Zu guter Letzt AJP/PJA 5/2014 War Dutti ein Pirat? 737 desgericht hatte mit der Migros kein Erbarmen: Die herabsetzende und anlehnende Propaganda – heute wäre es Art. 3 Abs. 1 lit. a/e UWG – gegen das «Götzenbild Persil» und Henkel musste inskünftig unterbleiben. Die Verwendung von Hänkel war markenrechtlich wegen Verwechslungsgefahr auch nicht mehr gestattet2. Die Migros verdeckte einen Teil der Etikette fortan mit einem Feigenblatt – zu sehen war nur noch Ohä. Arnold F. Rusch PD Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich Kennen Sie den Kaffee Zaun, die Donnerstags-Tasche und die Glacée Jane & Mary’s? Falls nein, sind Sie wahrscheinlich im Unterschied zu mir kein Migros-Kind. Die Migros-Produktenamen sorgen immer wieder für Heiterkeit beim Publikum, aber auch für rote Köpfe bei der Konkurrenz. Der Grund des Wohlwollens trotz der Gesetzesverstösse liegt im Erbe Duttweilers und dem neuen Kampf gegen die Hochpreisinsel. Persil war richtig teuer. Ein Karton kostete einen Franken – im Jahre 1931. Zum Glück konnte die Hausfrau das Waschmittel Ohä im Migros kaufen, für nur 50 Rappen! Ohä stand für «Ohne Hänkel». Die Assoziation lässt uns heute ratlos zurück, doch damals war der Fall klar. Hänkel ist das Dialektwort für Henkel. So heisst heute noch die Herstellerin von Persil. Die Werbung nahm kein Blatt vor den Mund: Henkel sei ein grosskapitalistisches ausländisches Unternehmen, das seine Machtstellung unbedingt und masslos ausnütze. Migros forderte die Hausfrauen auf, solange Ohä zu kaufen, bis das Persil-Frankenpaket für 50 Rappen erhältlich sei1. Das Bun- Die Ohä-Etikette mit Feigenblatt (Bild: MGB Dokumentation) Das Putzmittel Vim von Sunlight war das nächste Opfer der Migros. Päng hiesst die Kopie, kostete nur einen Drittel und war gleich gut. Auch hier liess die Migros nichts aus: ««Wim»mern Sie nicht mehr wegen des zu hohen Preises, sondern «Päng»-en Sie hinfort fröhlichen Herzens.» Das Bundesgericht untersagte auch diese Werbung3. Päng konnte sich wegen der bereits eingetragenen Marke Peng aber ohnehin nicht halten. Migros ersetzte es durch Potz, mit dem ich auch schon geputzt habe. 2 1 BGE 58 II 449 ff., 452. 3 BGE 58 II 449 ff., 458 ff. BGE 59 II 15 ff., 17. Die originellste Anlehnung schuf Migros mit dem entkoffeinierten Kaffee Zaun, der dem deutschen Kaffee HAG Konkurrenz machen sollte. Die Grossschreibung HAG zeigt, dass es um die Abkürzung für Handels-AktienGesellschaft ging, doch war die Anspielung auf den Gartenhag mit dem Wort Zaun besonders geglückt. Ich konnte dazu keine Gerichtsentscheidungen finden – die Migros führt diesen heute noch im Sortiment. Dabei wäre die Dialektform deutscher Wörter durchaus problematisch, wie ein aktuelles Beispiel der Migros-Tochter Denner zeigt. Diese verwendete für ihre Kaffeekapseln den Werbespruch «was suscht?» an Stelle des von Nespresso als Wortmarke hinterlegten Slogans «what else?». Das Handelsgericht St. Gallen untersagte dies superprovisorisch, was sich mit der Verletzung der Wortmarke, der unlauteren Anlehnung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG und der schmarotzerischen Rufausbeutung, die unter die Generalklausel des Art. 2 UWG fällt, begründen lässt4. Ein nur kurzes Leben war der Eiscreme Jane & Mary’s beschieden, die gegen das erfolgreiche Speiseeis Ben & Jerry’s antrat. Jetzt heisst sie nur noch Mary Jane’s. Dasselbe Schicksal ereilte die Donnerstag-Taschen als Konkurrenz zu den aus Lastwagenblachen gefertigten Freitag-Taschen. Die Migros gab in beiden Fällen schon aussergerichtlich nach5. Viele weitere Migros-Produkte lehnen sich an KonVgl. die superprovisorischen Massnahmen vom 10. Januar 2011, beschrieben in Urteil BGer 4A_178/2011, B. Zur Anwendbarkeit der Generalklausel bei schmarotzerischer Rufausbeutung vgl. BGE 116 II 365 ff., 368 f. und BSK-Reto Hilty, in: Reto Hilty/ Reto Arpagaus (Hrsg.), Basler Kommentar, Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2. A., Basel 2013 (zit. BSK-Verfasser), UWG 2 N 124. 5 Internet: http://www.migrosmagazin.ch/ menschen/interview/artikel/wir-arbeitenquasi-planwirtschaftlich (8.4.2014) und Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31. 4 A r n o l d F. R u s c h AJP/PJA 5/2014 738 Varianten eines Themas: Kaffee HAG und Kaffee Zaun; Ben & Jerry’s (Unilever) mit den Migros-Annäherungen Jane & Mary’s sowie später Mary Jane’s. kurrenzprodukte mit der Kennzeichnung oder der Ausstattung an: so z.B. Quadretti bei Chocoletti (Lindt), Mahony bei der Toblerone (Mondelēz), Delta-Jet bei der Rakete (Frisco), Blox bei Twix (Mars) sowie Eimalzin bei Ovomaltine (Wander)6. Weshalb ist die Schweizer Bevölkerung den Migros-Produkten so positiv gesinnt, obwohl handfeste Gesetzesverstösse vorliegen? Zwei Gründe lassen sich ausmachen. Erstens wirkt das Erbe Gottlieb Duttweilers nach, der eigentlich ganz gerne Markenartikel verkauft hätte, sich aber immer wieder Lieferboykotten ausgesetzt sah. Die Schaffung von Eigenmarken haben die Konkurrenzmarken sich teilweise selbst zuzuschreiben, weil sie ihre Hochpreispolitik durchsetzen wollten7, was mit der Schweizer Hochpreisinsel erneut stark an Aktualität gewonnen hat. Zweitens schimmert deshalb der provokative Verdacht durch, dass das UWG eigentlich gar nicht anwendbar sein sollte: Die Annäherungen an die Konkurrenzprodukte durch die Migros insbesondere in der Vergangenheit schaffen gerade erst den notwendigen Wettbewerb, der folglich nicht unlauter sein kann. Sie 6 7 Zu den Grenzen der Zulässigkeit BGE 135 III 446 ff. Spiegel 47/1954, 31 f.: http://wissen.spiegel. de/wissen/image/show.html?did=28957842 &aref=image035/E0343/sp19544727T2P-28957842.pdf&thumb=false (8.4.2014). bilden die richtige Antwort auf das Verhalten der Hochpreisanbieter. Sie sollten deshalb – ähnlich wie der von der h.L. und Rechtsprechung verworfene Einwand der unclean hands8 – durch einen «Wettbewerbsnotstand» gerechtfertigt sein. Die preisdämpfende Wirkung der Eigenmarken kann sich nur entfalten, wenn die Menschen merken, dass es Alternativen zu den Markenprodukten gibt. Dazu bedarf es pointierter Aussagen9 – wenn es funktioniert, wären die bedeutend härter in den Wettbewerb eingreifenden Kartellgesetzrevisionen überflüssig10. Es fällt ohnehin schwer, überhaupt eine Herabsetzung des Originals in der Werbung mit dem viel günstigeren Preis des Migros-Produkts zu sehen. Die vergleichende Werbung als solche ist nicht verboten. Erst wenn sie mit einer unnötigen Herabsetzung oder sich einer Rufausbeutung bedient, greift Art. 3 Abs. 1 lit. e UWG ein11. Das Bundesgericht hielt selber Vgl. Christian Oetiker, in: Peter Jung/ Philippe Spitz (Hrsg.), Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), Bern 2010, UWG 3 lit. e N 61, m.w.H.; vgl. BGE 129 III 426 ff., 430 ff., BGE 81 II 65 ff., 70 f. 9 Vgl. die ähnliche, aber verworfene Argumentation der Beklagten in Urteil BGer 4C.316/1999, E. 5a. 10 Vgl. den Gedanken bei Herbert Wohlmann, NZZ 21.2.2012, 26. 11 Vgl. Carl Baudenbacher/Jochen Glöckner, in: Carl Baudenbacher (Hrsg.), Lauterkeitsrecht, Basel 2001, UWG 3 lit. e 8 fest, dass Päng gleich gut wie Vim sei. Wenn die Migros mit dieser Tatsache nicht auch mit smarten Sprüchen und Slogans Werbung machen darf, nimmt dies die grundsätzliche Zulässigkeit der vergleichenden Werbung wieder zurück12. Damit lässt sich gut die Brücke zur Markenparodie schlagen13. Die träfen Sprüche zu Päng und Ohä muss man als rechtfertigende Satire und Humor verstehen, was in den Entscheiden aber kein Thema war. Das Ganze hat aber auch einen Haken. Man muss kritisch festhalten, dass die Migros mittlerweile selber sehr potent im Schweizer Markt auftritt, aber recht dünnhäutig reagiert, wenn man sich ihren Produkten annähert, die längst etablierte Marken bilden – so geschehen bei den Farmerähnlichen Riegeln des Aldi14. Guter Rat ist teuer. Was würde Dutti tun? Er wäre sicher grosszügiger gewesen! N 34 ff.; BSK-Schmid (FN 4), UWG 3 Abs. 1 lit. e N 76 ff., 83 f., 94. 12 Vgl. Jochen Glöckner, in: Otto Teplitzky/ Karl-Nikolaus Pfeifer/Matthias Leistner (Hrsg.), UWG, 2. A., Berlin 2013, § 6 N 31; zum Humor als Rechtfertigung vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 2009 – I ZR 134/07, in GRUR 2010, 161 ff., 164, N 17 ff., insb. N 20. 13 Vgl. dazu BSK-Arpagaus (FN 4), UWG 3 Abs. 1 lit. d N 112 und Maya Hertig Randall, Le regard d’une constitutionnaliste sur la parodie des marques, in: Peter Kunz et al. (Hrsg.), Wirtschaftsrecht in Theorie und Praxis, Festschrift für Roland von Büren, Basel 2009, 415 ff., insb. 443 ff. 14 Tages-Anzeiger, 8.10.2012, 31.