28.11.2011 Begriffe, Erfassungsmethoden und aktuelle Schweizer Zahlen PD Dr. David Schwappach, MPH Wissenschaftlicher Leiter Stiftung für Patientensicherheit Patientensicherheit - avanti! 28.-30.11.2011, Basel Übersicht Wichtige Begriffe Erfassungsmethoden Schweizer Zahlen 2 1 28.11.2011 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit Kunstfehler Schadensfall Ärztepfusch Fehler Nebenwirkung Unerwünschtes Ereignis Arzneimittelreaktion Behandlungsfehler Missgeschick 3 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit A) Unerwünschtes Ereignis B) Vermeidbares, unerwünschtes Ereignis C) Medizinischer Fehler 4 2 28.11.2011 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit Unerwünschtes Ereignis (adverse event) Eine Schädigung, die auf das medizinische Management und nicht auf die Erkrankung eines Patienten zurückzuführen ist. Ein UE kann das Ergebnis eines Fehlers sein. Bsp.: Starke Hautreaktion nach Penicillin-Gabe. 5 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit Medizinischer Fehler (medical error) Eine Handlung oder ein Unterlassen, bei dem eine Abweichung vom Plan (Ausführungsfehler), ein falscher Plan oder kein Plan vorliegt (Planungs-Fehler). Ein Fehler kann zu einer Schädigung führen. Beurteilung ist bezogen auf eine Referenz, z.B. „state of the art“ Bsp.: Bei der Visite werden beim Verordnen von Penicillin die Warnhinweise in der Patientenakte übersehen. 6 3 28.11.2011 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit Vermeidbares unerwünschtes Ereignis (preventable adverse event) Ein unerwünschtes Ereignis, das auf einen Fehler zurückzuführen ist. Bsp.: Starke Hautreaktion nach Penicillin-Gabe. Eine Penicillin-Allergie war in der Patientenakte vermerkt. 7 Wichtige Begriffe der Patientensicherheit Vermeidbare UE Medizinische Fehler Unerwünschte Ereignisse MF VUE Potentieller, Beinahe-Schaden UE Nebenwirkungen 8 4 28.11.2011 Administrative Daten 10 0 5 Beobachtung % Wundinfektionen Krankenakten 15 20 Erhebungsmethoden Krankenhäuser Autopsie Patienten- / Mitarbeiterbefragung Freiwillige Berichtssysteme (CIRS) Obligatorische Meldesysteme für Einzelereignisse (sentinel events) 9 Erhebungsmethoden: Retrospektive Aktenanalyse In Patientendokumentationen werden unerwünschte Ereignisse „gesucht“ Erstmalig durch Brennan et al. 1991 in der Harvard Medical Practice Study, seither in vielen Ländern angewandt (USA, CAN, UK, AUS, SP, NL, SE, etc.) Mehrstufiges Verfahren anhand vorgegebener Kriterien 1. Screening durch geschulte Pflegefachpersonen auf bestimmte Kriterien (ca. 20 „Signale“, z.B. Infektion, ungeplante Verlegung), wenn positiv: 2. Review durch zwei unabhängige Kliniker auf Schädigung, Kausalität, Vermeidbarkeit 10 5 28.11.2011 Erhebungsmethoden: Retrospektive Aktenanalyse Gut geeignet zur Identifikation und zum Monitoring von - der Grösse des Problems - Hauptproblemfeldern (Medikamente, Chirurgie) - der Wirksamkeit von Interventionen (beschränkt) Weniger gut zur Ableitung konkreter Massnahmen Nur Spitze des Eisberges (AEs) Aufwendig (Zeit je Akte ca. 60 Min.) Vollständige Dokumentation erforderlich 11 Erhebungsmethoden: Direkte Beobachtung Ausgebildete Beobachter registrieren anhand von Protokollen fehlerhafte Vorgänge (z.B. abgegebene vs. verordnete Medi.) Einsetzbar bei abgrenzbaren Prozessen (z.B. Medikation, operative Eingriffe) Besonders geeignet um Fehlerarten und deren Kontext zu erfassen Hoher Nutzen für die Ableitung konkreter Problembereiche Inzidenz meist höher als bei anderen Erfassungsmethoden Hohe Datenqualität bei entsprechendem Training Aufwendig !!! 12 6 28.11.2011 Erhebungsmethoden: Direkte Beobachtung Fotos: J. Westbrook 13 Schweizer Zahlen Keine systematische adverse event Studie für CH verfügbar Internationale Bevölkerungsbefragung aus 2010 Hot-Spot Häufigkeit und Schadensfolgen in der Grundversorgung Mehrere Befragungen von Spitalpatienten, u.a. Onkologie Medikamente: spezielles Thema später (C. Meyer) 14 7 28.11.2011 Schweizer Zahlen: Repräsentative Bevölkerungsbefragung 20 Selbst-berichteter medizinischer Fehler und / oder Medikationsfehler 12.9 11.6 10 10.9 11.4 10.1 8.9 8.3 7.0 7.8 4.7 0 5 Anteil Ja [%] 15 15.7 AUS CAN NZ UK US GER NETH FRA NOR SWE SWITZ Data weighted for gender, age, education, region Data: The Commonwealth Fund's 2010 lnternational Survey of the General Public's Views of their Health Care System's Performance in Eleven Countries D. Schwappach, Health Expectations, in press 2011 15 Schweizer Zahlen: Repräsentative Bevölkerungsbefragung 35 Trat der Fehler im Spital auf? 25 18.3 16.8 12.2 13.5 17.0 17.3 15.8 13.4 9.1 5 10 15 20 21.3 0 Anteil Ja [%] 30 32.1 AUS CAN NZ UK US GER NETH FRA NOR SWE SWITZ Data weighted for gender, age, education, region Data: The Commonwealth Fund's 2010 lnternational Survey of the General Public's Views of their Health Care System's Performance in Eleven Countries D. Schwappach, Health Expectations, in press 2011 16 8 28.11.2011 Schweizer Zahlen: Hot-Spots in der Grundversorgung Hot-Spot Teilnehmende, die die Häufigkeit des Auftretens des Hot-Spots in den letzten 12 Monaten in der Praxis mit „täglich“ oder „wöchentlich“ beschreiben n % 1 Patientendokumentation unvollständig, nicht verfügbar, unklar oder fehlerhaft 77 12.6 2 Indizierte Untersuchung nicht oder zum falschen Zeitpunkt durchgeführt 36 5.9 3 Notwendiges Medikament nicht verordnet, verabreicht oder abgegeben 34 5.6 4 Information von externer Stelle fehlt, ist lückenhaft o. fehlerhaft, wenn erforderlich 32 5.3 5 Patient bei Abgabe oder Verabreichung eines Medikaments unzureichend über den Gebrauch informiert 30 5.1 17 Gehring / Schwappach, Stiftung für Patientensicherheit Schweizer Zahlen: Hot-Spots in der Grundversorgung Hot-Spot Teilnehmende, die das Ausmass des Schadens des Hot-Spots beim letzten Auftreten in Praxis mit „schwerwiegender Schaden“ oder „Tod“ beschreiben n % 1 Fehler bei der Diagnose oder Diagnose verspätet gestellt 22 4.8 2 Falsche/fehlerhafte Verordnung, Verabreichung, Abgabe Medikament, da bekannte Interaktion, Kontraindikation, Unverträglichkeit, Allergie nicht beachtet 9 2.1 3 Dringlichkeit eines Patientenanliegens bei Kontaktaufnahme nicht erkannt 9 1.9 4 Richtig angeordnete therapeutische Massnahme falsch durchgeführt 2 1 5 Patient unmittelbar nach Therapie nicht ausreichend überwacht 2 0.9 18 Gehring / Schwappach, Stiftung für Patientensicherheit 9 28.11.2011 Schweizer Zahlen: Patientenbefragungen Befragung von 3‘983 Spitalpatienten zu unerwünschten Ereignissen - 4.1% Infektion im Spital - 0.3% Patientenverwechslung - 2.4% Sturz im Spital - 3.1% ausgelassene Händedesinfektion der Mitarbeiter Befragung von 479 onkologischen Patienten zu Fehlern - 16.2% haben Fehler in onkologischer Behandlung erlebt - 10.6% „sehr“ und 44.7% „etwas“ besorgt über ihre Sicherheit / potentielle Fehler Schwappach, Frank, Hochreutener. ZEFQ 2011; 105: 542-548 Schwappach, Wernli. J Clinical Oncology. 2010; 28: 2896-2901 19 10