter des Amtes „Presse und Propaganda“ der DVR; enger Mitarbeiter von Andreas Schmidt. Am 24./25. Dezember 1944 mit dem Fallschirm nach Rumänien zurückgekehrt, wird er von den Sowjets gefangen genommen und in die UdSSR verbracht. Vgl. über ihn: PDF-Datei Völkisches Handbuch Südosteuropa: M, Stand: 20.2.2010, S. 11-19. Wilhelm Schiel (1913-?), Geschäftsmann, Mitglied der Volksgruppenführung. Amtsleiter für Nationalsozialistische Volkswohlfahrt und Winterhilfswerk (1939-1944); Verbindungsmann der VoMi in Rumänien (1939-1944). Tritt am 18. April 1942 in das Hauptfürsorge- und Versorgungsamt der Waffen-SS (bis 11. Juli 1942); Ergänzungsstelle „Südostraum“ (11. Juli 1942 - 9. Februar 1943); Volksdeutsche Mittelstelle-Stabskompanie (ab 9. Februar 1943). Unterscharführer-SS der Reserve (seit 21. April 1942). Vgl. über ihn: BB, BDC, SM/SS-Unterführer Akten Wilhelm Schiel. Otto Ließ (?-1944), Anwalt, Mitglied der Volksgruppenführung. Hauptabteilungsleiter und Amtsleiter des Rechts­ amtes der DVR; Stellvertreter und enger Mitarbeiter von Andreas Schmidt (1940-1944). Nach der Waffenumkehr vom 23. August 1944 erlitt er einen Nervenzusammenbruch. Starb unter ungeklärten Bedingungen während der Überführung aus dem Krankenhaus Sankt Georgen nach Neumarkt/Mieresch. Nicht zu verwechseln mit Dr. Otto Liess, dem Verfasser des vorliegenden Berichtes. Rudolf Sontag (1913-?), Geschäftsmann, Mitglied der Volksgruppenführung. Seit 1932 hauptamtlich in der Jugendarbeit der DVR tätig; Stabsleiter der Landesjugendführung (bis. Mai 1940); Kriegsfreiwiliger (Juni 1940), tritt in die Waffen-SS als SS-Sturmmann (ab 16. August 1940) ein, wird im September 1940 zur „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ verlegt, einer Einheit, die am Feldzug auf dem Balkan und gegen die UdSSR teilnimmt. Im November 1941 nach Rumänien verlegt, wird er Hauptabteilungsleiter und Geschäftsführer des Stabsamtes der DVR (November 1941 - 23. August 1944). Vgl. über ihn: BB, BDC, RS-Akten Rudolf Sontag. Richtig Wilhelm Stollewerk (1896-?), deutscher Berufsoffizier. Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, später im Infanterie Regiment 88 (26. August 1939 - 7. Oktober 1940); Befehlshaber des Infanterie-Regiments 428 (7. Oktober 1940 - 15. August 1941); dann im Infanterie-Ersatzbataillon 367 und Infanterie-Ersatzregiment 214 (19. November 1941 - 31. Januar 1942); Infanterie Ersatzregiment 15 (1. Juni - 20. Juni 1942); Führerreserve OKH (21. Juni - 9. Juli 1942); Kommandant der Führerreserve Heeresgruppe A-Südukraine (ab 10. Juli 1942). Oberst (vom 1. November 1941). Vgl. über ihn: Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin; BMF, Pers. 6/11733, Personalakten Wilhelm Stollewerk. 200 Ottmar Traşcă Angesichts der plötzlichen Sendung waren nicht allein die Standortkommandantur Kronstadt und die Kronstädter Dienststelle der Waffen-SS völlig überrascht; mindestens ebenso verwirrt schien auch ein Großteil der Stabsoffiziere und Offiziere im rumänischen Armeekorps Kronstadts zu sein. Die Amtsleiter der Volksgruppenführung und die Angehörigen der deutschen Offiziersreserve drangen in Oberst Stollewerck, um eine sofortige Befehlserteilung zur Sicherung des Predealpasses und der Schlüsselpositionen in Kronstadt zu erreichen. Kasernen, die Präfektur, die Hauptpost und sonstige Amtsgebäude sollten – zufolge sofortiger Vorschläge seitens der Volksgruppenführung – noch vor Mitternacht von deutschen Wehrmachtteilen besetzt werden. Oberst Stollewerck verfügte im Burzenland über ca 3.500 Angehörige der deutschen Wehrmacht, abgesehen von etwas über 100 Fronturlaubern der Waffen-SS. Das „Rumpfkabinett“ der Kronstädter Volksgruppenführung befand sich gegenüber dem zaudernden Stollewerck unterhandlungsmäßig im Nachteil, als ausschießlich soldatische Befehlsgebung das Gebot der Stunde war. Denn dem Wehrmachtoberst standen nicht mehr achtungsvoll behandelte Vertreter der Volksgruppenführung als Partner gegenüber. Der militärisch ranghöchste Amtswalter im Honterusgymnasium war der beurlaubte Amtsleiter des Gesundheitsamtes, Dr. Franz Wokaleck45 als SS-Hauptsturmführer. Amtsleiter Otto Ließ und Geschäftsführer Rudolf Sontag hatten sich SS-Untersturmführer-Uniformen „ausgeborgt“, um in den ersten Stunden chaotischen Unheils wenigstens verhandlungsfähig zu sein. Die Erlaubnis zum Tragen der Uniform hatte der SS-Hauptsturmführer Ersatzdienststelle Kronstadt der Waffen-SS46 erteilt. Da bis zu jenen Abendstunden eine Beförderung des e. B. zum SS-Untersturmführer der Waffen-SS noch nicht erfolgt war, wurde ihm nicht einmal der Zutritt zur internen Stabsbesprechung gestattet47. Eine halbe Stunde vor Mitternacht des 23. August wurde endlich durch Oberst Stollewerck der Befehl zur Besetzung des Brenndorfer Rundfunksenders „Radio Bod“ erteilt. Der e. B. meldete sich sofort zur Teilnahme an dem Unternehmen. Über Anfrage des e. B. hatte sich die Sekretärin des Kronstädter Amtes für Presse und Propaganda, Frau von Albrichsfeld48, 45 Franz Wokalek (1914-?), Arzt, Mitglied der Volksgruppenführung. Medizinstudien an den Universitäten in Prag, Greifswald, Erlangen, Graz und Berlin (1932-1938). Eintritt in die SS am 1. August 1940 (Nr. 372338). Kriegsfreiwilliger in der 3. Ersatzkompanie der Leibstandarte SS Adolf Hitler (7. September - 4. November 1939); Gebietsarzt in der Westukraine im Rahmen des Umsiedlungskommandos „Wohlynien-Galizien“ (4. November 1939 - 10. Februar 1940); Referent für Lazarettswesen in der Reichsärztekammer, Abteilung Ausland (10. Februar - 16. Juli 1940); Leitender Arzt des Donauabschnitts bei der Umsiedlung der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen (16. Juli 1940 - 1. Januar 1941); Leiter des Amtes für Volksgesundheit bei der DVR (ab 1. Januar 1941); zum Sonderkommando „Künsberg“ abkommandiert (22. Juni - 1. Dezember 1941); zum SS-Sanitätsamt versetzt (ab 1. Dezember 1941); Tätigkeit im SS-Führungsamt, Amtsgruppe D – Sanitätwesen der Waffen-SS (1. Dezember 1941 - 13. März 1943); Arzt im Rahmen der 1. SS-Infanterie Brigade (13. März - 25. November 1943); verletzt, wird er ins SS-Sanitär Ersatzbataillon Stettin (25. November 1943 - 25. März 1944) versetzt; in die Führung der DVR zurückgeschickt (am 25. März 1944). Untersturmführer SS (seit 1. August 1940); Obersturmführer SS (ab 20. April 1942); Hauptsturmführer SS (ab 9. November 1943). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Franz Wokalek. 46 Gemeint ist wahrscheinlich Friedrich Neuweiler (1903-?), Zahnarzt und SS-Offizier. Eintritt in die SS 1930 (Nr. 5377). Eintritt in der NSDAP am 1. August 1930 (Nr. 285722). Abteilungsleiter und stellvertretender Kommandeur der SS-Ergänzungsstelle Nordwest in Holland (15. November 1940 - 31. Januar 1942); Leiter des SS-Ersatzkommandos Flandern/Belgien und Frankreich (1. Februar 1942 - 31. März 1943); Leiter der Dienststelle Rumänien des SS-Ersatzkommandos Südost (ab 12. Mai 1943); vom SS-Hauptamt zur SS-Sturmbrigade Dirlewanger versetzt (ab 14. März 1945). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Friedrich Neuweiler. 47 Zur Lage in Kronstadt nach dem Frontwechsel vgl. PAAAB, R 100946, Inland II geheim, Bd. 260, Akten betreffend Volksdeutsche: Rumänien, Evakuierung und Lage 1941-1945, E 393312-393315. Aufzeichnung des Reichsdeutschen Karl Kirchlechner betreffend Vorgänge in Kronstadt vom 29. August 1944. 48 Konnte nicht identifiziert werden. Die Ereignisse vom 23. August 1944 201 freiwillig zur Mitfahrt bereit erklärt. „Radio Bod“ war neben „Radio Bucureşti“ die einzige Sendestation im Lande. Die Wirrnis dieser ersten Stunden des „Verrates“ ausnützend, wollte der e. B. mittels rumänischer und deutscher Sendungen über Radio Bod rechtzeitig einen wirksamen propagandistischen Gegenschlag führen. Der Handstreich gegen den Sender Brenndorf sollte von zwei Kampfgruppen durchgeführt werden. Unter Führung eines Oberleutnants hatte eine Flakabteilung ohne Zeitverlust die rumänische Besatzung des Senders zur Übergabe aufzufordern. Gleichzeitig sollte eine Kampfgruppe der Wehrmacht unter Major R aus einer anderen Richtung vorstoßen, um Radio Bod in die Zange zu nehmen. Der e. B. gehörte der Gruppe des Flakoberleutnants an. Das erste Unternehmen „Sender Brenndorf“: Der Fehlschlag des ersten deutschen Handstreichs gegen Radio Bod erklärt sich aus folgenden Gründen: Die Kampfgruppe der Wehrmacht unter Major R erschien befehlswidrig, überhaupt nicht, um zur Unterstützung der Flakabteilung in dem mehrstündigen Kampf einzugreifen. Die Flakkompanie verlor mit ihrer mehrstündigen Vorbereitung zum Kampfeinsatz kostbare Stunden, so daß ein überraschender Schlag unmöglich wurde. So ließ z. B. der Flakober­ leutnant erst gemächlich Marschverpflegung fassen, obwohl Radio Bod nur etwa 22 km von Kronstadt entfernt liegt. Dann wurden anstelle fehlender Zugmaschinen für die in großer Zahl verfügbaren FlakGeschütze Lkws zusammengesucht. Schließlich befahl der Flak-Oberleutnant die Mitnahme von 3,7 cm anstelle der ausreichend vorhandenen 8,8 cm Flakgeschütze. Zwei Tage vor dem 23. August 1944 war die frühere, deutschfreundliche rumänische Besatzungseinheit von den Initiatoren des rumänischen Staatsstreiches durch eine Einheit ersetzt worden, welche größtenteils aus dem rumänischen Altreich stammte. Einige Reserveoffiziere der rumänischen Etappeneinheit waren offenkundig erprobte Gegner des deutschrumänischen Bündnisses. Die Ausführung des Handstreichs begann am 24. August 1944, kurz nach sechs Uhr früh. Wenige Minuten zuvor hatte der e. B. vom Ortsgruppenleiter Brenndorfs erfahren, die bisherige rumänische Senderbesatzung sei abgelöst worden. Obwohl sich weder die zweite Kampfgruppe zeigte, noch mit einem Überraschungsmoment bei diesem „Handstreich“ mehr gerechnet werden konnte, befahl schließlich der Flakoberleutnant das Vorgehen gegen den weiträumigen, rechtwinklig angelegten Gebäudekomplex der Senderanlage. Zunächst schien eine kampflose Besetzung von Radio Bod möglich. Ein übernächtiger rumänischer Hauptmann, Kommandant der Senderbesatzung, erschien nach unserer Ankunft in der mit dreißig rumänischen Soldaten belegten Wachstube am Eingangstor des Senders Brenndorf. Die rumänischen Zurufe des e. B. und eine kurze Unterhandlung mit dem Hauptmann als Militärkommandanten von Radio Bod brachten den Kommandanten und den am Eingang postierten Zug rumänischer Soldaten in die Hand der deutschen Kampfgruppe. Aus Unvorsichtigkeit löste ein deutscher Flaksoldat einen Karabinerschuß, worauf beiderseits ein ziemlich zielloses Gewehrgeknatter einsetzte. Die drei 3,7 cm Flakgeschütze gingen in Stellung. Mit lauter Stimme gelang es dem e. B. nach einigen Minuten, eine Kampfpause zu erzielen. Vom deutschen Flakoberleutnant und dem e. B. flankiert, sollte der schreckensbleiche rumänische Hauptmann inmitten des riesigen Hofvierecks mit dessen subalternen Offizieren verhandeln. In der gegenüberliegenden, linken Hofecke, neben dem Sendergebäude, war eine rumänische MG-Gruppe mit Gewehrschützen in ungedeckte Stellung gegangen. Sobald wir uns der vereinbarten Hofmitte näherten, erfolgte aus dieser Hofecke – ohne Rücksicht auf den rumänischen Senderkommandanten – ein Feuerüberfall 202 Ottmar Traşcă gegen die vorgehenden Unterhändler. Unter schlecht gezieltem MG- und Karabinerfeuer in Gürtelhöhe sprangen der rumänische Hauptmann, der deutsche Flakoberleutnant und der e. B. in das linksseitige Wohngebäude der Senderanlage. Es folgte ein siebenstündiges Feuergefecht mit rumänischen Umgehungsversuchen, vor denen der e. B. die deutschen Flaksoldaten aus seiner abgeschnittenen Beobachterstellung (unter Geschoßeinschlägen von beiden Seiten) rechtzeitig warnen konnte. Trotz zweier Toter auf deutscher Seite und einer unbekannten Anzahl rumänischer Verwundeter gab es bei diesem beinahe zivilistisch anmutenden „Handstreich“ unernste Momente. In den zweieinhalb Stockwerken des linksseitigen Wohngebäudes flüchtete der rumänische Hauptmann vor seinen beiden deutschen Begleitern wie eine flügellahme Schwalbe hin und her. Von deutscher und rumänischer Seite wurden die Fensterscheiben, z. T. selbst die dünnen Wände des Neubaues, von Einschlägen durchsiebt. Die dem e. B. übergebene Wehrmachtpistole versagte völlig, da sie auf 10jährige Lagerfähigkeit eingefettet war. Nach über zwei Gefechtsstunden gelang es dem Flakoberleutnant, über den seiner Einheit zugekehrten Teil des Wohngebäudes, in den er sich gerettet hatte, zu seiner Einheit zurückzugelangen. Bereits in den Vormittagsstunden des 24. August 1944 erschienen von deutscher und rumänischer Seite Unterhändler, die dem ungewohnten Kampf zwischen den Bundesgenossen von gestern schließlich um drei Uhr nachmittags ein Ende bereiteten. Einem von der Volkgruppenführung Kronstadt delegierten Fronturlauber, SS-Untersturmführer Otto Parsch49, gelang nach einem Telephongespräch mit dem rumänischen Stab des Armeekorps in Kronstadt die Freigabe des e. B. mit dem Hinweis, der e. B. habe lediglich als Dolmetscher fungiert. Ein rumänischer Oberleutnant, im Zivilberuf übelbeleumundeter Steueragent in dem Nachbarort Zeiden bei Kronstadt (Codlea bei Braşov) kannte den e. B. aus dessen Jugendzeit und war – ebenso wie ein frischgebackener rumänischer Leutnant – notorischer Deutschenhasser. Die darauf folgende kurze Verhandlung am Kronstädter Sitz des Armeekorps ergab den Eindruck, daß die rumänischen Generalstabsoffiziere inzwischen eindeutige Ordres erhalten hatten. Noch trugen einige der rumänischen Stabsoffiziere ihre deutschen Kriegsauszeichnungen. Mindestens eine beträchtliche Anzahl unter ihnen wäre bei tatkräftigen Sicherungsmaßnahmen des Obersten Stollewerck zu einer tatenlosen Zuschauerstellung bereit gewesen.50 Der Erinnerung des e. B. zufolge unternahm etwa am 2. September 1944 eine deutsche Wehrmachteinheit den zweiten mißglückten Versuch, Radio Bod zu besetzen. Schließlich beendete ein Stuka-Angriff des Fliegerobersten Rudel51 die Sendetätigkeit von Radio Bod wenigstens für wenige Tage. Der Fehlschlag des ersten Handstreichs gegen den Sender 49 Otto Parsch (1911-?), Kaufmann, Mitglied der Volksgruppenführung. Mitglied der NSDAP seit 1. Oktober 1932; SS-Mitglied (Nr. 477504). Stabsleiter der Einsatz-Staffel der DVR und enger Mitarbeiter von Andreas Schmidt (19401944). Flüchtete nach dem Krieg nach Österreich, wo er Mitglied der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich wurde. BB, BDC, SSO Akten Otto Parsch. 50 Zum deutschen Angriff auf den Sender Brenndorf vgl. PAAAB, R 101118, Inland II geheim, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien, Bd. 427, 1944-1945, E 449448-449456. Inland II 2415 g. Bericht. 51 Hans-Ulrich Rudel (1916-1982), deutscher Berufsoffizier. Nach dem Gymnasium und der Arbeitsdienstpflicht tritt er 1936 der Luftwaffe bei. Fachmann für Stuka-Flieger, wird 1941 dem Stuka-Geschwader 2 „Immelmann“ zugeteilt, dessen Befehlshaber er am 1. September 1944 wird. Unternahm 2530 Feindflüge, wobei er u. a. 3 Schiffe und 519 sowjetische Tanks zerstörte. War der einzige deutsche Soldat, der mit der höchsten Kriegsauszeichnung des NS-Regimes ausgezeichnet worden ist, dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit goldenem Eichenlaub, Schwertern und Brillianten (29. Dezember 1944). Nach dem Krieg trat er insbesondere durch die Unterstützung der Die Ereignisse vom 23. August 1944 203 Brenndorf trug wesentlich dazu bei, den Verlust der Position Rumänien für die deutsche Wehrmacht zu beschleunigen. 2) Abzug der deutschen Wehrmachteinheiten aus dem Burzenland Noch am Abend des 24. August hielt der deutsche Standortkommandant Kronstadts, Oberst Stollewerck, die Absicht des Rückzugs vor der Volksgruppenführung und der deutschen Bevölkerung des Burzenlandes geheim. Er hatte ein Waffenaufgebot der wehrfähigen siebenbürgisch-sächsischen Männer im Raum des Burzenlandes abgelehnt und sich darauf beschränkt, die unhaltbare Stellung im Kronstädter Honterus-Gymnasium mit einigen vorgeschobenen Sicherungsposten zu umgeben. Widersprechende Anweisungen von deutschen Wehrmachtstellen aus Rumänien, aus dem Führerhauptquartier und aus Berlin kündigten heranrückende Einsatzeinheiten an, befahlen das Halten der Stellung bzw. befahlen einen Rückzug der deutschen Wehrmachteinheiten aus dem Raum Burzenland, die „nach zwei Tagen“ mit inzwischen eingetroffenen Verstärkungen Kronstadt wieder besetzen sollten. Erst am 25. August, 12 h mittags, wurde dem „Rumpfkabinett“ der Kronstädter Volksgruppenführung der unmittelbar bevorstehende Abzug der deutschen Wehrmachteinheiten aus Kronstadt bekannt gegeben. Noch zu diesem Zeitpunkt erklärten sich eine große Anzahl junger Leutnants und Oberleutnants der Offiziersreserve bereit, gemeinsam mit Angehörigen der deutschen Volksgruppe Kronstadt bzw. den Predealpaß gegen die z. T. völlig verwirrten rumänischen Einheiten zu halten. Indessen war jedoch das Honterus-Gymnasium von rumänischen Einheiten völlig zerniert worden, so daß an die Organisierung eines Widerstandes in jenem Augenblick nicht mehr zu denken war. Der e. B. vermag heute die persönliche Einstellung des Obersten Stollewerck während der ersten Stunden des rumänischen Frontwechsels einwandfrei weder als eklatante Unfähigkeit, noch als absichtlichen Verrat gegenüber erhaltenen Befehlen zu kennzeichnen. Soweit der e. B. nachträglich hörte, sei Oberst Stollewerck mit Berufung auf sein damaliges Verhalten als Standortkommandant Kronstadts vorzeitig aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden.52 In der Beurteilung der deutschsprachigen Bevölkerung des Burzenlandes hätte der deutsche Oberst den Rückzug und die Rettung gefährdeter Volksgruppenangehöriger – der Familien von Waffen-SSAngehörigen – ohne Blutverlust und ohne Einbuße an Ansehen bewerkstelligen können. Unter den damaligen Gegebenheiten vollzog sich stattdessen das beschämende Schauspiel, wie bestausgerüstete und bewaffnete Wehrmachteinheiten mit einem „Troß“ zernierter Amtswalter das Burzenland voreilig und fluchtartig verließen.53 Der e. B. befand sich zur Zeit des Abzugs der deutschen Wehrmacht als Waffen-SS-Angehöriger mit rund dreißig kriegsfreiwilligen Abiturienten des Honterus-Gymnasiums auf einem Lkw-Anhänger, als die motorisierten Wehrmachtseinheiten in Richtung Sfântu Gheorghe (Sepszi Szentgyörgy) Kronstadt verließen. Die meisten Kaufläden hatten die Rolläden seit dem Morgen des 25. August 1944 niedergelassen. Ungeachtet einiger in krampfhafter Fröhlichkeit flanierender Rumänen lag über der alten Stadt verhaltene, angstvolle Stille. nach Südamerika geflüchteten NS-Kriegsverbrecher beziehungsweise der rechtsextremistischen Partei „Deutsche Reichspartei“ hervor. Vgl. über ihn: K l e e (wie Anm. 26), S. 512. Es gibt keinen dokumentarischen Nachweis für diese Aussage von Otto Liess. 53 Zum Kontext, in dem der Evakuierungsbefehl erteilt beziehungsweise die Evakuierung der deutschen Militäreinheiten aus Kronstadt und dem Burzenland durchgeführt wurde, vgl. PAAAB, R 100946, Inland II, geheim, Bd. 260, Akten betreffend Volksdeutsche: Rumänien, Evakuierung und Lage 1941-1945, E 393312-393315. Aufzeichnung des Reichsdeutschen Karl Kirchlechner betreffend Vorgänge in Kronstadt vom 29. August 1944; R 101118, Inland II, geheim, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien, Bd. 427, 1944-1945, E 449448-449456. Inland II 2415 g. Bericht. 52 204 Ottmar Traşcă Unmittelbar vor dem Auszug aus Kronstadt ereignete sich im Honterus-Gymnasium eine für alle Volkgruppenangehörigen folgenschwere Szene. Einvernehmlich stützte sich das Rumpfkabinett der Volksgruppenführung auf die trostreiche Legende des Obersten Stollewerck, die Deutsche Wehrmacht werde nach zweitägiger Frist wieder in Kronstadt einziehen. Zwei Amtswalter von dem in der Nähe Kronstadts gelegenen Schulungshof der Volksgruppe, „Am Hangestein“, erreichten Amtsleiter Otto Ließ und Geschäftsführer Rudolf Sontag wenige Minuten vor deren Auszug aus Kronstadt im Honterus-Gymnasium. Auf die Anfrage der beiden Abgesandten, ob die „Am Hangestein“ luftschutzgesicherte Volksgruppenkartei zu vernichten oder zu bewahren sei, erteilte der gutgläubige Geschäftsführer Rudolf Sontag den verhängnisvollen Befehl: „Nicht zerstören!“ – In den Jahren nach 1945 waren infolgedessen die volksdemokratischen Sicherheitsbehörden mühelos in der Lage, Stellung und Einstellung jedes Volksgruppenangehörigen während der NS-Zeit Rumäniens zu eruieren. Die Bürokratie der Volksgruppenführung hatte es z. B. nicht versäumt, selbst die Höhe der freiwilligen Winterhilfsspenden jedes einzelnen Volksgruppenangehörigen genau zu vermerken. Der Wille zur Sauberkeit im Augenblick des Abzugs führender Amtswalter der Volksgruppe bekundete sich insoweit, als bis auf eine einzige Ausnahme sämtliche Amtswalter Frauen und Kinder, sowie ihre sonstigen Familienangehörigen in Kronstadt zurückließen (5). Einige wenige Amtswalter am Sitz der Volksgruppenführung wurden mit Sonderaufträgen im Burzenland zurückgelassen. Das Gros der Volksgruppenführung begab sich aber – noch immer blindgläubig gegenüber dem Mythos der deutschen Wehrmacht – in den „Bereitstellungsraum“ südlich des Szeklerlandes, um an der Seite deutscher Frontsoldaten binnen weniger Tage die Schmach des Auszuges aus Kronstadt zu löschen. Im nachträglichen, nüchternen Urteil waren jedoch die Umstände dieses Abzugs einfach nicht dazu angetan, um eine solche verzweifelte Hoffnung zu rechtfertigen. An der rumänisch-ungarischen Grenze kontrollierten z. B. als rumänische Fliegeroffiziere verkleidete Geheimagenten die ausfahrenden Lkws und Pkws auf rumänische Wagennummern und hielten mehrere Fahrzeuge zurück. Personen wurden anstandslos durchgelassen. Auf Grund eines späteren persönlichen Berichtes ist dem e. B. bekannt, daß am 27. August 1944 diese rumänischen Kontrollorgane die abziehenden deutschen Einheiten zu entwaffnen versuchten. Nach einigen gelungenen Versuchen ließ der berichtende deutsche Artillerieleutnant an dem Grenzbach ein Infanteriegeschütz auffahren und erzwang den freien Durchzug einer stundenlang abziehenden Kolonne in den damals ungarischen Teil Siebenbürgens. Der Gutshof südlich von Sankt Georgen: knapp dreißig km Luftlinie von Kronstadt entfernt, bezog die Ersatzdienststelle Kronstadt der Waffen-SS mit einer Anzahl Amtswalter der Volksgruppe und den noch nicht eingekleideten Abiturienten vorläufig Unterkunft. Der deutsche Gutshof lag etwa zweieinhalb km südlich von der szeklerischen Provinzstadt Sfântu Gheorghe (St. Georgen), unweit des Passes im Karpathenwinkel (Buzău), über den die Reste der achten und elften Armee in endlosem Strom nach Norden drängten. Stäbe, Sondereinheiten, „Hiwis“ (nichtdeutsche Hilfseinheiten), z. T. noch kampffähige deutsche Verbände sollten in Nordsiebenbürgen und bei Szegedin in Auffangsstellen wieder zum Einsatz reorganisiert werden. Bis zum 2. September 1944 jedoch hoffte die Gruppe der Amtswalter, SS-Urlauber und jungen SS-Freiwilligen aus Kronstadt auf die Rückgewinnung des Burzenlandes und die Wiederherstellung einer deutschen Widerstandslinie in den Süd- und Ostkarpathen. Am zweiten Tage zermürbenden Wartens auf dem Gutshof brach bei Amtsleiter Otto Ließ, der Die Ereignisse vom 23. August 1944 205 bereits während der ersten Stunden nach dem rumänischen Staatsstreich seelische Labilität gezeigt hatte, der Wahnsinn aus. Otto Ließ entzog sich in einem unbewachten Augenblick unserer Aufsicht und hielt zeitweise rückwärtsflutende Kolonnen mit dem schauerlich klingenden Ruf „20. Juli!“ auf. Dann wieder verklärten sich seine Gesichtszüge freudig, weil er in den abziehenden Marschsäulen den herannahenden Entsatz zur Rückeroberung Kronstadts zu sehen vermeinte. Erst nach dreistündigem Randalieren wagte es schließlich ein Major der Wehrmacht, den Geisteskranken festzunehmen und gewaltsam in das Krankenhaus von St. Georgen einzuliefern. Der Gutshof wurde von dem Ausbruch des wahnsinnig gewordenen Amtsleiters verständigt. Die Tobsuchtsanfälle von Otto Ließ, der in Kronstadt Ehefrau und vier kleine Kinder zurückgelassen hatte, hörten erst auf, als er mehrere Betäubungsspritzen erhalten hatte. Otto Ließ starb auf dem Transportweg nach Neumarkt am Mieresch (Târgul Mureşului). Die näheren Umstände seines Todes sind niemals bekannt geworden. III. Ernennung von SS-Gruppenführer Phleps zum SS-Befehlshaber Siebenbürgen/Banat 1) Die geplante Rückeroberung Kronstadts Die fieberhafte Erwartung eines deutschen Gegenstoßes in Richtung Kronstadts und des Predealpasses war nicht unbegründet. Auf Vorschlag des Volksgruppenführers Andreas Schmidt hatte Reichsführer SS Heinrich Himmler den in Jugoslawien operierenden SS-Obergruppenführer Arthur Phleps 54 von seinem dortigen Kommando über drei deutsche Armeekorps abgelöst. Der siebenbürgischsächsische General Phleps befand sich spätestens am 1. September 1944 als SS- und Polizeibefehlshaber Siebenbürgen/Banat auf seinem Posten in Târgul Mureşului (Neumarkt am Mieresch), wo er sogleich die Angriffsvorbereitungen zur Rückeroberung Kronstadts traf. Der Plan des SS-Obergruppenführers Phleps, der jeden Fußbreit des Geländes kannte, sah folgende Etappen vor: Den deutschen Wehrmachtstellen war bekannt geworden, daß sich das Gros der rumänischen Heeresverbände ohne jede Sicherung des Karpathenkammes und des Predealpasses im Kessel der Burzenländer Ebene gesammelt hatte. Infolgedessen sollten zwei deutsche Stoßkeils beiderseits das Burzenland umgehen, mit ortskundigen Volksgruppenangehörigen 54 Arthur Phleps (1881-1944), Siebenbürger Sachse, Berufsoffizier. Absolvent der Infanterie-Offiziersschule in Preßburg (1898-1900) und der Kriegsschule Wiener Neustadt (1905-1907). Tritt 1900 als Unterleutnant in die österreichisch-ungarische Armee ein, Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Am 1. März 1919 in die rumänische Armee mit dem Grad eines Oberstleutnants aufgenommen. In der Zwischenkriegszeit hatte er in der rumänischen Armee wichtige Ämter inne, und zwar Professor an der Kriegsakademie (15. Mai 1923 - 27. November 1926), Befehlshaber der 9. Infanteriebrigade (1. April - 1. Oktober 1930), Befehlshaber der 1. Gebirgsjägerbrigade (1. Oktober 1930 - 1. Oktober 1934); Befehlshaber der 12. Infanteriedivision (15. Juni 1935 - 13. Oktober 1936), Befehlshaber der 21. Infanteriedivision (13. Oktober 1936 - 1. November 1937), Befehlshaber des Gebirgsjägerkorps (1. November 1937 - 1. Februar 1940), zur Verfügung des Kriegsministers (ab 1. Februar 1940). Trat 1941 der Waffen-SS bei und nahm an den Kämpfen an der Ostfront im Rahmen der Division SS „Wiking“ teil. 1942 wurde er von Heinrich Himmler mit der Aufstellung einer Division bestehend aus Volksdeutschen aus Rumänien, Serbien und Ungarn beauftragt, der SS-Division „Prinz Eugen“. Befehlshaber der 7. SS-Freiwilligen Division „Prinz Eugen“ (1. Februar 1942 - 21. Juni 1943); Befehlshaber des V. SS-Gebirgs-Korps (21. Juni 1943 - 16. September 1944); „Höherer SS- und Polizeiführer Siebenbürgen“ (16. - 21. September 1944). Von den Sowjets während einer Frontinspektion gefangen genommen, am 21. September 1944 hingerichtet. Oberst (seit 28. Juni 1920); Generalmajor (seit 1. April 1933); Generalleutnant (seit 1. Juni 1939); Eintritt in die SS am 30. Juni 1941 (Nr. 401214); Brigadeführer SS (seit 30. November 1941); Gruppenführer SS (seit 20. April 1942); Obergruppenführer SS (seit 21. Juni 1943). BB, BDC, SSO Akten Arthur Phleps; K l e e (wie Anm. 26), S. 460f. 206 Ottmar Traşcă die Karpathen überschreiten und beiderseits der Hauptverkehrstraße Kronstadt – Bukarest in südlicher Richtung bis Sinaia vorstoßen, um von Sinaia her nach Norden rumänische Positionen bis zu den Karpathen aufzurollen. Das Schicksal der in der Burzenländer Ebene stationierten rumänischen Korps (dessen Chefs ausnahmslos ehemalige Militärschüler des Generals Phleps waren) wäre damit besiegelt gewesen. An sich war SS-Obergruppenführer Phleps ein General ohne Armee. Zur Durchführung des Unternehmens hatte man die sogenannte „Edelweiß“-Division württembergischer und bayrischer Gebirgsjäger55 bestimmt. Dem Divisionsstab in Sfântu Gheorghe war auch der e. B. sogleich zugeteilt worden; er arbeitete mit dessen Ic zusammen. Außerdem war dem SS-Obergruppenführer Phleps eine volksdeutsche SS-Reiter-Division aus Ungarn56 (6) zugesagt worden, um das Unternehmen Kronstadt zu unterstützen. Diese mitten aus der Ausbildung abkommandierte SS-Reiter-Division befand sich jedoch erst in Anmarsch. 48 Stunden vor dem befohlenen Beginn der Aktion zur Rückgewinnung Kronstadts wurde jedoch das Unternehmen abgeblasen, weil über die Ostkarpathen sowjetische Kavallerie-Einheiten eingesickert waren. Die bereitgestellten Einheiten der Edelweiß-Division wurden daher zur Abriegelung der Karpathenkämme alarmiert, so daß jede Hoffnung schwand, binnen kurzem Kronstadt wieder zu nehmen. 2) Einzelheiten zum Rückzug der deutschen Wehrmacht aus Siebenbürgen Die deutsche Südfront befand sich in Auflösung. Reste zweier deutscher Armeen strebten nordwestwärts durch Siebenbürgen, um sich in Reichsungarn wieder zu sammeln. Ungarische Verbände mit dem anfänglichen Zentrum in Klausenburg (Cluj) sollten die Einheiten der Heeresgruppe des Generalobersten Friessner57 in der Abwehr unterstützen. Die anfängliche Hoffnung auf eine deutsche Besetzung Südsiebenbürgens mußte inmitten des allgemeinen Chaos aufgegeben werden. Auch erwies sich die ungarische Kampfmoral noch schlechter als jene der deutschen Landser, die bereits einen demoralisierenden und z. T. fluchtartigen Rückzug hinter sich hatten. Außerdem zeigte sich sehr bald die strategische Absicht der Roten Armee, Südost- und Mittelsiebenbürgen im Vormarsch zunächst auszusparen, um durch eine Abschnürung im Nord- und Südwesten einen südostsiebenbürgischen „Sack“ zu schaffen. Das deutsche Heeresgruppenkommando befahl daher die rasche Räumung der besetzten Südteile Siebenbürgens, um der geplanten sowjetischen Zangenbewegung zu entgehen. 55 Nimmt Bezug auf die 1. Gebirgs-Division „Edelweiß“, Einheit, die im September 1944 dem Wehrmachtbefehlshaber Südost unterstellt und in Serbien stationiert war. Die Division wurde erst im November der Heeresgruppe „Süd“ untergeordnet. 56 Nimmt Bezug auf die 8. SS-Kavallerie-Division „Florian Geyer“, eine Einheit, die im September 1944 an die Front in Siebenbürgen versetzt wurde und der tatsächlich sehr viele aus Rumänien stammende Volksdeutsche angehörten. Die Division blieb in der Heeresgruppe „Südukraine“ (ab 23. September 1944 Heeresgruppe „Süd“) bis zum Februar 1945 und wurde bei der Einkesselung von Budapest zerschlagen. 57 Johannes Frießner (1892-1971), deutscher Berufsoffizier. Absolvent der Offiziersschule Hannover (1911-1912). Eintritt als Leutnant in der kaiserliche Armee (1912), Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Danach von der Reichswehr und später von der Wehrmacht übernommen. Inspekteur des Erziehungs- und Bildungswesens (1. September 1939 - 1. Mai 1942); Befehlshaber der 102 Infanteriedivision (1. Mai 1942 - 19. Januar 1943); Befehlshaber des XXIII. Armeekorps (19. Januar 1943 - 31. Januar 1944); Befehlshaber der „Armee-Abteilung Narwa“ (23. Februar - 3. Juli 1944); Befehlshaber der Heeresgruppe Nord (3.-25. Juli 1944); Befehlshaber der Heeresgruppe „Südukraine“ – ab dem 23. September 1944 Heeresgruppe „Süd“ (25. Juli - 22. Dezember 1944); Führerreserve (seit 22. Dezember 1944); in Gefangenschaft der Alliierten (1945-1947). Generalleutnant (seit 1. Oktober 1942); General der Infanterie (seit 1. April 1943); Generaloberst (seit 1. Juli 1944). Vgl. über ihn Hans F r i e s s n e r : Verratene Schlachten. Die Tragödie der deutschen Wehrmacht in Rumänien und Ungarn. Hamburg 1956. Die Ereignisse vom 23. August 1944 207 Aus persönlichen Eindrücken und Gesprächen möchte der e. B. folgende Einzelheiten zum Rückzug der deutschen Wehrmacht aus Rumänien vermerken: Die meisten der rumänischen Frontoffiziere und Einheiten waren von der Entwicklung des 23. August fast ebenso überrascht wie die deutschen Wehrmachtangehörigen. Die kampflose Aufgabe der sogenannten „Linie Antonescu“ zwischen Pruth und den Vorbergen der Ostkarpathen58 blieb den Kriegsteilnehmern unverständlich, bis die Communiques und Bündnisverpflichtungen der Bukarester Putschregierung Rădescu59 für diese künstlich geschaffenen Frontlücken angesicht der sowjetischen Offensive eine nachdrückliche Erklärung lieferten (7). Mit ganz geringen Ausnahmen zeigten rumänische Offiziere und Soldaten gegenüber Wehrmachtteilen und einzelnen Landsern fast schuldbewußte Kameradschaftlichkeit. Selbst Kommandeure größerer rumänischer Einheiten verzichteten auf Kampfhandlungen und die Gefangennahme versprengter und unterlegener deutscher Wehrmachtteile und Soldaten. Erst der deutsche Luftwaffenangriff gegen den Königspalast in Bukarest – von Luftwaffengeneral Gerstmaier60 befohlen – löste als Reaktion eine verschärfte rumänische „Frontstellung“ gegen den deutschen Bundesgenossen von gestern aus. Als sicher verbürgte Einzelheit am Tage des 23. August 1944 berichtete dem e. B. auf dem Rückzug ein Gewährsmann: die Gattin des Staatsführers Antonescu, Maria Antonescu61, erklärte am Vormittag dieses Tages einem Lederfabrikanten (Mieß?62): „Ach, Sie werden sehen was heute noch geschieht!“ – Über die Rolle des Reservehauptmannes Dr. Ion V. Emilian63 zwischen dem 23. und 25. August 1944 in Bukarest ist an zuständiger Stelle des Bundesarchivs ein Hinweis erfolgt.64 Die Seele des bewußten und planenden Widerstandes in Siebenbürgen war bis zu seinem Soldatentod fraglos der getreue Sohn seiner siebenbürgischen Heimat, General Phleps. 58 59 60 61 62 63 64 Nimmt Bezug auf die befestigte Verteidigungslinie Focşani – Nămoloasa – Brăila. Es handelt sich um einen Irrtum. Die Waffenumkehr wurde am 23. August 1944 von König Mihai I. durchgeführt, der am gleichen Abend ernannten Regierung stand General Constantin Sănătescu vor. Irrtum. Bezieht sich auf Alfred Gerstenberg (1893-1959), deutscher Berufsoffizier. Absolvent der Kriegsschule in Danzig (1912-1913). Tritt 1913 als Leutnant in die kaiserliche Armee ein, Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Generalstabschef des Deutschen Luftsportverbandes (1. Juli - 30. September 1934); Generlstabschef der Luftwaffe-Reserve (1. Oktober 1934 - 1. August 1936); Instrukteur in der Kampffliegerschule Tutow (1. August 1936 - 31. März 1938); Luftwaffenattaché in Warschau (1. Juni 1938 - 1. September 1939) und danach Bukarest (1. Juni 1938 - 23. August 1944); Befehlshaber der Luftwaffe und der Deutschen Luftwaffenmission in Rumänien (15. Februar 1942 - 23. August 1944). Nach dem 23. August 1944 leitete er den deutschen Angriff zur Rückeroberung von Bukarest und ordnete die Bombardierung der Stadt an. Wurde von den sowjetischen Truppen am 28. August 1944 gefangen genommen und am 12. Oktober 1955 entlassen. Vgl. über ihn: AMAE, Fond 14 Reprezentanţi/Germania, G 14 – Alfred Gerstenberg. Maria Antonescu (1892-1964), Gattin von Marschall Ion Antonescu. Unter ihrer Schirmherrschaft wurde ein Rat gegründet, um den rumänischen Militärangehörigen an der Front zu helfen. Am 14. September 1944 verhaftet und der betrügerischen Verwaltung von Hilfsfonds beschuldigt. Von März 1945 bis April 1946 in der UdSSR in Haft, danach bis 1955 in Rumänien. Nach der Haftentlassung Zwangsdomizil in der Gemeinde Lăţeşti. Vgl. über ihn: Dicţionar enciclopedic I (wie Anm. 19), S. 84f. Konnte nicht identifiziert werden. Ion Valeriu Emilian (1905-1985), rumänischer Anwalt, Journalist und Militärangehöriger in Reserve. Jura-Studium an der Universität Bukarest, Dr. jur.; Mitglied der rechtsradikalen „Liga Apărării Naţional Creştine“ (Liga der national-christlichen Verteidigung), später der National-Christlichen Partei (Partidul Naţional Creştin). Chefredakteur der Zeitung „Apărarea Naţională“, Leiter der Organisation „Svastica de Foc“ (Feuer-Hakenkreuz, 1937) und Präfekt des Kreises Neamţ während der Regierung O. Goga – A. C. Cuza (1937-1938). Während des Zweiten Weltkrieges Teilnahme an der Ostfront; von den Ereignissen des 23. August 1944 enttäuscht, tritt er im Januar 1945 mit einem Teil seiner Kavalleriekompagnie auf deutsche Seite über. Wurde später ein wichtiger Vertreter des rumänischen Exils; Gründer und Leiter der Zeitung „Stindardul“. Über ihn freundliche Mitteilung von Herrn Claudiu Secaşiu, dem ich dafür zu Dank verpflichtet bin. Konnte nicht ermittelt werden. 208 Ottmar Traşcă 3) Die Note der Reichsregierung an Bukarest betreffend die Evakuierung der Deutschen aus Südsiebenbürgen Der Erinnerung des e. B. zufolge ließ SS-Obergruppenführer Arthur Phleps zu Neumarkt am Mieresch den e. B. in der Nacht vom 4. auf den 5. September 1944 in sein Stabsquartier rufen und empfing ihn kurz nach Mitternacht in seinem Kartenzimmer. Dem e. B. war General Phleps aus früher Jugend persönlich bekannt. Der e. B. hatte u. a. während seines Abiturien­ tenjahres in der Kronstädter Villa des Generals gewohnt. SS-Obergruppenführer Phleps sagte zum e. B.: „Sehen Sie, vor ein paar Tagen hat die Deutsche Reichsregierung eine Note an die Regierung in Bukarest aufgesetzt, die Sie gemeinsam mit dem Kavalleriemajor v. …65 als SS-Untersturmführer zur Weiterleitung zu überreichen haben. Vor zwei Tagen hat man uns im Frontabschnitt bei Sfântu Gheorghe unsere Parlamentäre fast zusammengeschossen. Sie können von unseren Leuten am besten Rumänisch und werden es schon schaffen“. In dem nachfolgenden persönlichen Gespräch äußerte Phleps seine ungebrochene Hoffnung auf die Rückgewinnung Südsiebenbürgens und auf die Rettung des dort zurückgebliebenen deutschen Bevölkerungsteiles. Er dachte in jener Stunde an die von rotarmistischer Vergewaltigung bedrohten Frauen und Mädchen unseres Stammes und entließ den e. B. nach einer knapp halben Stunde. Die Überreichung der Note der Reichsregierung: Im nachfolgenden werden bewußt Einzelheiten und Begleitumstände dieses Auftrages erwähnt, weil sie für die damalige Gesamtlage charakteristisch waren: Von ein Uhr bis halb sechs Uhr früh mußten Major v. …66 und der e. B. die „historischen“ Ausrüstungsstücke für Parlamentäre zusammensuchen. Zunächst raste unser Kommandowagen zwei Stunden durch die Gegend, um den erforderlichen Sprit für den Parlamentärsauftrag zu beschaffen. Als weiße Fahne wurde das Bettlaken des e. B. an einer Bohnenstange befestigt. Nach dreistündiger Suche entdeckte man endlich den Feldwebel eines Musikkorps, der auf der Flucht aus der Moldau wohl nicht seine Trompete, dafür aber wenigstens das zugehörige Mundstück behalten hatte und als Künstler seines Faches sogar auf dem Mundstück allein zu blasen verstand. Indessen borgte uns auf dem Wege zur rumänischen Frontstellung eine Apothekersgattin ihren großen Weintrichter, so daß die Trompete komplett wurde. Auf der Fahrt zu der befohlenen Frontstelle, wo bis zum 5. September noch keine Kampfhandlungen stattgefunden hatten, begleitete uns ein deutscher Hauptmann bis zu dem letzten Dorf auf ungarischem Boden. Der Begleiter des Hauptmanns war ein seit Tagen unrasierter Feldwebel, der sich nach seiner Flucht nicht rasieren wollte, bis eine deutsche Einheit wieder auf dem Marktplatz von Schäßburg einrücke. Der unwahrscheinliche Zwischenfall aber ereignete sich knapp vor der Überquerung der Frontstelle nördlich der deutschsprachigen Gemeinde …67 Major Graf von …68 und der e. B. lassen eilig den Inhalt der unverschlossenen Note der Reichsregierung, welche die persönliche 65 Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack (1913-?) Bezug, deutscher Berufsoffizier. Im September 1944 war er Offizier im Befehlsstab der Heeresgruppe „Südukraine“, danach Regimentskommandeur in der 8. SS-Kavalleriedivision. Von den sowjetischen Truppen am 13. Februar 1945 bei der Belagerung von Budapest gefangen genommen (in den Gefangenenlagern Uman, Ural, Moskau und Swerdlowsk), am 13. Dezember 1955 in die Bundesrepublik entlassen. Über ihn freundliche Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. 66 Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack Bezug. 67 Fehlt im Text. 68 Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack Bezug. Die Ereignisse vom 23. August 1944 209 Unterschrift des Generalobersten Friessner trug69, durch. Dabei entdeckte der e. B. einen sinnstörenden Fehler im Text der Note. Die Reichsregierung hatte für den Fall, daß das Bukarester Generalskabinett die Öffnung eines Frontschlauches zum Hinausschleusen der deutschen Bevölkerung aus Südsiebenbürgen verweigerte, Repressalien gegen die in dem damals ungarischen Nordsiebenbürgen lebenden Rumänen angedroht. Sinngemäß lautete die Stelle etwa: „Sollte die königlich-rumänische Regierung diesen Vorschlag der Reichsregierung ablehnen, so hätte die königlich-rumänische Regierung mit Repressalien gegen die Rumänen und Ungarn zu rechnen.“ Dieser grobe Textfehler war für die Rast jener Stunden kennzeichnend. Was tun? Major v. …70 war ebenso wie der e. B. überzeugt, daß die Note in dieser Form und mit dem geradezu lächerlichen Passus nicht überreicht werden konnte. Während Graf v. K.71 unschlüssig zögerte, stellte sich der e. B. an einen Gartenplanken und verbesserte mit Füllfeder das ominöse „und“ in ein „in“. Damit waren die Vorbereitungen zum Parlamentärsauftrag endgültig abgeschlossen. Durch den Schlagbaum des letzten ungarischen Dorfes führte uns ein ungarischer Gendarmeriewachtmeister durch eine freie Gasse des angelegten Minenfeldes und äußerte vermutungsweise, daß die rumänische Armee in der Gegenstellung ebenfalls Minen gelegt hätte. Wir fuhren hierauf – der Major, ein Feldwebel als Trompeter, ein Fahrer und der e. B. – „wie auf Eiern“ südwärts, mit flatterndem Bettlaken an der Bohnenstange. Der e. B. brüllte laut auf rumänisch: „Wir sind deutsche Parlamentäre, führt uns zum rumänischen Kommando!“ Niemand zeigte sich, lediglich hinter entfernten Sträuchern und Büschen konnte Bewegung beobachtet werden. Kurz vor dem Grenzschlagbaum des Dorfes …72 traten endlich einige aus Südrumänien stammende Soldaten und Unteroffiziere auf uns zu und erklärten, sie hätten sich darum nicht gezeigt, weil sie in unserem offenen Kommandowagen einen leichten Panzer vermutet hätten. Sogleich ließen die rumänischen Soldaten durch herbeieilende deutsche Dorfbewohner Wein holen, führten uns bis unmittelbar an den Dorfrand und es begann ein herzliches Gespräch, sowie ein Geldtausch zwischen den deutschen und rumänischen Landsern. Inzwischen war der kommandierende rumänische Hauptmann der Fronteinheit verständigt worden. Die deutschen und rumänischen Dorfbewohner verzogen sich blitzschnell. Der e. B. vermochte einem deutschen Bauern des Ortes hastig die Flucht nach Norden anzuraten, weil an dieser Stelle für den 6. September ein deutscher Vorstoß geplant war. Der rumänische Hauptmann begrüßte uns äußerst formell und schneidend kalt. Wir mußten in dem Gelände mit den von Major v. …73 eingesehenen rumänischen Stellungen zwei km zurückfahren. Zwei rumänische MGs gingen am Straßenrand in Stellung. Man band uns weiße Tücher vor die Augen und ein rumänischer Fahrer brachte den Kommandowagen zum Sitz des rumänischen Bataillons am Dorfrand von …74 Nach halbstündigem Warten erschien auch ein rumänischer Major aus dem unweit südlich gelegenen Schäßburg, dessen persönliche Herzlichkeit uns gegenüber nur anfänglich von dem frostigen Benehmen des 69 70 71 72 73 74 Die deutsche Fassung der Note in: Akten zur deutschen Auswärtigen Politik 1918-1945. Serie E: 1941-1945, Bd. 8: 1. Mai 1944 - 8. Mai 1945. Göttingen 1979, S. 408f. Die tatsächlich leicht abgeänderte Fassung in rumänischer Sprache befindet sich im Archiv des rumänischen Außenministeriums Bukarest, Bestand 71/România, Bd. 384, S. 497f., und wurde abgedruckt in: Germanii din România 1944-1956 [Die Deutschen in Rumänen 1944-1956]. Hg. Hannelore B a i e r . Sibiu 2005, S. 53f. Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack Bezug. Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack Bezug. Fehlt im Text. Fehlt im Text. Nimmt auf Major Hans von Schack Bezug. Fehlt im Text. 210 Ottmar Traşcă rumänischen Hauptmanns abstach. Wir teilten den beiden Verhandlungspartnern mit, daß wir noch am gleichen Tage eine Antwort der königlich-rumänischen Regierung aus Bukarest erwarteten. Während die Drahtgespräche zwischen der Frontstelle und Bukarest liefen, warteten wir mit dem rumänischen Hauptmann gemeinsam auf die rumänische Antwort. Beim Glase Wein taute der rumänische Hauptmann auf und offenbarte eine beeindruckende Deutschfreundlichkeit sowie einen eindeutigen Haß gegen die Bolschewisten. Er sagte: „Sehen Sie, meine Herren, mein Urgroßvater war Minister im Kabinett des ersten Fürsten der Vereinigten Fürstentümer Muntenien und Moldau, des Fürsten Alexandru Cuza. Wir haben alle nur ein Leben. Wenn es mir zu bunt wird, kostet es nur eine Kugel.“ Und er deutete mit der rechten Hand den auf die Stirne gerichteten Pistolenlauf an. Am Abend des 5. September 194475, eine Stunde vor Mitternacht verließ unser Kommandowagen ohne den angeforderten Bescheid aus Bukarest die Frontstelle und wurde bis zu den ungarischen Einheiten von zwei rumänischen Unteroffizieren begleitet, die auf dem Trittbrett des Wagens standen. Sie fragten den e. B. kurz vor dem Abschied: „Sollen wir nicht mit Euch mitkommen – hinüber?“ Mit Rücksicht auf unseren Auftrag als Parlamentäre mußte der e. B. dieses Angebot ablehnen. Am nächsten Morgen war dieser Raum der letzten friedlichen deutsch-rumänischen Begegnung vom Geschützdonner und vom Heulen und Pfeifen der MPs, MGs und Karabiner erfüllt, rollten Angriff und Gegenangriff des zahlen- und waffenmäßig weit überlegenen Gegners. Etwa einen Monat später erfuhr der e. B., daß die rumänische Regierung diese Note der Reichsregierung mindestens in den Tageszeitungen des rumänischen Banates publizieren ließ und zur Zeit der Überreichung dieser Note mit einer Evakuierung grundsätzlich einverstanden gewesen wäre. Doch nicht mehr ein königlich-rumänischer Premier regierte damals in Bukarest, sondern der sowjetische Befehlshaber der Südfront. 4) Teilangaben über Folgen des 23. August 1944 für die Deutschen des Banats Die Rote Armee überließ zunächst Südsiebenbürgen den neuen rumänischen Verbündeten, dem Nordsiebenbürgen als Belohnung für den Frontwechsel in Aussicht gestellt worden war. Im Zuge der großräumigen Einkesselungsstrategie stießen dafür rotarmistische Stoßkeile in der Großen und Kleinen Walachei nach Westen vor, um schnellstens das Eiserne Tor zu besetzen. Infolgedessen war das rumänische Banat früher als Siebenbürgen in der Hand der Sowjets. Schwache deutsche Kräfte versuchten zunächst, zwischen dem 5. und 7. September 1944 den Hauptort des rumänischen Banates, Temeswar, zu nehmen. Wenige km vor der Stadt blieb die deutsche Offensive liegen. Daraufhin erfolgte ein kurzfristig berechneter Vorstoß an einigen Stellen der noch nicht endgültig gebildeten Front. So wurde für zwei Tage die Stadt Arad genommen; ebenso die deutsche Großgemeinde Liebling, so daß ein Teil der gefährdeten deutschen Bevölkerung nach Westen evakuiert werden konnte. Die Hoffnung der Deutschen des rumänischen Banats auf Rückgewinnung ihres Gebietes durch die Deutsche Wehrmacht blieb – genau so wie für Siebenbürgen – unerfüllt. Einzelnen Amtswaltern der Volksgruppe gelang es, aus Temeswar zu flüchten. Zu diesen gehörten 75 Die Angabe ist falsch. Der Auftrag von Otto Liess endete am 3. September 1944. Einen Tag später, am 4. September 1944, informierte Andreas Schmidt Berlin über das Scheitern der Verhandlungen mit der rumänischen Seite betreffend die Evakuierung der Volksdeutschen aus Kronstadt und dem Burzenland. Vgl. dazu PAAAB, R 101118, Inland II, geheim, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien, Bd. 427, 1944-1945, Inland II 526 gRs. Telegramm Nr. 1 Andreas Schmidts (Sondereinsatz Ullrich-Marosvásárhely) vom 4. September 1944, gezeichnet Andreas Schmidt. Die Ereignisse vom 23. August 1944 211 u. a. Kreisleiter Christoph Huniar76, Amtsleiter Sepp Komanschek77, Chefredakteur Josef Gassner78 von der Ausgabe Banat der „Südost-Deutschen Tageszeitung“/Temeswar. Im übrigen erfüllte sich gleich in den ersten Tagen nach dem rumänischen Frontwechsel Gassners Vorhersage bezüglich der Haltung eines Großteils seines Redaktionsstabes. Während sein außenpolitischer Redakteur Andreas Vogel in der Waffen-SS Frontdienst leistete, ging der stellv. Chefredakteur Robert Reiter79 mit einer Anzahl von Redakteuren zum „Antifaschismus“ über – ein Schritt, der offenbar von Reiter längst vorbereitet worden war. Amtsleiter Walter May hatte den Vorstoß nach Arad mitgemacht und während der zweitägigen deutschen [Besetzung] auch noch eine Nummer der „Arader Zeitung“ Nikolaus Bittos80 herausgebracht. Aus persönlichen Berichten des im Mai 1945 an den Folgen einer Kriegsverwundung verstorbenen Banater Amtsleiters Rudolf Ferch81 (8) wurde dem e. B. im November bekannt, daß 76 77 78 79 80 81 Richtig Kristof Huniar (1897-1981), Landwirt, Mitglied der Volksgruppenführung. Teilnahme am Ersten Weltkrieg; danach in Landwirtschaft und Weinexport tätig. Gaubauernführer der DVR im Banat (1939-1944). Flieht im September 1944 nach Deutschland. Wird ab März 1946 von der amerikanischen Besatzungsmacht im CIE-Zentrum Dachau verhört und im September 1946 freigelassen. Nach 1948 Tätigkeit als Geschäftsführer des „Bauernverbandes der Vertriebenen“. Vgl. über ihn Anton Peter P e t r i : Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums. Marquartstein 1992, S. 797; freundliche Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. Josef Komanschek (1912-1983), Diplomlandwirt, Mitglied der Volksgruppenführung. Landwirtschaftsstudien in Stuttgart-Hohenheim und Berlin (1929-1934); seit 1935 in der Landwirtschaftlichen Zentralgenossenschaft in Temeswar tätig; Hauptabteilungsleiter des Landesbauernamtes der DVR (1940-1944); Leiter des „Landesverbandes der deutschen Genossenschaften in Rumänien – Raiffeisen“ (1941-1944). Nach dem 23. August 1944 flüchtete er nach Deutschland; gehörte der im Januar 1945 über Rumänien abgesprungenen Fallschirmspringergruppe an. Wird sofort nach der Landung im Semenik-Gebirge gefangen genommen. Zunächst von den rumänischen Behörden verhört, nachher den Sowjets übergeben, kommt in die Gefängnisse und Lager Moskau und Workuta. 1955 in die Bundesrepublik entlassen. Bis zur Pensionierung 1977 im Rahmen der Landwirtschaftsverwaltung des Landes Baden-Württemberg tätig und Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben aus Rumänien in Baden-Württemberg (1965-1976). Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 982f. Josef Gaßner (1899-1971), Diplomvolkswirt und Journalist. Studien der Germanistik und Volkswirtschaft in Budapest und Mannheim (1919-1923); Journalist bei der „Banater Deutschen Zeitung“ (1925-1927); Hauptschriftleiter der „Temeswarer Zeitung“ (1927-1940); Chefredakteur der „Banater Deutschen Zeitung“ beziehungsweise „Südostdeutschen Tageszeitung – Ausgabe Banat“ (1940-1944). Flieht im September 1944 aus dem Banat und ist danach beim „Pester Lloyd“ (Oktober 1944 - März 1945) tätig. Setzt die journalistische Tätigkeit nach dem Krieg fort und ist Chefredakteur der Zeitung „Neuland“ in Salzburg (1948-1951). Lässt sich 1959 in München nieder und ist freier Mitarbeiter des „Südostdeutschen Instituts“ (1959-1965), wird 1965 Geschäftsführer des „Südostdeutschen Kulturwerkes“. Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 520f. Robert Reiter (1899-1989), banat-schwäbischer Journalist, Schriftsteller, Dramaturg, Übersetzer. Künstlername Franz Liebhard. Während des Philologiestudiums in Budapest und Wien (ab 1917) begann er bei den Sozialdemokraten aktiv zu werden, was er nach der Rückkehr nach Temeswar (1925) fortsetzte und weswegen er verhaftet wurde. Als Redakteur an verschiedenen Zeitungen in Temeswar tätig, darunter der „Südostdeutschen Tageszeitung – Ausgabe Banat“ (1941-1944). Zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert (1945-1948), später Dramaturg am Deutschen Staatstheater Temeswar (1953-1968). Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 1550. Nikolaus Bitto (1894-1962), Journalist und Druckereibesitzer, Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien. Herausgeber der „Arader Zeitung“ (seit 1920). Weigert sich 1941, diese Zeitung der Volksgruppenführung zur Verfügung zu stellen. Militärdienst in der rumänischen Armee (1943-1944), nach Arad zurückgekehrt, wird er am 16. September 1944 verhaftet und zunächst in Budapest, dann in den KZ Dachau und Flossenbürg inhaftiert. Nach 1945 Rückkehr ins Land, wo sein Eigentum 1948 verstaatlicht wird und er in seinem einstigen Betrieb als Angestellter arbeiten muss. Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 149f. Rudolf Ferch (1898-1945), Maler, Graphiker, Journalist, Mitglied der DVR. Teilnahme am Ersten Weltkrieg; Kunststudien an der Dresdener Akademie für bildende Kunst sowie in München (1922-1925). Künstlerische und journalistische Tätigkeit in Temeswar und Kronstadt. Während des Zweiten Weltkriegs Tätigkeit als Kriegskorrespondent. 1941 an die Ostfront in der rumänischen Armee einberufen, wird er schwer verletzt und entlassen. Danach journalistische Tätigkeit in Kronstadt. Nach dem 23. August 1944 zur Waffen-SS eingezogen, schwer verletzt, stirbt im April 1945 in der Region Linz. Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 444f. 212 Ottmar Traşcă z. T. unter Ferchs persönlichem Kommando die Rückzuglinie im rumänischen und serbischen Banat nicht von Wehrmachtangehörigen, sondern 15- bis 17jährigen, unausgebildeten Banater Freiwilligen gehalten wurde. In einem Falle z. B. verschanzte sich in einem der Banater Dörfer alt und jung auf dem Friedhof und wurde von den angreifenden Rotarmisten bis zum letzten Mann niedergemacht. Da die kleine Kampfgruppe Ferchs noch einmal bis zu diesem Dorfe vorstieß, konnte sie sich von dem Massaker unter den Dorfbewohnern überzeugen. Ebenfalls im Oktober 1944 erhielt der e. B. von Sepp Komanschek sein Tagebuch des Rückzugs ausgehändigt. Seine Aufzeichnungen gehören zu den zeitunmittelbaren, einwandfreien Dokumenten des deutschen Rückzugs aus dem Südosten. IV. Das Ende des SS-Obergruppenführers Phleps und die Rückzugsstation Budapest und Wien. 1) Der letzte Lebenstag des Generals Phleps Bis zum Tode des Generals Phleps war der e. B. gemeinsam mit Untersturmführer Michnay82 aus Hermannstadt, unter Obersturmführer Andras83 (eigentlich Andrassy) dem Stabe Phleps zugeteilt. Der Stab des „Generals ohne Armee“ wurde aus Neumarkt am Mieresch (Târgul Mureşului) noch einmal für kurze Zeit auf rumänischen Boden, in den Gutshof einer ungarischen Baronin, verlegt, dann zog sich der Stab in den Ort D…84 etwa 23 km nördlich von Sighetul Marmaţiei (Máramarossziget) zurück. Diese rasche Rückverlegung des aus Offizieren der Waffen-SS und Wehrmacht zusammengerafften Stabes Phleps war ein sicheres Anzeichen für die chaotischen Frontverhältnisse auf deutscher Seite. Denn Phleps pflegte mit seinem Stab stets in unmittelbarer Nähe des Frontverlaufes auszuharren. Etwa gegen den 20. September 1944 wurde Phleps zur Berichterstattung ins Führerhauptquartier, bzw. zu Reichsführer SS Heinrich Himmler befohlen. Damals befand sich der Standort seines Stabes noch auf dem südsiebenbürgischen Gutshof, den seine Bewohner verlassen hatten. Am Morgen seines Abschieds von uns hielt Arthur Phleps an die Offiziere seines Stabes noch eine ruhige, zuversichtliche Ansprache (9), dann fuhr er mit seinem Adjutanten, SSUntersturmführer Wagner85 sowie einem Feldwebel als Fahrer in einem leichten Geländewagen südwärts, um vor der Berichterstattung bei Heinrich Himmler eine kurze Frontbe82 Koloman Michnay (1907-?), Buchbindermeister und SS-Offizier. Mitglied der NSDAP (Nr. 1748). Studium an der „Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe“ in Leipzig, Tätigkeit als Abteilungsleiter der Buchbindereiabteilung (1933-1941) bei der Firma „Gratiosa“; Leiter der Abteilung Verlag der Firma Krafft & Drotleff, dem Hauptverlag der DVR (1941-1943). Geht im März 1943 als Freiwilliger zur Waffen-SS. Untersturmführer SS (seit 30. August 1944). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Koloman Michnay. 83 Richtig Hans-Karl Andras (1916-?), Exportkaufmann und SS-Offizier. Nach dem Gymnasiumsabschluss Tätigkeit als Exportkaufmann in Jugoslawien, Kroatien und Ungarn. Militärdienst in der jugoslawischen Armee (19. April 1939 - 19. Januar 1940) und nach dem Zerfall Jugoslawiens in der kroatischen Armee (17. November 1941 - 30. Januar 1942). Hauptamtsleiter in der Deutschen Volksgruppe in Kroatien (1941-1942). Tritt 1942 der Waffen-SS bei; Offizier im Generalkommando V. SS-Geb. AK „Prinz Eugen“ (30. Januar 1944 - 17. März 1945); Offizier Ic im Befehlsstab 16 der SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ (seit 17. März 1945). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten HansKarl Andras. 84 Fehlt im Text. 85 Rolf Wagner (1922-1944), Kaufmann, SS-Offizier. Tritt am 11. September 1939 als Freiwilliger in die SS ein. Mitglied der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ (11. September 1939 - 4. Juni 1942): Mitglied der SS Nachrichtenabteilung 105 (ab 18. August 1943); abkommandiert zum Generalkommando V. SS-Geb. Korps, als Nachrichten-Offizier beim Stabe (ab Februar 1944); am 5. August 1944 abkommandiert von SS-N.A. 105, zu Waffen-Geb. Div. SS-„Skanderberg“, Die Ereignisse vom 23. August 1944 213 sichtigung im Gebiet des rumänischen Banates durchzuführen. Phleps war als Befehlshaber der Waffen-SS und Polizei Siebenbürgen auch das Banat unterstellt worden, so daß diese Inspektionsfahrt sachlich durchaus begründet erschien. Etwa zwei Tage nach der Abfahrt des SS-Obergruppenführers befahl sein Stabschef, ein Oberstleutnant der Wehrmacht, die Verlegung des Stabes in das Dorf der Máramaros. Von der Reichsführung SS oder vom Führerhauptquartier erhielten wir keinerlei Bestätigungen des Generals Phleps zur Berichterstattung. Zu der allgemeinen Besorgnis über die Frontlage gesellte sich die Befürchtung über das Schicksal des siebenbürgisch-sächsischen Generals. Die ungarischen Verbände in unserem Kampfraum zeigten keinerlei Standvermögen. Auch auf deutscher Seite schienen Stäbe, Sondereinheiten und „Hiwis“ gegenüber Fronteinheiten zu überwiegen. Noch entsinnt sich der e. B. jener kleinen Rückzugsszene, als eine ungarische Mannschaft ihren verwundeten Leutnant auf einem Packgeschütz hinter die Front transportierte. Schließlich befahl Obersturmführer Andras den ungarischen Batterieangehörigen, das Geschütz wieder nach vorne zu bringen und ihren Leutnant auf einem requirierten Bauernwagen weiterzutransportieren. Bestätigung über das Ende von Phleps: Sobald Arthur Phleps, Oberkommandierender eines illusionären Armeekorps, als vermißt gemeldet worden war, begann eine fieberhafte Suche. Erst nach zehn Tagen unerträglichen Wartens traf vom ungarischen Armeestab die Meldung eines ungarischen Oberleutnants ein, der im Raum von Arad den gemeinsamen deutsch-ungarischen Vorstoß und Rückzug miterlebt hatte. Der Stab Phleps erhielt das Soldbuch und die „Hundemarke“ des Generals eingehändigt. Die Meldung des ungarischen Oberleutnants über das Ende des SS-Obergruppenführers lautete, wie folgt: General Phleps hatte mit seinem Wagen den Frontabschnitt bei Arad inspiziert, der von ungarischen Truppen gehalten wurde. Da in diesem Frontbereich jegliche Warnung vor Feindeinsicht und Feindnähe fehlte, geriet Phleps mit seiner Begleitung unversehens in eine vorpreschende sowjetische Panzerspitze, die den General, seinen Adjutanten und den Fahrer auf einen Gutshof innerhalb der Bannmeile von Arad brachte. Arthur Phleps trug Extra-Uniform und war daher als General ohne weiteres erkenntlich. Als gegen die rotarmistischen Panzer rings um den Gutshof ein deutscher Stuka-Angriff erfolgte, wurde Phleps von den sowjetischen Panzersoldaten auf dem Gutshof erschossen, da diese selbst eine Gefangennahme befürchteten und sich entschlossen, den General kurzerhand zu liquidieren. Das Gutsgebäude mußte in unmittelbarer Straßennähe gelegen sein. Sonst hätte der obenerwähnte ungarische Oberleutnant den Leichnam des Generals nicht finden und aufnehmen können. Der ungarische Oberleutnant führte den Leichnam in seinem Geländewagen solange mit, bis starkes Feuer auf der Straße ihn zwang, das Fahrzeug stehen zu lassen. Eigener Aussage zufolge, hat der Oberleutnant darauf Arthur Phleps dessen Soldbuch und Blechnummer abgenommen und den Leichnam selbst einem Einwohner an der Straße zur Bestattung übergeben. Der Umstand, daß dieses Ende des siebenbürgisch-sächsischen Generals so merkwürdige und unüberprüfbare Einzelheiten enthielt, bot damals und später einer wilden Legendenbildung reichlich Nahrung. Z. B. wurde behauptet, der SS-Obergruppenführer Ohlendorff86 Dienstantritt nach Abschluss des Unternehmens „Rübezahl“. Gefallen am 21. oder 23. September 1944. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Rolf Wagner. 86 Otto Ohlendorf (1907-1951), deutscher Wirtschaftsfachmann und Jurist. SS-Offizier. Wirtschafts- und Jura-Studien in Leipzig und Göttingen. Tritt am 28. Mai 1925 der NSDAP bei (Nr. 6531), und ein Jahr später der SS (Nr. 880). Tätigkeit im Rahmen des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (seit Oktober 1933), Referent für Wirtschaftsfragen des SD (seit 1936). 1939-1945 Leiter der Abteilung III (Amt III – SD Inland) des RSHA. Befehlshaber der Einsatzgruppe 214 Ottmar Traşcă habe Phleps wegen Defaitismus und „Wehrkraftzersetzung“ beim Reichsführer SS Himmler bezichtigt. Himmler habe Phleps zur Rechtfertigung seiner Haltung ins Führerhauptquartier beordert. Phleps habe unterwegs Selbstmord begangen bzw. sei liquidiert worden usw. Noch ca 1950 erschien in der Salzburger „Neuen Front“ ein phantasievoller Bericht, demzufolge Phleps in den Karpathen Partisanenverbände anführe und am Leben sei. Vom Selbstmord bis zum Überlaufen zum Feinde fehlte keine Variante, die das plötzliche Ende des SS-Obergruppenführers Arthur Phleps zu erklären versuchte. Der e. B. nimmt aufgrund langjähriger persönlicher Bekanntschaft mit Arthur Phleps und dessen Familie und aufgrund der ungarischen Meldung mit Sicherheit an, daß der General unwissentlich in Gefangenschaft geriet und von der sowjetischen Panzereinheit vor ihrem Rückzug liquidiert wurde (10). 2) Volksgruppenführer Andreas Schmidt in Budapest und die Evakuierung aus Nordsiebenbürgen Vier Tage nach Bestätigung des Endes von Phleps – ungefähr am 12. Oktober 1944 – traf der e. B. in Budapest ein und meldete sich bei Volksgruppenführer Andreas Schmidt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Andreas Schmidt bereits den Sondereinsatz siebenbürgisch-sächsischer freiwilliger Fallschirmjäger hinter der Front mit den Dienststellen der Waffen-SS vereinbart.87 Auf seine Mitteilung hin erklärte sich der e. B. zu diesem Sondereinsatz bereit, der kurzfristig geplant war. Damals stand bereits fest, daß die betreffenden Freiwilligen keine Sprung­ ausbildung erhalten sollten, weil erfahrungsgemäß der erste Absprung der gefühlsmäßig sicherste sei. Diese Sicherheit im Absprung würde nach der ersten Probe erst im Verlauf einer längeren Ausbildung wieder erreicht. Diese zeitraubende Ausbildung aber konnte man sich zu jenem Zeitpunkt nicht mehr leisten. Bereits während des Rückzugs, auf dem ungarischen Gutshof im nördlichsten Zipfel Südsiebenbürgens, hatte sich Oberleutnant (später Hauptmann) Müller88 aus Agnetheln beim Stabe Phleps gemeldet, um siebenbürgische Freiwillige der Division „Brandenburg“ noch an der siebenbürgischen Front zum Einsatz zu bringen. Zu jenem Zeitpunkt hatte keine ernsthafte Möglichkeit bestanden, diese Freiwilligen nach Südsiebenbürgen zu schleusen. Auch in Neumarkt am Mieresch (Târgul Mureşului) war vom Ic des Stabes Phleps eine Anzahl von rund dreißig Waffen-SS Freiwilligen unter einem Untersturmführer89 (darunter etwa zwanzig Siebenbürger Sachsen) in das rückwärtige Frontgebiet auf rumänischer D (Juni 1941 - Juli 1942) und als solcher verantwortlich für den Tod von mindestens 90.000 Juden. Parallel auch Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium. Aussage im Prozess von Nürnberg, die sich durch Zynismus und Versuche, die Politik des Nazi-Regimes zu rechtfertigen, kennzeichnet. Als Kriegsverbrecher 1948 zum Tode verurteilt und 1951 hingerichtet. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Otto Ohlendorf; K l e e (wie Anm. 26), S. 443. 87 Ende September 1944 hat Heinrich Himmler Sturmbannführer SS Otto Skorzeny „nunmehr mit der Durchführung des Partisanenkriegs im rumänischen Raum in engster Fühlung mit dem deutschen Volksgruppenführer Andreas Schmidt beauftragt. Es handelt sich um den Einsatz besonders ausgesuchter und ausgebildeter Gruppen, die zusammen mit Leuten von H[oria] S[ima] in Aktion treten sollen.“ (PAAAB, R 101118, Inland II, geheim, Berichte und Meldungen zur Lage in und über Rumänien, Bd. 427, 1944-1945, E 025404. Telegramm Nr. 15 der Dienststelle Gesandter Altenburg vom 25. September 1944, gezeichnet Altenburg.) 88 Meint wahrscheinlich Otto Müller (1915-1996), Berufsoffizier, Siebenbürger Sachse aus Agnetheln. Trat im September 1940 in die Division Brandenburg, 8. Kompanie Lehrregiment Brandenburg ein. Im September 1944 wurden die Sondereinheiten der Division Brandenburg samt Personal vom Militärischen Amt des RSHA übernommen. Vgl. über ihn: freundliche Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. 89 Nimmt auf Walter Girg (1919-2010) Bezug, Ingenieur und SS-Offizier. SS-Beitritt am 1. Mai 1938 (Nr. 475383). Im Sommer 1944 in das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 502 versetzt, bestehend aus dem SS-Sonderverband „Friedenthal“. Als Befehlshaber des „Unternehmens Landfried“ mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Im November 1944 zum „SS-Jagdverband Mitte“ versetzt und mit dem Durchführen von Sonderoperationen an der Die Ereignisse vom 23. August 1944 215 Seite zur Frontaufklärung abkommandiert worden. Von dem ganzen Ziviltrupp, der z. T. einfach nur die deutsche Luftaufklärung bestätigte, kehrten aus dem Schäßburger und Hermannstädter Gebiet nur etwa drei-vier Mann – darunter der SS-Untersturmführer – zurück. Die Gruppe des SS-Untersturmführers war auf einem Bahnhof verhaftet worden. Eine rumänische Militärdienststelle hatte in kurzem Verfahren ihre Hinrichtung befohlen. Die deutsche Soldatengruppe wurde nackt ausgezogen und mit ungenau gezielten Schüssen zusammengeschossen. Der SS-Untersturmführer und zwei seiner Leute hatten sich tot gestellt. So konnte der Führer dieser Gruppe mit einem Mann entkommen. Zwei Männer einer gleichzeitig gestarteten Teilgruppe hatten sich bereits zwei Tage vorher im Stabsquartier Phleps gemeldet90. General Phleps beurteilte die sachlichen Ergebnisse dieses Frontaufklärungskommandos (das per Flugzeug aus Berlin nach Neumarkt a. M. gekommen war) als nicht überragend. Der SS-Untersturmführer, der bereits das EK II erworben hatte, erhielt von Phleps für tapferes Verhalten das EK I angeheftet. Als der SS-Untersturmführer bald darauf im Hauptamt der Waffen-SS das Ritterkreuz erhielt91, wunderte sich der Stab Phleps über diese hohe Auszeichnung. Nach diesem Sonderunternehmen entschloß sich die Waffen-SS zur Zusammenarbeit ihrer Fallschirmverbände mit der „Division Brandenburg“, worüber weiter unten noch zu berichten sein wird. Teildaten zur Evakuierung aus Nordsiebenbürgen: Der e. B. erstattete Volksgruppenführer Andreas Schmidt Bericht über die Maßnahmen der deutschen Herresgruppe in Siebenbürgen, welche der Evakuierung der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerung in diesem Gebiete dienten. Der e. B. hatte noch von Neumarkt a. M. aus mit dem taktischen Kolonnenraum des Stabes, den Phleps zur Verfügung stellte, einige hundert Menschen bis Bistritz transportieren können. Ein Teil der Bevölkerung machte sich im letzten Augenblick mit Trecks auf den Weg (11). Zu jener Zeit ereignete sich auch ein Zwischenfall mit einem deutschen Treck aus Südsiebenbürgen. Rumänische Flugzeuge mit deutschen Kennzeichen hatten diesen Treck durch Bordwaffenbeschuß zum größten Teil umgebracht. Das Begräbnis von Greisen, Frauen und Kindern fand auf einem Bergfriedhof bei Neumarkt am Mieresch statt. Ein einarmiger Ostfront in Schlesien in der Zeitspanne Januar - März 1945 beauftragt. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Walter Girg. 90 Nimmt auf das von SS-Untersturmführer der Reserve Walter Girg geleitete „Unternehmen Landfried“ Bezug. Von Himmler angeordnet, wurde es von einem Offizier, 4 Unteroffizieren und 50 Personen in der Zeitspanne 1.11. September 1944 durchgeführt. Die Operation sah ursprünglich das Eindringen in den Rücken der rumänischen Front und das Retten von Volksdeutschen durch Schleusen über die rumänisch-ungarische Grenze vor. Da jedoch die Grenzwacht durch rumänische Militäreinheiten verstärkt worden war, wurde das von Walter Girg geleitete Kommando auf drei Gruppen geteilt (Ost-, Mittel- und Westgruppe) und erhielt die Aufgabe, hinter der rumänischen Front bis zu den Pässen in den Südkarpaten einzudringen, um Informationen mit militärischem Charakter über die rumänischen und sowjetischen Truppen zu sammeln beziehungsweise Diversions- und Sabotageakte durchzuführen. Vgl. Bundesarchiv Berlin, SS-Offiziersakten Walter Girg. Vorschlag Nr. 3783 für die Verleihung des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes an SS-Untersturmführer Girg Walter, SS-Jägerbataillon 502, vom 27. September 1944, gez. Skorzeny; vgl. dazu die von Otto Skorzeny in den Verhören in alliierter Gefangenschaft mitgeteilten Angaben in: National Archives Kew, KV 2/403 – Otto Skorzeny, Headquarters US Forces European Theater, Interrogation Center APO 655, Annex No. IV, Individual Operations (Unternehmen), Date: 23. Juli 1945. Bester Dank gebührt Dr. Varga Attila für die Freundlichkeit, das Dokument in den britischen Archiven zu kopieren; vgl. auch Perry B i d d i s c o m b e : Prodding the Russian Bear: Pro-German Resistance in Romania, 1944-5. In: European History Quarterly 23 (1993), S. 196f.; d e r s .: The SS Hunter Batallions. The Hidden History of the Nazi Resistance Movement 1944-45. Stroud-Gloucestershire 2006, S. 124f. 91 Walter Girg wurde am 4. Oktober 1944 mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Walter Girg. 216 Ottmar Traşcă Wehrmachtmajor des Stabes Phleps und der e. B. waren bei diesem Begräbnis zugegen. Es hatte sich gefügt, daß SS-Freiwillige dieser siebenbürgischen Gemeinde ihre Dorfgenossen persönlich zu Grabe trugen. Spätere Erhebungen der evang. Landeskirche A. B. in Rumänien haben ergeben, daß aus Nordsiebenbürgen von der deutschen Wehrmacht damals rund 16.000 Siebenbürger Sachsen überwiegend in östliches Reichsgebiet evakuiert wurden, von denen nach Kriegsende rund 12.000 nach und nach wieder repatriiert worden sind. 3) Zusammenziehung von Volksgruppenangehörigen für den Einsatz in der alten Heimat Die letzte Zentrale der Volksgruppenführung im NS-Stil wurde im ersten Wiener Gemeindebezirk die Ersatzdienststelle Wien der Waffen-SS, Vorlaufstraße 3-5. Leiter dieser Dienststelle war Sonderführer im Rang eines SS-Hauptsturmführers Wilhelm Götz92 (früher Willy Nagy) aus Heldsdorf bei Kronstadt/Siebenbürgen. Aus den verschiedensten Einheiten der Waffen-SS meldeten sich Volksgruppenangehörige bei der Wiener Ersatzdienststelle, der auch die Truppenbetreuung der SS-Freiwilligen aus dem Südosten übertragen war. Diese Meldungen erfolgten, bevor in den Kreisen der Waffen-SS bekannt geworden war, daß sich Freiwillige Spezialeinheiten unter Skorzeny93 für den Einsatz hinter der ungarischen und rumänischen Front vorbereiteten. Im November 1944 etwa gewann die Planung für den Einsatz von Freiwilligen in die von der Roten Armee besetzten Südoststaaten klare Konturen. Für die „Landsmannschaft Rumänien“ entstand in Schloß Seebarn, nahe Korneuburg/Wien ein Ausbildungszentrum94. Diese Sondereinheit „Skorzeny“ wurde mit erfahrenen Aufklärungs- und Sabotagefachleuten der Division „Brandenburg“ durchsetzt95. Leiter und Kommandant der Sondereinheit „Rumä92 Wilhelm Götz (1911-?), Volksschullehrer und Mitglied der Volksgruppenführung. Tritt der SS am 1. Dezember 1939 (Nr. 429116) bei. Jugendführer in der DVR (1933-1939); Führer in der „Deutschen Mannschaft“ in Rumänien (1940-1941); Führer in der „Einsatzstaffel“ in Rumänien (1941-1943); in das SS-Hauptamt (ab 1. September 1943) versetzt; Leiter der Truppenbetreuung für die aus dem Südosten Europas kommenden Volksdeutschen der WaffenSS (seit 1. September 1943). Unterscharführer SS der Reserve (seit 21. April 1942); Untersturmführer SS der Reserve (seit 1. September 1943); Hauptsturmführer SS der Reserve (seit 1. Juli 1944). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Wilhelm Götz. 93 Otto Skorzeny (1908-1975), österreichischer Ingenieur und SS-Offizier. Studien an der Technischen Hochschule in Wien (1926-1931). Mitglied der NSDAP und SA in Österreich (seit 1932); Mitglied der „Leibstandarte SS Adolf Hitler“ seit 1940 (Nr. 295979). 1943 beauftragt, Sondereinheiten der SS beziehungsweise den SS Sonderverband V „Friedenthal“ zu gründen. Nimmt an einer Reihe von Sondereinsätzen teil, wie jener zur Befreiung von Benito Mussolini – „Unternehmen Eiche“ – oder die Operation „Panzerfaust“, in der der Sohn von Miklós Horthy gekidnappt wurde. Hat das „Unternehmen Greif“ geplant und geleitet, bei dem in amerikanische Uniformen gekleidete Sondereinheiten im Rücken der alliierten Front im Dezember 1944 - Januar 1945 während der Ardennen-Offensive eingeschleust wurden. Im September/Oktober 1944 stellte Skorzeny aus Sondereinheiten der SS sowie jenen der ehemaligen Division Brandenburg die sogenannten „SS-Jagdverbände“ zusammen, die in der Zeitspanne September 1944 - Mai 1945 eine Reihe Einsätze durchführten. In Nürnberg wegen Kriegsverbrechen angeklagt, wurde er freigesprochen. Ließ sich später für kurze Zeit in Argentinien nieder und zog dann nach Spanien. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Otto Skorzeny; K l e e (wie Anm. 26), S. 585f. 94 Vgl. dazu die von Otto Skorzeny beim Verhör in alliierter Gefangenschaft mitgeteilten Daten in: National Archives Kew, KV 2/403 – Otto Skorzeny, Headquarters US Forces European Theater, Interrogation Center APO 655, Consolidated Interrogation Report (CIR) No. 4, Subject: The German Sabotage Service, Date: 23. July 1945. 95 Zu Befehlen zur Aufstellung der sogenannten „SS-Jagdverbände“ beziehungsweise „SS-Jagdverband Nordwest“, „SS-Jagdverband Südwest“, „SS-Jagdverband Südost“, „SS-Jagdverband Ost“ und „SS-Jagdverband Mitte“, die unter dem Befehl von Otto Skorzeny standen, vgl. Bundesarchiv Berlin, NS 33-SS Führungshauptamt/8, Fol. 6-8. SSFührungshauptamt Amt II Org., Abt. Ia/II Tgb. Nr. 3473/44 g.Kdos vom 4. Oktober 1944 betreffend SS Jagdverbände, gez. Jüttner; Fol. 93. SS-Führungshauptamt Amt II Org., Abt. Ia/II Tgb. Nr. 4079/44 g.Kdos vom 8. November 1944 betreffend Kriegsgliederung der Sondertruppen der Reichsführung SS, gez. Jüttner; Fol. 99. SS-Führungshauptamt Amt II Org., Abt. Ia/II Tgb. Nr. 4214/44 g.Kdos vom 10. November 1944 betreffend Eingliederung des SS-Fallschirm- Die Ereignisse vom 23. August 1944 217 nien“ wurde der bereits erwähnte Hauptmann Müller aus Agnetheln/Siebenbürgen96, der die Freiwilligen für den Einsatz hinter der Front schulte. Abgesehen von den normalen SS-Fallschirmjägereinsätzen hinter der Front, in Rumänien, bestanden drei Pläne für Sonderunternehmen, an denen führende Amtswalter der Volksgruppenführung persönlich beteiligt waren. Die Vorbereitung dieser Sonderunternehmen des SD und SS-Hauptamtes der Waffen-SS erfolgte nur zum Teil im Schloß Seebarn bei Korneuburg. Es handelte sich wesentlich um folgende Unternehmen97: a) Volksgruppenführer Andreas Schmidt sollte allein, mit einer Anzahl von führenden Legionären Rumäniens, nördlich des Zeidner Waldes (Burzenland) abgesetzt werden, um einen Standort im Fogarascher Gebirge zu beziehen. Die Aufgabe dieses Sondertrupps bestand in der Aufklärung im rumänischen Heimatfrontgebiet und eventuell in bestimmten Sabotageaufträgen. b) Eine siebenbürgische Gruppe mit dem Amtsleiter für Presse und Propaganda, Walter May, Amtsleiter für Siedlungswesen, Richard Langer98, Landesjugendführer Wilhelm Depner99 sollten ebenfalls nördlich des Zeidner Waldes abgesetzt werden. Zu dieser Gruppe 96 97 98 99 jäger-Bataillons. 600 und der SS-Fallschirmjäger Feldausbildung Kompanie in die SS-Jagdverbände, gez. Jüttner. Betreffend Personal, Vorbereitung, Ausrüstung und Tätigkeit der „SS-Jagdverbände“ vgl. Perry B i d d i s c o m b e : The SS Hunter (wie Anm. 89), passim. Nimmt wahrscheinlich auf Hauptmann/Hauptsturmführer SS Otto Müller Bezug, Befehlshaber der „SS-Jagdeinsatz Rumänien“ aus dem „SS-Jagdverband Südost“, geleitet von Major/Sturmbannführer SS Fritz Benesch. In der Fachliteratur wurde als Befehlshaber der „SS-Jagdeinsatz Rumänien“ fälschlicherweise Hauptsturmführer SS Erich Müller angegeben, ein Vertrauter von Andreas Schmidt, der Führer der Einsatzstaffel der DVR (1941-1944) war. Laut den im Verhör von Otto Skorzeny gemachten Aussagen wurden die Sondereinsätze in Rumänien vom „SSJagdverband Südost“ in Zusammenarbeit mit dem Militärischen Amt des RSHA durchgeführt und hatten folgende Decknamen: 1. Operation „Gemsbock I-VI“, in der Zeitspanne Oktober - Dezember 1944, koordiniert vom SS-Jagdverband Südost. Im Rahmen dieser Operation sprangen Gruppen von 3–5 Volksdeutschen in Nordwest-Rumänien per Fallschirm ab. Mit Rundfunk-Apparatur ausgestattet, sollten sie Kontakt herstellen zu dem nach dem Abzug der deutschen Truppen verbliebenen deutschen Nachrichtennetz. Alle Fallschirmspringer wurden verhaftet außer zweien. 2. Operation „Steinbock I-III“, in der Zeitspanne Oktober - Dezember 1944 ebenfalls vom SS-Jagdverband Südost koordiniert. In ihrem Rahmen sprangen Legionäre nördlich von Bukarest mit dem Fallschirm ab mit dem Ziel, die Legionärsbewegung zu stärken. 3. Operation „Regulus I-VI“, in der Zeitspanne November 1944 - Januar 1945, von der Frontleitstelle II Südost (der Nachfolgerin der Abteilung II der Abwehrstelle Wien) koordiniert. Die aus Volksdeutschen und Legionären gebildeten Fallschirmspringergruppen hatten den Auftrag, den Kontakt zur rumänischen Armee und der antisowjetischen Widerstandsbewegung herzustellen. Diese Operation hatte Andreas Schmidt als Hauptprotagonisten. Vgl. dazu National Archives Kew, KV 2/403 – Otto Skorzeny, Headquarters US Forces European Theater, Interrogation Center APO 655, Annex No. IV, Individual Operations (Unternehmen), Date: 23. Juli 1945; KV 3/200-Leitstelle II Südost. Counter Intelligence War Room, Liquidation Report No. 110, Leitstelle II Südost, Date: 8. Oktober 1945. Dieser Bericht erwähnt auch das Bestehen einer Operation „Gill“ als Fortsetzung der Operation „Regulus“, die die Errichtung eines starken Radiosenders neben Kronstadt zum Ziel hatte, wobei die Operation im März 1945 stattfinden sollte. Vgl. auch B i d d i s c o m b e : Prodding the Russian Bear (wie Anm. 89), S. 208; und d e r s . : The SS Hunter Batallions (wie Anm. 89), S. 139f., 145. Richard Langer (1903-1989), Mitglied der Volksgruppenführung. Landwirtschaftsstudien in Deutschland (19291934). Initiator der Siedlungsbewegung „Hermannshof“ in Siebenbürgen; Amtsleiter für Siedlungswesens und „Großeinsatz der Heimatfront“ in der Volksgruppenführung und naher Mitarbeiter von Andreas Schmidt (19401944). Stellt sich nach dem 23. August 1944 freiwillig der Fallschirmspringeraktion in Rumänien zur Verfügung und springt am 3. Januar 1945 ab. Wird gefangen genommen, es gelingt ihm jedoch, nach Deutschland zu fliehen. Später Tätigkeit bei der Bodenprüfstelle der Landwirtschaftlichen Hochschule von Hohenheim und maßgeblicher Beitrag zur Gründung des Heimathauses Siebenbürgen in Gundelsheim. Vgl. über ihn: freundliche Mitteilung de Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg. Wilhelm „Willi“ Depner (1916-1982), Mitglied der Volksgruppenführung. Theologiestudium (nicht abgeschlossen). Landesjugendführer der „Deutschen Jugend in Rumänien“ (Januar 1938 - 1. März 1939); stellvertretender (1. März 1939 - Mai 1940) und Landesjugendführer in der DVR (Mai 1940 - 23. August 1944); enger Mitarbeiter von An­dreas Schmidt. Gehörte der Fallschirmspringer-Gruppe an, die am 24./25. Dezember 1944 über Rumänien absprang. 218 Ottmar Traşcă zählten noch: Hauptabteilungsleiter für Propaganda, Hans Kastenhuber100 und Hauptabteilungsleiter, Sportlehrer am Honterus-Gymnasium, Albrich101. c) Eine dritte Gruppe von Banater Freiwilligen der Volksgruppenführung sollte in der Nähe der Ortschaft Wolfsberg (Gebiet von Deva-Diemrich), am Nordhang der Südkarpathen, abgesetzt werden, um im rumänischen Banat Aufträge durchzuführen. Leiter dieser Sondergruppe war der Amtsleiter und stellv. Chef im Landesbauernamt, Sepp Komanschek, Teilnehmer waren ferner der SS-Untersturmführer Christian Bloser102, sowie ein zweiter SS-Untersturmführer aus der SA-Führung der Volksgruppe, Kreisleiter Matz Stein103, nebst Unterführern und Funkern. Außerdem war dem e. B. ein Sondereinsatz im altrumänischen Gebiet südlich der Karpathen zugedacht. Neben dem e. B. als Leiter des Unternehmens „Libelle“ sollten lediglich noch der SS-Rottenführer Ludwig Illesy104, sowie der Funker Konrad Hermann105 teilnehmen. Arbeitsziel dieser Gruppe war Bukarest, vor allem unter jüdischen Kreisen. Insbesondere Illesy besaß in Bukarest ausgezeichnete jüdische Beziehungen und wurde darum von e. B. 100 101 102 103 104 105 Von den rumänischen Behörden in Hermannstadt am 11. Mai 1945 gefangen genommen, wurde er den Sowjets übergeben und in die UdSSR gebracht. In mehreren Gefängnissen und Lagern des Gulags, am 7. Dezember 1955 nach Rumänien entlassen. Ausreise in die Bundesrepublik am 27. Mai 1961, war später im Bayerischen Roten Kreuz tätig. BB, BDC, SM Akten Willi Depner; P e t r i (wie Anm. 76), S. 309f. Hans Kastenhuber (1913-?), Lehrer, Mitglied der Volksgruppenführung. SS-Mitglied seit dem 9. November 1941. Gaustellenleiter für Presse und Propaganda beziehungsweise Leiter der Hauptabteilung Propaganda des Amtes für Presse und Propaganda in der Führung der DVR (1940-1944). Mitglied des „SS Jagdverband Nordwest“ (ab 14. August 1944). Am 3. Januar 1945 per Fallschirm in Rumänien abgesprungen, bleibt er bis 1947 im Land und flüchtet dann nach Österreich. Vgl. über ihn: Bundesarchiv-Lastenausgleichsarchiv Bayreuth, Ost-Dok. 2 (Erlebnisberichte zur Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mittel-Europa), 347, Fol. 225-227. „Protokoll“ Hans Kastenhuber vom 20. September 1952 (fortan: BLB). Gerhard Albrich (1902-?), Mitglied der Volksgruppenführung. Architekturstudium in Wien und Sportstudium an der Universität Bukarest; Sportlehrer an der Honterusschule in Kronstadt (1934-1944); „Volksgruppenleiter für Sport und Erziehung“ in der DVR (1940-1944). Rückzug im August 1944 mit den anderen Mitgliedern der Volksgruppenführung, wird in Wien auf den Fallschirmabsprung in Rumänien vorbereitet. In der Gegend von Zeiden am 24./25. Dezember 1944 abgesprungen, 1945 im Banat gefangen genommen und in die UdSSR deportiert. Nach der Gefangenschaft 1955 nach Rumänien zurückgekehrt, siedelt er 1965 in die Bundesrepublik aus, wo er Trainer für Kunstturnen wird. Vgl. über ihn: freundliche Mitteilung des Siebenbürgen-Instituts an der Universität Heidelberg. Christian Bloser (1913-?), Zahntechniker, Mitglied der DVR. Tritt 1942 in die SS ein (Nr. 477594). Stabsleiter der „Deutschen Mannschaft“ im Banat (1941-1944). Nach dem 23. August 1944 flüchtet er nach Deutschland, wird am 15. Dezember 1944 in den „SS-Jagdverband Südost“ versetzt. Im Januar 1945 mit dem Fallschirm im Banat abgesprungen, stirbt er am Absprungsort infolge einer Kopfverletzung. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Christian Bloser; P e t r i (wie Anm. 76), S. 159. Matthias Stein (1911-?). Kaufmann, Buchhalter und Mitglied der DVR. Buchhalter bei der Genossenschaft in Neupetsch. Hauptamtlich bei der DVR tätig (1940-1944); Leiter des Kreises Prinz Eugen (1944). 1942 Eintritt in die SS (Nr. 477566). Offizier in der 9. SS Panzerdivision „Hohenstaufen“ (1. März - 23. Mai 1944, 1. - 24. Oktober 1944), nimmt am Feldzug in die UdSSR und nach Frankreich teil. In die Stabskompanie beim Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle versetzt (23.Mai - 30. September 1944), danach in den „SS-Jagdverband Südost“ (ab 24. Oktober 1944). Im Januar 1945 mit dem Fallschirm im Banat abgesprungen, von den Sowjets verhaftet und seither vermisst. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Matthias Stein; P e t r i (wie Anm. 76), S. 1858f. Konnte unter diesem Namen nicht identifiziert werden. In den in der Deutschen Dienststelle (West-)Berlin aufbewahrten Unterlagen gibt es zwei Personen mit dem Namen Illesy, die aus Hermannstadt stammen: Karl Illesy, am 14. Mai 1919 geboren, beziehungsweise Kurt Otto Illesy, am 19. Oktober 1920 geboren. Meiner Meinung nach bezieht sich Otto Liess auf Kurt Otto Illesy, da dieser in der Zeitspanne November/Dezember 1944 in einem Kriegslazarett in Wien interniert war und nachher zu seiner Einheit der 8. SS Kavalleriedivision „Florian Geyer“ geschickt werden sollte. Da diese Einheit in Budapest eingekesselt worden war, konnte Illesy für die Fallschirmabsprung-Aktion in Rumänien zur Verfügung stehen. Konrad Hermann (1924-?), Funker. Unterscharführer SS der Reserve. Weitere biografische Daten fehlen. Vgl. über ihn: BB, BDC, SM/SS-Unterführer Akten Konrad Hermann. Die Ereignisse vom 23. August 1944 219 diesem Unternehmen beigezogen. Die Besonderheit dieses Unternehmens bestand ferner darin, daß „Libelle“ in einer großen Aluminiumkugel abgesetzt werden sollte, um das Risiko jedes einzelnen Teilnehmers herabzumindern. Das heißt entweder kamen alle drei Teilnehmer lebend und gesund im Einsatzgebiet an – oder, es hieß „Helm ab zum Gebet“, wie sich ein Teilnehmer des Unternehmens drastisch ausdrückte. V. Fallschirmjäger-Einsätze der deutschen Volksgruppenführung Rumäniens zwischen November 1944 und März 1945 1) Gemeinsamer Einsatz Andreas Schmidts mit rumänischen Legionärsführern Am 10. November 1944 verabschiedete sich Volksgruppenführer Andreas Schmidt von e. B., um am gleichen Abend, gemeinsam mit dem Legionärskommandanten Stoicănescu106 und einigen anderen Freiwilligen der Eisernen Garde Codreanus107 über Südsiebenbürgen abgesetzt zu werden. Während der Wartezeit bis zum Einsatz beobachtete der e. B. eine Art seelischer Erstarrung bei Andreas Schmidt, der die Entwicklung voraussah und sie doch nicht wahrhaben wollte. Seine persönliche Meldung zu dem Sondereinsatz in Rumänien war von Anbeginn umstritten. Doch jedermann unter uns spürte, daß Andreas Schmidt mit diesem Himmelsfahrtskommando eine Sühnetat vorhatte, die man ihm als Freund und Kamerad nicht ausreden durfte. Wenige Tage nach dem Abflug von Andreas Schmidt führte der e. B. im SS-Hauptamt (Rotschildpalais) ein Gespräch mit kompetenten SS-Führern über den letzten Heimateinsatz von Andreas Schmidt. Die Gesprächsteilnehmer erklärten die Meldung Andreas Schmidts zum Sondereinsatz einhellig als „Schnapsidee“, weil Schmidt über hunderttausende von Pressephotos fast jedem Zeitungsleser Rumäniens bekannt sein müsse. Ablauf des Sondereinsatzes von Andreas Schmidt: Zufolge laufender Unterrichtung durch die zuständige Dienststelle der Waffen-SS in Wien 18, Weimarerstraße (im Haus eines vor den Bombenangriffen geflüchteten Schweizer Staatsbürgers), stellt sich das Sonderunternehmen Andreas Schmidt in seinem Ablauf, wie folgt, dar: 106 Constantin Stoicănescu (1908-?), rumänischer Politiker, stellvertretender Führer der Legionärsbewegung und Leiter der Legionärsarbeit (1940-1941). Nach der Rebellion der Legionäre von Januar 1941, Flucht ins Reich. Zusammen mit Andreas Schmidt am 10. November 1944 mit dem Fallschirm in Rumänien abgesprungen, organisiert er den prodeutschen Widerstand mit. Im Februar 1945 wurde das Flugzeug, in dem er zusammen mit Andreas Schmidt nach Deutschland flog, um über den Stand der Vorbereitungen in Rumänien zu berichten, von rumänischen Jagdfliegern zur Landung bei Debrecen gezwungen (auf Grund von Informationen, die der von den Sowjets verhaftete Funker Dr. Alexandru Ţăranu preisgegeben hatte). Nach der Gefangennahme wurden Stoicănescu und Schmidt nach Moskau gebracht und verhört. Constantin Stoicănescu starb kurze Zeit nach der Gefangennahme an den während der Notlandung zugezogenen Verletzungen. Vgl. über ihn Horia S i m a : Guvernul Naţional Român de la Viena [Die nationale rumänische Regierung in Wien]. Timişoara 1998. 107 Corneliu Zelea Codreanu (1899-1938), rumänischer Anwalt und Politiker. Jura- und Wirtschafsstudien in Jassy/ Iaşi, Berlin, Jena und Grenoble. Gründer, zusammen mit A. C. Cuza, der nationalistischen „Liga der NationalChristlichen Verteidigung“ (LANC), aus der die rechtsextremistische Bewegung „Legion des Erzengels Michael“ (Legiunea Arhanghelul Mihail) hervorging, die im politischen Leben unter dem Namen Eiserne Garde, und nach deren Verbot 1932, als Partei „Alles für das Land“ (Partidul Totul Pentru Ţară) agierte. 1931 zum Abgeordneten gewählt, wurde Codreanu unter verschiedenen Vorwänden verhaftet und ins Gefängnis gebracht. König Carol II. betrachtete ihn als Gefahr für sein autoritäres Regime und die interne Stabilität des Landes. Codreanu wurde im Mai 1938 wegen „Hochverrat und Anregung zur Aufwiegelung“ zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt, im November desselben Jahres jedoch auf direkten Befehl des Königs ermordet. Grigore Traian P o p : Mişcarea legionară. Idealul izbăvirii şi realitatea dezastrului [Die Legionärsbewegung. Das Ideal der Erlösung und die Realität des Desasters]. Bucureşti 1999, S. 111-149. 220 Ottmar Traşcă In der Nacht vom 10. auf den 11. November mußte das Flugzeug von Andreas Schmidt mit seinen Insassen wegen Motorschadens eine Bruchlandung in einem sumpfigen Gelände Südungarns vornehmen. Die SS-Freiwilligen kamen heil zu Boden und Andreas Schmidt legte eine Strecke von etwa 170 km bis zu dem befohlenen Standort im Fogarascher Gebirge zu Fuß zurück.108 Am Ostersonntag 1945 erfuhr der e. B. von SS-Sturmbannführer Erich Müller109, daß Andreas Schmidt etwa Mitte März 1945 – gemeinsam mit einem rumänischen LeutnantPiloten der Luftwaffe – vom Kronstädter Flugplatz aus den Versuch unternommen habe, den Westen zu erreichen. Dieses Flugzeug wurde über Miskolcz (Ungarn) zur Landung gezwungen, wobei Andreas Schmidt beide Beine brach110. Im Militärlazarett von Miskolcz identifizierte man Andreas Schmidt. Späterer Nachrichten zufolge, unternahm Amtsleiter Walter May den waghalsigen und hoffnungslosen Versuch, Andreas Schmidt aus dem Lazarett zu befreien. Dieser Befreiungsversuch mißglückte. Andreas Schmidt wurde nach Moskau abtransportiert, wie das übrigens zur gleichen Zeit auch mit dem Legionärskommandanten Stoicănescu geschehen war. Die nächste Nachricht über das Befinden von Andreas Schmidt erreichte den e. B. durch einen landsmännischen Heimkehrer in Salzburg, 1953. Dieser Heimkehrer teilte mit, Andreas Schmidt sei 1952 in einem KZ-Lager des Donbass an offener TBC in den Armen eines legio108 Die von Andreas Schmidt geleitete Fallschirmspringergruppe, der auch andere Legionäre angehörten, wie Nicolae Pătraşcu, der Generalsekretär der Legionärsbewegung, Nistor Chioreanu, der Leiter der Organisation für die Region Siebenbürgen, Ilie Colhon, der Leiter im Kreis Alba, flog in einem deutschen Flugzeug in der Nacht vom 5. zum 6. Oktober vom Flughafen Wiener Neustadt ab und sollte in der Gegend von Hermannstadt abspringen. Wegen Nebels beschloss Andreas Schmidt, das Abspringen zu vertagen. Die Vereisung ließ die Maschine beim Rückflug zu schwer werden, so dass Ausrüstungsgegenstände von Bord geworfen wurden und in Ungarn, hinter den rumänisch-sowjetischen Linien, abgesprungen wurde. Als letzter sprang der Pilot, kurze Zeit darauf zerschellte das Flugzeug am Boden. Der Pilot und ein Begleiter gelangten zu den deutschen Linien und berichteten, dass der Absprung von den Sowjets beobachtet worden und zwei der Fallschirmspringer von diesen getötet worden seien, vgl. PAAAB, R 100946, Inland II geheim, Bd. 260, Akten betreffend Volksdeutsche: Rumänien, Evakuierung und Lage 1941-1945, E 475958. Inland II 707 gRs. Vortragsnotiz vom 19. November 1944, gez. Wagner. Beim Verhör am 22. März 1945 in Moskau berichtet Andreas Schmidt über einen anderen Hergang:. Das am 7. November 1944 gestartete Flugzeug sei in der Region Arad von sowjetischen Raketen getroffen worden und in Brand geraten; aus diesem Grund habe man die Rückkehr nach Wien beschlossen. Als die Passagiere jedoch den Schaden am Flugzeug bemerkten und feststellten, dass eine Notlandung in der sowjetisch kontrollierten Gegend nötig sei, haben Andreas Schmidt, Nicolae Pătraşcu und Ilie Colhon beschlossen, mit dem Fallschirm rund 120 km von Budapest entfernt abzuspringen. Nachher seien auch die anderen Mitglieder der Gruppe abgesprungen, nach der Landung habe der Pilot und ein Mitglied der Gruppe namens Sedlacek die deutsche Frontlinie erreicht. Vgl. Das „Verhörsprotokoll des Verhafteten Andreas Schmidt“ vom 22. März 1945, an das Staatskomitee für Verteidigung, Genossen Stalin, gerichtet (Gosudarstvennyj Arhiv Rossijskoj Federacii (fortan: GARF), Fond 9401, opis 2, Dossier 94, Bl. 205). Mein Dank gebührt Claudiu Secaşiu, der mir diese Quelle freundlicherweise zur Verfügung stellte. 109 Erich Müller (1913-?), Ingenieur und SS-Offizier, Mitglied der Volksgruppenführung und enger Mitarbeiter von Andreas Schmidt. SS-Beitritt am 1. November 1939 (Nr. 413724). Führer und Vormann (ab 1942) der Einsatzstaffel der DVR (1941-1944). Meldet sich 1941 freiwillig zur 1. SS Panzergrenadierdivision „Leibstandarte Adolf Hitler“, wird Zugführer und nimmt an den Operationen an der Ostfront teil (1941-1943). Ins SS-Hauptamt (seit 10. Juni 1943), dann in die Volksdeutsche Mittelstelle (am 1. Juli 1944) versetzt. Untersturmführer SS der Reserve (vom 30. Januar 1942); Obersturmführer SS der Reserve (seit 30. Januar 1943); Hauptsturmführer SS der Reserve (seit 5. Juli 1943). In seine SS Offiziersakten wurde kein Eintrag über eine Beförderung zum Sturmbannführer SS der Reserve gefunden. Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Erich Müller. 110 Den im Verhör gemachten Aussagen zufolge wurde Andreas Schmidt von den Sowjets in der Gegend von Debrecen am 9. Februar 1945 verhaftet, nachdem das vom rumänischen Piloten Dumitru Marinescu gesteuerte Flugzeug auf dem Weg nach Wien von rumänischen Jagdfliegern zur Landung gezwungen worden war. Andreas Schmidt reiste unter dem falschen Namen „Gefreiter Bârsan“ zusammen mit Constantin Stoicănescu. Bei der Landung schwer verwundet, wurden beide nach Moskau gebracht und vom NKWD verhört. Vgl. GARF, Fond 9401, opis 2, Dossier 94, Bl. 184f. „Verhörprotokoll des Verhafteten Andreas Schmidt“ vom 22. März 1945. Die Ereignisse vom 23. August 1944 221 nären Freundes verstorben.111 Diejenigen Mitteilungen aber gehören zur Legendenbildung, welche behaupten, Andreas Schmidt habe noch ca 1951 als halbfreier und halbfreiwilliger „Berater“ der Sowjets in Moskau gelebt und unter Hammer und Sichel eine Nachkriegskarriere begonnen (12). Sonderunternehmen b) und c) in der Durchführung: In den ersten Januartagen erfolgte der Abflug zum Fallschirmeinsatz von Walter May, Richard Langer usw. nach Siebenbürgen. In diesem Falle erfolgte die Landung programmgemäß nördlich des Zeidner Waldes.112 Aber es wäre tatsächlich ein Wunder gewesen, wenn in den letzten Kriegstagen nicht interne Streitigkeiten, feindliche Infiltrationen und schließlich Verrat zur Verhaftung dieser Gruppe geführt hätten. Lediglich Richard Langer und Hans Kastenhuber konnten sich in der Folge vor einer Verhaftung bewahren, von der auch diese beiden unmittelbar bedroht waren. Die übrigen SS-Freiwilligen für Siebenbürgen wurden – einschließlich des Gewerkschaftsführers Fritz Kloß113 (der im Lande verblieben war), des Hauptmanns Roland Gunne114 und einiger anderer – festgenommen und mit Andreas Schmidt selbst in die Sowjetunion deportiert. Kurz vor der Gefangennahme der ganzen Gruppe – beiläufig im März 1945 – verfehlte auch noch eine Nachschubsendung per Flugzeug die Empfänger, weil die Abwurfstelle nicht genau eingehalten worden war. So gelangte z. B. der Teil eines großen Sackes mit Lei-Noten in die Hände der Zigeunern. Die für das Banat vorgesehene Fallschirmgruppe unter Amtsleiter Sepp Komanschek wurde wenige Stunden nach ihrer Landung bei Wolfsberg von rumänischen Sicherheitsorganen festgenommen und sogleich scharfen Verhören unterzogen. Bereits beim Abprung 111 Andreas Schmidt starb unter unaufgeklärten Umständen 1948 im Lager Workuta. Die Gruppe, der Walter May, Wilhelm Depner, Gerhard Albrich, Helmuth Roth und zwei Funker angehört haben, sprang am 25. Dezember 1944 ab. Vgl. GARF, Fond 9401, opis 2, Dossier 94, Bl. 216. „Verhörsprotokoll des Verhafteten Andreas Schmidt“ vom 22. März 1945. Die andere, über Siebenbürgen abgesprungene Gruppe, der Hans Kastenhuber, Richard Langer, Oswald Schuster, Sedlacek, Horst Witting und ein Legionär-Funker angehörten, sprang am 3. Januar 1945 ab. Vgl. GARF, Fond 9401, opis 2, Dossier 94, Bl. 216-217. BLB, Ost-Dok. 2 (Erlebnisberichte zur Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mittel-Europa), 347, Fol. 225-227. „Protokoll“ Hans Kastenhuber vom 20. September 1952. 113 Richtig Friedrich Cloos (1909-2004), Mitglied der Volksgruppenführung, enger Mitarbeiter von Andreas Schmidt. Landesjugendführer der Deutschen Volkspartei in Rumänien (1937-1938); in der Zentrale der Deutschen Arbeitsfront tätig (Juli 1939 - Oktober 1940); Amtsleiter und Leiter der Deutschen Arbeiterschaft in Rumänien (1940-1944); Leiter des Kreises „Banater Bergland“ (1943-1944). Blieb nach dem 23. August 1944 in Rumänien, wirkte im Untergrund mit den aus Wien entsandten Fallschirmspringern zusammen. Von den rumänischen Behörden im März 1945 festgenommen, wurde er den Sowjets übergeben. Nach Moskau gebracht, von einem Sonder-Gerichtshof am 30. November 1946 zu 20 Jahren Gefängnis und Beschlagnahmung des Eigentums verurteilt. Die Strafe wurde später auf 15 Jahre Gefängnis reduziert. Im Dezember 1955 nach Rumänien entlassen, reiste er 1961 in die Bundesrepublik aus. Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 266f. 114 Roland Gunne (1913-2005), Mitglied der DVR. Schriftleiter für Politik und Wirtschaft bei der „Deutschen Tageszeitung“ Kronstadt und Presseschef der Landesjugendführung der DVR (1935-1939); Organisationsleiter der DVR (seit Juli 1941). SS-Beitritt am 13. September 1939 (Nr. 456012); in das SD-Amt VI versetzt und nach Rumänien mit nachrichtendienstlichen Aufträgen geschickt (1940-1941); Freiwilliger an der Ostfront in der „Leibstandarte Adolf Hitler“ (1941-1942) beziehungsweise der „SS-Korps-Werfer Abteilung 102“ (1943-1944); in das RSHA versetzt (ab 20. Mai 1944); „Kommandeur des deutschen Abwehrkommandos im rumänischen Erdölgebiet“ (20. Mai - 20. August 1944). Nach dem 23. August 1944 von den Sowjettruppen verhaftet, wurde er 1946 in Moskau wegen Spionage zu 20 Jahren Haft verurteilt. In mehreren Lagern und Gefängnissen, einschließlich Workuta, am 16. Oktober 1955 entlassen. Untersturmführer SS der Reserve (seit 18. März 1943); Obersturmführer SS der Reserve (seit 20. April 1944); Hauptsturmführer SS der Reserve (seit 21. Juni 1944). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Roland Gunne; Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. 112 222 Ottmar Traşcă in der schneebedeckten Hochebene hatte Sepp Komanschek ein Bein gebrochen. Christian Bloser schlug beim Niedergehen mit dem Kopf einige Male an einen hohen Leitungsmast und landete als Toter. Der ehemalige Kreisleiter und SA-Führer Matz Stein blieb unverletzt. Trotzdem konnte keiner der Fallschirmjäger den kommunistischen Häschern entkommen.115 2) „Landsmannschaft Rumänien“ der Sondereinheit „Skorzeny“ in Seebarn bei Korneuburg/Wien Das geplante Unternehmen „Libelle“ sollte spätestens im März 1945 starten, wurde jedoch wegen Spritmangel für Flugzeuge „bis auf weiteres“ verschoben. Schließlich drängte der e. B. im April 1945 auf seinen Auftrag und blieb aus diesem Grunde während des Rückzugs aus dem Wiener Becken beim „Haufen“. Ein Teil der Sondereinheit „Skorzeny“ wurde noch etwa drei Wochen vor Kriegsende zu einer Art Probeeinsatz in die Tschechoslowakei kommandiert, wo ein Frontstück von rumänischen Truppen besetzt war. Nach verhältnismäßig geringen Verlusten kehrte die abkommandierte Kampfgruppe zur Einheit des Hauptmanns Müller zurück, die ihr Gros inzwischen nach Waidhofen/Ybbs verlegt hatte. Der Bericht unserer SS freiwilligen Landsleute über den Fronteinsatz in der Slowakei lautete u. a. dahingehend, die rumänischen Soldaten hätten eine abgesprengte Skorzenygruppe im Feindgelände mit „Kamerad, Kamerad!“ begrüßt und die Männer zurück auf die deutsche Seite gewiesen. Von „Feinden“ konnte selbst im ersterbenden Krieg bei den Rumänen keine Rede sein. Für den gutgläubigen Soldatentyp der Volksgruppenangehörigen in der Waffen-SS kam das Kriegsende überraschend. Zwar hatten schon in Seebarn bei Korneuburg von der SSDivision „Adolf Hitler“116 desertierende jugendliche „Versprengte“ dem Blindgläubigsten demonstriert, daß für den kleinen Soldaten das bittere Ende näher kam. Doch erst in Waidhofen an der Ybbs, gegen Ende April 1945, befahl der Einheitsführer die Besorgung von „harmlosen“ Soldbüchern, gefälschten Zivilausweisen, Zivilkleidern usw. Einen Teil dieser Utensilien hatte der e. B. in Kremsmünster, Linz, Waidhofen usw. zu beschaffen. Teilweise mangelte es an Markbeträgen, so daß der e. B. versuchte, in Stift Kremsmünster das dringend angeforderte Geld zu besorgen. Die Vertreter des dorthin evakuierten SS-Hauptamtes des SD verwiesen den e. B. an (inzwischen) SS-Obersturmführer Mathias Liebhardt, an den Kassenwart der Volksgruppe, Hans Ehrmann117 u. a., die jedoch „zufällig“ in Linz und anderswo weilten. Um in den äußersten Zipfel der Südsteiermark vorzustoßen, wurde der e. B. als Ziviltruppführer – zwecks Ausrüstung mit falschen Papieren usw. – kurz vor Kriegsschluß nach Linz a. D. geschickt, wo er in der SD-Dienststelle noch ein kurzes Gespräch mit SS-Standartenführer Skorzeny118 führte. Von dort gelangte der e. B. über die inzwischen im Berggelände aufgeteilten Gruppen der Landsmannschaft Rumänien, nach Graz und von dort in das Gebiet nahe der jugoslawischen Grenze, wo ihn das Kriegsende überraschte. Zuletzt sollte das 115 Die Gruppe, der Sepp Komanschek, Christian Bloser und Mathias Stein angehört haben, wurde im Januar 1945 abgeworfen, nach kurzer Zeit von den rumänischen Behörden gefangen und später den Sowjets übergeben. Vgl. GARF, Fond 9401, Opis 2, Dossier 94, Bl. 184-185. „Verhörsprotokoll des Verhafteten Andreas Schmidt“ vom 22. März 1945; Archiv des Nationalrats für das Studium der Securitate-Unterlagen (CNSAS), Fond D, Dossier Nr. 14953, Bl. 122, 207. 116 Gemeint ist die 1. SS-Panzer-Division „Leibstandarte Adolf Hitler“. 117 Hans Ehrmann (?-?), Mitglied der Volksgruppenführung. Amtsleiter für Finanzwesen und Landesschatzwart (1941 - 23. August 1944). Nach dem 23. August 1944 nach Deutschland geflüchtet. Weitere biographische Daten unbekannt. 118 Zu Kriegsende war Otto Skorzeny nur Obersturmbannführer SS (seit 15. Oktober 1944). Die Ereignisse vom 23. August 1944 223 Unternehmen „Libelle“ im Fußmarsch quer durch Ungarn bewältigt werden. Der 8. Mai 1945 vereitelte eine sinnvolle Durchführung des Auftrages. 3) Kriegsende und Einzelschicksale von Mitgliedern der deutschen Volksgruppenführung Rumäniens Rückblickend läßt sich feststellen, daß der Großteil der Volksgruppenangehörigen und Amtswalter aus Rumänien auch während der letzten Kriegstage eine saubere Haltung einnahmen. War es doch schließlich dem Drängen von Andreas Schmidt und einigen seiner nächsten Freunde zuzuschreiben, daß der letzte soldatische Einsatz im Verband Skorzenys zur Rettung der Heimat unternommen wurde. Von Anbeginn ein verzweifeltes Wagnis, wird man diese letzte freiwillige Bereitschaft der Männer um Andreas Schmidt mindestens als Zeichen persönlichen Verantwortungswillens zu werten haben. Neben den Dienstwilligen gab es in den letzten Tagen und nach dem bitteren Ende selbstverständlich auch „Kriegsverdiener“. Der e. B. entsinnt sich etwa der widerwärtigen Szenen, da Liebhardt und Genossen ein Köfferchen voller Schweizer Franken und US-Dollars fluchtartig vor den eigenen Landsleuten und Einheitsangehörigen „in Sicherheit“ brachten. Nach Kriegsende betrieb diese Gruppe z. B. in Belgien große Schleichgeschäfte, u. a. sogar mit der UNRRA119, bis die Gelder durchgebracht waren. In Richtung Italien überquerte z. B. ein Pkw mit großen Beträgen „der Volksgruppe“ die Alpen. Einer der beiden mitfahrenden Amtswalter gelangte später nach Rom, wo er die Beträge in Gesellschaft einer italienischen „Gräfin“ bis zum letzten Dollar vergeudete und schließlich im Gefängnis landete – wegen unbezahlter Wirtshausschulden. Wieviel Nachkriegsnot hätten diese Devisen lindern können, wenn sie ehrlich unter sämtlichen heimatvertriebenen Volksgruppenangehörigen und Amtswaltern aufgeteilt worden wären! So blieb es einigen wenigen üblen Subjekten vorbehalten, den Ruf eines opferwilligen Stammes und seiner gutgläubigen Führung zu schädigen und der zynischen Parole „Reich ins Heim“ zu folgen. Bemerkenswerterweise verwehten diese Menschen und ihre errafften Reichtümer sehr bald wie Spreu im Wind. Im Zusammenhang mit persönlichen Schicksalen in der Beurteilung der individuellen Haltung von Heimatgenossen sei noch erwähnt: Nicht bloß einige SD-Angehörige in Wien hatten bereits vor Kriegsende Kontakt mit dem britischen Secret Service aufgenommen120, sondern auch die im Wiener Hotel Imperial tagende Exilregierung Horia Simas121. Wie dem 119 The United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA), 1943 gegründete Organisation, seit 1945 Teil der Vereinten Nationen. Nimmt wahrscheinlich auf die in den letzten Kriegsjahren aufgenommenen Beziehungen von Sturmbannführer SS Wilhelm Höttl, dem Leiter der Abteilung Balkan im Amt VI – Ausland des RSHA, zu den Geheimdiensten der Alliierten Bezug. Vgl. Walter H a g e n (Pseudonym von Wilhelm H ö t t l ): Die geheime Front. Organisation, Personen und Aktionen des deutschen Geheimdienstes. Linz, Wien 1950, S. 455f.; Wilhelm H ö t t l : Einsatz für das Reich. Koblenz 1997, S. 340f. 121 Horia Sima (1907-1993), rumänischer Politiker. Jura-, Philologie- und Philosophiestudien, Mitglied der Eisernen Garde seit 1927. 1938-1940 Führungsämter in der Eisernen Garde, von Corneliu Zelea Codreanu als möglicher Nachfolger genannt. Flüchtet nach Deutschland, nachdem die rumänischen Behörden 1938-1939 Maßnahmen gegen die Garde trafen, von wo er 1940 im Geheimen nach Rumänien zurückkehrt. Beim Grenzübergang verhaftet, akzeptiert Sima die Zusammenarbeit mit dem Regime von König Carol II. und ist für kurze Zeit Kultur- und Kunstminister im Kabinett Ion Gigurtu. Rücktritt am 8. Juli 1940 aus Protest gegen die geplanten Gebietsabtretungen. Organisiert gleichzeitig Aktionen, um den König zum Abdanken zu bringen. Im September 1940 zum Führer der Eisernen Garde ernannt, wird er stellvertretender Ministerpräsident im national-legionären Kabinett von General Ion Antonescu. Machtgierig, organisiert im Januar 1941 eine Rebellion gegen Antonescu, um die alleinige Macht zu haben. Der Putsch misslingt, er flieht nach Deutschland, wo er bis zum Kriegsende bleibt, nach 1945 in Spanien. Vgl. über ihn: Dosar Horia Sima [Das Dossier Horia Sima]. Hg. Dana B e l d i m a n . Bucureşti 2000, S. 325. 120 224 Ottmar Traşcă e. B. 1957 ein durchaus sauberer und zuverlässiger Legionärsführer versicherte, hatte Horia Sima vor Kriegsende sogar mit den Bukarester Kommunisten Fühlung aufgenommen122. Zusammenfassung: Die Ereignisse vor und nach dem 23. August 1944 gestatten aus unmittelbarer Beobachtung nachträglich folgende Feststellungen: Es ging den deutschen Siedlungsgruppen in Rumänien seit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges zuerst und zuletzt um die Wahrung des eigenen Volkstums und die Verteidigung Europas. Daraus erklärt sich das Fehlen einer aktiven innervölkischen Opposition zwischen 1941 und 1944. Aus dieser Gesinnung folgert die rückhaltlose Einsatzbereitschaft der Waffenträger dieser auslanddeutschen Stämme, als die eigene Heimat bereits an die sowjetische Besatzungsmacht verloren war. Nicht zuletzt gehörten die SS-Freiwilligen der deutschen Volksgruppe Rumäniens zu den letzten Verteidigungspfeilern im Osten – Baltikum und Kroatien – als mit dem 8. Mai 1945 die Zeitwende für Europa heraufzog. Auch unter schwerwiegender Berücksichtigung der nationalsozialistischen Weltanschauung und des Hitlerregimes muß gesagt werden, daß diese Kolonistenstämme in Südosteuropa so gut wie ausnahmslos treu zu Volk und Vaterland standen, – bis es längst fünf Minuten nach zwölf war. Es ist angeführt worden, daß die Führung der deutschen Volksgruppe in Rumänien aus Rücksicht auf die allgemeine Volkslage keinerlei Vorbereitungen zur Absetzbewegung und Flucht treffen konnte. Diese Tatsache mag man als einen Mangel an Initiative buchen. Dem ist jedoch hinzuzufügen, daß das antibolschewistische Rumänentum selbst bis zum letzten Augenblick die Fäulniserscheinung der Etappe duldete, um der rotarmistischen Flut aus dem Osten zu entgehen. Dieses Rumänentum, verkörpert durch Militärs wie Marschall Antones­ cu und aufrichtige oppositionelle Demokraten des diktatorialen Führungssystems, bezog eindeutig Stellung gegen eine Macht von der zu Recht die Herauslösung des rumänischen Lebensraumes aus dem gesamteuropäischen Kulturbereich befürchtet wurde. Man hat dem 1954 verstorbenen General und Ministerpräsidenten des 23. August 1944, Nicolae Rădescu berechtigterweise vorgeworfen, er habe vor der Deportation rumänischer Staatsbürger zur Zwangsarbeit die Altersklassen der „Dienstverpflichteten“ unter den deutschen Volksgruppenangehörigen bewußt zwischen dem 18. und 35. bzw. 45 Lebensjahr angesetzt, um Ende Januar 1945 die Nationalrumänen selbst vor einer zwangsweisen Verschickung zu bewahren.123 Ungeachtet dieses Umstandes bleibt festzuhalten, daß selbst das kommunistisch beherrschte Rumänien keine Vertreibung seiner deutschen Bewohner befahl, 122 Die Aussage von Otto Liess, es habe Kontakte zwischen der Regierung in Bukarest und der von Horia Sima geleiteten „national-rumänischen Regierung“ in Wien gegeben, lässt sich zurzeit urkundlich nicht belegen. 123 Diese Aussage ist falsch. Die Deportation zur Zwangsarbeit wurde von Stalin angeordnet. Dessen Geheimbefehl Nr. 7161 vom 16. Dezember 1944 (vgl. Günter K l e i n : Im Lichte sowjetischer Quelle. Die Deportation Deutscher aus Rumänien zur Zwangsarbeit in die UdSSR 1945. In: Südostdeutsche Vierteljahresblätter 47 (1998), S. 152-162) wurde als Note Nr. 031 vom 6. Januar 1945 der Alliierten (Sowjetischen) Kontrollkommission an Ministerpräsident Nicolae Rădescu gerichtet und forderte die Mobilisierung zur „Aufbauarbeit“ der rumänischen Staatsbürger deutscher Herkunft (vgl. Die Deportation von Siebenbürger Sachsen in die Sowjetunion 1945-1949. Hg. Georg We b e r . Bd. 3. Köln, Weimar, Wien 1995, S. 92.). Was die Haltung der Regierung Rădescu zu der sowjetischen Forderung betrifft, vgl. die am 13. Januar 1945 an die Alliierte Kontrollkommission gesandte Note, in der die rumänische Regierung mitteilt, sie „kann mit den vom sowjetischen Befehlsstab geäußerten Forderungen nicht einverstanden sein“. Vgl. Archiv des Rumänischen Außenministeriums, Bestand 71/1939 E 9, Bd. 164, Bl. 43. Die Ereignisse vom 23. August 1944 225 als z. B. 1945 Ungarns Kommunisten darauf drängten, auch den Rest der Schwaben Ungarns aus ihrer Heimat zu vertreiben. Mit dem 23. August 1944 und dem 8. Mai 1945 ging auch für das deutsche Volksleben in Südosteuropa und in Rumänien eine Epoche zu Ende. Den Zeugen und Nachfahren dieses großen und furchtbaren Weltaugenblicks bleibt die Pflicht, Schuld und Verhaftetsein jener Tage einzubekennen. Der Abstand von den Wirren und Ereignissen dieses europäischen Kriegs aber gebietet den Zeitgenossen und Historikern ebenso, Größe und Opferbereitschaft dieses Kolonistengeschlechtes anzuerkennen, das innerhalb und fern der Heimat einem Auftrag dient, den wir heute bereits unzweifelhaft erkennen: Europa. Anmerkungen 1) Erst in der zweiten Jahreshälfte 1943 wurde innerhalb des mammuthaften Dienststellenbe- triebes der deutschen Gesandtschaft zu Bukarest ein offizieller SD-Beauftragter eingebaut. Unmittelbar nach der Machtergreifung des Generals Ion Antonescu, September 1940, waren die SD-Beauftragten als Gesandtschaftsangehörige getarnt.124 Bis zum Bruch zwischen der SD-Abteilung Südost und Volksgruppenführer Andreas Schmidt war die SD-Zentrale Rumänien (SSHauptsturmführer Kurt Auner, SS-Obersturmführer Roland Gunne125, SS-Untersturmführer Helmut Styhler126 usw.) in dem von den Volksgruppendienststellen besetzten Gebäudekomplex der Strada Luterană untergebracht.127 2) Der Angriff Liebhardts gegen Andreas Schmidt stützte sich auf Frauengeschichten des Volkgruppenführers. Unleugbar trafen einige der Anschuldigungen Liebhardts zu. Doch muß es der e. B. z. B. als geschmacklos und widersinnig bezeichnen, wenn, Liebhardt Schmidt bezichtigte, der Volksgruppenführer habe Liebhardts Ehefrau in hochschwangerem Zustand mit einem unzüchtigen Antrag belästigt. 124 Die Information ist nicht richtig. Vertreter des SD und der Sicherheitspolizei kamen vor der Machtübernahme von Ion Antonescu im September 1940 nach Rumänien. Der erste SS-Polizei-Attaché der deutschen Gesandtschaft, Hauptsturmführer SS-Kriminalrat Kurt Geißler, trat sein Amt am 15. Juli 1940 an, der Vertreter des SD – der in Bukarest unter diplomatischem Deckmantel als Legations-Attaché wirkte –, Untersturmführer SS Otto von Bolschwing, begann seine Tätigkeit im Mai 1940. Im Februar 1941 wurden beide infolge der Beteiligung an der Seite der Legionärsbewegung an deren Aufstand vom 21.-24. Januar 1941 abgezogen. In den folgenden Jahren haben im Rahmen der deutschen Gesandtschaft in Bukarest offiziell als SS-Polizei-Attaché Folgende gewirkt: Standartenführer SS Horst Böhme (7. September 1942 - 5. Januar 1943); Sturmbannführer SS Gustav Richter (1. Januar - 23. August 1944). Vgl. Ottmar T r a ş c ă : Die SS Polizei Attachés der deutschen Gesandtschaft in Bukarest und ihr Einfluss auf die rumänisch-deutschen Beziehungen 1940-1944 (Ataşaţii de poliţie SS din cadrul Legaţiei germane din Bucureşti şi influenţa activităţii lor asupra evoluţiei relaţiilor româno-germane, 1940-1944). In: Anuarul Institutului de Istorie Cluj-Napoca 46 (2007), S. 319-383. 125 Roland Gunne war SS-Hauptsturmführer der Reserve (seit 21. Juni 1944). 126 Helmut Styhler (1915-?), Diplom-Kaufmann, Mitglied der DVR. SS-Beitritt am 3. September 1939 (Nr. 450663). Im Februar 1944 in das Ergänzungsamt der Waffen-SS versetzt; Teilnahme an der Ost-Kampagne mit der SS PolizeiDivision (Juni - August 1941), im August 1941 mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Mit nachrichtendienstlichen Aufgaben zur DVR versetzt (seit 1. September 1941); offiziell in die Volksdeutsche Mittelstelle versetzt (am 1. März 1943), blieb er in der SD-Zentrale Rumänien bis zum 23. August 1944. Von den rumänischen Behörden am 10. Oktober 1944 verhaftet und den Sowjets übergeben. In sowjetischen Gefängnissen und Lagern in Moskau-Lefortowo, Kolyma, Swerdlowsk, wird er am 14. Dezember 1955 in die Bundesrepublik entlassen. SS-Untersturmführer (seit 15. November 1942). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO und RuSHA Akten Helmut Styhler; freundliche Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. 127 Die Mitglieder der „SD-Zentrale“ in Rumänien, der u. a. Hauptsturmführer SS Kurt Auner, Hauptsturmführer SS Roland Gunne, Untersturmführer SS Helmut Styhler, Untersturmführer SS Michael Bergel, Untersturmführer SS Mathias Liebhardt, Untersturmführer SS Samuel Liebhardt, Untersturmführer SS Rolf Waber, Untersturmführer SS Hans Müller und Obersturmführer SS Hans Herrschaft angehörten, führten ihre Tätigkeit in Rumänien im Untergrund aus, da die Abwehr der einzige deutsche Informationsdienst war, dessen Tätigkeit vom rumänischen Staat offiziell anerkannt worden ist. 226 Ottmar Traşcă Andreas Schmidt fühlte sich durch die „Schießerei“ Liebhardts wirklich getroffen, wie gelegentlich einer Amtswaltertagung im Hermannstädter Diasporaheim, Juni 1944, offenkundig wurde. Die Neigung Schmidts zu Frauenabenteuern war dem e. B. bekannt. Psychologisch erklärt sich diese Unbeherrschtheit z. T. daraus, daß Schmidt mit vierundzwanzig Jahren von seiner ersten Braut schnöde hintergegangen wurde und bis zum 26. Lebensjahr eine mönchische Lebensweise führte. Der Gegenvorwurf Andreas Schmidts an die Adresse der „Rebellen“ lautete: Drückebergerei. Tatsächlich waren z. T. die SS-Angehörigen Auner und SS-Untersturmführer Bergel128 niemals an der Front gewesen. Liebhardt hatte sich nach zweieinhalbmonatigem Fronteinsatz – ohne Wissen des Volksgruppenführers, aber unter Berufung auf ihn – in die Heimat „abgemeldet“. In einem Privatbrief General Steiner129 an SS-Obergruppenführer Berger beschwerte sich Steiner über die schlechte Frontbewährung Liebhardts und fügte hinzu „Ihr macht mich mit solchen Dingen fertig“. In Neumarkt am Mieresch (Târgul Mureş), während des Rückzugs, versöhnte sich Andreas Schmidt mit den „Rebellen“ um Liebhardt. Es ist hinzuzufügen, daß die Gruppe Auner-Liebhardt nach dem Abflug von Andreas Schmidt (10.11.1944) aus Wien in die Heimat alle jene Merkmale erkennen ließ, mit denen man „Etappenhengste“ zu kennzeichnen pflegt. 3) Der e. B. hatte im Mai 1944 zu Kronstadt ein persönliches Zweigespräch mit Volksgruppenführer Andreas Schmidt, in welchem er auf die gefährdete deutsche Frontlage Bezug nahm. Der e. B. stellte an Schmidt die Frage, ob nicht dringlich Vorbereitungen zu einem etwaigen Treck der Familienangehörigen unserer SS-Freiwilligen nach dem Westen geboten seien – falls Rumänien unmittelbares Frontgebiet würde. Andreas Schmidt erklärte dem e. B. damals, sobald nur die geringsten Anzeichen solcher Vorkehrungen der rumänischen Regierung bekannt würden, würde ein sofortiger seelischer und militärischer Zusammenbruch der rumänischen Bündnispartner die Folge sein. Daher müsse er den Vorschlag des e. B. leider ablehnen. 4) Chefredakteur Dr. med. Fritz Theil (z. Z. Deutsche Bundesrepublik) war als Hauptschriftleiter der konservativen Blätter „Siebenbürgisch-Deutsches Tagblatt/Hermannstadt“, später der „Kronstädter Zeitung“ (bis 1934) zweifellos ein genialer Publizist. Nach seiner Übersiedlung in die Reichshauptstadt wurde Dr. Theil – ungeachtet seiner früheren antinationalsozialistischen Betätigung – das Pendant des Ministerialrates Dr. Hans Fritsche130 im täglichen offiziösen Rundfunkkommentar. Obwohl dann Teilnehmer am 20. Juli 1944, gelang es Dr. Theil, acht Kontrollen zu passieren und mit Flugzeug nach Rumänien mit ca. 40.000 sfr. zu gelangen. In Hermannstadt und Bukarest führte er sogleich 128 Michael Bergel (1920-?), Kaufmann, Mitglied der Volksgruppenführung. Offiziell im SS-Führungsamt-Volksdeutsche Mittelstelle tätig, wird mit nachrichtendienstlichen Aufgaben nach Rumänien geschickt (Juni 1941 - August 1943); Dienststellenleiter des Deutschen Abwehrkommandos in Rumänien (August 1943 - August 1944). Von den rumänischen Behörden am 30. August 1944 verhaftet, den Sowjets im Oktober 1944 übergeben und in die UdSSR deportiert. Durchläuft die Gefängnisse und Lager in Odessa, Workuta, Bogutschar, Wladimir und andere, wird am 1. Dezember 1955 nach Rumänien entlassen. Ins Gefängnis in Gherla gesperrt, wird er am 27. August 1956 freigelassen und wandert am 26. Juni 1960 in die Bundesrepublik aus. Untersturmführer SS (seit 25. August 1943). Vgl. über ihn: freundliche Mitteilung der Deutschen Dienststelle (Wast) Berlin. 129 Felix Steiner (1896-1966), SS-Offizier. Armeeeintritt 1914, Teilnahme am Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende von der Reichswehr übernommen, wo er bis 1933 tätig ist. Mitglied der NSDAP seit 1933 (Nr. 4264295) und SS seit 1935 (Nr. 253351). Im Rahmen der SS übernimmt er am 1. Juli 1936 den Befehl der SS-Standarte „Deutschland“, mit der er an den Feldzügen in Polen und Frankreich teilnimmt (1939-1940). Befehlshaber der 5. SS-Panzerdivision „Wiking“ (1. Dezember 1940 - 1. Mai 1943); Befehlshaber des III. (germanischen) SS-Panzerkorps (1. Mai 1943 - 30. Oktober 1944); Befehlshaber der 11. Armee (28. Januar - 5. März 1945); Befehlshaber der sogenannten „Armeegruppe Steiner“ (5. März - 27. April 1945). In amerikanischer Gefangenschaft (3. Mai 1945 - 27. April 1948). Vgl. über ihn: BB, BDC, SSO Akten Felix Steiner; K l e e (wie Anm. 26), S. 600. 130 Richtig Hans Fritzsche (1900-1953), deutscher Journalist. NSDAP-Mitglied seit 1. Mai 1933. Wurde 1933 Beamter im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und war nacheinander Leiter des Nachrichtenwesens der Presseabteilung, stellvertretender Leiter (ab 1938) und dann Leiter der Abteilung „Deutsche Presse“; Leiter der Rundfunkabteilung (ab 1942). Im Prozess in Nürnberg wegen „Verschwörung gegen den Weltfrieden“, „Verbrechen gegen das Kriegsrecht“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ angeklagt, freigesprochen. In den späteren Entnazifizierungs-Prozessen zu 9 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und Verbot, publizistisch tätig zu sein. Kam 1950 bei einer Amnestie frei. Vgl. über ihn: K l e e (wie Anm. 26), S. 169. Die Ereignisse vom 23. August 1944 227 Gespräche mit Konservativen der Volksgruppe. Allerdings hütete er sich bis nach 23. August, seine angeblich führende Beteiligung an der Aktion des 20. Juli bekanntzugeben. Nach dem 23. August ließ sich Dr. Fritz Theil einen Ausweis der Britischen Botschaft in Bukarest ausstellen, wurde aber später verhaftet und zu vierjährigem Einzelkerker im Gefängnis Fogarasch verurteilt. 1957 erreichte Dr. Fritz Theil seine Ausreise in die Deutsche Bundesrepublik, wobei derzeit die Umstände dieser Ausreisegenehmigung für Dr. Theil nicht ganz geklärt sind. 5)Unmittelbar nach dem 23. August weilte eine Anzahl Familien führender Amtswalter der Volksgruppe auf Urlaub in der Nähe von Reps. Noch zu Beginn September 1944 wurde Landesbauernführer Hans Kaufmes131 durch eine Frontlücke zu diesen Familien geschickt, um mit ihnen Rücksprache zu nehmen. Er hinterließ ihnen wohl einen Geldbetrag, die Familien selbst aber verblieben – entsprechend den Weisungen des „Rumpfkabinetts“ – im feindbesetzten Südsiebenbürgen, gemeinsam mit allen übrigen Frauen und Kindern der Volksgruppe. 6)Es handelte sich um die achte SS-Kavalleriedivision, die sich in diesem Gebiet tapfer schlug und – so ziemlich die einzige intakte Einheit – den Flußlauf der Theiß sechs Tage lang gegen den Angriff rotarmistischer und rumänischer Übermacht hielt. Bis zur Theiß konnte man kaum von einem geordneten und planvollen Abwehrkampf auf deutscher Seite reden. 7)Genaue Einzelheiten dieses militärisch unmotivierten Rückzugs der rumänischen Verbände von der Pruthlinie sind in einem Beitrag enthalten, der von einem geflüchteten Generalstäbler ca 1954 in der rumänischen Emigrantenzeitschrift „Stindardul“ (Herausgeber Dr. Ion V. Emilian) veröffentlicht wurde. 8)Rudolf Ferch, von Beruf akademischer Maler, darf als einer der tapfersten Vertreter der deutschen Volksgruppe Rumäniens bezeichnet werden. Ferch war als k. u. k. Fähnrich 1914 an der italienischen Front, als erster seiner Division mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet worden. Nach dem Kriege kämpfte er als Freiwilliger mit Schlageter im Ruhrgebiet, später in Schlesien und Baltikum. 1941 wurde er persönlich im rumänischen Wehrmachtbericht zitiert. Verwundungen des Ersten und Zweiten Weltkrieges hinderten Ferch nicht daran, während des Rückzugs aus dem Südosten mit unbedankter Tapferkeit die Evakuierung der deutschen Zivilbevölkerung aus seinem Frontabschnitt zu erleichtern. Ferch starb in Oberösterreich als Insasse eines Lazarettzuges, kurz nach dem 8. Mai 1945. Es schien, als hätte das bittere Ende auch die unglaublichen Lebensenergien dieses verwundeten und schwer herzkranken Mannes endgültig zum Verlöschen gebracht. 9)Diese Zuversicht des Generals Phleps gegenüber der kommenden Entwicklung auf den südöstlichen Kriegsschauplatz läßt sich bei dem sonst nüchternen Strategen und Generalstäbler daraus erklären, daß es Phleps um die Rückgewinnung der Heimat ging. Bei ihm wie bei seinem Heimatgenossen überwog in jenen Tagen das Gefühl und der unbedingte Wille zur Rettung der Heimat den kalten Verstand. 10)In der Anlage wird dieser Dokumentation die Photokopie der Frontzeitung „Der Grenzer“132, November 1944, beigelegt, die den Lebenslauf des SS-Obergruppenführers Phleps enthält. Es ist freilich zu bemerken, daß die damaligen Zornausbrüche des Generals über den rumänischen Frontwechsel für seine lebenslange Einstellung zu Rumänien und zum Rumänentum im Widerspruch stehen. Der e. B. entsinnt sich aus dem Jahre 1932, daß Arthur Phleps im eigenen Hause und vor seiner Familie auf absolute Loyalität gegenüber dem rumänischen Vaterlande hielt. Bei jeder Ausarbeitung von geheimen Dienstanweisungen, Karten usw., schloß sich Phleps z. B. in dem Mansardenzimmer seiner einstöckigen Kronstädter Villa ein, um die Regeln äußerster Korrektheit ja nicht zu verletzen. 131 Hans Kaufmes (1897-1971), Landwirtschaftsfachmann. Landesbauernführer der Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumänien; Leiter des „Landesbauernamtes“ der DVR und Vizebürgermeister von Kronstadt (1940-1944), zweiter Schwiegervater von Andreas Schmidt. Flüchtet nach dem 23. August 1944 nach Österreich, wo er als Landwirtschaftslehrer an der landwirtschaftlichen Lehranstalt in Rotholz wirkt. Bleibt ohne Lehramtsstelle nach der Rückkehr der Lehrer aus der Gefangenschaft. Beschließt, nach Australien auszuwandern, stellt in Hamburg fest, dass die Möglichkeiten in den USA besser sind und wandert aus. Hilfsarbeiter beim Tierzuchtinstitut der Universität in Cornwallis und dann Professor bis 1969. Vgl. über ihn: P e t r i (wie Anm. 76), S. 886f. 132 Befand sich nicht unter den erforschten Unterlagen. 228 Ottmar Traşcă Während solcher Stunden mußte der e. B. auf die Benutzung des Mansardenzimmers, das er damals bewohnte, verzichten. Am Familientisch untersagte er in seiner Gegenwart abfällige Bemerkungen gegen das offizielle Rumänien. Dabei entgingen beklagenswerte Zustände des Regimes keineswegs seiner kritischen Beobachtung. Umso härter mußte den General seine frühe Pensionierung treffen und die Nichteinberufung in die rumänische Armeeführung für den gemeinsamen deutsch-rumänischen Kampf gegen die Rote Armee. 11)Über die Verwirrung jener Tage im Führerhauptquartier selbst – als es darum ging, die deutsche Bevölkerung aus Südsiebenbürgen und dem Banat vor der heranrückenden Roten Armee zu retten, – berichtete mir Amtsleiter Walter May im November 1944 folgendes: Andreas Schmidt stand gegen Ende August 1944 gemeinsam mit SS-Reichsführer Heinrich Himmler und SS-Obergruppenführer Gottlob Berger im Führerhauptquartier vor der Generalstabskarte Siebenbürgens. Auf die Frage, wie die deutschsprachige Bevölkerung aus Südsiebenbürgen nach Nordsiebenbürgen geschleust werden könne, zeigte Heinrich Himmler auf den Geisterwald, der sich in den südlichen großen Bogen des Altflusses (Olt, Aluta) vorschiebt. Nach Himmlers Meinung sollten sich Greise, Frauen und Kinder mit Wagentrecks durch dieses Waldgebiet bis zum mittleren Szeklerland durchschlagen. Andreas Schmidt machte den Einspruch, daß der Geisterwald so wild und unwegsam sei, daß größere Gruppen, überwiegend hilfloser Menschen dort nicht durchkönnten. Himmler beharrte auf seinem Vorschlag. Schmidt widersprach ein zweites Mal. Zum dritten Mal tippte der Finger Himmlers auf die gleiche Stelle der Karte. Da zupfte Gottlob Berger seinen ehemaligen Schwiegersohn insgeheim energisch am Ärmel, um Andreas Schmidt Schweigen zu gebieten und erwiderte: „Jawohl, Reichsführer, wir werden befehlsgemäß alles Menschenmögliche versuchen!“. Der beharrende Eigensinn Heinrich Himmlers in dieser kleinen Szene spiegelte zum Teil auch sein persönliches fraglos sehr herzliches Verhältnis zur Deutschen Volksgruppe wider. Es mochte für Himmler eine harte Nervenbelastung gewesen sein, daß er die Ohnmacht zu jeder rettenden Tat vor Andreas Schmidt einbekennen sollte. Für das Verhältnis der Volksgruppe zu Heinrich Himmler mag es auch bezeichnend sein, daß ihm nach dem 23. August das Draaser Schwert (aus der Zeit der deutschen Landnahme in Siebenbürgen vor 800 Jahren) mit dem Wunsch übersandt wurde, Himmler möge es bald wieder in die von der Roten Armee befreite alte Heimat zurückbringen lassen. 12) In anderem Zusammenhang ist bereits über das Schicksal der Familie Andreas Schmidts berichtet worden. In dieser Anmerkung sei kurz nochmals darauf hingewiesen, daß die zweite Frau mit dem Sohne Schmidts mit der Schwiegermutter und der einen Schwägerin im Jahre 1947 in Wien bei dem e. B. einlangten und von ihm nach Oberösterreich weitergeleitet wurden. Die Familie lebt heute in den USA, wo der zweite Schwiegervater von Andreas Schmidt, Dr. Hans Kaufmes, eine Professur an einer landwirtschaftlichen Hochschule innehat. Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 229 Mitteilungen und Berichte Siebenbürgen im Spiegel der nachgelassenen Schriften der Familie Conrad von Heydendorff (1750-1850) Im Folgenden wird ein Projekt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde und der Heimatgemeinschaft Mediasch e. V. vorgestellt, für das Kooperationen mit der BabeşBolyai-Universität und dem Geschichtsinstitut „George Bariţiu“ der Rumänischen Akademie in Klausenburg sowie mit weiteren Instituten und Forschern angestrebt werden, um das im Titel angekündigte Thema möglichst umfassend behandeln zu können. Während dreier Jahrhunderte spielten Mitglieder der über Bistritz nach Mediasch gekommenen Familie Conrad Edle von Heydendorff im öffentlichen Leben Siebenbürgens eine bedeutende Rolle. Seit 1676 gehörten Mitglieder dieser Familie in schier ununterbrochener Folge dem Mediascher Magistrat an, stellten abwechselnd mit anderen Patrizierfamilien die Bürgermeister sowie Königs- und Stuhlsrichter der Königlich Freien Stadt und des Mediascher Stuhls. Michael Conrad der Ältere, der vermutlich bedeutendste Spross der Familie, bekleidete in seinen 91 Lebensjahren über seine Heimatstadt hinaus zahlreiche öffentliche Ämter, darunter auch jene eines Gubernialrates und eines Vizegespans des oberen Kreises des Hermannstädter Komitats (1784). In den stürmischen Jahrzehnten der Josephinischen Reformen kämpfte er in vorderster Reihe, wenn es darum ging, die traditionelle Ordnung zu erhalten und die Auswirkungen der Umgestaltungen auf das sächsische Gemeinwesen einzudämmen. Auch sein Sohn Michael der Jüngere war ein bekannter Mann des öffentlichen Lebens, der bei der Gründung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde beteiligt war und später die blutigen Auseinandersetzungen der Jahre 1848 und 1849 miterlebte. Eine umfassende Studie über diese Familie – die mit den Familien Brekner von Brukenthal, von Hannenheim, von Herrmann und mit vielen anderen alteingesessenen sächsischen Geschlechtern verschwägert und verwandtschaftlich verbunden gewesen ist – kann eine Fülle authentischer Informationen über die Rezeption der politischen Verhältnisse insbesondere durch den sächsischen Beamtenadel sowie Einblicke in das gesellschaftliche und private Leben ihrer Zeit bieten. Darauf hat schon Gudrun Liane Ittu hingewiesen1. Obwohl die 1 Gudrun Liane I t t u : Familia Conrad von Heydendorff în epistole, jurnale şi portrete [Die Familie C. v. H. in Briefen, Tagebüchern und Porträts]. Referat, gehalten während der wissenschaftlichen Jahrestagung des Muzeul Civilizaţiei Dacice şi Romane, Deva, Juni 2010. Von Gudrun Liane I t t u liegen folgende weiteren Studien zum Thema Heydendorff vor : Aspecte din viaţa cotidiană a familiei von Heydendorff [Aspekte aus dem alltäglichen Leben der Familie v. H.]. In: Comunicări Ştiinţifice VII Bibliotheca Istorica, Philosophica et Geographica, Grup Şcolar de Industrie Uşoară din Mediaş, Catedra de Istorie şi Ştiinţe Socio-Umane. Mediaş 2008, S. 129-134; Iubirile interzise ale familiei von Heydendorff [Die verbotenen Lieben der Familie von Heydendorff]. In: Magazin istoric, April 2009, S. 21-25; Împăratul Iosif al II-lea vizitează Transilvania [Kaiser Joseph II. besucht Siebenbürgen]. In: Magazin istoric, Juni 2010, S. 66-70; Întâlnirile lui Michael von Heydendorff sen. (1730-1821) cu suveranii habsburgi 1773, 1783, 1786 şi 1817 [Die Begegnungen des M. v. H. d. Ä. (1730-1821) mit den habsburgischen Herrschern 1773, 1783, 1786 und 1817]. In: Brukenthal. Acta Musei V.1 ( 2010), S. 191-201; Johann Martin Stock – Portretist al familiei Conrad von Heydendorff [Johann Martin Stock – Portraitmaler der Familie C. v. H.]. In: Brukenthal. Acta Musei V.2 (2010), S. 373-376; Scriitură şi apartenenţă. Relaţia public-privat în arhivele familiei von Heydendorff [Schrifttum und Zugehörigkeit. Die Beziehung zwischen Öffentlichem und Privatem in den Archiven der Familie v. H.]. 230 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 Gründungsmythen der Sachsen behaupten, dass in ihrem Volk nur freie und gleichgestellte Menschen lebten, gab es unter ihnen sowohl Leibeigene als auch Adelige. Weil angeblich „keiner Herr und keiner Knecht“ war, wurde möglicherweise dem sächsischen (Beamten-) Adel seitens der Forschung weniger Aufmerksamkeit geschenkt als in anderen Ländern und Regionen. Eine umfassende Heydendorff-Studie könnte diese Lücke schließen. Die Quellenlage hierzu ist besonders reich. Hinzu kommt, dass die Quellen weitgehend unerforscht sind; die wenigen vorhandenen Studien sind schon älteren Datums und wurden nach teilweise veralteten Methoden erstellt. Die Heydendorffs – Männer wie Frauen – haben eine umfassende Korrespondenz geführt, die in großen Teilen erhalten geblieben ist. Sowohl Michael der Ältere als auch Michael der Jüngere haben akribisch Tagebuch geführt. In ihren Aufzeichnungen widmen sie sich dem politischen Tagesgeschehen ihrer Zeit in epischer Breite und halten viele Einzelheiten fest. Auch aus dem Familienleben wird ausführlich berichtet. Insgesamt haben viele tausend Seiten Archivgut, geschrieben von und an Mitglieder der Familie von Heydendorff, die Zeitläufe überdauert. Nur teilweise publiziert, liegen sie in den Archiven, überwiegend im Staatsarchiv Hermannstadt, im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Mediasch, im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim und im Privatbesitz der Familie vor. Die Heydendorffschen Schriften laden somit förmlich dazu ein, sich intensiv mit der Zeit zu beschäftigen, der sie entstammen, und mit den Menschen, die sie verfassten. Es ließe sich so eine doppelte Lücke schließen: Mit wenigen Ausnahmen gibt es keine Studien über die siebenbürgische Briefkultur und Memorialistik2, und auch der Übergang zum 19. Jahrhundert hat in der siebenbürgischen Historiographie wenig Beachtung gefunden. Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde und die Heimatgemeinschaft Mediasch e. V. starten daher ein breit angelegtes Kooperationsprojekt, für das mehrere Institutionen und Wissenschaftler gewonnen werden sollen, um die Vielzahl von Facetten zu beleuchten und der Frage nachzugehen, wie sich das öffentliche Leben in Siebenbürgen und das private Leben der sächsischen Oberschicht in den Heydendorffschen Schriften widerspiegelt. Besonders wünschenswert ist die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowohl aus dem deutschen als auch aus dem ungarischen und rumänischen Umfeld, um auf diese Weise zu einer facettenreichen Darstellung einer Zeit zu kommen, in der die Weichen für die Entwicklung des modernen Siebenbürgen gestellt wurden. Um die bisher nur grob umrissenen konzeptionellen Überlegungen ansatzweise zu strukturieren, wird im Folgenden versucht, das vorhandene Material thematisch zu ordnen3, kurz zu beschreiben und aufbauend darauf einige Ideen zu seiner Verwertung niederzuschreiben: 2 3 In: De la fictiv la real. Imaginea. Imaginarul. Imagologia. Hg. Andi M i h a l a c h e , Silvia M a r i n - B a r u t c i e f f . Iași 2010, S. 619-636; Aspecte culinare transilvănene de la sfârşitul secolului al XVIII-lea în scrisorile Heydendorfilor [Kulinarisches aus Siebenbürgen vom Ende des 18. Jahrhunderts in den Briefen der Heydendorffs]. Referat, gehalten im Rahmen der „Zilele antropologiei româneşti”, Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt, 2010. Für die freundliche Überlassung der Typoskripte danke ich der Autorin herzlich. Georg Michael Gottlieb v. Herrmann und seine Familie. Kronstädter Kultur- und Lebensbilder, von ihm selbst verfasst. Hg. Julius G r o ß . In: Archiv VfsL 22 (1889-1890), S. 93-328, 537-618; Aus den Briefen des Gubernialsekretärs Johann Theodor von Herrmann. Hg. Julius G r o ß . In: Archiv VfsL 23 (1890), S. 73-189; 23 (1891), S. 355-354. Für die Hinweise danke ich Thomas Ş i n d i l a r i u und Gernot N u s s b ä c h e r (Kronstadt). Die Auflistung der Literatur und auch jene der Quellen erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Mitteilungen und Berichte 231 1. Biographien der Mitglieder der Familie Heydendorff Von Julius Groß erschien im Jahre 1892 eine ausführliche Familiengeschichte4. Als biographische Quellen stehen folgende Originalunterlagen zur Verfügung: 1.1 „Heydendorffische Biographie. 1805“5, ein Folio-Band von 131 Manuskript-Seiten mit über 100 eingelegten Dokumenten, die mit Querverweisen zu einzelnen Seiten des Folios versehen sind. Begonnen wurden die Aufzeichnungen vermutlich Anfang des 17. Jahrhunderts, möglicherweise von Daniel Conrad von Heydendorff und fortgesetzt von Michael dem Älteren6. Julius Groß erwähnt diese Quelle im Vorwort seiner Biographie der Heydendorffs (siehe Anm. 4). 1.2 Zwölf großformatige Partezettel von Mitgliedern der Familie Heydendorff7. 1.3 Register [vermutlich Hausbuch Michaels des Älteren] aus den Jahren 1764 -1769, Folio, 93 Seiten mit Einlagen, datiert ab 17308. 1.4 Original-Adelspatent und goldener Gnadenpfennig für Samuel Conrad von Heydendorff (Familienbesitz) 1.5 Otto Folberth sen.: Männer der Familie Heydendorff, unveröffentlichtes Typoskript9. 2. Familienbilder Im Privatbesitz der Familie befanden sich in den 1930er Jahren eine Anzahl von ca. 20 Familienbildern in Öl, teilweise von namhaften siebenbürgischen Malern wie Johann Martin Stock ausgeführt. Sie blieben in der Literatur bisher weitgehend unbeachtet10. Ein Großteil dieser Bilder existiert noch im Familienbesitz in Deutschland11. Anhand dieser Bilder soll im Rahmen des Projektes eine Studie über die (Mediascher) Partiziertracht im 18. Jahrhundert erarbeitet werden12. 4 Julius G r o ß : Zur Geschichte der Heydendorffschen Familie. In: Archiv VfsL 24 (1892), 2, S. 233-345. Die Jahreszahl, mit Bleistift von anderer Hand hinzugefügt, bezieht sich vermutlich auf das letzte Jahr, in dem Aufzeichnungen erfolgten. 6 Arhivele Naţionale ale României, Direcţia judeţeană Sibiu [Staatsarchiv Hermannstadt (fortan: STAH)], Fondul Protopopiatul ev. CA Mediaş [Evangelisches Pfarramt A.B. Mediasch (fortan: PrEvMed)], Nr. 59. 7 Archiv der Kirchengemeinde Mediasch (fortan: ArchKMed), digitale Kopien im Archiv der Heimatgemeinschaft Mediasch e. V. (fortan: ArchHGM). 8 STAH PrEvMed, Nr. 28. 9 Ohne Jahr, Privatbesitz der Familie Folberth, Kopie im ArchHGM. 10 Bisher veröffentlicht wurde das Portrait des Samuel Conrad v. H. in der Arbeit Otto F o l b e r t h : Das Ahnenwappen. Aus einem Erinnerungsbuch von Otto Folberth. In: Siebenbürgisch-sächsischer Hauskalender 1961, S. 4-59, und zwei Portraits von Michael d. J. in: Michael Conrad von Heydendorff. Unter fünf Kaisern. Hg. Otto F o l b e r t h , Udo Wolfgang A c k e r . München 1978. 11 In den 1930er Jahren wurden Schwarz-Weiß-Fotos davon durch das Atelier Guggenberger-Mairovits in Bukarest hergestellt. Rückseitig wurden die Bilder umfassend beschriftet von Olga Conrad von Heydendorff. Sie befinden sich heute im Archiv der ev. Landeskirche (Friedrich-Teutsch-Haus) in Hermannstadt (digitale Kopien davon im ArchHGM). 12 Eine weitere Quelle hierzu ist die „Kleider- und Policey-Ordnung der königlichen Freystadt Medwisch und des Stuhls“, 1767 vom Stadtmagistrat erlassen und von Michael dem Älteren als Notar abgezeichnet (Kopie im ArchHGM). Vgl. dazu auch Hansotto D r o t l o f f : Vom Jahrmarkt der Eitelkeit zum Hort der Sittsamkeit? Betrachtungen zu Stadt- und Sittengeschichte Mediaschs in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts anhand der Kleiderund Polizeiordnung von 1767. In Mediascher Infoblatt / Mediascher Zeitung 5 (2004), 7, S. 17-23. 5 232 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 3. Das politische Geschehen in Siebenbürgen im Spiegel der Heydendorff-Tagebücher und anderer Schriften Das Tagebuch Michaels des Älteren (es umfasst die Zeit von ca. 1754 bis 1818) wurde bereits im 19. Jahrhundert publiziert13. Der Herausgeber Rudolf Theil schreibt in einer einleitenden Fußnote: „Eine genaue Durchsicht bestätigt die vorgefaßte Vermutung: das Manuscript enthält in der That eine Geschichte unseres Volkes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in die biographische Notizen eingeflochten sind. Dem Manuscripte liegen eine Menge Originalien: Briefe, ämtliche Aktenstücke etc. bei, unter genauer Angabe wie der Selbstbiograph zu denselben gelangte.“14 Auch Bernd Dieter Schobel weist auf die Tatsache hin, dass „das häufige Rückgreifen späterer Autoren [auf die von Theil publizierte Selbstbiographie, Anm. d. Verf.] zeigt, welche Bedeutung dieser Schrift für die Bereicherung unserer Kenntnis von den Geschehnissen in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zukommt.“15 Bemerkenswerte, von Michael dem Älteren ausführlich beschriebene Ereignisse sind der Aufstand der Grenzschutzszekler 176416, wobei der Selbstbiograph als Notar bei der nachfolgenden Untersuchung des Massakers eingesetzt war und sehr detailliert über die Verhöre berichtet; ein mehrwöchiger Ritt mit Zeltübernachtung über die Kämme des Bihor-Gebirges, um einen Grenzstreit zu schlichten, auf der Michael der Jüngere den Vater begleitete17, die Kapriolen während einer vom Gubernium angestrengten Untersuchung gegen den Mediascher Magistrat wegen des Streits mit Kleinkopisch über die Schweinemast im Schemmert18, die Josephinischen Reformen und die territoriale Reorganisation Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Rücknahme der Reformen und bis hin zum Klausenburger Landtag von 179119 und vieles andere mehr. Ergänzende Dokumente aus der Feder Michaels des Älteren befinden sich im Fonds Brukenthal im Hermannstädter Staatsarchiv20. 13 14 15 16 17 18 19 20 Michael Conrad von Heidendorf (sic!): Eine Selbstbiographie mitgeteilt von Dr. Rudolf T h e i l . In: Archiv VfsL 13 (1876), 2, S. 339-351; 3, S. 565-576; 14 (1877), 1, S. 229-246; 15 (1880), 1, S. 127-161; 16 (1880), 1, S. 158-203; 16 (1881), 2, S. 426-498; 18 (1883), 1, S. 1-244; 18 (1884), 2, S. 245-379. Das Original – zwei Hefte mit insgesamt 1740 Quartseiten – befindet sich im Staatsarchiv Hermannstadt (STAH Fond Brukenthal [fortan: FB] Ms rare II 751). Die letzten Seiten des Tagebuches, einschließlich einer ausführlichen Nachschrift aus dem Jahre 1821 von Michael d. J. verfasst anlässlich des Todes seines Vaters (Michael d. Ä.) befinden sich übrigens nicht in FB, sondern in PrEvMed, Nr. 82. Diese befinden sich heute nicht mehr bei dem Manuskript, es ist noch zu klären, wo sie aufbewahrt werden. Bernd Dieter S c h o b e l : Autobiographische Reaktionen auf die Gegenreformation in Siebenbürgen. In: Reformation, Pietismus, Spiritualität. Beiträge zur siebenbürgisch-sächsischen Kirchengeschichte. Hg. Ulrich A. W i e n (= Schriften 41) Köln, Weimar, Wien 2011, S. 194-226. Siehe hierzu auch http://rodosz.ro/files/Vorzsak_Orsolya.pdf, Seite 7, eingesehen am 17.07.2011. Der Vergleich der Tagebucheinträge, die Vater und Sohn vermutlich auch in der Wildnis voreinander geheim hielten bei Otto F o l b e r t h : Eine Expedition ins siebenbürgische Erzgebirge im Jahre 1793. In: Jahrbuch 1964, Siebenbürgischer Hauskalender, S. 47-52. Hansotto D r o t l o f f : Ein „Schweinekrieg“ im Schemmert. In: Mediascher Infoblatt / Mediascher Zeitung 5 (2004), 8, S. 28-31. Es ist dies ein Herzstück des Tagebuchs – allein die Einträge der Jahre 1790 und 1791 umfassen knapp 100 gedruckte Seiten im Archiv (siehe Anm. 13). Im Findbuch bezeichnet mit „Abhandlungen zur Geschichte, Verwaltung, Recht und Verfassungsrecht der Siebenbürger Sachsen, Eder, Heydendorf (sic), vermutlich auch Herrmann G. M. G., 1749-1784, und o. J., ca. 500f. (STAH, FB, M. 1-5. 29-33, 36-41 ähnlichen Inhalts inkl. 19. Jh.). Im FB befinden sich auch diverse Akten des Mediascher Magistrats im Zusammenhang mit der Untersuchung wegen der „Schweinemast im Schemmert“ (1771). Mitteilungen und Berichte 233 Im Rahmen des Projektes wäre eine Neuedition mit kritischer Wertung unter Heranziehung des aktuellen Forschungsstandes in Buchform zu überlegen. Das Tagebuch Michaels des Jüngeren21 wurde von Otto Folberth und Udo Wolfgang Acker nur in Auszügen22 publiziert, wobei sich die Herausgeber auf die politisch-historisch relevanten Passagen beschränkten. Besonders bedeutsam sind in diesem Tagebuch etwa eine sehr ausführliche Beschreibung des öffentlichen Lebens in Wien 1792, die Ereignisse der 1848er Revolution in Siebenbürgen und die damit verbundenen politischen Verwerfungen, die feierliche Umbettung der Gebeine Stephan Ludwig Roths und die Gründung des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Eine weitere Aufgabe des Projektes könnte es werden, „Unter fünf Kaisern“, das auf dem Buchmarkt vergriffen ist, in einer Neuedition mit kritischer Wertung neu herauszugeben. Dabei wäre zu bewerten, in welchem Umfang und in welcher Form auch die von Folberth und Acker ausgeklammerten Passagen des Tagebuchs veröffentlicht werden sollten. 4. Privates und Persönliches in Tagebüchern und Briefen Als Julius Groß in den 1870er Jahren in Mediasch nach Briefen von und aus dem Umfeld der Kronstädter Familie von Herrmann suchte, fand er „auf dem Aufboden des Heydendorffschen Hauses in Mediasch“23 ein größeres Konvolut von Briefen, das er mit ca. 4000 bezifferte. Friedrich Wilhelm Seraphin begann 1894 im „Archiv des Vereins für siebenbürgische Landskunde“ eine Edition der Briefe und publizierte etwa 700 Stück in Auszügen24. Danach bricht die Edition ohne Begründung ab und die Spur der Briefe verliert sich, nicht so aber die Briefe selbst. Erst kürzlich wurde festgestellt, dass sich im Staatsarchiv Hermannstadt im Bestand Evangelisches Pfarramt A. B. Mediasch 34 Mappen mit Briefen aus dem Besitz der Heydendorffschen Familie befinden, nach Empfängern geordnet. In einer Stichprobe wurde die Mappe „Johann Peter Conrad v. Heydendorff“25 geprüft, die 93 Blatt enthält – es sind dies empfangene Briefe, eigene Briefentwürfe sowie persönliche Dokumente wie Eingaben an den Kaiser in Wien, standesamtliche Unterlagen, sein Testament etc. Es darf daraus geschlossen werden, dass sich in den erwähnten Mappen das ganze seinerzeitige Konvolut befindet. Seraphin dürfte es nach Abbruch seiner Edition der Kirchengemeinde Mediasch übergeben haben26, wo es für die Familie verwahrt wurde und bis zur Verbringung nach Hermannstadt auch verblieb. Von einer Auswertung dieser Korrespondenz sind außergewöhnliche Einblicke in das private Leben der sächsischen Oberschicht aus einem Zeitraum von über 100 Jahren im 18. und 19. Jahrhundert zu erwarten, möglicherweise auch unbekannte Einzelheiten des politi21 22 23 24 25 26 Das Original befindet sich im Nachlass von Otto Folberth im Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim; dort werden auch zwei Exemplare einer in den frühen 1960er Jahren erstellten Transkription als Typoskript aufbewahrt. Siehe Anm. 10. Aus den Briefen der Familie v. Heydendorff. Hg. Friedrich Wilhelm S e r a p h i n . In: Archiv VfsL 25 (1894-1896), S. VIII. Aus den Briefen (wie Anm. 23), S. 1-750. STAH PrEvMed, Nr. 16. Vermutlich erfolgte die Rückgabe nicht an die Familie, da der einzige männliche Spross der Heydendorffs, Karl Conrad v. H. in den 1890er Jahren eine unmündige Vollwaise war. 234 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 schen Tagesgeschehens. Ergänzt werden könnte dies durch die persönlichen Passagen der Tagebücher Michaels des Älteren und Michaels des Jüngeren. Arbeiten über die verwandte Familie von Herrmann aus Kronstadt, einschließlich deren veröffentlichten Korrespondenz, könnten zur Ergänzung herangezogen werden27. Voraussetzung für diesen Teil des Projektes ist allerdings eine kritische Gesamtedition der Briefe, von denen der Großteil erst einmal gelesen und transkribiert werden müsste, sowie des unveröffentlichten Teils des Tagebuches von Michael dem Jüngeren28. 5. Religiosität In der Familie Heydendorff herrschte eine tiefe Religiosität mit deutlich pietistischer Ausprägung. Bernd Dieter Schobel hat das Tagebuch Michaels des Älteren dahingehend untersucht; seine Arbeit ist kürzlich veröffentlicht worden29. Im Tagebuch Michaels des Jüngeren nehmen die religiösen Passagen noch mehr Raum ein als bei seinem Vater – eine Untersuchung derselben und eine vergleichende Betrachtung der Religiosität von Vater und Sohn dürften interessante Schlussfolgerungen möglich machen. Man vergegenwärtige sich: Als Michael der Jüngere 1786 mit seinen Aufzeichnungen begann, war er 17 Jahre alt. Sein zu jenem Zeitpunkt 56 Jahre alter Vater hatte sein Tagebuch bis dahin bereits viele Jahre hindurch geführt30. Es handelt sich also um 35 Jahre paralleler Aufzeichnungen, und dass sie diese voreinander und vor allem vor dem Rest der Welt streng geheim hielten, macht sie für die Forschung noch interessanter31. Es liegt also eine beachtliche Menge von Quellen vor, die es in einem umfassenden Forschungsprojekt erlauben würden, neue Arbeitsansätze und -hypothesen zu definieren. Abschließend ergeht eine herzliche Einladung an alle interessierten Forscher, sofern sie sich eine Teilnahme an dem Projekt vorstellen können, Verbindung aufzunehmen mit Dr. Hans­ otto Drotloff (elektronisch unter [email protected]) oder schriftlich unter Rill­weg 8, 63755 Alzenau) oder Dr. Konrad Gündisch ([email protected]). Hansotto D r o t l o f f 27 Siehe Anm. 2. Wie bereits erwähnt, liegt die Transkription vor; eine digitale Kopie ist im ArchHGM verfügbar. 29 Siehe Anm. 15. 30 Der Zeitpunkt der ersten Eintragung ist nicht genau nachvollziehbar. Otto Folberth irrt vermutlich, wenn er im Vorwort von „Unter fünf Kaisern“ (wie Anm. 10) sagt, Michael der Ältere habe im Jahre 1784 mit seinen Aufzeichnungen begonnen. Auf dem ersten Blatt des Tagebuches befindet sich ein Vermerk aus dem Jahre 1784, ergänzt durch weitere Notizen bis 1816, in denen er die Geheimhaltung des Manuskriptes verfügt. Das erste Quartheft umfasst die Zeit bis 1780, nach einigen Zeilen aus dem Jahre 1781 endet das Heft. Denkbar ist, dass Michael d. Ä. das erste Heft 1784 hat binden lassen und dabei das erwähnte Blatt vorangestellt hat. Das erste Jahr, das im Tagebuch genannt wird, ist 1770 (Archiv VfsL 16 (1880), S. 158). Vermutlich hat der Selbstbiograph dieses Manuskript spätestens 1769 begonnen. Die recht genauen Angaben zu der Zeit davor legen außerdem den Schluss nahe, dass Michael der Ältere auf ältere Notizen zurückgegriffen hat. Eine solche Quelle könnten Hausbücher sein, wie das in Anm. 8 erwähnte. 31 Die erwähnte Reise durch das Bihor-Gebirge haben die beiden – aus völlig unterschiedlicher Perspektive – in ihren Tagebüchern festgehalten (siehe auch Anm. 17). 28 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 235 800 Jahre Deutscher Orden in Siebenbürgen 46. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde am 15./16. September 2011 in Kronstadt Der 800. Jahrestag der Berufung des Deutschen Ordens in das Burzenland wurde 2011 eingehend und auf verschiedenste Weise gewürdigt. Während der Fest- und Gedenkwoche Mitte September in Kronstadt, der „Krönung des Burzenländer Jubiläumsjahres“, war der Jahrestag Anlass einer großen wissenschaftlichen Tagung. Der Einladung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde folgten über 170 Tagungsteilnehmer in das Kulturzentrum Redoute in der Hirschergasse. Das von Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch ausgearbeitete Programm ordnete 14 Vorträge in fünf Themenblöcken an. Referenten aus Deutschland, Ungarn und Rumänien legten den Forschungsstand dar und stellten neue Forschungsansätze und Quellenfunde ihrer Disziplinen vor – jeweils in rumänisch-deutscher Simultanübersetzung. Der erste Themenblock widmete sich dem historischen Umfeld der Berufung, den auch in den einzelnen nationalen Historiographien unterschiedlichen Blickwinkeln und Interpretationsmodellen über die Anwesenheit des Deutschen Ordens im Burzenland. „Der Deutsche Orden als Wille und Vorstellung. Selbst- und Fremdkonstruktionen einer geistlich-weltlichen Korporation zwischen Ideologie und Politik“ überschrieb der Osteuropa-Historiker Prof. Dr. Thomas Wünsch aus Passau seine Ausführungen zum Deutschen Orden. Nach dem Burzenländer Engagement hatte er als einziger Ritterorden einen großen Staat aufgebaut. Der Rechtfertigungskonflikt zwischen Landesherrschaft und Stiftungszweck wurde insbesondere anhand der Diskussionen auf dem Konstanzer Konzil verdeutlicht. Er blieb eine Konstante unterschiedlicher Bewertungen des Deutschen Ordens bis in die Moderne. Prof. Dr. Şerban Papacostea aus Bukarest, Nestor der rumänischen Mediävistik, zeigte den Kontext des katholisch-orthodoxen Konfessionskonfliktes auf, der durch die Eroberung Konstantinopels 1204 räumlich erheblich näher gerückt war: ,,Papsttum und Kreuzzug im östlichen Europa. Das Lateinische Kaiserreich am Bosporus und der Deutsche Orden an der Unteren Donau“. Nachdem die Kumanen 1205 gegen das Lateinische Kaiserreich gekämpft hatten, lässt sich ein größeres Interesse der Kurie feststellen. Gut positioniert war der Deutsche Orden, gerade nach der Niederlage der Kumanen gegen die Mongolen 1223; jedoch wurde er durch die Vertreibung 1225 von den sich in diesem Raum bietenden, breit dargelegten Optionen ausgeschlossen. Frau Prof. Dr. Márta Font aus Fünfkirchen stellte „Ungarn und Osteuropa zur Zeit König Andreas II.“ in einer konzisen Gesamtschau vor, unter eingehenderer Darlegung der meist weniger beachteten Ostpolitik in Halitsch und Wladimir. Prof. Dr. Victor Spinei aus Iași beleuchtete als vierten Aspekt Beziehungen und Interpretationen zur Moldau und zu den Kumanen. Die zweite Gruppe von Vorträgen brachte die Tagung in die „Mikroebene“, die lokalen Geschehnisse dieser Zeit. In das Burzenland und dessen einzeln vorgestellte sächsische Dörfer führte Prof. Dr. Paul Niedermaier aus Hermannstadt mit Beobachtungen zur Siedlungstopographie, anschaulich insbesondere aufgrund der greifbaren kartographischen Quellen aus dem 18. Jahrhundert. Dr. Harald Roth aus Potsdam erläuterte sein hinter „Kronstadt, 236 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 eine Gründung des Deutschen Ordens“ gesetztes Fragezeichen. Den seit der „Wiederentdeckung“ der Deutschordenszeit im 18. Jahrhundert geltenden Konsens stört ein seit wenigen Jahrzehnten bekannter Beleg eines Prämonstratenserklosters 1234/1235. Nach der Darlegung, wie wenig geeignet Kronstadt als Zentralort für den Deutschen Orden gewesen wäre, machte er wahrscheinlich, dass die Niederlassung des konkurrierenden Prämonstratenser-Ordens bereits vor der Berufung des Deutschen Ordens bestand. Sie dürfte eine Fortsetzung im Zisterzienserinnenkloster gefunden und sich im großen kirchlichen Grundstückskomplex um die Schwarze Kirche in der Stadttopographie verfestigt haben. Am zweiten Tagungstag wurden neue Ergebnisse archäologischer Forschungen vorgestellt. Dr. Adrian Ioniţă vom Archäologischen Institut „Vasile Pârvan“ aus Bukarest, Fortsetzer der Arbeiten des verstorbenen Prof. Dr. Radu Popa, referierte über die Besiedlung des Burzenlandes im 12. und 13. Jahrhundert. Eine besondere, westliche Bestattungsform mit Kopfnischen sowie Münzen Gézas II. und Stephans III. weisen in das späte 12. Jahrhundert und legen nahe, dass das Burzenland von der gleichen Siedlungsbewegung wie das Gebiet des „Andreanums“ erfasst wurde. Der Forschungsbericht von Prof. Dr. Adrian Andrei Rusu über die Burgen des Deutschen Ordens stellte das Fehlen einer eigenen Deutschordensarchitektur heraus. Die wenigen Anlagen wurden in der typischen Bauweise der Region angelegt, ähneln denen im Sachsen- oder Szeklergebiet. Ein eigener Bautyp als „befestigter Konvent“ hat sich erst allmählich später in Preußen entwickelt. Prof. Dr. Zeno Pinter aus Hermannstadt gab einen Überblick über „Waffenfunde der Deutschordenszeit“. Die Zeit um 1200 als Höhepunkt der schweren Kavallerie brachte „militärische Spitzentechnik“ hervor. Erfahrungen der Kreuzzüge hatten gerade die Schwertproduktion verändert. Funde aus Siebenbürgen wurden mit Vergleichsfunden bis in die Schweiz abgeglichen und die verschiedenen Klassifikationssysteme für Schwerter vorgestellt. Dieses konkretisierten die sehr erhellenden Ausführungen von Florin Motei über „Ein bislang unbekanntes Schwert aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Kronstädter Historischen Museum“. Die bei Petersberg gefundene Waffe fällt zudem auf durch ein als Meisterzeichen oder Wappen angebrachtes Herz und Kreuz. Die Rezeption der kurzen Deutschordenszeit in der Neuzeit beleuchtete der nächste Themenblock. Aus seiner jahrzehntelangen Beschäftigung heraus gab der Tübinger Prof. Dr. Harald Zimmermann einen lebendigen Forschungsbericht über den Deutschen Orden in der siebenbürgischen Geschichtsschreibung. Hatte 1689 ein nach Kronstadt entsandter Ordensritter noch vergeblich geforscht, so brachte hundert Jahre später, während der Umbrüche unter Joseph II., der Göttinger Historiker Schlözer (und dessen sächsische Zuträger) diese Ereignisse in die allgemeine Geschichtsschreibung zurück. Schlözer bewertete den Orden und seinen „intriganten Hochmeister“ negativ; erst durch dessen Vertreibung sei ein „freies, glückliches Volk im Burzenland verblieben“. Dieses wirkte lange nach, über Georg Daniel Teutsch bis Oskar Wittstock 1943. Weitere Forschungen und Neubewertungen fasste die 150-seitige Darstellung von Friedrich Philippi im Kronstädter Gymnasialprogramm 1861 zusammen. Ähnlich dem Reich kam im späten 19. Jahrhundert eine positivere Bewertung des Deutschen Ordens auf; auch in das deutschsprachige Schulbuch fand er Aufnahme. Auf rumänischer Seite stieß der Klausenburger Hobby-Historiker Iosif Mitteilungen und Berichte 237 Şchiopul eine Fälschungsdiskussion an, die auch von der renommierten rumänischen Mediävistin Maria Holban weitergeführt wurde. Zimmermann hat die Echtheit der Urkunden nicht nur in seinem jüngst in zweiter Auflage erschienenen Buch über den Deutschen Orden, sondern auch in einem größeren Exkurs seines Kronstädter Vortrags nachgewiesen. Der junge Heidelberger Kunsthistoriker Timo Hagen stellte in einem spannenden Vortrag mit reichem Bildmaterial die „Rezeption des Deutschen Ordens in der siebenbürgischen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“ vor. Sie konzentrierte sich auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, mit Wechselwirkung durch die parallele deutschnationale Deutschordens-Rezeption im Reich. Eine 1942-1944 erstellte Skulptur war vorläufiger Abschluss der Verbildlichung „deutscher Leistungen im Südosten“. Nach längerem Desinteresse wird die Deutschordenszeit aktuell in Reenactment-Ereignissen im Burzenland wieder aufgegriffen. Die letzten beiden Vorträge befassten sich mit der „zweiten Berufung“ des Deutschen Ordens im 15. Jahrhundert. 13 Ordensritter und 100 Hilfskräfte und Handwerker kamen 1429 unter Leitung des Nikolaus von Redwitz aus Preußen, versehen mit Abschriften der Burzenländer Ordensurkunden, in das Severiner Banat. Der Vortrag des Bukarester Professors Dr. Virgil Ciocâltan über,,Kaiser Sigismund von Luxemburg und die Frage der Ansiedlung des Deutschen Ordens an der Unteren Donau“ ordnete diese Aktion in die großen Linien der Politik Sigismunds ein. Der Gedanke, den Deutschen Orden bei der Abwehr der Osmanen einzusetzen, wurde bis in die Phase der ungarisch-polnischen Annäherung 1412 und ein chronikalisch bei Jan Długozs überliefertes Geheimabkommen zurückverfolgt – ein Musterfall für die jahrzehntelange Beharrlichkeit Sigismunds bei der Verfolgung einer Option unter verschiedenen politischen Konstellationen. ,,Der Stellenwert des Deutschen Ordens in der Geschichte des Banats von Severin“ wurde von Dr. Viorel Achim vom Geschichtsinstitut „Nicolae Iorga“ in Bukarest dargestellt. Mit 30 Dokumenten liegt ein reicher archivalischer Niederschlag vor, aufschlussreich auch für die Geschichte der Region und eingehenderer Auswertung wert. Die letzten Ordensritter zogen 1437 ab, im Todesjahr Sigismunds. Im Zusammenhang mit der Tagung fanden weitere Veranstaltungen statt. Zunächst sei die von Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch organisierte zwölftägige Studienreise „Auf den Spuren des Deutschen Ordens“ genannt, die vom 10. bis 22. September von der Marienburg an der Nogat durch das ehemalige Deutschordensland, die Zips und Siebenbürgen bis zur Marienburg am Alt führte. Höhepunkte waren der Besuch von Marienburg, Marienwerder, Kulm, Thorn, Krakau, Käsmark, Leutschau, Kaschau, Großwardein, Klausenburg, Schäßburg, Kronstadt, Kerz, Hermannstadt, Egresch sowie des heutigen Deutschordenssitzes in Wien. Am 15. September waren die Tagungsteilnehmer zu einer Sonderführung durch die Ausstellung „Deutsche Kunst in Siebenbürgen aus den Beständen des Kronstädter Kunstmuseums“ eingeladen. Am 16. September wurden im Rahmen eines Empfangs beim Bürgermeister von Kronstadt mit Prof. Dr. Paul Philippi und Dr. Harald Roth zwei langjährige Vorstandsmitglieder des Arbeitskreises mit der Ehrenbürgerwürde ausgezeichnet. Im Kronstädter Rathaus präsentierte Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Machat die gerade in der Abschlussphase befindliche „Denkmaltopographie Kronstadt“, die für den Denkmalschutz in der Stadt bedeutsam werden kann. Am 17. September fand die Mitgliederversammlung des Arbeitskreises im Gemeindehaus der Honterus-Gemeinde statt. 238 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 Am 18. September starteten zwei Busse zu einer Ganztagesexkursion durch das Burzenland. In Tartlau besuchten die Teilnehmer den Sonntagsgottesdienst der Gemeinde; der Vorsitzende des Arbeitskreises, Pfarrer Dr. Ulrich A. Wien, übernahm die Predigt. In Marienburg am Alt wurden sie nach Besichtigung von Kirche und Burganlage vom Bürgermeister begrüßt. Er stellte den Exkursionsteilnehmern Pläne vor, die Deutschordensvergangenheit stärker touristisch zu nutzen. In Ausweitung ihrer Vorträge führten Prof. Dr. Adrian Rusu durch die Rosenauer Burg und Prof. Dr. Paul Niedermaier durch die vom Bus angefahrenen Burzenländer Orte; abschließend wurde die Kirche St. Bartholomä besichtigt. Die Jahrestagung des Arbeitskreises erfuhr erfreuliche breite Unterstützung. Als Partner der Veranstaltung firmierten die Evangelische Kirche A. B. Kronstadt mit Archiv und Bibliothek der Honterus-Gemeinde, das Bürgermeisteramt Kronstadt, das Demokratische Forum der Deutschen im Kreis Kronstadt, die Firma „Continental Automotive Romania SRL“ und der Kronstädter Kreisrat mit dem Kulturzentrum „Redoute“. Im Foyer des Tagungsraumes wurde die Ausstellung „800 Jahre Burzenland“ gezeigt, die das Deutsche Kulturforum östliches Europa in Kooperation mit sächsischen Institutionen in Deutschland und Kronstadt zusammengestellt hat. 1911 wurde die Ausstellung der Berufungsurkunde als Jahrestag des Beginns der Besiedlung des Burzenlandes gefeiert, das nach dem Wortlaut der Berufungsurkunde „deserta et inhabitata“ – verlassen und unbewohnt – gewesen sei. 2011 wird dieser Vorgang wesentlich differenzierter gesehen. Alte Sichtweisen kritisch zu prüfen und in Frage zu stellen, neue Funde, neue Sichtweisen und Interpretationen einander vorzustellen und den Austausch über die Grenzen der Länder und Disziplinen zu fördern – der diesjährigen Jahrestagung des Arbeitskreises ist dieses in besonderem Maße gelungen. Martin A r m g a r t Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 239 Nachrufe Lajos Demény (1926-2010) Am 19. November 2010 ist der siebenbürgischungarische Historiker Lajos Demény in Bukarest gestorben. Sein Lebensweg begann am 6. Oktober 1926 in Klein-Phlepsdorf, führte über den Schulbesuch in Strassburg am Mieresch, Sächsisch Reen und Neumarkt am Mieresch zum Geschichtsstudium an der ungarischsprachigen Bolyai-Universität in Klausenburg. Für seine künftige Karriere entscheidend wurde die Abordnung des „sozial gesunden” Kleinbauernsohnes zum Studium in der Sowjetunion (Sverdlovsk/heute Jekaterinburg und Leningrad/St. Petersburg), das er 1956 als Kandidat der Geschichte abschloss. Damit stieg er in den Kreis der privilegierten Vertrauensleute des kommunistischen Regimes auf und wurde Dozent an der Bukarester Parteihochschule und Kaderschmiede „Ştefan Gheorghiu”. 1959 wechselte er zum Verlag der Rumänischen Akademie, 1964 wurde er Forscher am Geschichtsinstitut „Nicolae Iorga”, dem er bis zu seiner Pensionierung als Leiter der Abteilung für Geschichte der „mitwohnenden Nationalitäten” treu geblieben ist. Deménys hervorragende Verbindungen zur neuen, vorwiegend in der Sowjetunion ausgebildeten Elite eröffneten ihm Möglichkeiten der Einflussnahme, auch der Hilfe für andere Historiker aus den Reihen der Minderheiten in Rumänien. Den Herausgeber der Bände IV-VII des „Urkundenbuchs zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen” etwa hat er wiederholt unterstützt, die Publikation des V. Bandes überhaupt erst möglich gemacht. Unter dem natio­ nalkommunistischen Regime begann sein Stern zu sinken, in den 1980er Jahren gehörte er der innerparteilichen Opposition an, die unter anderem den Abriss der Bukarester Altstadt öffentlich missbilligte. Nach dem Ende der sogenannten Ära Ceauşes­cu aber wurde er stellvertretender Bildungsminister in der ersten Regierung Roman, dann Senator im rumänischen Parlament (19901992). Als Minister zeigte er seine Verbundenheit zum Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL), indem er an der ersten nach der Wende veranstalteten Tagung in Hermannstadt teilnahm und auch Ministerpräsident Petre Roman zu einem kurzen Grußwort animiert hatte, das damals für viel Aufsehen gesorgt hat. Am Iorga-Institut hat Lajos Demény die neue Serie des Szekler Urkundenbuchs „Székely Óklevéltár” begründet und nicht weniger als acht Bände ediert. Damit hat er ein Grundlagenwerk für die Siebenbürgen-Forschung vorgelegt, das von bleibendem Wert ist. In seiner drei Auflagen erreichenden Darstellung des Bauernaufstandes von Bobâlna („Az 1437-38-as bábolnai népi felkelés” [Der Volksaufstand von Bábolna, 1437-1438], 1960; „Paraszttábor Bábolnán” [Bauernheerlager in B.], 1977; „Parasztfelkelés Erdélyben 14371438” [Bauernaufstand in Siebenbürgen], 1987) hat er durch Betonung der siebenbürgisch-sächsischen Beteiligung zu einer wohlwollenderen Haltung des Regimes gegenüber der deutschen Minderheit beigetragen. Weitere Bücher widmete Demény der Szekler Geschichte („Székely felkelések a XVI. század második felében” [Szekler Aufstände in der zweiten Hälfte des 16, Jahrhunderts], 1976; „A székelyek és Mihály vajda. 1593-1601” [Die Szekler und Michael der Tapfere], 1977) und – zusammen mit seiner aus Russland stammenden Gattin Lidia – der Kulturgeschichte („Carte, tipar și societate la români în secolul al XVI-lea” [Buch, Buchdruck und Gesellschaft bei den Rumänen im 16. Jahrhundert], 1986). 1989 zählte Demény zu den Mitbegründern des in kommunistischer Zeit aufgelösten ungarischen Landeskundevereins „Erdélyi Múzeum Egyesület” und betrieb aktiv die verstärkte Kooperation mit dem AKSL. Demény war Korrespondierendes Mitglied der Rumänischen Akademie und seit 1995 auswärtiges Mitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Die József-AttilaUniversität in Szegedin verlieh ihm den Ehrendoktortitel. K. G. 240 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011), Heft 2 Bernd Hey (1942-2011) Professor Bernd Hey war über mehrere Jahrzehnte hin ein treuer und engagierter Begleiter siebenbürgischer landeskundlicher Anliegen. Er wurde 1942 in Bielefeld geboren. Er studierte Geschichte, Germanistik, Publizistik, Philosophie und Pädagogik in Münster/W. und wurde 1980 an der Universität Bielefeld im Fach Geschichte habilitiert. Nach zeitweiliger Tätigkeit als Privatdozent und der Berufung zum Professor 1984 übernahm er 1985 die Leitung des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen; bis zu seiner Pensionierung 2007 fand er hier eine erfüllende Aufgabe. Als Archivleiter begegnen wir ihm in siebenbürgischen Zusammenhängen. Ein großer Teil der nordsiebenbürgischen Kirchenbücher war nämlich mühsam über die Jahre im Kirchenarchiv in Bielefeld treuhänderisch zusammengeführt worden. In den benachbarten Bethelschen Anstalten wurden sie in der Folge in enger Kooperation mit der Gundelsheimer Geschäftsstelle zum guten Teil restauriert. Dabei entflammte Heys Inter­ esse für das Faszinosum Siebenbürgen, das ihn zeitlebens nicht mehr loslassen sollte. Er verfolgte die Forschungen zur siebenbürgischen Landeskunde sehr aufmerksam und sorgte dafür, dass die Kirchenbücher nach und nach ins Siebenbürgen-Institut nach Gundelsheim kamen. Kurz nach der Wende stellte Hey seine Erfahrungen in den Dienst der Archivsicherungsmaßnahmen in sich auflösenden evangelischen Gemeinden in Siebenbürgen und half bei der Bergung und bei ersten Verzeichnungen gesicherter Bestände mit. Diese Arbeiten sollten zum Vorbild für die allmählich breit angelegte Erschließungsarbeit werden. Er stand den Archivbetreuern auch in den kommenden Jahren laufend mit Rat und Tat zur Seite und vermittelte wertvolle Kontakte. Zusätzlich konnte er Kollegen von der Universität Bielefeld für Siebenbürgen begeistern und unternahm wiederholt mit Studentengruppen wohlfundierte Exkursionen vor allem in die sächsischen Gegenden. In den letzten Jahren war Bernd Hey von Krankheit gezeichnet. Er starb am 27. Januar 2011 in seiner Geburtsstadt Bielefeld. Wir verlieren in ihm einen stets geneigten, zupackenden und sympathischen Begleiter unserer Arbeit. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. H. R. Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34. (105.) Jahrgang (2011) Böhlau Verlag Köln Weimar Wien ISSN 0344-3418 Die „Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde“ setzt in IV. Folge das „Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde“ (I. Folge, 1878-1930), die „Siebenbürgische Vierteljahrsschrift“ (II. Folge, 1931-1941) und das „Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“ (III. Folge, 1971-1977) seit 1978 fort. 1999 wurde sie mit der Zeitschrift „Siebenbürgische Semesterblätter“ (München 1987-1998) vereinigt. Herausgeber: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg, Schloss Horneck, 74831 Gun­delsheim/Neckar, Tel. (06269) 42100, Fax (06269) 421010, E-Post: [email protected]. Redaktion: Hon.-Prof. Dr. Konrad Gündisch, Oldenburg, [email protected]; Dr. Stefan Măzgăreanu, Olching, [email protected]; Dr. Dirk Moldt, Berlin, [email protected]; Dr. Harald Roth, Potsdam, [email protected]; Daniel Ursprung, Zürich, [email protected]. Bankverbindung: Kreissparkasse Heilbronn (BLZ 620 500 00), Konto 009 574 520. Preis des Jahrgangs (bestehend aus zwei Heften): € 30,–. Für die Mitglieder des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde beträgt der Bezugspreis jährlich € 15,– (jeweils zuzüglich Versand). ©. 2011 by Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e. V. Heidelberg, Schloss Horneck, 74831 Gundelsheim/Neckar. Mit Namen gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für den Inhalt der Beiträge sind die jeweiligen Autoren verantwortlich. Die Schriftleitung behält sich das Recht vor, die Beiträge redaktionell zu bearbeiten. In den Beiträgen werden die deutschen Ortsnamen verwendet. Für deren rumänische und ungarische Konkordanz wird verwiesen auf Ernst W a g n e r : Historisch-statistisches Ortsnamenbuch für Siebenbürgen. Köln, Wien 1977 (= Stud. Trans. 4). In der Spalte „Kolloquium“ werden primär Arbeiten von Studierenden und Nachwuchswissenschaftlern veröffentlicht. Manuskripte sind in druckfertiger Fassung an die Redaktion einzusenden. Spätere Autorenkorrekturen gehen zu Lasten der Verfasser. Die Redaktion bittet um Übersendung einer Word-Datei und ggf. von Fotos (in bestmöglicher Qualität und mit hoher Auflösung/Pixelzahl) via E-Mail oder auf CD-ROM. Die Satzanweisungen sind in der Datei mit roter Schriftfarbe kenntlich zu machen bzw. im Ausdruck nur mit Bleistift vorzunehmen. Die auf der dritten Umschlagseite dieses Heftes angeführten Abkürzungen und Siglen sind zu verwenden. Unveröffentlichte Manuskripte werden dem Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim übergeben. Satz und Gestaltung: Kraus PrePrint, Landsberg am Lech. Druck: Strauss GmbH, Mörlenbach. Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 34 (2011) Inhaltsverzeichnis Aufsätze Ágnes B á l i n t , Frank-Thomas Z i e g l e r : „Wer hat das schöne Himmelszelt hoch über uns gesetzt?“ Zu den Übermalungen des Rosenauer-Wandbildes in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche ............................................................................................................................ 1-28 Petre B e ş l i u : Gesellschaftliche Gruppen im Hermannstädter Siechenhaus im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit . ........................................................................................................ 121-136 Beáta B o r d á s : Das Schloss der Familie Baron Szentkereszty in Árkos. Ein adliger Wohnsitz in Siebenbürgen im 19. Jahrhundert .......................................................................................... 40-54 Michael K r o n e r : Identitätsstiftung und Identitätserhalt durch Vermittlung siebenbürgischsächsischer Geschichte im Unterricht . ...................................................................................... 75-94 Péter L ő k ö s : Das Türkenbild in Christian Schesäus’ Ruina Pannonica und in seinen Quellen .. 29-39 Irmgard und Werner S e d l e r : Das „Spiel vom König und vom Tod“. Ars moriendi im siebenbürgischen Fastnachtsbrauchtum .............................................................................................. 137-166 Annemarie We b e r : Die geplante Umsiedlung der Rumäniendeutschen 1944-1946 in unveröffentlichten Archivdokumenten ............................................................................................... 55-74 Kolloquium Bianca K o s : „Old Splendour in Transylvania“. Architektur des Klassizismus, Biedermeier und Historismus in Siebenbürgen und im Banat zwischen 1780 und 1880 . ....................... 95-106 Quellen Dietmar Pl a j e r : Wo sind unsere alten Kirchenglocken? . ................................................................ 107-113 Zsolt S i m o n : Die Schäßburger Rechnung von 1522 ......................................................................... 167-185 Ottmar T r a ş c ă : Die Deutsche Volksgruppe in Rumänien und die Ereignisse vom 23. August 1944 im Spiegel eines unveröffentlichten Manuskripts ...................................... 186-228 Diskussionsforum Tibor S c h ä f e r : Attilas Begräbnis und Grab in der wissenschaftlichen Forschung ..................... 114-116 Károly S z ő c s : Noch einmal zur Prinzesse Omer. Eine Spurensuche im 21. Jahrhundert ............ 117-119 Mitteilungen und Berichte .................................................................................................................... 236-228 Martin A r m g a r t : 800 Jahre Deutscher Orden in Siebenbürgen. 46. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde am 15./16. September 2011 in Kronstadt . ...... 235-238 Hansotto D r o t l o f f : Siebenbürgen im Spiegel der nachgelassenen Schriften der Familie Conrad von Heydendorff (1750-1850) ....................................................................................... 229-234 Nachrufe Lajos Demény ........................................................................................................................................... Bernd Hey ................................................................................................................................................. 239 240 Abkürzungen Abh. Acta Historica Acta Mus. Nap. An. Inst. I. Apulum Archiv = = = = = = Bll. DFSO Erd. Múz. Forschungen Jh. Jb(b). Kal. Kbl. AKSL = = = = = = = = Kbl. VfSL KK Lev. Közl. MIÖG Mitt. Rev. Arh. Rev. Roum. Sbg. Arch. Sbg. Vjschr. Schriften Sodt. Arch. Sodt. Vjbll. SOE-Mitt. SOF Stud. Com. Stud. Trans. Stud. Univ. B. B. Ub. = = = = = = = = = = = = = = = = = = ZfSL Zs. = = Abhandlung(en) Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae, Budapest Acta Musei Napocensis, Cluj (Klausenburg) Anuarul Institutului de Istorie, Cluj (Klausenburg) Apulum. Acta Musei Apulensis, Alba Iulia (Karlsburg) Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, Hermannstadt (A.F., N.F. ­– Alte bzw. Neue Folge) Blätter Deutsche Forschung im Südosten, Hermannstadt Erdélyi Múzeum, Kolozsvár (Klausenburg) Forschungen zur Volks- und Landeskunde, Hermannstadt (Sibiu) Jahrhundert Jahrbuch (-bücher) Kalender Korrespondenzblatt des Arbeitskreises für siebenbürgische Landes­kunde, Köln, Wien Korrespondenzblatt des Vereins für Siebenbürgische Landeskunde, Her­mannstadt Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn Levéltári Közlemények, Budapest Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Wien Mitteilungen Revista Arhivelor, București (Bukarest) Revue Roumaine d’Histoire, București (Bukarest) Siebenbürgisches Archiv, Köln, Weimar, Wien Siebenbürgische Vierteljahresschrift, Hermannstadt, Bistritz Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Köln, Weimar, Wien Südostdeutsches Archiv, München Südostdeutsche Vierteljahresblätter, München Südosteuropa-Mitteilungen, München Südostforschungen, München Studii și comunicări, Muzeul Brukenthal, Sibiu (Hermannstadt) Studia Transylvanica, Köln, Weimar, Wien Studia Universitatis Babeș-Bolyai, Cluj (Klausenburg) Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen, 7 Bde., Hermannstadt/ Bukarest 1892-1991 Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde, Köln, Weimar, Wien Zeitschrift In den durchnumerierten Anmerkungen sollen beim ersten Zitieren Vor- und Nachname des Verfassers, der vollständige Titel der Arbeit, Druckort und -jahr bzw. (In:) Zeitschrift, Jahrgang (ggf. auch Heft) und Erscheinungsjahr sowie die betreffenden Seiten, unter Vermeidung der Abkürzungen f. und ff., angeführt werden. Bei wiederholtem Zitieren desselben Werkes werden die üblichen Hinweise (Ebenda, wie Anm. „xy“, nicht aber „a.a.O.“) verwendet. Nachnamen werden g e s p e r r t geschrieben. Titel von Arbeiten, die nicht in einer Weltsprache erschienen sind, werden in eckigen Klammern [ ] ins Deutsche übersetzt. Die obigen Abkürzungen sollen in den Anmerkungen verwendet werden. Tabellen und Abbildungen sind auf das notwendige Maß zu beschränken. Fotos sollen scharf und kontrastreich sein und werden auf Wunsch nach der Veröffentlichung zurückerstattet. Legenden der Abbildungen und Tabellen sind beizulegen.