Inhalt 7 Vorwort 10 Homosexuelle Liebe – eine Hinführung Psychologische Grundannahmen 14 Die Sicht von Psychologie, Sozialwissenschaften und homosexuellen Menschen selbst 14 Die Wende in der Homosexualitätsforschung 15 Frühere Thesen zur Entstehung der Homosexualität 16 Ist Homosexualität eine Krankheit? 18 Ist homosexuelles Verhalten therapierbar? 25 Die Bedeutung der sexuellen Identitätsfindung und 28 Homosexualität als gesellschaftliches Thema 37 Sexualität ist mehr als Sex Annahme der sexuellen Orientierung Theologische Reflexionen 48 Die Sicht der Bibel und der Kirchen 48 Religiöse Einstellungen und Umgang mit homosexueller Liebe 49 Die Aussagen der Bibel 53 Die Lehren der Kirchen 58 Moraltheologische Überlegungen zur homosexuellen Liebe 62 Kirchliche Beurteilung gleichgeschlechtlicher Beziehungen 64 Bedeutung von Liebe für den Menschen Seelsorglich-spirituelle Perspektiven 76 Homosexuelle Liebe – aus der Perspektive von Seelsorge und Spiritualität 76 Welches Bild von homosexuellen Menschen tragen wir in uns? 77 Einsatz für die Rechte homosexueller Menschen 79 Die Annahme der homosexuellen Gefühle 83 Seelsorge für homosexuelle Menschen in festen Partnerschaften 90 Respektierung homosexueller Partnerschaften 102 »Stört die Liebe nicht« 103 Anmerkungen Vorwort »Größer als alles aber ist die Liebe« – kaum ein Bibelzitat wird so häufig als Trauvers verwendet, bei wenigen Versen will man so gerne zustimmen wie bei diesem, vor allem wenn man frisch verliebt ist und die Welt vor sich sieht oder wenn man älter liebend ist und auf viele gemeinsame Prüfungen zurückschauen muss, vielleicht auch auf ein schmerzliches Vermissen des Part- 7 »Größer als alles aber ist die Liebe« – die Sprengkraft und Herausforderung dieses Verses wird erst deutlich, wenn man ihn auf eine prekäre Realität der Liebe anwendet: die Homosexualität. Denn dann geht er vielen nicht mehr so leicht über die Lippen. Unsicherheiten und Fragen wie »Darf man das?«, »Darf ich das gutheißen?« sind vor allem für Menschen, die der Kirche nahestehen, manchmal Zerreißproben. Kann man, so fragen sich viele und auch ich als katholischer Theologe, überhaupt etwas dazu sagen? Muss man diese nicht zuletzt innerkirchlich bedrängende Realität verschweigen, weil man vorab sprachlos erscheint? Ich entschied mich dazu, mich der Herausforderung zu stellen. Mein Anliegen war und ist es, dieses für viele schwierige Thema in seinen dramatischen Verwicklungen wie in seinen Lebensressourcen zu fassen, jenseits von Verwerfungen und moraltheologischen Stereotypen. Ob es mir gelungen ist, müssen der Leser und die Leserin entscheiden. Dem Buch liegen Vorträge zugrunde, die ich im Rahmen der Salzburger Hochschulwoche 2008 über das Thema Homosexuelle Vo r w o r t ners nach dessen Tod. Liebe gehalten habe. Ich hatte bei meinen Überlegungen zunächst den homosexuellen Menschen im Blick, der auf seine Weise versucht, Liebe zu leben, um dann die Psychologie, die Theologie, die Kirchen, die Spiritualität zu befragen, was sie mir über homosexuelle Menschen und die Liebe homosexueller Menschen zu sagen haben. Mir ist weiter wichtig, bei meinen theologischen, pastoralen und spirituellen Überlegungen nicht nur auf die katholischen Positionen hinzuweisen, sondern auch die Vorstellungen anderer Kirchen miteinzubeziehen. Dadurch soll der 8 Leser und die Leserin über die verschiedenen Ansätze informiert werden, um sich dann selbst ein Urteil bilden zu können, was sie überzeugt oder anspricht. »Größer als alles aber ist die Liebe« – das auch mit Blick auf die homosexuelle Liebe zu vermitteln, darum geht es mir bei meinem ganzheitlichen Blick auf die Homosexualität, wohlwissend, dass das eine Provokation für homosexuelle wie nicht homosexuelle Menschen sein kann. Doch, so der Salzburger Erzbischof Alois Kothgasser, »damit wir den Weg der Liebe Gottes menschlich immer wieder neu entdecken und gehen können«, muss es notwendige Provokationen im Glauben und des Glaubens geben. In diesem Sinne verstehe ich meine Ausführungen auch als Provokation. Der »Jedermann«-Darsteller Peter Simonischeck sagte in einer Rede anlässlich der Salzburger Hochschulwoche, dass es im »Jedermann« einen Augenblick der Liebe gibt, die alles verändert. Für ihn als Schauspieler mache es dabei keinen Unterschied, mit wem er diesen Augenblick erlebe. »Im ›Jedermann‹ erlebe ich ihn mit ›Gute Werke‹, der siechen Frau, die am Weg liegt … In ihren Augen erblickt der Jedermann die Liebe, die er noch nie erlebt hat, die wirkliche Liebe, der er bisher aus dem Weg gegangen ist. Und dieser Augenblick ist der Anfang seiner Wandlung.« Diese wirkliche Liebe bleibt die große Herausforderung für alle, die homosexuell lieben, und alle, die sich schwer damit tun, homosexuelle Männer und Frauen anzunehmen, gar zu lieben – bei allen Vorbehalten, mögen sie auch noch so gewichtig im Namen der Psychologie, der Theologie, der Kirchen oder der Gesellschaft vorgetragen werden. Gerade auch hier gilt: »Größer als alles aber Ich habe bei meinen Ausführungen den Charakter des Vortrages, bei dem es mir darum geht, den Zuhörer und die Zuhörerin direkt anzusprechen, beibehalten. Danken möchte ich Prof. Michael Langer, Prof. Gregor Maria Hoff und Frau Elisabeth Kendlbacher, die bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Vorlesungen in Salzburg mitgewirkt haben. Frau Andrea Langenbacher und Frau Anke Wöhrle vom Matthias-GrünewaldVerlag danke ich für die gute Zusammenarbeit. Ich widme das Buch den vielen Zuhörerinnen und Zuhörern meiner Vorlesungen in Salzburg, die durch ihr Interesse zeigten, wie recht Erzbischof Alois Kothgasser hat, wenn er sagt: »Nur wenn wir die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit aufgreifen und sie nicht tabuisieren, können wir das Evangelium zur Geltung bringen. Wenn wir neue Offenbarungssprachen der Wirklichkeit Gottes entwickeln, in denen uns Seine Liebe nahe kommen kann.« Wunibald Müller 9 Vo r w o r t ist die Liebe.« Homosexuelle Liebe – eine Hinführung Homosexuelle Liebe – eigentlich sträubt sich in mir etwas dagegen, von homosexueller Liebe zu sprechen. Es ging mir ähnlich, als ich vor einiger Zeit eingeladen wurde, einen Vortrag über die christliche Freude zu halten. Liebe ist Liebe. Freude ist Freude. 10 Wer etwas über die Liebe erfahren will, der muss das hohe Lied auf die Liebe im Korintherbrief lesen oder Erich Fromms Klassiker über die Kunst des Liebens. Was dort über die Liebe gesagt wird, gilt für den Menschen, der homosexuell ist, nicht weniger als für den Menschen, der heterosexuell ist. Damit habe ich schon das Wesentliche gesagt. Allein so einfach ist es anscheinend doch nicht. Oder so einfach ist es für die Gesellschaft, die Kirchen nicht – zum Teil wenigstens. So will ich mich auf den Weg machen, um der Frage nachzugehen, wie das denn ist mit der homosexuellen Liebe. Meine Aufgabe wird es dabei sein – und darauf möchte ich mich beschränken –, aufzuzeigen, was die Psychologie, die Sozial- und Gesellschaftswissenschaften und homosexuelle Menschen selbst zur homosexuellen Liebe sagen. Dann werde ich die Bibel und die kirchliche Lehre dazu befragen. Schließlich will ich mich aus einer psychotherapeutischen, seelsorglichen und spirituellen Perspektive dem Thema nähern. Ich verstehe mich dabei als »Dozent«, als derjenige, der vorträgt, was er »dazu« weiß. Ich behalte mir natürlich vor, welche Gewichte ich setze, und sage damit auch etwas über meine Einstellung. Es ist mir aber wichtig, gleich am Anfang deutlich zu machen, dass ich zwar katholisch bin – und das mit Leib und Seele –, hier aber nicht als Vertreter der katholischen Kirche und ihrer Lehre spreche, gleichwohl diese für mich persönlich verbindlich ist und hier auch zur Sprache kommen wird. Um sich aber dem wissenschaftlichen Diskurs zu stellen und zu einer verantworteten eigenen Position zu finden, ist es notwendig, dass auch andere Aspekte und Ansätze möglichst objektiv dargestellt und berücksichtigt werden. Die letzte Würdigung muss und soll Ihnen, den 11 Homosex u elle Li ebe – ei n e H i n fü h ru ng Leserinnen und Lesern, überlassen bleiben.