Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 04 2. Methodik und Vorgehensweise 05 3. Tod und Wiedergeburt im Buddhismus 07 3.1. Tod und Wiedergeburt im Mahayana-Buddhismus am Beispiel des vietnamesischen Buddhismus 3.2. 11 Tod und Wiedergeburt im Vajrayana- und Tantrayana-Buddhismus am Beispiel des tibetischen Buddhismus 14 4. Buddhistische Bestattungen im Herkunftsland 19 4.1. Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungen und Bestattungsrituale 20 4.2. Tibetisch-Buddhistische Bestattungen und Bestattungsrituale 26 4.2.1. Rituale nach Eintritt des Todes 26 4.2.2. Die Verkörperung des Toten im Spyang-pu 28 4.2.3. Rituale zur Beseitigung des Leichnams – Luftbestattung 29 4.2.4. Einflüsse auf die Bestattungsrituale 30 4.2.5. Rituale zur Beseitigung des Leichnams – Feuerbestattung 31 4.2.6. Schutzrituale nach der Bestattung 32 4.2.7. Das Bardo Thödol 34 4.2.8. Die Bewusstseinsübertragung (Powa) 38 5. Buddhistische Bestattungen in Deutschland 39 5.1. Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungen in Deutschland – Institutionalisierung und Integration 40 5.1.1. Vietnamesische Einwanderung nach Deutschland und der institutionelle Aufbau einer eigenständigen buddhistischen Gemeinschaft 41 5.1.2. Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungszeremonien im Kontext deutscher Gesetzgebung – Integration, Transformation und Neugestaltung 5.2. 44 Das buddhistische Urnengräberfeld auf dem Stadtfriedhof HannoverSeelhorst 52 5.3. Das buddhistische Gräberfeld auf dem Friedhof Berlin-Ruhleben 55 5.4. Tibetisch-Buddhistische Bestattungen in Deutschland 58 5.4.1. Tibetisch-Buddhistische Einwanderung in „westliche“ Länder und die Entwicklung eines „Pop-Buddhismus“? 58 5.4.2. Tibetisch-Buddhistische Bestattungsrituale in Deutschland 65 5.5. Die Entwicklung eines „deutschen“ Buddhismus 72 5.6. „Deutsch-Buddhistische“ Bestattungen und Bestattungsrituale 76 5.7. Beispielhafter Ablauf einer buddhistisch-orientierten Trauerfeier in Deutschland 84 6. Bestattungsrituale im ritualtheoretischen Kontext 88 6.1. Die klassischen Ritualtheorien ausgehend von Arnold van Genneps „Les Rites de Passage“ 89 6.2. Das Konzept der „Rites de Passage“ und ihre Anwendung auf den Tod 92 6.3. Migrationsbedingte versus adaptionsbedingte Ritualdynamik 94 7. Schlussfolgerung 96 8. Anhang 98 8.1. Abbildungen 98 8.2. Interviews 107 8.2.1. Leitfadenfragen 107 8.2.2. Notizen und Antworten der Interviewpartner 108 8.3. 115 Literaturverzeichnis 1. Einleitung Die vorliegende Magisterarbeit setzt sich mit der Thematik buddhistischer Bestattungen in Deutschland auseinander. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Fragestellung wie und ob sich buddhistische Bestattungen in Deutschland bereits institutionalisiert haben. Kann sogar von einer eigenständigen buddhistischen Bestattungskultur in Deutschland die Rede sein? Hierbei ist vor allem die Vielfältigkeit des Buddhismus zu betonen, weshalb sich auch buddhistische Bestattungen in Deutschland von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachten lassen. Zunächst ist die offensichtliche Teilung in „ethnische“ und konvertierte Buddhisten vorzunehmen. Die Bezeichnungen „ethnisch“ und konvertiert werden im weiteren Verlauf der Magisterarbeit kritisch betrachtet. Innerhalb dieser beiden Obergruppen muss unterschieden werden zwischen den verschiedenen buddhistischen Ausrichtungen sowie dem Ausmaß der individuellen Auseinandersetzung mit der buddhistischen Lehre. Welche Folgen hat diese Vielfalt auf die Institutionalisierung buddhistischer Bestattungen in Deutschland? Als Beispiele werde ich mich innnerhalb meiner Arbeit auf tibetisch-buddhistische, vietnamesisch-buddhistische und „deutsch-buddhistische“ Bestattungen fokussieren. Durch den Vergleich dieser drei Untergruppen versuche ich die Einheit in der Vielfalt der Auslegung buddhistischer Bestattungen darzustellen. Auf Basis grundlegender Vorstellungen von Tod und Wiedergeburt im Buddhismus werde ich tibetisch- und vietnamesisch-buddhistische Bestattungen in ihrem jeweiligen Herkunftsland vorstellen, um somit einen Vergleich zu der Durchführung in der Diaspora in Deutschland zu schaffen. Welche Änderungen werden sichtbar und sind diese integrationsbedingte oder interne, entwicklungsbedingte Anpassungen, welche auf eine im neuen diasporischen Kontext überdachte Konzeption des Buddhismus zurückzuführen sind? Im Gegensatz zu diesen beiden Untergruppen steht der „deutsche Buddhismus“. Diesen Begriff führe ich in Anführungsstrichen an, da sich noch keine feste Etablierung eines deutschen Buddhismus feststellen lässt. Zunächst soll der Begriff des „deutschen Buddhismus“ erläutert werden, um daraufhin „deutsch-buddhistische“ Bestattungen vorzustellen. Hierbei soll vor allem die Durchführung, Organisation und Institutionen, welche bei „deutsch-buddhistischen“ Bestattungen zum Tragen kommen, betrachtet werden. Alle drei vorgestellten buddhistischen Gruppen in Deutschland werden durch die herrschende 4 Gesetzeslage aber auch durch die kommunalen Richtlinien vor Herausforderungen gestellt. Es soll herausgefunden werden, in welcher Art und Weise diese Herausforderungen gemeistert werden und welche Auswirkungen dies auf die Durchführung buddhistischer Bestattungen haben kann. Die buddhistische Bestattungskultur in Deutschland soll außerdem in einen größeren, theoretischen Kontext gestellt werden, indem verschiedene Ritualtheorien und vor allem die Theorie der Ritualdynamik mit buddhistischen Bestattungen in Deutschland in Verbindung gebracht wird. Letzendlich soll versucht werden einen Überblick über die buddhistische Bestattungskultur in Deutschland zu geben, um somit Möglichkeiten zur Optimierung integrativer Aspekte aufzuzeigen. 2. Methodik und Vorgehensweise Die methodische Vorgehensweise setzte sich zusammen aus Leitfadeninterviews und Besuchen buddhistischer Zentren wie auch buddhistischer Abteilungen auf Friedhöfen, welche im November und Dezember 2014 sowie April 2015 stattgefunden haben. Leitfadeninterviews führte ich mit Vertretern buddhistischer Zentren in Hannover und Frankfurt, sowie mit Vertretern buddhistisch-orientierter Bestattungshäuser in Aachen und Berlin. Die von mir ausgewählten Respondenten (Schlehe 2008: 126f), also Interviewpartner mit welchen nur einmaliger Kontakt bestand, waren in Hannover Herr Manfred Schwabedal der buddhistischen Gemeinschaft Chöling e.V., welche sich in den Räumlichkeiten der vietnamesischen Pagode in Hannover befindet, und Geshe Palden Öser des Tibet-Zentrums Hannover. Mit Herrn Schwabedal führte ich jedoch lediglich ein informelles Gespräch, worüber ich keine Notizen angefertig habe. Durch den Kontakt mit Herrn Schwabedal und die Situierung der Gemeinschaft in der vietnamesischen Pagode bekam ich Zutritt zu dem Totenraum der Pagode und Herr Schwabedal führte mich über das buddhistische Urnengräberfeld des Stadtfriedhofes Hannover-Seelhorst. In Aachen führte ich ein Leitfadeninterview mit dem Bestatter Herrn Karl Steenebrügge, welcher durch den Kontakt mit der vietnamesisch-buddhistischen Gemeinschaft in Aachen einige buddhistische Bestattungen durchgeführt und diese sogar in sein Repertoire aufgenommen hat. Die Tatsache, dass einige Bestatter auf ihren Homepages auch buddhistische Bestattungen als eine mögliche Form der Bestattung anführen, wird im Laufe 5 der Magisterarbeit diskutiert. Herr Steenebrügge hat persönlich keinen Bezug zu der buddhistischen Lehre und konnte mir durch seine Beobachtungen einen objektiven Blickwinkel liefern. In Berlin führte ich ein Leitfadeninterview mit einem weiteren Bestatter, welcher jedoch durch seine Zugehörigkeit zu der tibetisch-buddhistischen Schule einen persönlicheren Bezug zu der Ausführung buddhistischer Bestattungen aufweisen kann. Herr Uller Gscheidel konnte mir innerhalb des Interviews einige Details aus der Sicht eines praktizierenden Buddhisten auf die vorherrschende Bestattungskultur und buddhistisch-orientierte Bestattungen geben. Neben diesem Interview erfolgte ein Besuch der buddhistischen Abteilung des Friedhofes Berlin-Ruhleben. In Frankfurt a.M. führte ich ein Telefoninterview mit Frau Corinna Aguilar-Raab, welche im Tibethaus Frankfurt a.M. tätig ist. Frau Aguilar-Raab leitet regelmäßig Aus- und Weiterbildungskurse für buddhistisch-orientierte Sterbebegleitung. Zudem besuchte ich das Rigpa-Zentrum in Frankfurt a.M. und führte ein Leitfadeninterview mit Christoph Mohry. Aufgrund der ausgeprägten Auseinandersetzung mit dem Tod innerhalb des Rigpa-Fellowships wurde dieses Zentrum als weitere Informationsquelle ausgewählt. Ergänzend zur Befragung und zum Besuch der buddhistischen Friedhofsabteilungen wurde das Medium der Fotografie gewählt, um Einzelheiten auch im Nachhinein noch herausarbeiten zu können. Auch Materialien, welche von den Zentren verfasst und zur Verfügung gestellt wurden, wie der Leitfaden „Des Buddhisten letzter Weg“ der Gemeinschaft Chöling e.V., werden innerhalb meiner Arbeit analysiert. Alle bisher aufgeführten Erhebungsverfahren finden auf Grundlage der Auswertung von Sekundärliteratur statt. Bereits vorhandene Literatur wird mit meinen Beobachtungen und Kommentaren meiner Respondenten ergänzt. 6 3. Tod und Wiedergeburt im Buddhismus Die Allgegenwärtigkeit des Todes im Buddhismus ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Großteil der Lehrreden des Buddha Shakyamuni, unter dem weltlichen Namen Siddhartha Gautama im 5. Jahrhundert vor Christi in Nordindien geboren, beinhalten den Tod sowie die Überwindung des Todes1. Jegliche von Buddha Shakyamuni angeführten Konzepte zur Überwindung gründen auf der Geschichte des Weges zu seiner Erlösung/Erleuchtung/Erwachung. Als Sohn einer wohlhabenden Familie wuchs Siddhartha Gautama (pali: Siddhatta Gotama) innerhalb der Palastmauern, abgeschieden von jeglichem Leben außerhalb, auf. Eines Tages verließ Gautama den Palast und begegnete einem kranken Mann, einem alten Mann, einer Leiche und einem asketischen Mönch. Nach diesen Begegnungen entschloss sich Gautama die asketische Lebensweise zu führen und wandte sich von dem Palast seiner Familie ab, um als umherwandernder Mönch der Frage nach Erlösung von dem Tod nachzugehen. Der kranke und der alte Mann zeigten Gautama die Vergänglichkeit des Lebens, welche im Tod und somit in der Leiche ihren Höhepunkt findet. An dieser Stelle tritt nun der asketische Mönch zum Vorschein, welcher Gautama eine Möglichkeit aufzeigt die Vergänglichkeit des Lebens und den Tod durch Meditation und religiöse Praxis zu überwinden. (Reynolds 1992: 157) Als Gautama nun unter dem Bodhi-Baum durch eigene Erkenntnis zur Erleuchtung gelangte, lehrte der nun Buddha genannte Gautama seinen Weg zur Einsicht. Dieser besteht zunächst aus dem „Mittleren Weg“. Weder ein streng asketisches, noch ein übertrieben wohlhabendes Leben soll geführt werden, um dem Ziel der Erleuchtung näher zu kommen. Der Ausdruck „Leben ist leiden“, welcher oftmals immer wieder mit der buddhistischen Lehre in Verbindung gebracht wird, steht exemplarisch für die Kernaussagen des Buddhismus. Denn „[d]as Leidenserlebnis gibt dem buddhistischen Denken den Antrieb, die Analyse des Leidens und die Suche nach Erlösung bilden seinen Inhalt.“ (Schumann 1985: 59) Das Leben und somit auch das Leiden gehen auf die zyklische Existenz des Menschen zurück. Nicht der Tod wird gefürchtet, sondern vielmehr die Wiedergeburt, welche es zu vermeiden oder zumindest positiv zu begünstigen gilt. Der Wiedergeburtenzyklus (Skt.: 1 Der Kanon der buddhistischen Lehre wurde nach dem Pari-Nirvana des Buddha von mehreren, aufeinanderfolgenden Mönchskonzilen in der Pali-Sprache verfasst. Ein Zusammentragen seiner Lehrreden war deshalb von großer Notwendigkeit, da Buddha Shakyamuni keinen Nachfolger eingesetzt, sondern lediglich die buddhistische Lehre (dharma) als alleinige Autorität für den Mönchsorden festgelegt hat. (Schumann 1985: 53) Die von mir innerhalb meiner Arbeit verwendeten Begriffe sind in den meisten Fällen auf Sanskrit, da diese geläufiger sind als die Pali-Begriffe. Auch diakritische Zeichen habe ich innerhalb der Fachtermini einfachheitshalber ausgelassen. 7 Samsara) bedeutet im wörtlichen Sinne „beständiges Wandern“. Dies meint „[...] den Kreislauf von Existenzen, bestehend aus einer Folge von Wiedergeburten, die ein Wesen innerhalb der verschiedenen Daseinsformen durchläuft, bis es irgendwann Erlösung erlangt und ins Nibbana (pali/sanskr.: nirvana) eingeht.“ (Ho 2012: 42f) Eine Wiedergeburt findet innerhalb der sechs Daseinsgebiete statt. Diese sind zum Einen die Welt der Menschen und der Tiere, zum Anderen das Gebiet der Götter, der Halbgötter (Dämonen), der Hungergeister und der Höllenwesen. Eine Existenz innerhalb dieser Gebiete wird durch das Karma der jeweiligen Person bestimmt und ist von temporärer Dauer bis eine neue Wiedergeburt folgt. Das Sanskritwort Karma bedeutet Tat/Werk und kann als ein ethisches Konzept gedeutet werden, bei welchem gute Taten eine positive und schlechte Taten eine negative Potenz beinhalten. Folglich werden gute Taten, also gutes Karma, mit den positiven Daseinsbereichen der Götter- oder Menschenwelt und negative Taten, also schlechtes Karma, mit den übrigen negativen Daseinsbereichen in Verbindung gebracht. Eine Tat muss nicht nur in ihrer Ausführung positiv sein, sondern sollte auch die entsprechende positive Motivation beinhalten. (Freiberger/Kleine 2011: 198, Benard 1992: 170) Die Befreiung aus dem Samsara, sowie die Darstellung und Ursache der Leidhaftigkeit des Lebens, fasst Buddha in den „Vier Edlen Wahrheiten“ zusammen. Die erste „Edle Wahrheit“ ist die „Edle Wahrheit vom Leiden“ (skt.: dukkha): „Geburt ist leidhaft, Alter ist leidhaft, Krankheit ist leidhaft, Tod ist leidhaft; Trauer, Jammer, Schmerz, Gram und Verzweiflung sind leidhaft; mit Unlieben vereint, von Liebem getrennt sein ist leidhaft; Begehrtes nicht erlangen ist leidhaft; kurz: Die Fünf Aneignungsgruppen sind leidhaft.“ (Mahavagga des Vinayapitaka 1, 6, 19 Vin I p. 10, zit.n.: Schumann 1985: 59f) Buddha erwähnt hier die fünf Aneignungsgruppen (skt.: skandha) aus denen ein Mensch beziehungsweise sein „Selbst“2 zusammengesetzt sind. Dies sind zunächst der Körper, die Empfindung, die Wahrnehmung und schließlich die Geistesregungen und das Bewusstsein. Alle diese Komponenten unterliegen der Nicht-Beständigkeit (skt.: anitya) als eines der 2 Das „Selbst“ ist nach buddhistischer Philosophie nur eine Illusion, da es durch die Unbeständigkeit der fünf Aneignungsgruppen, aus welchen es besteht, immer wieder der Veränderung unterzogen ist und somit kein feststehender Begriff sein kann. Das Prinzip der Zusammensetzung zu einem Trugbild des „Selbst“ wird auch Anatta-Lehre („Lehre vom Nicht-Ich“) genannt. Gemeinsam mit der Ansicht der Nicht-Beständigkeit (skt.: anitya) und der Erkenntnis der allgegenwärtigen Leidhaftigkeit (skt.: dukkha) bildet es die drei Kennzeichen der Wirklichkeit. Zusammen mit dem Nirvana werden die „vier Siegel“ des Dharma (Weltgesetz / buddhistische Lehre) geschaffen. (Ho 2012: 41, Rahula 1982: 93, Freiberger/Kleine 2011: 201) 8 buddhistischen Grundprinzipien. (Freiberger/Kleine 2011: 199) Die zweite „Edle Wahrheit“ ist die „Wahrheit von der Entstehung des Leidens“. Das Leiden wird demnach durch den sogenannten „Durst“ hervorgerufen, welchen man als Begehren nach Sinnesgenuss, Entstehung und Auslöschung charakterisieren kann. (Freiberger/Kleine 2011: 201) Und solange dieses Begehren nach Existenz besteht, ist die jeweilige Person dem Samsara und der damit einhergehenden Leidhaftigkeit unterworfen. Aus diesem Kreislauf kann nur derjenige ausbrechen, der diesen „Durst“ durch die buddhistische Weisheit ersetzt und die Wahrheit sowie das Nirvana erkennt. (Rahula 1982: 67) Somit ist auch der Übergang zu der dritten „Edlen Wahrheit“ geschaffen, welche auf eine Möglichkeit zur Aufhebung des Leidens hinweist, um dann schliesslich in der vierten „Edlen Wahrheit“ den „Edlen Achtfachen Pfad“ als Mittel zur Überwindung von Dukkha anzuführen. Der „Edle Achtfache Pfad“ besteht aus den Gliedern: 1. rechte Überzeugung, 2. rechter Entschluss, 3. rechtes Sprechen, 4. rechtes Handeln, 5. rechte Lebensweise, 6. rechtes Bemühen, 7. rechte Bewusstheit sowie 8. rechte meditative Konzentration. (Vetter 1996: 300ff, Ho 2012: 38) Dieser achtgliedrige Lebensweg wird wie folgt dargestellt: „Dieser Beschreibung zufolge hat man im Vertrauen auf das, was der Buddha erreicht hat (das entspricht der »rechten Überzeugung« des achtfachen Pfades) Haus und Herd zu verlassen (das ist der »rechte Entschluss«). Von nun an ist jedes unwahre, grobe, Entzweiung stiftende und unsinnige Wort zu unterlassen (»rechtes Sprechen«). Man muß auf das Wohl aller Lebewesen bedacht sein und darf keines töten oder verwunden, darf nichts nehmen, was nicht gegeben ist und muß völlig keusch sein ( »rechtes Handeln«). Man ist zufrieden mit dem Gewand, das man trägt, und mit den Essensresten, die man einmal am Tage erbettelt. Geschenke von Gütern, die man nicht nötig hat, weist man ab ( »rechte Lebensweise«). […] Man bewacht auch seine Sinnesorgane (»rechtes Bemühen«), indem man es vermeidet, einer Einzelheit oder einem allgemeinen Merkmal des Wahrgenommenen nachzusinnen, um nicht Neigung und Abneigung aufsteigen zu lassen. […] Ferner entwickelt man einen hohen Grad an Bewußtheit (sati), indem man versucht sich bei allen Tätigkeiten bewußt zu sein, daß man sie tut (»rechte Bewußtheit«). Wenn man in dieser Weise ein nichtsinnliches Glücksgefühl und Bewußtheit aufgebaut hat, zieht man sich nach dem Almosengang an eine abgelegene Stätte zurück und tritt da ohne viel Schwierigkeiten in das erste Stadium der Meditation ein […]. [Nach zwei weiteren folgenden Stufen tritt die] vierte Stufe [ein], die man mit der »rechten meditativen Konzentration« des achtgliedrigen Pfads gleichsetzen darf […].“ (Vetter 1996: 302) 9 Das Ziel der Ausführung dieses Weges liegt im Erreichen des Nirvana. Die wörtliche Übersetzung des Sanskritwortes Nirvana ist „Verlöschen“. Fälschlicherweise wird Nirvana oftmals als Ort bezeichnet, wobei es doch viel mehr einen Zustand beschreibt 3. Dieser Zustand ist ein dem Samsara nicht mehr zugeordneter Zustand und somit von Entstehung und Vergänglichkeit ausgenommen. Aufgrund dieser Tatsache scheint das Nirvana als unbeschreibbar, dennoch kann von einem Verlöschen von Gier, Hass und Verblendung gesprochen werden. Zudem wird zwischen vortodlichem und nachtodlichem Nirvana, auch Pari-Nirvana genannt, unterschieden. In einem vortodlichen Nirvana ist die Person zwar aus dem Samsara befreit, existiert aber als Wesen weiter. Das Pari-Nirvana ist demnach ein vollständiges Verlöschen und ist gekennzeichnet durch den endgültigen Zerfall der fünf Aneignungsgruppen.4 (Schumann 1985: 104, Freiberger/Kleine 2011: 202, Ho 2012: 43) Das Erreichen des Nirvana oder Pari-Nirvana wird als Ideal angesehen, dennoch kann es von den meisten Buddhisten, welche als Laien den Dharma leben, nicht erreicht werden. Deshalb liegt die Konzentration auf das Erreichen einer guten Wiedergeburt in der Götter- oder Menschenwelt, um somit den Buddhismus weiter ausleben zu können und möglicherweise nach endlosen Wiedergeburten eine Buddhaschaft zu erreichen. (Vetter 1996: 296) Buddha wird nicht nur in seiner Lebensweise als Vorbild betrachtet, auch sein Tod wird als Ideal angestrebt. Denn laut dem Mahaparinibbana-Sutra, welches den Tod Buddhas und die darauffolgenden Ereignisse beschreibt, stand nicht nur der Todesort, sondern auch der Todeszeitpunkt im Voraus fest. Als sich die Lebenszeit des Buddha dem Ende näherte, begab sich dieser an den von ihm ausgwählten Ort, unter den Bodhi-Baum, und trat bei vollem Bewusstsein in eine tiefe Meditation ein, welche mit der Auflösung der fünf Aneignungsgruppen zu einem völligen Verlöschen im Pari-Nirvana führte. (Reynolds 1992: 162) Diese völlige Klarheit während des Todes wird immer wieder als das höchste Ziel während des Sterbeprozesses angesehen. Da das Bewusstsein für diesen Zeitpunkt ein Leben lang geschult werden muss, ist der Tod im Buddhismus als eine Art Lebensleistung und auch Vollendung der buddhistischen Praxis zu betrachten. Die Leistung, welche erbracht werden muss, kann je nach regionaler Ausprägung des Buddhismus variieren, enthält aber im Wesentlichen folgende Punkte. Jegliche Handlung sollte darauf ausgerichtet sein gutes Karma anzusammeln, welches 3 Vor allem mit dem Ausdruck „ins Nirvana eingehen“, s. Rahula 1982: 68. 4 Weiterführende Diskussion über Nirvana und seine Beschreibung vgl. Rahula, Walpola (1982): Was der Buddha lehrte. Bern: Origo, 68-81. 10 begünstigend für die Wiedergeburt ist. Das Ansammeln von gutem Karma geschieht hauptsächlich über das Ausführen des „merit-making“. Darunter versteht man alle Tätigkeiten, seien es Zeremonien, Opfergaben, Meditationen oder das Umsorgen sterbender Verwandten, welche im Rahmen des buddhistischen Glaubens und auf Grundlage der buddhistischen Lehre ausgeführt wurden. Diese Aktivitäten nehmen im Laufe des Lebens zu, da man sich im höheren Alter seiner Sterblichkeit immer bewusster wird. Auch alle Todesund Bestattungsrituale dienen dem „merit-making“, wovon nicht nur der Verstorbene, sondern auch die Hinterbliebenen profitieren. (Reynolds 1992: 161ff) „Der Unterschied zwischen Tod und Geburt ist nur ein Bewusstseinsaugenblick: der letzte Bewusstseinsmoment in diesem Leben schafft die Bedingung für den ersten Bewusstseinsmoment im sogenannten nächsten Leben, das in Wirklichkeit die Fortdauer derselben Reihe ist.“ (Rahula 1982: 67) Durch die Schulung des Bewusstseins soll dementsprechend die Furcht vor der Wiedergeburt genommen werden, wobei vor allem das erneute Sterben innerhalb der Wiedergeburt gefürchtet wird. Den Großteil dieser Bewusstseins-Schulung stellt die Meditation über den Tod dar und kann in unterschiedlicher Weise durchgeführt werden. Allen Traditionen ist aber gemein, dass sie sehr großen Wert auf das Entwickeln einer Achtsamkeit für den Tod legen. Da der Tod unausweichlich und sein Zeitpunkt unbeeinflussbar ist, kann nur Zuflucht in der buddhistischen Praxis gefunden werden. Da ich mich innerhalb meiner Arbeit hauptsächlich mit dem Mahayana-Buddhismus in Vietnam und dem Vajrayana- bzw. Tantrayana-Buddhismus in Tibet beschäftige, werde ich den Theravada-Buddhismus auslassen und mich nun im Folgenden auf die beiden größeren Traditionen und ihre Auffassung von Tod und Wiedergeburt beschränken. 3.1. Tod und Wiedergeburt im Mahayana-Buddhismus am Beispiel des vietnamesischen Buddhismus Der Mahayana-Buddhismus („Das Große Fahrzeug“) bildet neben dem Theravada- und dem Vajrayana-Buddhismus eine der drei größten und auch bekanntesten Ausprägungen des Buddhismus in der heutigen Zeit. Der Theravada-Buddhismus („Lehre der Ältesten“) ist die einzige noch verbliebene Richtung der unter dem Oberbegriff Hinayana zusammengefassten Strömung des Buddhismus, welche 11 ursprünglich aus 18 Schulen bestand und sich vor allem auf die Lehrreden des Buddhas über die „Vier Edlen Wahrheiten“ und den „Edlen Achtfachen Pfad“ konzentriert. Der Begriff Hinayana bedeutet „Kleines Fahrzeug“ und wurde von der später formierten Ausrichtung des Mahayana-Buddhismus für alle zuvor existierenden Strömungen als eine abwertende Bezeichnung ausgesucht. Der Hinayana-Buddhismus unterscheidet sich vor allen Dingen in der Annahme, dass die Buddhaschaft nur für einige wenige Individuen möglich sei, wohingegen der Mahayana mit seinem Bodhisattva-Ideal diese Möglichkeit für alle Buddhisten einräumt. Dem Bodhisattva liegt die Motivation zur Erlangung des Erwachens, genannt Bodhicitta, zugrunde, welche auch dafür verantwortlich ist, dass der Bodhisattva allen Lebewesen bei ihrem Weg zur Buddhaschaft hilft. (Freiberger/Kleine: 210) Als Gegensatz zum Bodhisattva steht im Theravada das Arhat-Prinzip, also das Prinzip des Heiligen. Die Möglichkeit als Heiliger aufzutreten wird denen aufgezeigt, welche keine Buddhaschaft anstreben können, das heisst den Frauen. Der Unterschied zwischen dem Bodhisattva- und dem Arhat-Prinzip liegt in der Art und Weise wie die Erlösung erlangt wird. Ein Arhat ist durch Unterweisung zur Erwachung gekommen, ein Bodhisattva kann dies nur durch eigene Erkenntnis leisten. (Schumann 1985: 102f) Der Theravada-Buddhismus ist heutzutage hauptsächlich in südostasiatischen Ländern wie Thailand oder Kambodscha zu finden. (Powers 1995: 93ff) Im Mahayana besteht die Grundidee, dass die Ausprägung guter Anlagen, welche innerhalb eines jeweiligen Lebens erworben werden, nicht bloß zu einem nirvanischen Erlöschen, sondern vielmehr zu einer Buddhaschaft führen sollten. Das im vorherigen Kapitel bereits erwähnte „merit-making“, also das Erreichen von unterschiedlichen Verdiensten, ist Kernpunkt der mahayanischen Erlösungslehre. Das Entsagen von Besitz, die völlige Einsicht in die buddhistische Lehre oder die Anbetung der Reliquien des Buddhas sollen die Grundlage für eine angestrebte Buddhaschaft bilden. (Vetter 1996: 317f) Die Bezeichnung als „Großes Fahrzeug“ ist auch eine Anspielung darauf, dass der Mahayana durch sein Bodhisattva-Ideal eine größere Menschenmenge mit seiner Lehre erreichen kann. Bodhisattva bedeutet frei übersetzt „das Wesen (sattva), das sein Streben auf das Erwachen (bodhi) richtet“ (Rahula 1982: 203) und war ursprünglich als Bezeichnung für Buddha Shakyamuni vorgesehen bevor er unter dem Bodhi-Baum erwachte. Den Bodhisattva kennzeichnet zudem sein universales Erbarmen, das heißt dass er als eine Art Erlöser die karmische Last anderer auf sich nimmt und somit jedem Individuum die Erlösung im Nirvana bieten kann. Im Vordergrund steht also nicht das eigene Verlöschen im Pari-Nirvana, sondern der dauernde Zwischenzustand im Nirvana, um somit der ganzen 12 Menschheit zur Erlösung zu verhelfen. Diese Methode der Fremderlösung steht im Gegensatz zu dem hinayanischen Prinzip der Selbsterlösung und findet vor allem in dem vietnamesischen und japanischen Glauben an Buddha Amitabha/Amida als Erlöser seinen Höhepunkt. (Powers 1995: 80, Schumann 1985: 126) Einige Buddhas sollen vor ihrer Erleuchtung unermesslich viel Verdienst angesammelt haben („merit-making“), sodass diese in der Lage waren innerhalb ihres Nirvana eine Welt zu erschaffen frei von Gewalt und durch Wiedergeburten hervorgerufenes Leid. Hierzu gehört auch das von vielen Vietnamesen und Japanern angebetete „Reine Land“ (Sukhavati) des Buddha Amitabha5. „Da sagte der Buddha zum Ehrwürdigen Sariputra: „Westlich von hier, zehn Billionen Buddhaländer entfernt, existiert eine Welt, die „Höchstes Glück“ heißt. In jenem Land gibt es einen Buddha, der Amitabha heißt und gerade jetzt den Dharma verkündet. Sariputra, warum heißt jenes Land „Höchstes Glück“? Weil die Lebewesen in jenem Land frei von allen Leiden sind und ausschließlich alles Glück empfangen, heißt es „Höchstes Glück“. (...)“ Kleines Sukhavativyuha-Sutra, zit.n. Ho 2012: 183. Die Wiedergeburt im „Reinen Land“ wird von allen Mitgliedern dieser Richtung des Buddhismus angestrebt und die Mittel hierzu werden im Kleinen Sukhavativyuha-Sutra 6 dargelegt. Das unaufhörliche Rezitieren und das alleinige Hören der Rezitation des BuddhaNamens Amitabha soll zu einer unmittelbaren Erlösung führen. (Vetter 1996: 319) „Sariputra, wenn es gute Männer und gute Frauen gibt, die vom Buddha Amitabha hören und seinen Namen festhalten, ob er einen Tag, zwei Tage, drei Tage, vier Tage, fünf Tage, sechs Tage, sieben Tage lang, bis zur ungestörten Einspitzigkeit des Geistes, dann erscheint der Buddha Amitabha mit all den Heiligen vor ihnen. Wenn sie sterben, wird ihr Geist nicht verwirrt sein und sie werden sogleich im Land des höchsten Glücks des Buddha Amitabha geboren werden.“ Kleines Sukhavativyuha-Sutra, zit.n. Ho 2012: 185. Das Kleine und das Große Sukhavativyuha-Sutra, wie auch das Amitayur-Dhyana-Sutra bilden die Grundlage der buddhistischen Praxis innerhalb der „Reine-Land“-Schule. Diese sollten vor, während und nach dem Tod einer Person neben der Anrufung des Buddha 5 Amitabha = „der unermesslichen Glanz hat“; auch als Amitayus („der unermessliches Leben hat“) oder im japanischen Buddhismus als Amida bekannt. (Vetter 1996: 319, Truitner/Truitner 1993: 132) 6 Sutra = aufgezeichnete Lehrrede des Buddha; durch Rezitation, vor allem während der Todesrituale, kann eine positive Stimmung hervorgerufen werden, um somit böse Geister abzuschrecken und die Gedanken des Verstorbenen und der Hinterbliebenen auf die buddhistische Lehre zu richten. (Truitner/Truitner 1993: 130) 13 Amitabha immerwährend rezitiert werden. Weiterhin muss Vertrauen in die erlösenden Fähigkeiten des Buddha Amitabaha gelegt und der Wunsch im „Reinen Land“ wiedergeboren zu werden visualisiert und vergegenwärtigt werden. Natürlich spielt auch das zu Lebzeiten erlangte Karma eine Rolle innerhalb der Wiedergeburt, dennoch tritt Amitabha als barmherziger Erlöser7 zum Vorschein. Wenn der Sterbende Vertrauen, Wunsch und Praxis dem „Reinen Land“ widmet, dann wird diesem die Wiedergeburt im Sukhavati nicht verwehrt, auch wenn sein Karma dies nicht zulassen würde. (Ho 2012: 48ff) Die ausgeprägteste Vorstellung von Tod und Wiedergeburt lässt sich vor allem im tibetischen Buddhismus beobachten, welcher sich dem Vajrayana-Buddhismus zuordnen lässt und im Folgenden dargestellt wird. 3.2. Tod und Wiedergeburt im Vajrayana- und Tantrayana-Buddhismus am Beispiel des tibetischen Buddhismus Der Vajrayana-Buddhismus bedeutet übersetzt „Das Diamantene Fahrzeug“ und wird oftmals gleichgesetzt mit dem Tantrayana, dabei ist das Tantrayana der Überbegriff für die einzelnen Strömungen Mantrayana, Vajrayana, Sahajayana und Kalacakrayana. Ausgeübt wird diese Richtung des Buddhismus hauptsächlich in Tibet, Nepal, der Mongolei und Teilen von Indien. Das Vajrayana setzt an das mahayanische Weltbild an, wobei aber mehr Wert auf einen verkürzten Weg zur Buddhaschaft gelegt wird, welche theoretisch bereits im jetzigen Leben erreicht werden kann. Zudem finden sich im Vajrayana viele außerbuddhistische Einflüsse wieder. Vor allem bei der Betrachtung des tibetischen Buddhismus und den Einbezug der Bön-Religion. (Freiberger/Kleine 2011: 216) Um diesen Weg zur Buddhaschaft abzukürzen wurden einige Praktiken entwickelt, welche jedoch nur nach einer vorhergehenden Initiation erlernt werden dürfen. Diese Tatsache macht die Besonderheit des Vajrayana und vor allem des Tantrayana aus. Das Tantrayana ist die Lehre der Tantra genannten Texte und ist nur durch eine vorgehende Einführung in deren Symbolik zu verstehen. Sie werden als eine Art Geheimnis bewahrt, da man davon ausgeht, dass nicht jede Person die Weisheit zum Verständnis dieser Texte besitzt. 7 Die Gemeinsamkeiten mit der Erlöser-Religion des Christentums ist offensichtlich und wird vor allem bei Christiane Langer-Kaneko in ihrer Monographie Das Reine Land. Zur Begegnung von Amida-Buddhismus und Christentum (1986) weitergehend betrachtet. 14 „Not all persons can practise tantra, but someone who has performed good actions over many lifetimes, who even as a child possessed a strong thought to help, and who has good predispositions should seek the aid of a spiritual guide. Through his quintessential instructions, the student should, with effort and over a period of months and years, raise this good mind to higher and higher levels. Finally […] he has a strong force of mind seeking to do whatever can be done to help others. He wishes very strongly to bring vast help to others in a spontaneous manner, effortlessly, as a Buddha. Such a person is suitable to enter and should enter Secret Mantra in order to attain Buddhahood quickly.“ (Hopkins: 18f) Dies trifft vor allem für die sogenannten Schatz-Texte (tib.: terma) zu. Der Legende zufolge sollen diese Texte von bekannten Lehrern versteckt worden sein, um somit zu einem späteren Zeitpunkt, an dem die Welt bereit ist für diesen Text, von einem Schatzfinder (tib.: tertön) gefunden zu werden. Hierzu gehört auch das sogenannte Tibetische Totenbuch, welche im Zusammenhang mit den tibetischen Bestattungsritualen in Kapitel 4.2.7. weitergehend erläutert wird. Durch die Notwendigkeit einer Initiation wird das Verhältnis von Lehrer (tib.: guru) zu Schüler in den Vordergrund der Lehre gerückt und führte in Tibet zu der Ausprägung verschiedener Sekten. Diese Sekten sind meist auf einen bestimmten Lehrer oder ein bestimmtes Kloster ausgerichtet und lassen sich in vier Gruppen einteilen: NyingmapaSchule, Sakyapa-Schule, Kagyüpa-Schule und Gelugpa-Schule8. Alle vier Schulen unterscheiden sich durch die Konzentration auf verschiedene Lehrtexte und in der klösterlichen Hierarchie. Gemeinsamkeiten sind das grundlegende Mahayana-Weltbild und die Betrachtung des Tantra als höchste Form der buddhistischen Praxis. (Freiberger/Kleine 2011: 356f) Auch in der ausführenden Praxis des Tantra finden sich zahlreiche symbolische Handlungen mit rituellem Charakter. Vorausgesetzt wird das Vertrauen und die Erkenntnis in die symbolischen Bedeutungen verschiedener Erscheinungen und Gestalten. Unter einer symbolischen Handlung im tantrischen Buddhismus wird unter anderem das regelmäßige und langanhaltende Aufsagen bestimmter heiliger Silben oder Mantren wie Om mani padme hum verstanden. Tilmann Vetter behauptet, in der Durchführung dieser rituellen Praxis einen Ersatz für die eigentliche Meditation und Erkenntnis gefunden zu haben. Dieser Annahme kann ich nur teilweise widersprechen. Natürlich ist in dem Einsatz von Gebetsmühlen zum Aufsagen dieser Gebete eine Art mechanischer Ersatz zu sehen, um eine schnellere Erlösung 8 Eine detailliertere Beschreibung der Schulen findet sich bei Freiberger/Kleine 2011: 357-364. 15 zu erhalten, dennoch kann das unendliche Wiederholen eine Hilfestellung zum Erreichen von meditativer Konzentration sein. (Vetter 1996: 319f) Neben den rituellen Gegenständen wie Gebetsmühlen fallen auch Bildnisse von Gottheiten, Bodhisattvas und Buddhas9 sowie Mandalas und rituelle Handgesten unter die tantrische Symbolik. Mandalas zeigen meist einen kosmischen Raum und werden in einem rituellen Kontext erstellt, sowie auch für einen rituellen Zweck benutzt, nämlich als Anleitung zur Visualisierung und Meditation. Die Handgesten, auch Mudras genannt, legen fest, in welcher Ausrichtung die Hände und Finger positioniert werden sollen, um einen bestimmten rituellen Zweck zu erfüllen. (Freiberger/Kleine 2011: 217f) Nach der buddhistischen Tradition gibt es mehrere Gründe, warum ein Mensch sterben muss. Im Vordergrund steht dabei vor allen Dingen die Annahme, dass das jeweilige Karma sich zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Ende nähert und somit die lebenstreibende Kraft aus dem Körper des Menschen verschwinden lässt. Diese Todesursache wird als natürlicher Tod verstanden. Im Gegensatz dazu steht der unnatürliche Tod, welcher durch Unfälle oder Gewalt hervorgerufen wird und das Leben eines Menschen ohne vorherige Vorbereitung auf den bevorstehenden Tod beendet. Auch der Tod von Kindern wird oftmals als unnatürlicher Tod bezeichnet und erfordert besondere Maßnahmen zum Schutz der Verbliebenen. (Powers 1995: 287) Die Vorbereitung auf den Tod sollte schon zu Lebzeiten passieren. Dies kann während des Todesprozesses begünstigend auf die Wiedergeburt und das Erleben des Sterbens wirken. Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der Tod für jede unvorbereitete Person zu überwältigend sei, wenn nicht früh genug über den Todesprozess meditiert wurde, denn nur so kann eine Befreiung aus dem Samsara hervorgerufen werden. „When we die, at that moment the deepest unconscious level is being experienced. When you start experiencing the deepest level of consciousness through the practice of mental yoga, you are able to control your mind at that level – a very subtle state of mind – and make yourself conscious of a level where generally people are unconscious. So once you have some experience in these practices, then you can fully control your mind at death.“ (Dalai Lama, in Benard 1992: 172) Die Meditation über den Tod kann in verschiedener Intensität ausgeführt werden. Zunächst ist die Möglichkeit gegeben sich während der Meditation der Unbeständigkeit und 9 Unter diese Kategorie fallen vor allem die Thangkas. Dies sind kunstvoll bemalte Stoffe mit einem Mandala oder einer anderen symbolischen Darstellung, welche nur zu bestimmten rituellen Zwecken ausgerollt werden. 16 Vergänglichkeit aller Dinge bewusst zu werden. Eine ausgeprägtere Form ist das Beobachten einer Leiche während ihres Zersetzungsprozesses. Die fortgeschrittene Variante der Meditation über den Tod ist die Visualisierung des eigenen Sterbeprozesses. Dies ist eine der höchsten Formen tantrischer Meditation, wobei die den Körper beherrschenden Winde manipuliert werden, um somit den eigenen Tod zu simulieren. (Benard 1992: 171f) Der Körper wird nach dieser physiologischen Ansicht von insgesamt 72.000 Kanälen und drei Hauptkanälen durchzogen. Diese drei Hauptkanäle sind der rechte, linke und der mittlere Kanal. Durch sie fließen Winde, welche als Energieströme bezeichnet werden. Die Todessimulation beeinflusst die Fließrichtung dieser Winde, sammelt sie zunächst in dem rechten und linken Hauptkanal, um sie in dem im Herzkanal befindlichen lebenstragenden Wind aufzulösen. Die Kunst der Simulation ist dabei die Winde wieder in die richtige Richtung zu leiten, um nicht während der Meditation zu sterben. (Powers 1995: 232, Rinbochay/Hopkins 1985: 31) Die tantrische Ausführung des Buddhismus und vor allem der tibetische Buddhismus beschäftigen sich intensiv mit dem Tod, der Vorbereitung auf den Tod und den Prozessen vor der Wiedergeburt im Zwischenzustand. Jegliche zu diesem Zweck ausgeführten Rituale gehen über den Zweck der Beruhigung der trauernden Familie und Hilfestellung zur Fokussierung des Geistes hinaus und lassen sich viel mehr als Initiationsriten charakterisieren. Sie dienen der Initiation des Toten über den Zwischenzustand in ein neues, wiedergeborenes Leben. Im tantrischen Buddhismus herrscht zudem eine differenzierte Darstellung der körperlichen Prozesse während des Sterbens. Nach buddhistischer Lehre besteht der Körper eines Menschen aus fünf Elementen, welche sich während des Sterbens in einer bestimmten Reihenfolge ineinander auflösen. In der ersten Stufe der Auflösung wandelt sich das Element der Erde in das Wasser-Element. Dieser Prozess wird von dem Sterbenden noch wahrgenommen, indem sich das Gefühl des Zusammenbruchs der Welt einstellt. Die zweite Stufe beinhaltet die Auflösung des WasserElementes in das Feuer-Element, wobei der Eindruck entsteht, dass die Welt von Wasser überschwemmt wird. In der dritten Stufe der Auflösung wird das Element des Feuers durch das Luft-Element absorbiert und der Sterbende erfährt ein starkes Brennen im Körper. Die vierte und letzte Stufe hat zur Folge, dass durch die Auflösung der Luft im Raum der Tod eintritt. Nach Annahme des tantrischen Buddhismus handelt es sich hierbei bloß um den körperlichen Tod, da sich das Bewusstsein des Verstorbenen zu diesem Zeitpunkt noch nicht vom Körper gelöst hat. (Benard 1992:172f) 17 Neben der Auflösung der einzelnen Elemente spielen bei dem Todesprozess auch die Winde innerhalb der Kanäle im Körper eine große Rolle. Wie bereits zuvor im Rahmen der meditativen Todessimulation erläutert, beginnen sich die Winde im rechten und linken Hauptkanal zu sammeln, um von dort zusammen in den mittleren Hauptkanal einzugehen. Von hier aus wandern die gesammelten Winde in den sogenannten „Herzenstropfen“, in welchem sich der lebenstragende Wind befindet. An diesem Punkt tritt der Verstorbene in einen unbewussten Zustand ein und erfährt das „Klare Licht des Todes“. Dies ist eine der wichtigsten Erfahrungen und stellt im tantrischen Buddhismus den Moment des Todes dar. Außerdem ist mit der Erkenntnis, dass es sich bei dieser Erscheinung um das „Klare Licht“ handelt, die erste Möglichkeit zur Befreiung aus dem Wiedergeburtenkreislauf gegeben. Die meisten Personen bleiben für drei Tage in diesem unbewussten Zustand, wobei die Dauer von der geistigen Stärke abhängig ist und sich dementsprechend verkürzt oder verlängert. Sollte man sich während seines Lebens nicht intensiv mit dem Tod und den bevorstehenden Erfahrungen beschäftigt haben, obwohl dies die höchste Priorität innerhalb der buddhistischen Lehre hat, können Hilfestellungen durch Dritte vor, während und nach dem Tod vorgenommen werden. Hierzu gehören die Bewusstseinsübertragung (tib.: gzhan po wa) und das Lesen des Bardo Thödol. Der Bardo Thödol kann aber nur unterstützend wirken, wenn der Verstorbene bereits in die Lehre des Totenbuches eingewiesen wurde. 10 Der tibetisch-tantrische Buddhismus legt in der Verbreitung seiner Lehre den Fokus auf das Sterben und den Tod als Moment der Erlösung, der von jedem Buddhisten angestrebt werden soll. Die Tatsache, dass für die zu diesem Zeitpunkt im Leben eines Menschen stattfindenden Prozesse ein Art Anleitung mit dem Bardo Thödol gegeben wird, ist einzigartig und festigt erneut den Standpunkt, dass der tibetisch-tantrische Buddhismus ein großes Interesse im Verständnis des Todes besitzt. Denn nur durch Verständnis und Wissen kann der Vorgang des Todes kontrolliert und in die richtige Richtung geleitet werden. „Die große Erlösung (grol) durch Hören (thos) [d.h. Information] über Zwischenzustände (bar-do) [nach dem Sterben], aus der tiefgründigen Lehre über Selbsterlösung durch Kontemplation der friedlichen und zornigen [Gottheiten]“ (Vetter 1996: 321) oder kurz Bardo Thos grol (ausgesprochen: Bardo Thödröl) beziehungsweise Bardo Thödol ist unter vielen Namen bekannt und wird im allgemeinen Sprachgebrauch als Tibetisches Totenbuch bezeichnet. Doch ist dieser Name zu komprimierend, denn der Bardo Thödol besteht aus mehreren tantrischen Texten der Nyingmapa-Sekte, die nicht in allen Teilen Tibets 10 Das persönliche Gespräch mit Geshe Palden Öser in Hannover bestätigte mir diese Aussage noch einmal, da er mir gegenüber immer wieder erwähnte, dass der Bardo Thödol zwecklos ohne vorherige Einführung sei. (pers. Gespr. Geshe Palden Öser: 18.11.14) 18 Anwendung finden, wodurch dieser auch nicht als rein tibetisch bezeichnet werden. (Vetter 1996: 321) Die einzelnen Abschnitte und Erläuterungen des Bardo Thödol werden in Kapitel 4.2.7. und die Praxis der Bewusstseinsübertragung in Kapitel 4.2.8. im Zusammenhang mit den tibetischen Bestattungsritualen tiefergehend betrachtet. 4. Buddhistische Bestattungen im Herkunftsland Um in meiner Arbeit die Ausmaße der Transformation und Integration buddhistischer Bestattungsrituale im deutschen Kontext darzulegen, bedarf es zunächst einer Vorstellung in ihrem ursprünglichen Rahmen. Während der Darstellung vietnamesisch-buddhistischer Bestattungsrituale aktuelle Literatur zu Grunde liegt, kann bei der Betrachtung tibetisch-buddhistischer Bestattungen größtenteils bloß auf eine historische Quellenlage zurückgegriffen werden. Meine Hauptquellen innerhalb dieses Kapitels waren zunächst die Dissertation von Than Ho aus dem Jahre 2012 mit dem Titel „Trauerrituale im vietnamesischen Buddhismus in Deutschland. Kontinuität und Wandel im Ausland“ sowie die historische Quelle über das Tibetische Totenbuch von W.Y. Evans-Wentz aus dem Jahre 2000 in der 19. Auflage (Original 1960, Erstausgabe 1927) mit dem Titel „Das Tibetanische Totenbuch. Ein Weisheitsbuch der Menschheit“. Unterstützend wirkte zudem die Dissertation „Fremder Tod. Zur Ausgestaltung und Institutionalisierung muslimischer, jüdischer, buddhistischer, hinduistischer und yezidischer Bestattungsrituale in Deutschland unter dem Aspekt institutioneller Problemlagen und gesellschaftlicher Integration“ von Corinna Kuhnen aus dem Jahre 2009 und Bokar Rinpoches „Der Tod und die Kunst des Sterbens im Tibetischen Buddhismus“ aus dem Jahre 1992. Folgende Ausführungen sollen als Grundlage für die spätere Beobachtung buddhistischer Bestattungen in Deutschland dienen, um somit die Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen zu können. 19 4.1. Der Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungen und Bestattungsrituale vietnamesische Buddhismus wird durch verschiedene Einflüsse aus seinen Nachbarländern gekennzeichnet. Vor allem der Daoismus und Konfuzianismus verschmelzen mit der buddhistischen Lehre in Vietnam und spiegeln sich auch in der Durchführung der Bestattungsrituale wider. Wenn ein Buddhist in Vietnam im Sterben liegt, so ist die vorrangige Aufgabe der Familie, alle weiteren Familienmitglieder über diesen Umstand zu informieren. Die Verbreitung dieser Information dient zum Einen dazu, dass den Familienmitgliedern die letzte Möglichkeit eines Besuches gegeben wird. Zum Anderen wird bereits hier darauf hingewiesen, dass es in nächster Zeit zu einer Bestattungsfeier kommen wird. Weiterhin werden Mönche und/oder Nonnen beauftragt die spirituelle Sterbebegleitung zu leisten. Diese Aufgabe muss nicht unbedingt von einem Ordinierten durchgeführt werden. Auch ein mit diesem Bereich des Buddhismus vertrauter Laie kann hier die Führung übernehmen. Welche Person letztendlich die Sterbebegleitung leitet, ist abhängig von der Verfügbarkeit der Ordinierten. Neben der Funktion als Sterbebegleiter für den Verstorbenen leistet der jeweilige Ordinierte oder Laie auch der betroffenen Familie seelischen Beistand und unterstützt diese bei der Planung der Bestattungsfeier, welche er zudem führen wird. (Ho 2012: 58) Insgesamt soll während der Sterbebegleitung und auch der Bestattungsfeier eine ruhige Atmosphäre herrschen. Nach buddhistischer Vorstellung sollte niemand Weinen oder Klagen, da hierdurch der Verstorbene an die irdische Welt gehalten werde. Einer älteren Quelle aus dem Jahre 1964 zufolge sei das Weinen und Klagen, vor allem von Frauen während der Prozession zum Grab, noch praktiziert worden. (Crawford 1964: 127) Die Änderung zu einer mehr dem Buddhismus entsprechenden Verhaltensweise ist möglicherweise auf die während der Zeit von 1954 bis 1986 stattfindenden Reformen in Vietnam zurückzuführen11, bei welcher auch die Bestattungsrituale im kommunistischen 11 Während der zwischen 1954 und 1986 stattgefundenen Reformversuche der Kommunistischen Partei Vietnams wurden bezüglich der Bestattungsrituale die Säkularisierung der rituellen Praxis und die Abschaffung geschlechterspezifischer Rollen innerhalb einer Bestattung angestrebt. Ausschlaggebend für die Reformierung von Bestattungen war vor allem die Unwirtschaftlichkeit in der rituellen Praxis. Obwohl alle Versuche die Bestattungskultur in Vietnam zu reformieren scheiterten, wurden doch einige Vorgaben der Regierung übernommen. Hier sind vor allem die Vereinheitlichung der Trauerkleidung, das Ausbleiben des Klagens sowie die Verkürzung der Trauerzeit betroffen. Insgesamt sind vietnamesische Bestattungen nach diesen Reformversuchen einfacher, kürzer und gleichberechtigter als vorher. (Malarney 1996: 540ff, 551ff) Eine gute Zusammenfassung dieser Thematik ist bei Malarney, Shaun Kingsley (1996): „The Limits of „State Functionalism“ and the Reconstruction of Funerary Ritual in Contemporary Northern Vietnam“. American Ethnologist 23 (3): 540-560 zu finden. 20 Sinne reformiert werden sollten. Ein angestrebtes Ziel beinhaltete das Verbot des lauten Klagens von Frauen. (Malarney 1996: 545) Vor, während und nach dem Tod spielt die Rezitation des Buddhanamens Amitabha eine große Rolle. Innerhalb der Sterbebegleitung soll der Sterbende durch die Rezitation daran erinnert werden sich seines Wunsches im Reinen Land Sukhavati wiedergeboren zu werden zu vergegenwärtigen. Zudem soll sich unter Leitung des Ordinierten der Sterbende seiner negativen Taten bewusst werden und Reue zeigen. Die Erinnerung an das Zuflucht nehmen zu den Drei Juwelen sowie das Rezitieren und Visualisieren des Buddha Amitabha sind wichtige Inhalte der Sterbebegleitung durch den Ordinierten oder Laien. Anweisungen an die Familienmitglieder beschränken sich auf die Einhaltung einer vegetarischen Diät und die Schaffung einer friedlichen Umgebung durch positive Taten, welche dem Sterbenden gewidmet werden sollen. Eine erfolgreich stattgefundene Sterbebegleitung mündet in eine bevorstehende oder erfolgte Wiedergeburt im Reinen Land Sukhavati. Ein Indiz hierfür ist das Wissen des Sterbenden um den genauen Zeitpunkt seines Todes und das Sterben bei vollem Bewusstsein. Die nach dem Tod eintretenden Anzeichen sind verschlossene Augen und ein verschlossener Mund, eine entspannte Haltung des Körpers sowie das Ausbleiben sofortiger Geruchsbildung des Leichnams. Nachdem der Tod eingetroffen ist und auch während des Sterbeprozesses sollte unbedingt die Amitabha-Rezitation unbeeinflusst weitergeführt werden. (Ho 2012: 59ff) Ist der Sterbeprozess abgeschlossen, darf der Leichnam acht Stunden nicht berührt werden, um dem Bewusstsein des Verstorbenen die Möglichkeit zu geben sich ungestört vom Körper zu lösen. Wird diese vorgeschriebene Ruhezeit nicht eingehalten, so kann es zu einer negativen Beeinflussung der Wiedergeburt des Verstorbenen kommen. Das Gesicht des Verstorbenen wird mit einem weissen Tuch bedeckt als eine symbolische Trennwand zwischen dem Verstorbenen und den Lebenden. Nach Ablauf der acht Stunden findet die Leichenwaschung statt. Diese ist weniger buddhistischer Natur, sondern eher ein letzter Dienst an dem Verstorbenen durch die enge Familie. 12 Für die Ausführung dieser Waschung und der folgenden Einkleidung des Leichnams liegen keine Regeln vor. (Ho 2012: 62) 12 Genauso ist die drei Jahre nach der Bestattung vollzogene Ausgrabung kein buddhistischer, sondern ein volkstümlicher Brauch. Die Knochen des Verstorbenen werden hierbei gereinigt, neu geordnet, aus dem Holzsarg in ein Tongefäß verlegt und wieder begraben. (Ho 2012: 71) 21 Über der persönlichen Kleidung kann eine buddhistische Totenkleidung angelegt werden, bestehend aus Jacke, Kapuze und Handschuhen. Darüber wird eine mit buddhistischen Mantren in Sanskrit bestickte Decke von den Schultern abwärts auf den Leichnam gelegt. Die Decke und vor allem die darauf gestickten Mantren schützen den Verstorbenen vor bösen Geistern. In einem Raum der Wohnung des Verstorbenen, meist der Raum, in welchem sich bereits der Buddha-Altar befindet, wird ein Gedenkaltar errichtet. Neben Kerzen, Räucherstäbchen, Blumen und Obst wird auch ein Papier mit dem weltlichen Namen, dem Dharma-Namen sowie Geburts- und Todesdatum auf diesen Altar gestellt. Dreimal täglich, jeweils zu den Mahlzeiten, werden Speisen und Getränke als Opfergaben vor den Altar platziert. Nach einer gewissen Zeit bittet die Familie den Geist des Verstorbenen darum das Essen abräumen zu dürfen. Das Essen wird nicht entsorgt, sondern von den Familienmitgliedern anschliessend verspeist. Für die verschiedenen Zeremonien während der Trauerfeier werden geeignete Daten mithilfe eines astrologischen Kalenders ermittelt. Eine unbedingte Einhaltung wird nicht erwähnt. (Ho 2012: 63f) Die Einsargungszeremonie findet in dem zuvor mit Gedenk- und Buddha-Altar ausgestatteten Raum statt. Der Sarg wird in der Mitte des Raumes aufgestellt und, bevor der Leichnam dort gebettet wird, durch den leitenden Ordinierten geweiht. Der verbliebene Leerraum wird nach Einbettung mit Teeblättern zur Geruchsbindung und weiterer Kleidung des Verstorbenen zur Flüssigkeitsaufnahme ausgefüllt. Dem Verstorbenen werden Blattgoldblättchen als Zahlungsund Reiskörner als Nahrungsmittel für seine bevorstehende Reise in den Mund gelegt. Die Dauer der Aufbahrung wird durch die finanziellen Möglichkeiten bedingt und liegt in der Regel zwischen drei und sieben Tagen. Zudem gibt es in Vietnam keine Vorgabe in welchem Zeitraum der Leichnam bestattet werden muss. (Kuhnen 2009: 126f, Ho 2012: 64f) Nach der Einsargungszeremonie findet die zeremonielle Austeilung der Trauerkleidung statt. Diese wird entweder durch den Ordinierten oder den ältesten Sohn vollzogen. Gleichzeitig werden Opfergaben dargebracht und symbolische Votiv-Papiere verbrannt. Die weiße Trauerkleidung ist abhängig vom Verwandtschaftsgrad. Söhne, Schwiegertöchter und deren Kinder sowie unverheiratete Töchter tragen die volle Trauerkleidung, bestehend aus einer weissen Baumwolltunika mit Gürtel und einem Stirnband. Die Söhne können zudem einen speziellen Strohhut tragen und einen Gehstock mit sich führen 13. Verheiratete Töchter, Schwiegersöhne und deren Kinder müssen nur das Stirnband tragen. Alle anderen Familienmitglieder sind von der Trauerkleidung ausgenommen. Die Stirnbänder werden 13 In der neueren Literatur (siehe Thanh Ho 2012) wird der Strohhut nicht mehr erwähnt. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, dass auch hier durch die bereits erwähnten Reformen eine Änderung aufgetreten ist. Ann Cadell Crawford erwähnt den Strohhut noch (Crawford 1964: 127) 22 durch einen farbigen Punkt voneinander unterschieden. Die Nachkommen der Söhne haben einen roten Punkt auf ihrem Stirnband. Die Nachkommen der Töchter einen blauen Punkt. Den Trauergästen soll dadurch ermöglicht werden, den jeweiligen Verwandtschaftsgrad unmittelbar zu erkennen.14 (Crawford 1964: 127, Ho 2012: 66, Malarney 1996: 544) Bevor die Prozession zum Bestattungsort beginnt muss, zunächst die Verabschiedungszeremonie durchgeführt werden. Es wird den Verstorbenen um Erlaubnis gebeten seinen Sarg zur Grabstätte bringen zu dürfen. Bis kurz vor die Haustür wird der Sarg mit dem Kopfende voran getragen, um dann den Sarg mit dem Fußende voran aus dem Haus zu tragen. Die Reihenfolge der Personen während des Trauerzuges ist genau festgelegt. Von einem Bild des Buddha Amitabha angeführt folgen Blumenkränze, die Ordinierten, ein Portraitbild des Verstorbenen, Räucherstäbchen, Kerzen, der Bestatter, der getragene Sarg, die unmittelbare Familie und zuletzt weitere Verwandte und Freunde. (Ho 2012: 67f) In den meisten Fällen findet in Vietnam eine Erdbestattung statt. Dies spricht einerseits gegen die buddhistische Vorstellung der Körperlosigkeit, andererseits zeigt sich hier eindeutig der Einfluss regionaler Bräuche sowie der Ahnenverehrung. Der Ahnenkult spielt im vietnamesischen Buddhismus eine sehr große Rolle. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Verstorbene auch nach seinem Tod einen Körper besitzen muss, um als Ahne weiterzuleben. Aus diesem Grund wird die Erdbestattung der Feuerbestattung vorgezogen. (Ho 2012: 74) Der Ordinierte weiht das Grab durch Rezitation verschiedener Mantren.. Nach dem symbolischen Wurf der Erde auf den hinabgelassenen Sarg und das Zuschütten des Grabes, wird die Zeremonie zur Etablierung des Verstorbenen in seinem Haus oder einer Pagode abgehalten. Dies dient der Bestätigung für den Geist des Verstorbenen, dass dieser noch immer einen festen Platz innerhalb der Familie hat. Daraufhin findet ein gemeinsames Mahl und drei Tage nach der Bestattung die Zeremonie der symbolischen Graböffnung statt. Erst danach kann der Verstorbene in die Ahnenwelt eintreten, da ihm nun bewusst ist, dass er nicht mehr lebt. Während der Zeremonie werden persönliche Gegenstände oder andere Grabbeigaben verbrannt. Sieben Wochen lang wird nun an jedem siebten Tag eine Totenandacht gehalten. Die letzte Andacht, am 49. Tag nach dem Tod, ist die bedeutendste, da der Verstorbene spätestens nach 49 Tagen seine jeweilige Wiedergeburt erlangt hat. Somit kann auch der kurz nach dem Tode errichtete Gedenkaltar abgebaut und das Portraitbild des 14 Inwieweit dies notwendig ist scheint mir noch unklar, denn auch an der Partizipation während der Trauerfeier kann der Verwandtschaftsgrad gesehen werden. Zudem wird nicht darauf hingewiesen, welche Funktion das Wissen um den Verwandschaftsgrad hat. 23 Verstorbenen zum Ahnenaltar gestellt werden. Am 100. Tag nach dem Tode sowie am ersten und zweiten Todestag werden weitere Andachten ausgeführt. Dies geschieht entweder mit den Ordinierten zu Hause oder wird in einer Pagode in Auftrag gegeben. (Ho 2012: 68ff) Die Trauerzeit beträgt insgesamt 27 Monate und wird zusammengesetzt aus 24 Monaten und jeweils einem Monat zu Ehren des Himmels, der Erde und des Menschen. 15 In dieser Zeit dürfen keine Hochzeiten stattfinden. (Ho 2012: 67) Davon abweichende Angaben zu der Trauerzeit werden bei Ann Cadell Crawford gemacht, welche nochmals differenzierter nach Verwandschaftsgrad abstuft. Demnach sollten sich Ehefrauen, Kinder und Schwiegertöchter eines verstorbenen Mannes drei Jahre in der Trauerzeit befinden. Ehemänner, Schwiegersöhne, Brüder und Schwestern, Neffen und Nichten einer verstorbenen Frau haben ein Jahr zu trauern. Für Cousinen der väterlichen Seite und Cousins der mütterlichen Seite sind jeweils neun und sieben Monate vorgesehen. (Crawford 1964: 126) Ho und Crawford sind sich jedoch bezüglich der Kleidungsvorschrift während der Trauerzeit einig. Ein Stofffetzen als Trauerkennzeichen sollte auf dem Arm oder auf der Brust getragen werden, wobei Ho auf die farbliche Abweichung zur normalen Kleidung eingeht und Crawford auf die Position des Stoffes. Männer sollten demnach das Stück Stoff auf dem Arm und Frauen auf dem Kleid tragen. (Ho 2012: 66, Crawford 1964: 127) Um die Trauerzeit offiziell zu beenden bedarf es nach 27 Monaten einer weiteren Zeremonie. Da die vorgeschriebenen 27 Monate Trauerzeit meist nicht eingehalten werden, kann es auch schon zu einer frühzeitigen Zeremonie kommen. Nicht nur zeitliche Faktoren spielen bei der Verkürzung eine Rolle. Auch der Trend von kollektiver zu persönlicher Trauer wird sichtbar. Unterschiede in der Dauer der Bestattungsrituale wie auch in ihrer Durchführung sind aber meist durch die finanziellen Möglichkeiten der Familie bedingt. Während der Zeremonie wird die Trauerkleidung von den Ordinierten symbolisch verbrannt, das heisst an ein Feuer gehalten ohne dass die Kleidung Feuer fängt. Die wirkliche Verbrennung der Trauerkleidung findet zu einem späteren Zeitpunkt am Grab durch die Familienangehörigen statt. (Ho 2012: 70) Die Gräber in Vietnam sind hausähnlich aufgebaut mit einer Überdachung und einer ausladenden Gestaltung sowie zahlreichen Blumen und Räucherstäbchen. Auch die 15 Die Trauerzeit von 27 Monaten ist eine aus dem Konfuzianismus übernommene Tradition. (Ho 2012: 67) 24 Grabpflege steht im Vordergrund, was teilweise auf vietnamesisch-buddhistischen Grabfeldern in Deutschland nicht der Fall ist. Diese auffällige Diskrepanz werde ich in meiner Beschreibung vietnamesisch-buddhistischer Bestattungen in Deutschland wieder aufgreifen. Der ausgeprägte Gräberkult in Vietnam ist erneut auf die dort herrschende Ahnenverehrung zurückzuführen. (Ho 2012: 77, Kuhnen 2009: 127) Der Ahnenkult in Vietnam ist nicht nur während der Bestattungsfeierlichkeiten von großer Bedeutung. Allgemein findet sich die Ahnenverehrung in allen großen Festlichkeiten und auch im Alltag eines jeden Vietnamesen wieder. Sowohl in der Migration als auch im Heimatland besitzt jeder Haushalt einen Ahnenaltar. Der vietnamesischen Weltanschauung zufolge wird unser Kosmos in eine Yin- und eine Yang-Welt unterteilt, welche der Welt der Toten und der Welt der Lebenden entspricht. Die Koexistenz beider Welten beinhaltet auch die Kontaktaufnahme der Toten in der Yin-Welt durch die Lebenden innerhalb der dafür vorgesehenen Rituale. (Lauser 2008: 147f, 151) Die Ahnenverehrung ist zwar Teil des vietnamesischen Buddhismus, kann aber nicht als ein religiöses Konzept verstanden werden. Andrea Lauser definiert die Ahnenverehrung wie folgt: „Die Ahnenverehrung beschreibt […] ein Konzept der Dankbarkeit, das die fortwährende reziproke Beziehung und den Kreislauf des Tausches von Gaben und Gunsterweisungen zwischen den Lebenden und Toten in Bewegung hält.“ (Lauser 2008: 158) Weiter heisst es bei ihr: „Ahnenverehrung sei weniger eine Religion, sondern vor allem eine Ethik […]. Eine solche Ethik habe nichts mit der Verehrung (tho) von Gottheiten und Geistern gemein, sondern gründe auf dem Respekt (nho on) gegenüber den Vorfahren über den Tod hinaus.“ (Lauser 2008: 158) Dennoch nimmt der volkstümliche Glaube an Ahnen mit seiner schutzbringenden Verehrung religiöse Züge an, welche aber nach Lauser keinesfalls den Status des Ahnenkultes als Religion rechtfertige. Diese These bekräftigend ist auch die Tatsache, dass der Ahnenkult unabhängig von Glaubensrichtung oder säkularer Weltanschauung lebhaft von den Vietnamesen praktiziert wird. (Lauser 2008: 158, 165) 25 4.2. Tibetisch-Buddhistische Bestattungen und Bestattungsrituale Eines der wichtigsten historischen Zeugnisse einer tibetischen Bestattung und den dabei durchgeführten Ritualen liefert Walter Y. Evans-Wentz in seiner Übersetzung des Bardo Thödol aus dem Jahre 1927. Seine Feldforschungen in Sikkim machten ihn mit den Todeszeremonien der dort ansässigen Anhängern des Vajrayana-Buddhismus vertraut und sollen im Folgenden als Grundlage für die weitere Betrachtung tibetisch-buddhistischer Bestattungen erläutert werden. 4.2.1. Rituale nach Eintritt des Todes Die Bestattungsrituale werden unterteilt in Rituale direkt nach Eintritt des Todes, Rituale bezüglich der Beseitigung des Leichnams und Schutzrituale nach der Bestattung. Die erste Handlung nach Eintritt des Todes ist immer die Hinzuziehung Geistlicher und Verwandter. Im Haus des Verstorbenen werden ununterbrochen Mantren gesungen und Gebetsmühlen gedreht. (Scheid 2005: 67) Solange nicht alle eingetroffen sind, werden auch keine weitergehenden Bestattungsrituale durchgeführt. Nur der hinzugezogene Lama führt Untersuchungen durch, welche den Tod der jeweiligen Person verifizieren sollen. Die Leiche wird mit einem weißen Tuch bedeckt. Ab diesem Zeitpunkt ist das Berühren der Leiche strengstens untersagt. Hierdurch soll vermieden werden, dass der Prozess der Loslösung des Bardo-Körpers vom menschlichen Körper gestört wird. Innerhalb des Todes- und Transformationsprozesses des Körpers ist diese Einhaltung des Berührungsverbotes von entscheidender Bedeutung. Würde der Körper berührt werden, dann käme es zu einer Irritation des Bardo-Wesens und dieses könnte womöglich durch eine ungewollte Stelle des Körpers ausweichen und eine ungünstige Wiedergeburt verursachen.16 Als Zeitangabe wird eine Dauer von dreieinhalb bis vier Tagen für diesen Prozess der Loslösung genannt. Dies ist auch die Zeit, in welcher der Körper nicht berührt werden darf. Eine Verkürzung dieser Zeit kann durch die Hinzuziehung eines „hPho-bo“ bewirkt werden. Dieser „Herauszieher des Bewusstseinsprinzips“ (Evans-Wentz 2000 [1960]: 94) positioniert sich an der Kopfseite des Leichnams und versucht durch Gesänge den Verstorbenen auf den 16 Als „acht unreine Pforten“ werden der After, die Harnröhre, der Nabel, die Augen, der Mund, die Ohren, die Nase oder eine Stelle zwischen den Augenbrauen gesehen. Bei Austritt des Geistes aus einer dieser Stellen kommt es zu einer Wiedergeburt in der „bedingten Welt“ und nicht im Nirvana. Deshalb ist es auch untersagt den Leichnam vor dieser Zeremonie zu berühren, um den Geist des Verstorbenen nicht an eine dieser Stellen zu leiten. Bekannt ist diese Zeremonie unter dem Namen „Powa“. (Bokar Rinpoche 1992: 83.) 26 rechten Weg der Erlösung im westlichen Land des Buddha Amitabha zu führen. (EvansWentz 2000 [1960]: 94) Als Zeichen für eine gelungene Bewusstseinssteuerung durch den hPho-bo und den Austritt des Geistes an der Brahma-Öffnung kann eine Untersuchung des Kopfes durch einen Lama durchgeführt werden, bei welcher festgestellt werden soll, ob sich ein Loch in dieser Öffnung gebildet hat.17 Zeitgleich wird ein sogenannter Tsi-pa damit beauftragt ein Todeshoroskop zu erstellen. Dieser „Astrologen-Lama“ (Evans-Wentz 2000 [1960]: 95) legt nicht nur den Tag der Bestattung fest, sondern auch welche Personen sich dem Leichnam nähern dürfen und welche Rituale durchgeführt werden müssen. Gerner beobachtet eine von Evans-Wentz abweichende Zeitangabe des Nicht-Berührens der Leiche. Die Leiche darf demnach erst berührt werden, wenn ihr der Bardo Thödol vorgelesen wurde. Wie lange dies dauert wird nicht erwähnt. (Gerner 2001: 120) Der nächste Schritt ist die Aufbahrung des Leichnams. Dies erfolgt nach Ablauf der dreieinhalb bis vier Tage in sitzender Position, einer embryonalen Haltung ähnelnd. Hierin wird ein Symbol für die Beendigung eines alten Lebens, aber zugleich auch für den Neubeginn eines neuen Lebens im Mutterschoß gesehen. In dieser Position wird der Leichnam nun in die Ecke des Totenzimmers gesetzt, welche nicht von dem Hausdämon bewohnt wird. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch die Bewirtung der Trauergemeinde, welche bis zur Bestattung stattfindet. Neben der Trauergesellschaft wird auch der Leichnam mit Essen und Trinken versorgt. Der Geist des Verstorbenen zieht aus den Speisen „(…) die subtilen unsichtbaren Essenzen [heraus] (…)“ (Evans-Wentz 2000 [1960]: 95), woraufhin das Essen entsorgt wird. Die Dauer der folgenden Totenzeremonien kann, je nach finanziellen Mitteln der Familie, zwischen einem und vierzehn Tagen dauern. Gewöhnlich ist eine Dauer von zwei bis vier Tagen. (Bokar Rinpoche 1992: 78) An dem vorbestimmten Tag der Bestattung wird der Leichnam von vorher durch den Tsi-pa („Astrologen-Lama“) ausgewählten Leichenträgern aus dem Haus getragen. Vor dem Toten wird ein langer weißer Schal getragen, um dem Geist den neuen Weg zu weisen und ihn davon abzuhalten wieder zurück zu kehren. (Gerner 2001: 121) Zu welcher Bestattungsform es nun kommt ist meist von den gegebenen klimatischen und finanziellen Bedingungen abhängig. Ein wichtiger Grundsatz ist die Wiedereinbindung des 17 Bei hinduistischen Verbrennungszeremonien wird meist gewaltsam der Schädel an dieser Stelle eingeschlagen, um den Geist dort austreten zu lassen. Ein Entweichen des Geistes an dieser Stelle wird als sehr günstig für eine höhere Wiedergeburt angesehen. 27 Körpers in die Elemente der Natur. Auf welche Art und Weise dies geschieht, ist nicht von allzu großer Bedeutung. Während der Durchführung der Bestattungsrituale außerhalb des Hauses wird im Haus des Verstorbenen oder am Ort des Todes, wenn sich dieser nicht im Haus befindet, das sogenannte Totenamt gesungen. Ist die Familie des Verstorbenen wohlhabend, kann dieses Totenamt auch in einem Tempel durchgeführt werden. Es soll als Stütze für den Verstorbenen dienen, um das reine Land des Amithaba so schnell wie möglich zu erreichen. Vom ersten bis zum vierzehnten Tag wird das Tschönyi-Bardo durch einen Lama im Haus des Verstorbenen verlesen, ab dem fünfzehnten Tag wird das Sipa-Bardo gelesen. Da auch das Lesen des Bardo durch einen Lama finanziert werden muss, kommt es bei ärmeren Familien zur Beendigung der Rituale am vierzehnten Tag. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 96) 4.2.2. Die Verkörperung des Toten im Spyang-pu Nachdem der Leichnam aus dem Haus getragen wurde, wird anstelle des Körpers nun ein Bildnis des Verstorbenen gestellt. Ein Stuhl wird mit den Kleidern des Verstorbenen eingekleidet und als Gesicht wird ein bedrucktes Papier, Evans-Wentz nennt es Spyang-pu18, eingesetzt. Diesem Bildnis werden alle 49 Tage des Bardo Speisen und Getränke vorgesetzt. Das Totenbildnis ist eine kleine Karte, auf dessen Vorderseite der Verstorbene in der Mitte mit gekreuzten Beinen und betender Handhaltung abgebildet ist. Umgeben ist diese Figur von den „(…) fünf ausgezeichneten Sinnesdinge[n] (…)“: Spiegel, Meermuschel, Lyra, Vase mit Blumen und geweihter Kuchen.19 (Abb. 01) (Evans-Wentz 2000 [1960]: 97) Am Ende der Bestattungsrituale wird das spyang-pu feierlich in der Flamme einer Butterkerze verbrannt. Dies gilt als endgültiges Verabschiedungsritual von dem Verstorbenen. Die Flamme der Butterkerze kann Aufschluss über die Wiedergeburt des Verstorbenen geben. Die Asche des verbrannten spyang-pu wird mit Lehm vermischt und zu sogenannten Ts'hats'ha geformt. Eines davon wird für den Hausaltar aufbewahrt, die restlichen werden an einem geschützten Ort vergraben. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 100) 18 Die Bezeichnung spyang-pu scheint wohl nicht korrekt zu sein. In einer Fußnote macht Lama Anagorika Govinda darauf aufmerksam, dass es allgemein unter dem Namen min-byan (Namenskarte, Namensschild) bekannt sei. Evans-Wentz meinte wohl die Bezeichnung mTshan-sku, welche mit „symbolischer Körper“ übersetzt wird. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 96) 19 Für die Auslegung der einzelnen Symbole siehe Evans-Wentz 2000 [1960]: 97. Die Deutung des fünften Symbols als Behälter für geweihte Kuchen wird in der Fußnote 23 von Lama Anagorika Govinda widerlegt und als Torma bezeichnet. 28 Die Verwendung der Asche des verbrannten spyang-pu ist eine Ersatzhandlung für die Verwendung der Asche des verbrannten Leichnams bei einer Feuerbestattung. Da es aber im Hochland von Tibet und den umgebenden Regionen kaum Holzbestand gibt, wird eine Luftbestattung vorgezogen. Somit muss für die Herstellung der Ts'ha-ts'ha, in anderer Literatur auch Tsa-Tsa genannt, die Asche des verbrannten spyang-pu herhalten. 4.2.3. Rituale zur Beseitigung des Leichnams – Luftbestattung Bei einer Luftbestattung wird der Leichnam auf einem Hügel in Stücke gehackt und den Vögeln zum Fraß angeboten. Diese Tätigkeit wird von einer bestimmten Gruppe von Männern (Tobdän) durchgeführt, welche dadurch als unrein gelten. Die Prozession zu dem jeweiligen Hügel wird von einem Lama angeführt, welcher einen Schal um den Leichnam legt, dessen eines Ende der Lama festhält. Während des Trauerzuges weist der Lama den Geist des Verstorbenen immer wieder darauf hin, das Haus der Hinterbliebenen nicht heimzusuchen, sondern sich auf den neuen Weg zu konzentrieren. Begleitend zu diesen Gesängen des Lamas können noch Musikinstrumente wie eine Handtrommel oder eine Trompete zum Einsatz kommen. Solch eine Führung wird, laut Evans-Wentz, nur für Laienanhänger durchgeführt, da diese den rechten Weg zur Erlösung noch nicht gänzlich verinnerlicht haben und es ihnen schwerer fällt, vom irdischen Leben loszulassen. Eine Luftbestattung wird als eine der höchsten Formen der Bestattung angesehen, da der Körper sogar noch nach seinem Tod uneigennützig handelt, indem die Leiche als Speise für Geier dargeboten wird. Geier gelten zudem als heilige Tiere, da sie sich ausschließlich von Aas ernähren und keine Lebewesen zum Zwecke der Nahrungsaufnahme töten. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 101, Brucker/Sohns 2003: 256f) Auch wenn die Luftbestattung als häufigste Bestattungsform gewählt wird, sind alle möglichen Bestattungsformen, so auch Erd- und Feuerbestattungen, bekannt. Welche Bestattung ausgeführt wird, hat in allen Fällen mehr pragmatische als dogmatische Gründe. Da der körperlichen Hülle des Menschen im Buddhismus wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist es relativ irrelevant was mit dem Körper nach dem Tod geschehen soll. Meist wird dennoch eine Bestattungsform gewählt, welche den Körper des Verstorbenen so schnell wie möglich wieder in den Naturkreislauf einbindet. 29 „Die Art, wie man mit einem Körper verfährt, ist für sich genommen ohne Bedeutung, wenn sie nicht mit einer spirituellen Einstellung verbunden ist. Ob man ihn beerdigt, verbrennt oder dem Wasser übergibt, macht keinen Unterschied. […] All dies sind in erster Linie Unterschiede in den Gebräuchen der einzelnen Länder, und es ist gut, sich ihnen anzupassen.“ (Bokar Rinpoche 1992: 84f) 4.2.4. Einflüsse auf die Bestattungsrituale Manfred Gerner, wie auch Evans-Wentz20, weisen darauf hin, dass der Großteil der durchgeführten Bestattungsrituale in den Einflussgebieten des tibetischen Buddhismus auf den Ritualen des in dieser Region herrschenden, vorbuddhistischen Schamanismus, Bön genannt, basieren. Aber nicht nur der Einfluss des Bön ist herausstechend, auch die regionalen Traditionen und die verschiedenen Ausrichtungen des tibetischen Buddhismus prägen die Bestattungsrituale. Abhängig von der jeweiligen Richtung des tibetischen Buddhismus21 werden unterschiedliche Texte rezitiert. Die Rituale sind in ihrer Grundform jedoch gleich. Gerner unterteilt in Rituale der vorbuddhistischen Zeit und Rituale der buddhistisch geprägten Zeit. (Gerner 2001: 116) Die Bestattungsrituale der vorbuddhistischen Zeit sind geprägt durch den Bau von Grabkammern mit einem darüber liegenden Erdhügel. Ab dem 11. Jahrhundert setzten sich immer mehr buddhistisch orientierte Rituale durch. Trotz allem ist der Bönglaube auch aus diesen Ritualen nicht verbannt worden, wie es auch Evans-Wentz in der Verwendung von symbolischen Körpern während der Bestattungszeit sieht. Die neu formierten Rituale bestanden aus der Einbalsamierung wichtiger Personen, der Sitzhaltung des Leichnams sowie der Verwendung des Leichnams als Nahrung für andere Lebewesen in der Luft- und Wasserbestattung. (Gerner 2001: 117f). 20 Evans-Wentz geht auf die Einflüsse des Bön auf die Bestattungsrituale vor allem in der Beschreibung des spyang-pu ein und sieht dieses Bildnis als Überbleibsel eines Bön-Ritus an (Evans-Wentz 2000 [1960]: 99). 21 Im tibetischen Buddhismus existieren mehrere Ausrichtungen: 1. Nyingmapa („Sekte der Alten“), 2. Saskypa („Rotmützensekte“), 3. Kagyüpa („Die der Überlieferung der Vorschriften Folgenden“), 4. Kadampa („Die die Vorschriften zur strengen Richtschnur Nehmenden“), 5. Gelugpa („Sekte der Tugendhaften“), sowie 6. Drigunpa und 7. Drukpa (Gerner 2001: 120). 30 4.2.5. Rituale zur Beseitigung des Leichnams – Feuerbestattung Im Gegensatz zu der Luftbestattung werden Erd- oder Wasserbestattungen nur bei solchen Personen durchgeführt, welche von vornherein schlechtes Karma besaßen. 22 Hierzu gehören vor allem Mörder, Selbstmörder und ansteckend Erkrankte. Die Feuerbestattung wird in den Regionen ausgeführt, in denen genügend Brennmaterial vorhanden ist. Die Brennöfen befinden sich außerhalb der Dörfer und sind aus Lehmziegeln gebaut. Genau wie bei einer Luftbestattung kommt es zu einer Leichenprozession zum Bestattungsort. Der Leichnam wird durch das Binden von farbigen Tüchern, sogenannten Khatags, in Embryo-Stellung gebracht und in eine eigens hierfür vorgesehene Tragevorrichtung hineingesetzt, welche vorher durch Tücher und Schirme veredelt wurde. Bei weniger wohlhabenden Familien wird der Leichnam bloß in ein Tuch gehüllt und auf dem Rücken aus dem Haus getragen. Den Lamas und Mönchen folgen die Trauergäste, welche Holz, flüssige Butter und andere Utensilien sowie Speisen und Getränke mit sich führen. Bei diesem Leichenzug sind lediglich Männer anwesend, da sich die Frauen um die Zubereitung des anschliessenden Trauermahles kümmern. Die Mönche sind mit Bodhisattva-Schürzen und -Kronen ausgestattet. Auf dem Weg zum Brennofen wird Weihrauch verbrannt und auf Becken gespielt, um die Umgebung zu reinigen. Dort angekommen werden verschiedene rituelle Handlungen ausgeführt. Nachdem der Leichnam aus den Tüchern gewickelt und aus der Kiste gehoben wurde, wird er mit geweihtem Wasser aus einer speziellen Ritualvase, Bumpa genannt, besprenkelt. Währenddessen werden auf einzelne Papierstücke geschriebene Mantren rezitiert, um sie dann zusammenzufalten und an den Füßen, dem Unterleib, der Brust, der Kehle und dem Kopf der Leiche zu befestigen. Die mitgebrachte Butter wird zur Schließung aller Körperöffnungen verwendet. Nun wird der Kopf in ein neues Khatag und der Körper in ein Leichentuch gewickelt. Auf ein Papier- oder Stoffmandala wird das Holz und dann der Leichnam gesetzt. Der Brennofen wird dreimal umkreist und daraufhin angesteckt. Die Trauergäste können nun die verschiedenen Opfergaben in das Feuer werfen. Nach Entzündung des Feuers verlässt die Trauergesellschaft den Verbrennungsplatz, um im Dorf das gemeinsame Trauermahl einzunehmen. Die Mönche bleiben solange an der Feuerstätte, bis der erste Knochen vom Scheiterhaufen fällt. Dieser wird als Medok bezeichnet und für einige Tage im Schreinraum aufbewahrt. Später wird er zermahlen und mit Lehm oder Ton zu Tsa-Tsas geformt. Die nach vier Tagen eingesammelte Asche wird auch zu Tsa-Tsas geformt, 22 Diese Aussage kann ich nicht gänzlich unterstützen. Die Wasserbestattung scheint mir aus einem persönlichen Gespräch mit einem tibetischen Geshe in Hannover als erwünscht angesehen. Wahrscheinlich ist auch diese Aussage regional bedingt. 31 welche zu Relief-Figuren geformt werden und im Hausaltar oder in Reliqiuenschreinen aufbewahrt werden. Durch die Herstellung der Tsa-Tsas wird die Asche des Verstorbenen gereinigt. Während der Herstellung kann eine Weihe durch Mantra-Rezitation und anschliessendes Pusten auf die Asche vollzogen werden. Übrig gebliebene Asche wird in die Natur zurückgeführt, indem sie in einen Fluss geworfen wird. (Bokar Rinpoche 1992: 85, Gerner 2001: 124f, Brucker/Sohns 2003: 254ff) Die an der Bestattungszeremonie teilnehmenden Lamas werden vergütet, indem sie die Kleidung und andere Gegenstände des Verstorbenen überreicht bekommen. Auch Geldspenden an umgebende Klöster sollten gemacht werden. Diese Tatsache ist meist der Grund, warum ärmere Familien die Bestattungszeremonien verkürzen müssen. Je weniger Geld für eine Bestattungszeremonie zur Verfügung steht, desto eher wird der Verstorbene eine niedere Wiedergeburt erlangen, welche in Form von Dämonen auch schädlich für die Hinterbliebenen sein kann (Gouin 2010: 125). 4.2.6. Schutzrituale nach der Bestattung Nach der Bestattung gilt es nun Schutz- und Besänftigungsrituale durchzuführen, vor allem innerhalb der ersten 49 Tage des Bardo. Diese Rituale umfassen vor allem Gebete, Rezitationen, die Leitung des Bewusstseins des Verstorbenen wie auch die Darbringung von Opfergaben an dessen Geist. Begünstigend für die Hinterbliebenen ist vor allem das Spenden an Klöster und Arme, genauso wie das Ausrichten von Festmahlen. Dies ist aber nur in dem finanziell möglichen Rahmen der Hinterbliebenen notwendig. Eine Verschuldung trägt nicht zu dem Ansehen der Trauergesellschaft bei. Während der 49 Tage nach dem Tod kann eine sogenannte Sur-Opferung durchgeführt werden. Hierzu röstet man auf offener Glut eine geringe Menge Mehl und fügt die Speisen des Tages hinzu. Das Bardo-Wesen ernährt sich von den Gerüchen der Lebensmittel und kann somit besänftigt werden. Dieses Opferritual kann von Laien genauso durchgeführt werden wie von einem Lama. Die verbrannte Nahrung kann durch die Rezitation Om Ah Hung geweiht und durch weitere Mantren ergänzt werden. (Bokar Rinpoche 1992: 78f) Die Schaffung eines symbolischen Körpers wie einer Namenskarte, bei Evans-Wentz das spyang-pu, tritt in vielen Fällen auf. In ihm soll der herumirrende Geist des Verstorbenen einen Ort des Verweilens finden, um somit den Ritualen des Lama folgen zu können. 32 Genauso wie der Lama den Geist in das Bildnis lenkt, so kann dieser auch den Geist wieder aus dem Bildnis entweichen lassen. Dies geschieht durch die Zerstörung des Substitutes. In den meisten Fällen wird es verbrannt und die Asche wird zu Tsa-Tsas geformt, welche an Altaren aufbewahrt oder an reinen Plätzen begraben werden. Hierzu zählen Wegkreuzungen und Hügel oder Felsvorsprünge. In der Herstellung der Tsa-Tsas kann eine Art Reinigungsritual der Asche des Verstorbenen, oder seines Substitutes, gesehen werden. (Gouin 2010: 100ff) Opferdarbringungen in Form von Speisen müssen unterschieden werden zwischen den Opfergaben für den Verstorbenen und den Opfergaben für dessen Geist. Die Nahrung für den Verstorbenen, welche keinen Vorschriften entsprechen muss, wird innerhalb der 49 Tage nach dem Tod dem Substitut vorgesetzt und danach entsorgt. Der Geist jedoch soll durch die Verbrennung „reiner“ Nahrung gestärkt werden. Diese Sur-Opferung sieht vor, dass kein Fleisch verbrannt wird, sondern nur „weiße“ Substanzen, meist Mehl. Beide Opferrituale sind soziale Ereignisse, an denen Familie und Bekannte teilnehmen. (Gouin 2010: 108) Als eine der wichtigsten Taten zur Unterstützung und Leitung des Geistes des Verstorbenen im Bardo-Zwischenzustand ist die Anhäufung von Verdiensten, genannt Gewa. Zu diesen Verdiensten zählen vor allem Spenden, Opfergaben und Verteilung von Essen an Bewohner des Dorfes. Das Gewa ist nicht unbedingt an die 49 Tage des Bardos gebunden, sondern findet heutzutage vor allem an dem ersten Todestag der verstorbenen Person statt. Hierbei handelt es sich weniger um einen Erinnerungsakt, sondern vielmehr um das Beschließen der Todesfeierlichkeiten. (Gouin 2010: 113). Auch kann das Anfertigen von Thangkas oder das Aufhängen von Gebetsfahnen unter die Gewa-Aktivitäten fallen. Die Trauerzeremonien sind spätestens am 49. Tag beendet und werden entweder mit einem großen Festmahl gefeiert oder es werden großzügige Spenden an diesem Tag gemacht. Die Ausführung dieses Tages hängt erneut von den finanziellen Möglichkeiten der Hinterbliebenen ab. Gedenkfeiern für den Verstorbenen werden meist durch gemeinsame Festmahle und das Hissen von Gebetsfahnen zelebriert. Sie werden meist nur in den ersten ein bis drei Jahren nach dem Tod veranstaltet. Eine Art Ahnenverehrung findet nicht statt. (Gouin 2010: 132f) Margaret Gouin beschreibt die Bestattungsrituale zum Schutz der Hinterbliebenen und zur Besänftigung des Geistes als weitreichend, oftmals gegensätzlich, überflüssig und monoton. Es werden viel Zeit und Ressourcen beansprucht, welche nur mit ausreichendem Wohlstand der Familie richtig ausgeführt werden können. (Gouin 2010: 126) 33 4.2.7 Das Bardo Thödol Das Bardo Thödol23, oder allgemein als Tibetisches bzw. Tibetanisches Totenbuch bekannt, ist innerhalb der Forschung interdisziplinär zu betrachten. Nicht nur die Philologie und die Tibetologie nähern sich diesem Werk, auch die Psychologie findet viele Anhaltspunkte zur Betrachtung des Bardo Thödol als Ausdruck tiefenpsychologischer Fragestellungen. 24 Die im Bardo Thödol zusammengefassten Lehren lassen sich auf Padmasambhava 25 zurückführen, welcher im achten Jahrhundert nach Christus von dem tibetischen König Tisong De-Tsen nach Tibet eingeladen wurde und dort das erste Kloster in Samye gründete, um die buddhistische Lehre zu verbreiten. Padmasambhavas Anliegen war nicht das Aufzwingen der buddhistischen Lehre, sondern der Versuch, die spirituellen und religiösen Gegebenheiten der Bevölkerung Tibets aufzunehmen, solange diese 'dharma-konform' waren. (Govinda 1977: 11f) Die westliche Übersetzung des Titels Bardo Thödol in Tibetisches oder Tibetanisches Totenbuch ist nicht haltbar, da das Wort Tod bei genauerer Übersetzung nicht vorkommt. Vielmehr wird der Fokus des Werkes auf eine Befreiung gelegt, „[…] und zwar auf die Befreiung von den Illusionen unseres egozentrischen Bewusstseins, das dauernd zwischen Geburt und Tod, Sein und Nichtsein, zwischen Wunsch und Verzweiflung hin und her pendelt, ohne aus diesen zwischenständlichen, samsarischen Täuschungen zur »Zuständlichkeit« und Ruhe nirvanischen Erwachens zu kommen.“ (Govinda 1977, 18) Jede Schule des tibetischen Buddhismus verfügt über eine eigene Version des Bardo Thödol, welche sich aber untereinander nur in wenigen Details unterscheiden. Die Essenz des Werkes ist bei allen Ausführungen identisch. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 146) Die Aufgabe des Bardo Thödol besteht nicht darin eine Anleitung zur Totenmesse zu geben, sondern Anweisungen an den Verstorbenen zu richten, welcher zur Einsicht und Befreiung aus dem Rad der Wiedergeburten durch bloßes Hören oder Vergegenwärtigen der Wörter des Bardo Thödol gelangen möchte. Deshalb wird der Bardo Thödol als 'Die Große Befreiung durch Hören' bezeichnet (Dargyay 1977: 73). Bereits zu Lebzeiten soll sich auf diese 23 Die Bezeichnung Bardo Thödol wurde Evans-Wentz entnommen. Die Schreibweise variiert in der Literatur. Weiterhin wird es auch als Bardo Tödröl (Gouin) oder in der tibetischen Schreibweise Bar do thos grol in der Literatur genannt. 24 Hierzu vor allen Dingen C.G. Jung „Geleitwort und psychologischer Kommentar zum Bardo Thödol“ in Evans-Wentz 2000 [1960]: 41-56. 25 Der Huldigungsvers zu Beginn des Bardo Thödol weist auf die Urheberschaft Padmasambhavas hin: „Om! Verehrung sei den Lamas in ihrer dreifachen Seinsweise: im Wahren Sein als grenzenloses Licht Amtihābas, im Mitteilenden Sein in der Gestalt der Friedvollen und Schrecklichen Gottheiten der LotosKategorie, im Wirkenden Sein als Padmasambhava, der gekommen ist als Herr der Lebewesen! […]“ (Dargyay 1977: 78) 34 Befreiung durch Meditation und Studium des Bardo Thödol vorbereitet werden. Das Vorlesen des Buches am Totenbett kann nur Wirkung erzielen, wenn sich der Verstorbene an die Worte erinnern kann. Eine Eigenständigkeit zur Einsicht wird von dem Verstorbenen vorausgesetzt, denn der Vorlesende, sei es nun ein Lama oder ein Laie, erfüllt nur die Funktion eines Ermahners, nicht jedoch eines Erlösers. (Dargyay 1977: 19f; 37) Der Begriff Bardo bezeichnet die verschiedenen Bewusstseinszustände unseres Lebens, welche sich allgemein in sechs Bardos aufteilen lassen. Die ersten drei Bardos sind die Zwischenzustände des Lebens. Der „Bardo des Wachbewusstseins“ reicht von der Geburt bis kurz vor den Tod. Der „Bardo des Traumbewusstseins“ bezeichnet die Zeitspanne eines Traumes und der „Bardo des Versenkungsbewusstseins“ die Zeitspanne einer Meditation. Ihnen folgen die drei Bardos des Sterbens, welche innerhalb des Bardo Thödol ausgeführt werden. Der „Bardo des Todeserlebnisses“ beschreibt die ersten Anzeichen des Todes bis zum endgültigen Tod. Der „Bardo des Erlebnisses der Wirklichkeit oder der letztendlichen Natur“ ist die Zeit zwischen dem Tod und dem Erscheinen der friedvollen und zornigen Gottheiten. Der „Bardo des Wiedergeburtsbewusstseins“ beschreibt den Zeitraum kurz vor der Wiedergeburt des Verstorbenen. (Bokar Rinpoche 1992: 11) Der Bardo Thödol weist fortgehend darauf hin, dass der Tod in Abhängigkeit der zu Lebzeiten begangenen Taten stattfindet. Diese Taten haben einen karmischen Effekt, nicht nur auf unmittelbar folgende Geschehnisse, sondern auch auf die Begebenheiten im Zwischenzustand sowie auf die Art der Wiedergeburt. (Dargyay 1977: 35) Die Belehrungen des Bardo Thödol werden von C.G. Jung in den Kontext der Initiation gesetzt. Die einzelnen Anweisungen innerhalb der drei Bardos des Sterbens haben den Zweck „[…] die Initiationserlebnisse oder die Lehren des Guru den Toten wieder in Erinnerung zu rufen, denn die Belehrung ist im Grunde nichts anderes als eine Initiation des Toten ins Bardo-Leben, wie auch die Initiation der Lebenden nichts anderes ist als eine Vorbereitung auf das Jenseits […].“ (Jung 2000 [1960]: 45) Dieser Initiation in die einzelnen Bardos bedarf es nicht nur der Beschreibung des Zustandes, welcher vom Verstorbenen zu dem jeweiligen Zeitpunkt wahrgenommen wird, sondern vor allem der Anweisung zum Umgang mit diesen Eindrücken oder Erscheinungen. Eine Befreiung aus dem vorherrschenden Zustand wird immer dann erlangt, wenn der Verstorbene sich bewusst macht, dass jegliche Erscheinungen eine Illusion seiner eigenen Gedanken sind und diese als solche erkennt. Sollte der Verstorbene keine Erkenntnis erlangen, so geht er 35 immer tiefer in die einzelnen Zwischenzustände ein. Es werden immer fortgehend Möglichkeiten zur Befreiung aufgezeigt, aber auch immer wieder darauffolgend Anweisungen zur Weiterführung im Falle einer Nicht-Erkenntnis gegeben. Treten die ersten Todesanzeichen bei der betroffenen Person auf, so sollte mit der Lesung des Bardo Thödol begonnen werden. In diesem Zustand, kurz bevor die Person in einen Ohnmachtszustand fällt, können die Worte noch gehört und verinnerlicht werden. Auch innerhalb des Ohnmachtszustandes ist die Lesung fortzuführen, da die Worte im Unterbewusstsein aufgenommen werden könnten. (Dargyay 1977: 61f) Der erste Bardo, auch Tschikhai-Bardo genannt, schliesst sich unmittelbar an das Sterben an, wobei der Sterbeprozess noch beinhaltet wird. Der Verstorbene fällt in einen Ohnmachtszustand, welcher 3,5 bis 4 Tage andauern kann und als eine Zeit beschrieben wird, in welcher „ […] der äußere Atem versiegt ist, der innere Odem aber noch existiert […].“ (Dargyay 1977: 87) Diese Zeit der Ohnmacht dauert so lange, bis aus den Sinnesorganen eine gelbliche Flüssigkeit austritt. Bei Personen mit wenig spiritueller Übung schließt dies gleich an das Aufhören der äußeren Atmung an. Dennoch wird die angegebene Zeit von 3,5 bis 4 Tagen vorsichtshalber eingehalten. (Dargyay 1977: 88) Bevor diese Bewusstlosigkeit eintritt, sollte die sterbende Person in die „Löwenstellung“ 26 gebracht werden, denn innerhalb des Ohnmachtszustandes darf der Verstorbene nicht berührt werden. Dieses Berührungsverbot kann aber auch durch eine erfolgreiche Bewusstseinsübertragung (Powa) verkürzt werden, insofern der Verstorbene während des Powa befreit wurde. Da man sich diesem nicht sicher sein kann, hält das Berührungsverbot die vollen 3 ½ bis 4 Tage des ersten Bardo an. (Bokar Rinpoche 1992: 22) Es folgt der zweite Bardo des Todes, Tschönyi-Bardo genannt. Der Verstorbene ist in einem traumähnlichen Zustand der Unbewusstheit angekommen und er vernimmt viele, von seinem eigenen Karma beeinflusste Erscheinungen. Die folgenden Erscheinungen der friedvollen und zornigen Gottheiten sind die Manifestierungen seiner eigenen Gedankenwelt. Nach jeder Gottheit ist die Möglichkeit der 26 Löwenstellung: Körper liegt gestreckt auf der rechten Seite. Die rechte Hand liegt unter der rechten Wange und jeder Finger bedeckt ein Sinnesorgan: der Daumen das Ohr, der Zeigefinger das Auge, der Mittelfinger das Nasenloch, der kleine Finger den Mund. Der Ringfinger bleibt frei. Der linke Arm ruht ausgestreckt auf der linken Körperseite. Diese Stellung nahm Buddha Gautama ein während des Sterbens. (Bokar Rinpoche 1992: 67) Das Verschließen aller Sinnesorgane hat auch den Zweck, dass der Geist somit nur noch durch die Fontanelle des Kopfes austreten kann. (Gouin 2010: 19) 36 Befreiung gegeben, wenn es das Karma des Toten zulässt. Insgesamt können 48 friedvolle und 52 zornige Gottheiten in einem Zeitraum von 21 Tagen 27 erscheinen. (Dargyay 1977: 100, Bokar Rinpoche 1992: 23ff) Der dritte Bardo des Todes, der Sipa-Bardo, wird als leidvolle Erfahrung, geprägt von lauten Geräuschen und verwirrenden Illusionen, für das nun entstandene Bardo-Wesen beschrieben. Der Verstorbene bzw. sein Bardo-Wesen begreift nun den eigenen Tod und sucht nach einer neuen Verkörperung. Es fühlt sich zu seiner vom eigenen Karma bedingten Wiedergeburt angezogen. Insgesamt wird eine Höchstdauer von 49 Tagen für alle drei Bardo des Sterbens angegeben. In den meisten Fällen werden weniger Tage innerhalb der Zwischenzustände verbracht, dennoch wird angeraten die Lesung des Bardo Thödol für 49 Tage fortzuführen. Als Grund für die Totenzeremonie und die Lesung wird der geschärfte Verstand des Geistes angeführt, welcher alles unmissverständlich zu hören scheint. „Die Worte und Bedeutungen sollten (von jedermann) auswendig gelernt werden; und wenn der Tod unvermeidlich ist und die Todesanzeichen erkannt werden, sollte man – so die Kraft es erlaubt – sie selbst hersagen und über die Bedeutungen nachdenken. Wenn die Kraft es nicht erlaubt, sollte dann ein Freund das Buch lesen und es einem lebhaft einprägen. Es befreit zweifelsohne.“ (Evans-Wentz 2000 [1960]: 276) Zudem wird bei Dargyay darauf hingewiesen, dass „ [b]ei diesen Verpflichtungen, [die aus dem Vollzug des Rituals resultieren] […] kein Lebewesen getötet werden [darf], um es dem Toten zu widmen. Wer immer bei der Leiche ist, seien es Verwandte oder Freunde, so darf keiner von ihnen weinen, wimmern oder trauern, keiner darf wehklagen. Vielmehr soll man Gutes tun, soviel man kann.“ (Dargyay 1977: 92) Neben den Anweisungen für den Verstorbenen werden auch Anweisungen für den ausführenden Lama oder Laien gegeben. Diese beinhalten neben symbolischen Opferdarbringungen für die Drei Kostbarkeiten Buddha, Dharma und Sangha28 auch einleitende Gebete vor jeder Lesung des Bardo Thödol. Außerdem sollten die einzelnen Abschnitte des Bardo Thödol drei- bis siebenmal, den Umständen entsprechend 29, wiederholt 27 Evans-Wentz gibt für den zweiten Bardo lediglich 14 Tage an. (Evans-Wentz 2000 [1960]: 234) 28 Sangha bedeutet wörtlich Gemeinschaft und wird im Buddhismus als Bezeichnung für den Mönchsorden benutzt. (Rahula 1982: 20) 29 Welche Umstände hier gemeint sind wird weder bei Evans-Wentz noch bei Dargyay erwähnt. 37 werden. (Dargyay 1977: 81f; Evans-Wentz 2000 [1960]: 162f) Weiterhin sollte die vorlesende Person klar und deutlich sprechen und so nah wie möglich an den Körper des Verstorbenen herantreten, ohne diesen zu berühren. Ist kein Leichnam vorhanden, dann sollte der von dem Verstorbenen früher benutzte Schlaf- oder Sitzplatz eingenommen und sein Geist herbeigerufen werden. (Dargyay 1977: 81) 4.2.8. Die Bewusstseinsübertragung (Powa) Die zu Beginn der Lesung des Bardo Thödol empfohlene Bewusstseinsübertragung, genannt Powa, stellt eine Möglichkeit zur unmittelbaren Befreiung dar. Die Übung des Powa wird zu Lebzeiten empfohlen, wobei sie hier nur bis zu einem bestimmten Punkt durchgeführt werden darf. Die Bewusstseinsübertragung kann entweder von der sterbenden Person selbst oder, wenn die betreffende Person bereits gestorben ist, von einem Lama oder Sangha-Mitglied durchgeführt werden. (Dargyay 1977: 63) Der beste Zeitpunkt zur Ausführung des Powa, welches meist das erste für den Verstorbenen geltende Totenritual ist, wird unterschiedlich angegeben. Wenn das Powa von der sterbenden Person selbst ausgeführt wird, dann findet es vor dem Aufhören des äußeren Atems statt. Wird das Powa für eine andere Person ausgeführt, so sollte es in der Zeit zwischen Versiegen des äußeren Atems und des inneren Odems stattfinden. Wichtig ist auch die Einhaltung des Berührungsverbotes der Leiche, bevor das Powa ausgeführt wird. Das Powa-Gebet oder die Powa-Anweisung beinhaltet zudem einige Laute 30, welche von der ausführenden Person zur Verstärkung der Bewusstseinsübertragung von sich gegeben werden sollten. (Gouin 2010: 17) Die Meditation, welche die Wahrnehmung des eigenen Nervenkanals31 und die Visualisierung eines tibetischen Buchstabens in Höhe der Herzregion beinhaltet, ist Hauptbestandteil des Powa. Bei einer Bewusstseinsübertragung mit Hilfe des Buddha Amitabhas, um im Reinen Land wiedergeboren zu werden, ist es der tibetische Buchstabe HRI 32. Die Kontaktaufnahme mit dem Buddha Amitabha und dessen Nervenkanal sowie die Vereinigung beider HRIs soll 30 Um die Vereinigung mit dem HRI des Buddha Amithābha hervorzurufen wird ein HIG ausgesprochen. (Dargyay 1977: 67) 31 Innerhalb des Körpers befinden sich drei zentrale Nervenkanäle, welche nicht mit physiologischen Nervenkanälen vergleichbar sind. Das Rückgrat wird von einem Nervenkanal durchzogen. Links und rechts des Rückgrates verlaufen die beiden anderen Nervenkanäle. Alle drei sind horizontal voneinander abgeschnürt, um die sie durchfließende Lebenskraft zu bündeln. Im Todesfall löst sich diese Abschnürung und die Lebenskraft sammelt sich im mittleren Kanal, welcher auch für das Powa von Bedeutung ist. (Dargyay 1977: 85) 32 Hri bezeichnet den eigenen Geist. (Dargyay 1977: 66) 38 die Befreiung des Geistes hervorrufen. Bei Übung des Powa zu Lebzeiten ist es wichtig die Vereinigung beider HRIs zu verhindern. Das HRI der meditierenden Person, welches durch den Scheitel des Kopfes ausgetreten ist, sollte wieder an seinen ursprünglichen Platz über dem Herzen zurückkehren. Findet keine Rückkehr statt, so kann dies tödlich enden. (Dargyay 1977: 67f) Wenn der Lama oder das Sangha-Mitglied die Bewusstseinsübertragung für den Verstorbenen durchführt, dann leitet er den Verstorbenen in der Meditation bloß an, übernimmt diese aber nicht für ihn. Jeder kann die Praxis der Bewusstseinsübertragung üben, um sie dann im Sterbebett anwenden zu können. Auch das Gebet oder die Anweisung zur Bewusstseinsübertragung33 ist am Sterbebett von jedem ausführbar. Sobald die betroffene Person verstorben ist, ist es aber nur einem Lama möglich den Geist herbeizurufen. (Dargyay 1977: 69f) Da es nicht nachvollzogen werden kann, ob die Bewusstseinsübertragung erfolgreich war und der Geist des Verstorbenen befreit wurde, werden alle folgenden Rituale unbedingt fortgesetzt. Es wird, wie auch die Lesung des Bardo Thödol immer wieder gezeigt hat, davon ausgegangen, dass eine Befreiung nicht stattgefunden hat. (Gouin 2010: 19) Auch in Deutschland wird innerhalb der tibetisch-buddhistischen Gemeinschaften viel Wert auf die Praxis der Bewusstseinsübertragung gelegt, als ein Ritual, welches auch außerhalb Tibets Anwendung findet und keinesfalls regionalen Bedingungen zum Opfer fällt. 5. Buddhistische Bestattungen in Deutschland Das Themenfeld der buddhistischen Bestattung in Deutschland steht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus noch in den Anfängen. Deshalb ist die Literaturgrundlage relativ gering, dennoch kann durch meine eigenen Beobachtungen und Interviews eine differenzierte Darstellung buddhistischer Bestattungsrituale in Deutschland angeführt werden. Zunächst werde ich auf die vietnamesisch-buddhistischen Bestattungen eingehen, da diese in ihrer Ausführung bereits dokumentiert wurden und auf eine gute Organisation zurückgreifen können. Auch hier dient mir die Dissertation von Than Ho und die Dissertation von Corinna Kuhnen als gute Grundlage zur weiterführenden Beobachtung. Diesem Kapitel folgend werde ich auf die tibetisch-buddhistischen Bestattungen in 33 Vgl. Dargyay 1977: 71. 39 Deutschland eingehen, welche im Gegensatz zu der vietnamesischen Gemeinschaft weniger organisiert und deutschlandweit unterschiedlich begangen werden. Wissenschaftliche Literatur ist zu diesem Bereich fast keine vorhanden, dennoch werde ich die mir vorliegende, teilweise populärwissenschaftlich anmutende Literatur nutzen, um mit meinen eigenen Beobachtungen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Als drittes Unterkapitel werde ich die vollkommen neuartigen „deutsch-buddhistischen“ Bestattungen vorstellen. Auf diesem Gebiet ist eine Weiterentwicklung zu eigenen Ritualen entstanden, welche durch Transformation und Aneignung buddhistischer Rituale in einen neuen regionalen Kontext gebracht wurden. Diesen Beobachtungen liegen kaum wissenschaftliche Abhandlungen zu Grunde. Meine Erkenntnisse habe ich aus persönlichen Gesprächen mit Mitgliedern einzelner buddhistischer Gemeinschaften, sowie aus der Lektüre der von diesen Gemeinschaften erstellten „Ratgeber für buddhistische Bestattungen“ gewonnen. 5.1. Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungen in Deutschland – Institutionalisierung und Integration Die vietnamesisch-buddhistische Gemeinschaft in Deutschland kann auf eine gute Organisation innerhalb der einzelnen Pagoden zurückgreifen, welche vor allem auf die Migration und erfolgreiche Integration vietnamesischer Einwanderer in Deutschland zurückzuführen ist. Auch die Entwicklung eigener Gräberfelder auf deutschen Friedhöfen lässt darauf schließen, dass sich hier in den letzten Jahrzehnten eine übergreifende Institutionalisierung buddhistischer Bestattungen entwickelt hat. Insgesamt ist eine Komprimierung der in Vietnam durchgeführten Bestattungsrituale sichtbar, die sich darauf zurückführen lässt, dass durch die zahlenmäßig geringere Mönchsgemeinschaft in Deutschland einige Rituale entfallen oder verkürzt werden müssen. Diese Tendenz der Verkürzung wird in allen Bereichen der Bestattung deutlich. Hierfür wird zum Einen das Einsparen von Zeit als Grund genannt, aber auch die fehlenden finanziellen Mittel für eine langwierige Prozedur der Bestattung. Bevor ich die einzelnen Bestattungsrituale vorstelle, möchte ich zunächst den Aufbau und die Organisation der vietnamesischen Gemeinschaft in Deutschland aufzeigen. Vor allem die große Flüchtlingsbewegung Ende der 1970er Jahre führte zu einer großen vietnamesischen 40 Bevölkerungsgruppe in Deutschland, welche sich in religiöser Hinsicht ein großes Netzwerk aufgebaut hat. 5.1.1. Vietnamesische Einwanderung nach Deutschland und der institutionelle Aufbau einer eigenständigen buddhistischen Gemeinschaft Die vietnamesische Gemeinschaft in Deutschland gehört neben Frankreich zu einer der größten Gemeinschaften in Europa. Die Einwanderung vietnamesischer Flüchtlinge und Leiharbeiter fand in zwei Strömen statt. Zunächst ist die Gemeinschaft der „boat people“ 34 zu nennen. Diese Bezeichnung geht auf die vielen Flüchtlinge nach dem Fall von Saigon und der Wiederveinigung Vietnams unter kommunistischer Herrschaft am 30. April 1975 zurück, welche auf überfüllten Booten und unter Lebensgefahr in die Nachbarländer wie Kambodscha flüchteten. Von dort aus wurden durch Aufnahmemaßnahmen viele Vietnamesen in westliche Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien umgesiedelt. Der Grund zur Flucht war nicht nur die wirtschaftlich schlechte und von politischen Umbrüchen geprägte Lage des Landes. Die strikte Religionspolitik, welche sich auch in Einschränkungen der Ausführung religiöser Zeremonien und Festen niederschlug, trug zu der großen Fluchtbewegung Ende der 1970er Jahre bei. (Baumann 2000: 27ff, Grünhagen 2008: 346f) Vor der Einwanderung vietnamesischer Flüchtlinge nach Deutschland in den 1970er Jahren existierte eine kleine Gruppe vietnamesischer Studenten, welche in Deutschland ein landwirtschaftliches Studium aufgenommen hatten und nach dessen Beendigung wieder nach Vietnam zurückkehrten. Ein weitere, relativ große Gruppe, welche sich vor Ankunft der „boat people“ in Deutschland niederließ, waren die seit den 1950er Jahren im Sinne der kommunistischen Brüderlichkeit in die DDR entsandten Leiharbeiter und Studenten. Nach dem Zerfall der DDR wurde diese Gruppe vor die Wahl gestellt, sich entweder wieder in ihr Heimatland zu begeben oder Asyl in der Bundesrepublik Deutschland zu beantragen. Dies macht auch den Unterschied zwischen den „boat people“ und den Leiharbeitern aus. Die „boat people“ besaßen als Kontingentflüchtlinge mehr Rechte und hatten Zugang zu Sozialund Weiterbildungsmaßnahmen, während die Leiharbeiter als Asylbewerber auf sich selbst gestellt waren. Da aber die Gruppe der „boat people“ zahlenmäßig überlegen war, konnten in 34 Die Thematik der „boat people“ und ihrer Eingliederung in die deutsche Gesellschaft wird weitergehend diskutiert bei Bui, Pipo (2003): Envisioning Vietnamese Migrants in Germany. Ethnic Stigma, immigrant origin narratives and partial masking. Münster: LIT. 41 der weiteren institutionellen Entwicklung der vietnamesischen Gemeinschaft auch die ehemaligen Leiharbeiter auf die nun angebotenen Maßnahmen zurückgreifen. (Baumann 2000: 32f; 39f, Grünhagen 2008: 347) Die Tatsache, dass den Flüchtlingen verschiedene Maßnahmen zur Verfügung standen, wirkte auch begünstigend auf die Institutionalisierung einer vietnamesisch-buddhistischen Gemeinschaft in Deutschland. Durch das Wahrnehmen von Sprachkursen und Orientierungshilfen für die neue Berufswahl fand eine zügige Integration statt. Viele eigenständig von Vietnamesen gegründete buddhistische Stätten entstanden. Diese buddhistischen Stätten wie Andachtsräume oder später sogar Pagoden waren als eine Art Versammlungsräume angelegt, in denen sich die Einwanderer gegenseitig helfen und kulturelle Bräuche, worunter auch buddhistische Bestattungszeremonien fallen, gewahrt und ohne Einschränkungen ausgeführt werden konnten. Dieser „Prozess der Verselbstständigung“ machte sich nicht nur in der Initiation von Radiosendungen oder Zeitungen sichtbar. Vor allem religiöse Zentren und Institutionen wurden vermehrt ab den 1990er Jahren ins Leben gerufen, wobei hier sichtbar wird, dass eine gelungene Integration nicht unbedingt in einer religiös-kulturellen Assimilation münden muss. Eine gelungene Integration ist demnach im Fall der vietnamesischen Gemeinschaft in Deutschland in dem Prozess der religiösen Institutionalisierung in der Diaspora zu sehen. (Baumann 2000: 49) Der asiatische Buddhismus ist durch seine strikte Trennung von Ordinierten und NichtOrdinierten, sogenannten Laien, gekennzeichnet. Diese konsequente Aufteilung ist auch in der Diaspora vorhanden. Die Einrichtungen des vietnamesischen Buddhismus in Deutschland unterliegen der „Kongregation der Vereinigten Vietnamesischen Buddhistischen Kirche Abteilung Deutschland e.V.“. Durch diese Kongregation sind alle vietnamesischen Ordinierten aus Deutschland verbunden. Die Vien-Giac-Pagode in Hannover ist Sitz der deutschen Kongregation, welche wiederum Teil der übergeordneten europäischen Kongregation mit Sitz in Paris ist. Durch die Vereinigung der vietnamesischen Ordinierten wird eine hierarchische und zentralistische Struktur deutlich. Die zweite Gruppe der asiatischen Buddhisten, die der Laienanhänger, ist in Ortsvereine gegliedert. Aufgabe der Ortsvereine ist es hauptsächlich das religiöse Leben der vietnamesischen Buddhisten in den Städten, in denen keine Andachtsstätte oder Pagode vorhanden ist, zu leiten. In regelmäßigen Veranstaltungen werden Ordinierte eingeladen, um Lehrunterweisungen zu geben oder Zeremonien sowie Feste abzuhalten. Auf etwa 80.000 Vietnamesen in Deutschland 35, wobei 35 Statistisches Bundesamt (2014): „Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Ausländische Bevölkerung. Ergebnisse des Ausländerzentralregisters. Fachserie 1, Reihe 2“. Elektronisches Dokument: https://www.destatis.de/DE/ Publikationen/Thematisch/Bevoelkerung/MigrationIntegration/AuslaendBevoelkerung.html, letzter Zugriff: 42 60.00036 als buddhistische Laienanhänger gelten, fallen lediglich 80 Ordinierte. Dies hat zur Folge, dass vor allem die zeremoniellen Aspekte vernachlässigt werden. (Kuhnen 2009: 129) Das religiöse Leben eines vietnamesischen Laienbuddhisten spielt sich hauptsächlich an zwei Orten ab. Der asiatische Laienbuddhismus ist durch seine Devotionalhandlungen, also Opferdarbringungen oder Rezitationen, das Vertrauen in die helfenden Funktionen eines Bodhisattvas sowie die respektvolle Achtung der Ordinierten geprägt. Diese Tätigkeiten werden im Haus der jeweiligen Familie und/oder in der zugehörigen Pagode ausgeführt. Innerhalb des häuslichen Umfeldes steht vor allem der Buddha- sowie der Ahnenaltar im Vordergrund. Ein gesonderter Ahnenaltar ist keine Pflicht, hat dennoch in den meisten Fällen einen Platz im Wohnzimmer des Hauses. Vor diesem Altar finden Rezitationen, Opferdarbringungen und jegliche andere Bitthandlungen statt und er bildet den Mittelpunkt des familiären und religiösen Lebens. Ergänzend zu diesen persönlichen Handlungen im Familienkontext ist der regelmäßige Besuch der nächstgelegenen Pagode. Die Pagode bildet vor allem in der Diaspora nicht nur einen Ort der Religiösität, sondern bildet an erster Stelle einen Versammlungsort für die Migrationsgemeinschaft. Täglich stattfindende Andachten, jährliche Feste, Totenzeremonien, Unterrichtsstunden oder das bloße Zusammenkommen der Gemeinde dienen der Bewahrung der traditionellen vietnamesischen und buddhistischen Kultur. (Baumann 2000: 64) Der vietnamesische Ahnenkult und die damit besondere Hervorhebung von Bestattungs- und Totenzeremonien wurden durch die Migration nicht nur in ihrer Ausführung, sondern auch in ihrer Bedeutsamkeit transformiert. Der westliche Standard einer Bestattung steht grundsätzlich im Konflikt mit asiatisch-buddhistischen Vorstellungen einer Beisetzung. Durch den Einwanderungshintergrund Integrationsmaßnahmen wurde der der Vietnamesen westliche und Standard die damit ohne große einhergehenden Probleme in vietnamesisch-buddhistische Bestattungen aufgenommen, wobei es aber auch seitens der deutschen Friedhofsverwaltungen zu Kompromissen gekommen ist. Dies wird sichtbar in der Einrichtung eigener buddhistischer Gräberfelder und der Ausweitung von Grabgestaltungsvorgaben. Im Folgenden soll auf Grundlage von Than Hos Beschreibung vietnamesischer Trauer- und Bestattungszeremonien in „Trauerrituale im vietnamesischen Buddhismus in Deutschland. Kontinuität und Wandel im Ausland“ sowie durch eigene Beobachtungen im Zusammenhang 07.06.2015, 21:48 Uhr. 36 Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst [REMID] (2010): „Mitgliederzahlen: Buddhismus“. Elektronisches Dokument: http://remid.de/buddhismus/, letzter Zugrff: 07.06.2015, 21:55 Uhr. 43 mit buddhistischen Gräberfeldern ein Überblick über Transformations- und Integrationsprozesse vietnamesisch-buddhistischer Bestattungen gegeben werden. Ergänzend werden Beobachtungen eines Aachener Bestatters hinzugezogen, um die Darstellungen Than Hos zu erweitern.37 5.1.2. Vietnamesisch-Buddhistische Bestattungszeremonien im Kontext deutscher Gesetzgebung – Integration, Transformation und Neugestaltung Die Elemente einer vietnamesisch-buddhistischen Bestattung und Trauerfeier sind identisch mit den in Vietnam durchgeführten Handlungen. In Deutschland werden sie aber teilweise begrenzt, sei es durch die Gesetzgebung oder die Rücksichtnahme auf andere Mitglieder der deutschen Gesellschaft. Die folgenden Darstellungen einer vietnamesisch-buddhistischen Bestattung betreffen lediglich die Laienanhänger. Bestattungen von Ordinierten fallen in der Regel zeremoniell und personell größer aus, wobei hier genauso wie bei Laienbuddhisten durch die deutsche Bestattungsgesetzgebung Probleme auftreten können. Die Sterbebegleitung eines vietnamesischen Buddhisten in Deutschland kann im gleichen Maße stattfinden wie in Vietnam, da sich diese meist aus seelischer und religiöser Anteilnahme und Begleitung durch Ordinierte zusammensetzt. Es treten somit keine direkt ausführenden Aspekte auf, welche mit dem Gesetz oder andersgläubigen Mitmenschen zu Spannungen führen könnten. Trotzallem kommt es bereits bei der Sterbebegleitung zu Problemen, denn die Anzahl der Ordinierten in Deutschland fällt im Vergleich zu Vietnam sehr gering aus. Aufgrund dessen müssen Verwandte diese Aufgabe übernehmen, während sie durch Telefonate in Kontakt mit der nächstgelegenen Pagode stehen. Dies kann aber zur Folge haben, dass es einigen Ritualen an Richtigkeit mangelt, wobei dies allgemein eher hintergründig ist. Wichtig ist, dass es überhaupt zu einer Sterbebegleitung mit Rezitation des Buddha-Namens Amitabha, des kleinen Sukhavativyuha-Sutras und der Visualisierung einer begünstigenden Wiedergeburt kommt. Unterstützend wird die Pagode über den nahenden Tod eines Mitgliedes der Gemeinschaft benachrichtigt, um diesen in die täglichen Andachten 37 Zu der Thematik religiöse Institutionalisierung in der Migration vgl. Lehmann, Karsten (2004): „Migration und die dadurch bedingten religiösen Pluralisierungsprozesse“. In: Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hg.): Religion – Migration – Integration in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. Fachtagung am 22. April 2004. Dokumentation. Berlin und Bonn, 31-46. 44 einzubeziehen. Ein weiteres Problem ist der Mangel an Zeit für eine voll konzentrierte Sterbebegleitung aufgrund der Berufstätigkeit der Familie. Das Problem des Zeitmangels zieht sich durch alle Elemente der Bestattungsrituale und ist nicht nur während der Sterbebegleitung ein begrenzender Faktor. (Ho 2012: 79f) Als eine Neuerung wird der Einsatz eines Tonbandgerätes als Ersatz für die rezitierende Familie betrachtet, um somit Tag und Nacht den Namen des Buddhas Amitabha aufsagen zu können. Diese Befremdlichkeit eines Rezitiergerätes, welches ununterbrochen neben dem Verstorbenen läuft, steht im Gegensatz zu dem christlichen Habitus einer würdevollen Stille in der Nähe eines Toten. Befindet sich der Verstorbene im Krankenhaus oder Altersheim kommt es hier oftmals zu einer Begegnung und Konfrontation christlicher und buddhistischer Herangehensweisen an den Tod. Andere, an diesem öffentlichen Ort befindliche Personen fühlen sich gestört von der Lautstärke der Rezitierenden oder des Rezitiergerätes. Die Lautstärke ist aber essenziell für die Trauergesellschaft. Nur so kann garantiert werden, dass der Verstorbene alles deutlich hört. Eine Möglichkeit bildet hier die Überführung des Sterbenden oder bereits Verstorbenen nach Hause. Ho macht darauf aufmerksam, dass viele Vietnamesen sich dieser Möglichkeit nicht bewusst sind oder sie ablehnen, da man einen zu großen bürokratischen Aufwand darin sehe. Auch Kuhnen kann die Angst vor der Auseinandersetzung mit den deutschen Behörden in ihren Beobachtungen vermehrt feststellen. (Ho 2012 : 82, Kuhnen 2009: 131; 138) Die Verhaltensweise der Trauergesellschaft unterscheidet sich auch in Deutschland nicht von der in Vietnam: ruhig, tränenlos und ohne große Trauer. Ebenso verhält es sich mit den Verhaltensweisen nach dem Tod und den nach Ablauf des Berührungsverbotes stattfindenden Tätigkeiten. Der Leichnam wird von der Familie gewaschen und die spezielle Totenkleidung wird angelegt. Vor dem Ahnenaltar im Haus der Familie des Verstorbenen wird ein gesonderter Altar für das verstorbene Familienmitglied errichtet. Dieser Gedenkaltar wird nach 49 Tagen abgebaut und das Bild des Verstorbenen wird in den Ahnenaltar aufgenommen. Zudem wird sich kurz nach Eintritt des Todes bei den Ordinierten der Pagode nach günstigen Tagen für die Bestattung und die Trauerzeremonien erkundigt, welche nach astrologischen Kriterien berechnet werden. Da sich aber die deutsche Friedhofsverwaltung meistens nicht nach den gewünschten Terminen richten kann, wird seitens der buddhistischen Trauergemeinschaft oft ein Kompromiss eingegangen. Es wird versucht einen Termin zu finden, welcher so nah wie möglich an dem errechneten Tag liegt. (Ho 2012: 83) 45 Bevor die Beisetzung erfolgt, ist es üblich den Leichnam im Haus vor dem Gedenkaltar aufzubahren. Dies ist im Rahmen der deutschen Gesetzgebung in einem zeitlich begrenzten Umfang und lediglich auf Antragstellung möglich, weshalb viele Vietnamesen auf diese Option verzichten. Die Handhabung eines Leichnams unterliegt relativ strengen Gesetzen, welche von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Die Mehrheit der Bundesländer sieht eine Frist von 36 Stunden bis zur Übergabe eines Leichnams in eine Kühlhalle vor. Ausnahmen können in beantragten Fällen gemacht werden, unter der Bedingung, dass „ (…) die Leiche in einem geeigneten temperierten Raum untergebracht wird, der nicht gleichzeitig Wohn-, Schlaf-, Arbeits- oder Wirtschaftszimmer ist, und ein ärztliches Zeugnis die gesundheitliche Aufbahrung bescheinigt (…)“ (Grünhagen 2008: 352). Thüringen führt als einziges Bundesland in seinem Bestattungsgesetz die Option einer Aufbahrung aus religiösen Gründen an.38 Die Frist bis zur erfolgten Beisetzung ist in Berlin, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gesetzlich nicht geregelt, wodurch die öffentliche Aufbahrung unter den genannten Bedingungen ohne zeitliche Begrenzung stattfinden kann. Die Frist innerhalb der anderen Bundesländer liegt zwischen 96 Stunden und 10 Tagen, wobei unterschieden wird zwischen Einäscherung und Erdbestattung. 39 Sollte sich der Leichnam in einer Kühlhalle befinden, so bleibt dieser bis zum Bestattungstermin dort. Dadurch entfällt die Einsargungszeremonie. Dieser Tatsache kann entgegen gewirkt werden, wenn sich für eine Hausaufbahrung entschieden wird. Eine räumliche Trennung darf aber nicht zu einem Abbruch der Rezitationen und Opferdarbringungen vor dem Gedenkaltar führen. (Ho 2012: 83) Die Trauerfeierlichkeiten einer vietnamesisch-buddhistischen Bestattung werden durch die 38 ThürBestG – Thüringer Bestattungsgesetz. Stand: 19. Mai 2004, § 16, 2. 39 Vgl. SächsBestG – Sächsisches Bestattungsgesetz. Sächsisches Gesetz über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen. Stand 1. Januar 2005, § 16,1/2 und § 19,1/2; BbgBestG – Brandenburgisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg vom 7. November 2001, § 18,1 und § 19,3; ThürBestG – Thüringer Bestattungsgesetz. Stand 19. Mai 2004, § 16,1; BestG RP – Bestattungsgesetz in Rheinland-Pfalz. Stand 6. Februar 1996, § 14, § 15,1/2 und §17,3 ; BestG Saarl – Saarländisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen. Stand 5. November 2003, § 19,1 und § 32,1/2/3; BestG SH – Bestattungsgesetz in Schleswig-Holstein. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Stand 4. Februar 2005, § 10,3 und § 16,1; BW BestG – Baden-Württembergisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Friedhofs- und Leichenwesen. Stand 7. Februar 1994, § 37,1/2; BestV Bayern – Bayrische Bestattungsverordnung. Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes. Stand 6. November 1993, § 10,1/2; FBG Hessen – Gesetzentwurf der Landesregierung betreffend Friedhofs- und Bestattungsgesetz vom 7. März 2006, § 16,1; NdsBestG – Niedersächsisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Stand 8. Dezember 2005, § 9,2; BestG NRW – Nordrhein-Westfälisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen. Stand 17. Juni 2003, § 13,3; BestG LSA – Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt. Stand 5. Februar 2002, § 17,2. 46 örtlichen Begebenheiten transformiert und angepasst. Unter örtlichen Begebenheiten wird vor allem der Einbezug eines Bestatters und das Abhalten von Trauerzeremonien in einer Trauerhalle gesehen, was wiederum zu neuen Herausforderungen für die Hinterbliebenen führt. Die Transformation und Anpassung hat in allen Fällen zur Folge, dass Zeremonien ausgelassen oder verkürzt werden, wie bei dem Wegfall der Einsargungszeremonie durch die Vorgabe der Überführung in eine Leichenhalle beobachtet werden kann. Die Einsargung übernimmt der Bestatter. Ho erwähnt aber die Möglichkeit einer symbolischen Ersatzhandlung dieser Zeremonie innerhalb der weiteren Trauerfeierlichkeiten. Die Verabschiedungsfeier findet entweder in einer Trauerhalle statt oder in den Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens, insofern diese vorhanden sind. Der Raum wird vor der Trauerfeier durch die Hinterbliebenen hergerichtet. Hierzu gehört das Aufstellen des Gedenkaltars aus dem Haus und das Errichten eines vorübergehenden Buddha-Altars mit Räucherstäbchen, Opfergaben und Blumen. Nach der Trauerrede eines Ordinierten oder eines Familienmitglieds, falls kein Ordinierter an der Trauerfeier teilnehmen kann, folgt die Zeremonie vor dem provisorischen Buddha-Altar. Diese Zeremonie dient der Verehrung des Buddha Amitabha und wird ausgedrückt durch Niederwerfungen, Lobgesang und die Rezitation verschiedener Mantren. An die BuddhaZeremonie schliesst die eigentliche Totenandacht vor dem Gedenkaltar des Verstorbenen an, welcher vor dem Sarg situiert ist. Eine Lehrunterweisung an den Geist des Verstorbenen sowie an die hinterbliebene Familie bildet die nächsten Themenpunkte der Trauerfeier. Diese Lehrunterweisung ist als eine weitere Erneuerung in der Durchführung vietnamesischbuddhistischer Bestattungen in Deutschland anzuführen. Eine Anweisung an den Geist sowie an die Familie über die Vorgänge im nachtodlichen Stadium werden in Vietnam nicht vorgenommen, da diese bereits im Denken der dortigen Bevölkerung allgegenwärtig sind. In Deutschland kommt es aber sehr oft zu der Situation, dass die Familie zwar eine buddhistische Bestattung wünscht, sich aber der einzelnen Geschehnisse nach dem Tod nicht im Klaren ist. Weiterhin werden die Unterweisungen als trostspendende Komponenten innerhalb der Feier angesehen. Nach der abschliessenden Danksagung der Trauergesellschaft an die teilnehmenden Ordinierten und Gäste begibt sich jeder Trauergast vor den Gedenkaltar, zündet ein Räucherstäbchen an und verneigt sich. (Ho 2012: 84ff) Die Beobachtungen des Aachener Bestatters Karl Steenebrügge während einer vietnamesischbuddhistischen Bestattung und die Einsicht diesbezüglichen Fotomaterials 40 zeigen ein 40 Das erwähnte Fotomaterial konnte mir von Herrn Steenebrügge leider nicht zur Verfügung gestellt werden, 47 zusätzliches Umkreisen des Sarges durch die trauernde Familie. Die Kleidung der Trauergäste ist, im Gegensatz zu dem deutschen Kleidungsstil bei Bestattungen, an keine vorgeschrieben Ordnung gehalten. Es existieren auch keine farblichen Vorgaben, sodass jedem Trauergast freigestellt ist, welche Farbe und Kleidung er zu der Trauerfeier anzieht. Als einziges, auch in der Diaspora verbliebenes Element der traditionellen vietnamesischen Trauerkleidung ist das weisse Stirnband, welches durch einen blauen oder einen roten Punkt in der Mitte den Verwandschaftsgrad der jeweiligen Person anzeigt. (pers. Gespr. Steenebrügge: 28.11.2014) Seitens der Trauerhalle ist eine zeitliche Begrenzung von 30 bis 60 Minuten für jede Trauerfeier angesetzt. Da es bei einer buddhistischen Bestattung aber des Öfteren zu einer längeren Zeremonie kommen kann wird versucht auf Termine auszuweichen bei denen keine anschliessende Nutzung der Halle vorgesehen ist. Auch die als Geruchsbelästigung wahrgenommene Nutzung von Räucherstäbchen kann durch das Ausrichten der Feier am Ende des Tages umgangen werden. Dieses Entgegenkommen seitens der Friedhofsverwaltung kann laut Kuhnen aber nur von Friedhöfen mit buddhistischen Gräberfeldern erwartet werden. (Kuhnen 2009: 133) Die Beisetzungsarten sind in Deutschland vielfältig und nicht von äußeren Faktoren, wie es in asiatischen Ländern der Fall ist, beschränkt. Wenn sich für eine Erdbestattung entschieden wird, welche sich zwar gegensätzlich zu der buddhistischen Auffassung des Nichtanhaftens am physischen Körper verhält, so findet diese im Anschluss an die öffentliche Trauerfeier statt. Die Prozession zum Grabe fällt zurückhaltender aus als in Vietnam und hält sich an die Verhaltensregeln auf einem deutschen Friedhof. Die Grabzeremonien unterscheiden sich jedoch nicht von denen in Vietnam. Es wird zunächst eine rituelle Reinigung der Grabstätte vorgenommen, bevor der Sarg hinabgelassen wird und der symbolische Wurf von Erde oder Blumen stattfindet. Der beschriebene Ablauf kann natürlich zeit- und geldbedingt in einem größeren oder kleineren Umfang abgehalten werden. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Gräber idealerweise nach Osten ausgerichtet sind, wodurch der Verstorbene mit dem Gesicht nach Westen und somit in Richtung Sukhavati im Grab liegt. (Ho 2012: 87, Grünhagen 2008: 353, Vien/Nguyen 2004: 82) Eine weitere Möglichkeit ist die Einäscherung. Diese Bestattungsform wird im Gegensatz zu Vietnam vorgezogen, obwohl sich der vietnamesische Buddhismus durch einen ausgeprägten Ahnenkult auszeichnet und die Verbrennung eines Leichnams Folgen für die Etablierung als da es lediglich zu privaten Zwecken aufgenommen wurde. 48 Ahne haben kann, da die Person über keinen Körper mehr verfügt. Die Einäscherung steht aber vollkommen im Einklang mit der buddhistischen Ansicht der angestrebten Körperlosigkeit. Dass sich in der Diaspora von dem vietnamesischen Brauch der Erdbestattung im Kontext der Ahnenverehrung verabschiedet wird, geht auf die durch den Migrationshintergrund bedingte „Reinigung“ von volkstümlichen Sitten zurück. Dieses Phänomen kann auch in der Aneignung buddhistischer Lehren im deutschen Buddhismus beobachtet werden. (Baumann 2000: 59) Zeremoniell gesehen ist die Einäscherung im Krematorium kaum erwähnenswert. Weder ist in den Räumlichkeiten für die Ausrichtung einer Trauerfeier Platz, noch ist den Hinterbliebenen erlaubt direkt an der Kremation, während der der Sarg durch das Betätigen eines Knopfes in den Ofen gefahren wird, teilzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt nehmen die Hinterbliebenen die Position eines Beobachters ein. Aktiv werden sie dann erst wieder bei der Urnenbestattung, welche nicht direkt an die Kremation folgt, sondern an einem gesonderten Termin ausgeführt wird41. Auch hier stehen verschiedene Optionen für den Ort der Bestattung zur Auswahl. Klassisch wird die Urne auf einem Urnengräberfeld eines Friedhofes beigesetzt. Die Zeremonie entspricht hierbei einer Erdbestattung. Weiterhin stehen die Überführung nach Vietnam oder Indien, die Seebestattung und die Bestattung in einem Friedwald zur Auswahl, welche in diesem Zusammenhang nicht weiter erläutert werden. (Ho 2012: 88ff) Die gesamte Trauerzeremonie lässt sich bei einer Einäscherung in drei unterschiedliche Zeremonien aufteilen. Die erste Trauerzeremonie ist, bezogen auf die Teilnehmerzahl, die größte der drei Zeremonien. Sie findet in der Trauerhalle des Kommunalfriedhofes statt, auf welchem die Urne einige Tage später beigesetzt wird. Neben dem geschlossenen Sarg, welcher meist trotz späterer Einäscherung aus teurem Eichenholz besteht, ist ein BuddhaAltar aufgebaut. Vor dem Sarg befindet sich der Gedenkaltar mit Opfergaben für den Verstorbenen. Im Sarg befindet sich eine Gebetskette und der Leichnam ist bis zum Hals mit einem mit Mantren bedruckten Tuch bedeckt. Um die Zeremonie einzuläuten, deckt der 41 Die Urne sollte gemäß der buddhistischen Ansicht mindestens 49 Tage in der zugehörigen Pagode lagern, bevor sie beigesetzt wird. Die Dauer zwischen Einäscherung und Beisetzung ist wieder von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich oder sogar gar nicht geregelt. Allgemein gilt aber auch für Urnen die Bestattungspflicht. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein sehen eine Beisetzung der Asche eines Verstorbenen innerhalb eines Monats nach Einäscherung vor. In Thüringen ist es möglich bis zu sechs Monate mit der Beisetzung einer Urne zu warten. (NdsBestG – Niedersächsisches Bestattungsgesetz. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Stand 8. Dezember 2005, § 9,2; BestG LSA – Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt. Stand 5. Februar 2002, § 17,4; BestG SH – Bestattungsgesetz in SchleswigHolstein. Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen. Stand: 4. Februar 2005, § 17,3; Grünhagen 2008: 354f.) 49 älteste Sohn das Gesicht des Verstorbenen zu. Zahlreiche Niederwerfungen prägen den Ablauf der Zeremonie. Neben kollektiven Niederwerfungen vor dem Buddha-Altar werden auch persönliche Niederwerfungen vor dem Gedenkaltar verrichtet. Die Söhne danken mit einem erwiderndem Niederwurf den Trauernden. Weitere Merkmale während dieser Zeremonie sind das Umkreisen und die „Weihe“ des Sarges durch eine Blume, welche vorher in Wasser getaucht wurde. Die zweite Zeremonie ist im Gegensatz zu der ersten sehr intim und findet in der Kremationshalle statt, kurz bevor der Sarg verbrannt wird. Nur der engste Familienkreis ist bei dieser Zeremonie anwesend und der zeitliche Rahmen sehr kurz. Es werden gemeinsam Mantren gesprochen und auch Opfergaben aufgestellt. Die dritte Zeremonie umfasst die Beisetzung der Urne. Sie findet einen Tag nach der Kremation statt. Auch hier ist nur eine kleine Trauergemeinde präsent. Nach der „Weihe“ des Grabes durch einen Mönch wird die Urne durch den ältesten Sohn heruntergelassen. Das Grab wird aber von Angestellten des Kommunalfriedhofes zugeschüttet. Die Gestaltung des Grabes und das Grabschild sind meist sehr schlicht gehalten. (pers. Gespr. Steenebrügge: 28.11.2014) Die Feierlichkeiten nach der Einäscherung beziehungsweise nach der Erdbestattung unterscheiden sich nicht von den in Vietnam abgehaltenen Zeremonien. Dennoch wird hier wieder die Tendenz zur Verkürzung deutlich. Nach der Trauerfeier wird die Zeremonie zur Etablierung des Verstorbenen gefeiert, welche entweder im Haus oder in der Pagode stattfindet. Zudem werden in regelmäßigen Abständen Totenandachten abgehalten. Direkt nach der Trauerfeier findet in den meisten Fällen ein gemeinsam eingenommenes Festmahl statt, welches von der hinterbliebenen Familie ausgerichtet wird. Während der ersten sieben Wochen nach dem Tode sollten alle sieben Tage Andachten abgehalten werden, um dem Geist des Verstorbenen im Zwischenzustand zu seiner vorgesehenen Wiedergeburt oder Erlösung aus dem Samsara in das Reine Land des Buddha Amitabha zu helfen. Am 49. und 100. Tag nach Eintritt des Todes ist zudem eine größere Trauer- und Gedenkfeier vorgesehen. Weiterhin werden Andachten am ersten und zweiten Todestag abgehalten. Außer der Gedenkfeier am 49. Tag nach dem Tode, welche in der Pagode stattfindet, werden die anderen Andachten aus Zeitgründen oft ausgelassen. Auch die Beendigung der Trauerzeit, welche eigentlich 24-27 Monate anhält, wird zeitbedingt auf den 49. Tag vorverlegt. Gleichzeitig wird auch die Zeremonie zur Verbrennung der Trauerkleidung vollzogen. (Ho 2012: 95f) 50 Die Pagode Vien Giac in Hannover verfügt über einen, an die große Gebetshalle angrenzenden Raum zur Veranstaltung von Totenandachten (Abb. 02). Der Andachtsraum ist an den Seiten mit Tafeln ausgestattet, auf denen tausende kleine Bilder von Verstorbenen abgebildet sind. Eine davor befindliche, durchgehende Ablage wird für Opferdarbringungen genutzt. Betritt man den Raum, so schaut man direkt auf eine mittig platzierte 1,50 Meter große Statue des Bodhisattva Ksitigarbha, der als Helfer der Toten und Erretter aus den Höllenqualen fungiert. (Baumann 2000: 66) Interessant ist der Einsatz technischer Hilfsmittel wie Computer zur Ritualdurchführung. Neben der Figur des Bodhisattva befinden sich auf einer Kommode, umgeben von Speis- und Trinkopfergaben, zwei Computerbildschirme, welche abwechselnd Bilder von Verstorbenen mit Namen und Geburts- sowie Todesdatum anzeigen (Abb.03). Im Hintergrund wird eine Audiodatei mit Rezitationen abgespielt. Eine ähnliche Beobachtung von Modernität im traditionellen Kontext machte auch William W. McCorkle Jr., während er sich in einem vietnamesischen Tempel in Nordamerika befand. „On the back wall, which was pretty minimum in decoration, were two electric portraits of bodhisattvas. I was struck by the electric portraits, because they were similar to electric “beer signs“ in many of the local bars and restaurants touting various beer products such as Budweiser. I joked to myself that Budweiser must have really come from “Budda-weiser, the enlightened one of all beers.“ All jokes aside, I found it interesting that here we were in the presence of ancient remains that were hundreds if not thousands of years old and yet, the religion had embraced novel approaches to conduct religiosity in the modern world. The inclusiveness of such an approach did not go unnoticed by the rest of the group as well.“ (McCorkle 2010: 16) Insgesamt sind vietnamesisch-buddhistische Bestattungen in Deutschland eine komprimierte Form der traditionell in Vietnam durchgeführten Bestattungsfeiern. Die Hauptfaktoren zur Komprimierung sind der Zeitmangel, aber auch der von Seiten der Gesetzgebung vorgegebene äußere Rahmen. Der Umfang der durchgeführten Zeremonien ist abhängig von den Wünschen und den finanziellen, zeitlichen sowie örtlichen Möglichkeiten der Hinterbliebenen. Zudem wird die Verantwortung für die Ausführung der Trauerzeremonien vor und nach dem Tod auf die jeweiligen Ortsvereine übertragen, da entweder nicht genügend Ordinierte zur Verfügung stehen oder die Pagode zu weit weg ist. Als Integrationsbeispiel wird in der Literatur immer wieder auf die Initiation buddhistischer Gräberfelder in Deutschland hingewiesen. Da innerhalb der buddhistischen Lehre dem physischen Körper weder vor noch nach dem Tod eine große Bedeutung zugeschrieben wird, 51 existieren auch keine Regelungen bezüglich der Gestaltung eines Friedhofes oder Grabes, welche aus diesem Grund immer auf länderspezifische und volksgebräuchliche Gestaltungsmerkmale zurückgehen. Buddhistische Gräberfelder sind demnach nicht religiös zu deuten. Auch die Absonderung von Andersgläubigen ist nicht vorgeschrieben, weshalb auch die Anwesenheit von Kreuzen in Trauerhallen kein Problem darstellt, obwohl auch neutral gestaltete Hallen aufgesucht werden könnten. Besteht die Möglichkeit des Entfernens der Kreuze während einer buddhistischen Zeremonie, wird dies aber dennoch wahrgenommen. Kuhnen sieht den Wunsch nach einem eigenen Gräberfeld oder Friedhof in der Diaspora deshalb vor allem emotional begründet. Doch ist die Einrichtung eines solchen Abschnittes auf einem Friedhof eine große bürokratische Angelegenheit, weshalb nur große buddhistische Gemeinden sich dieser Aufgabe annehmen. (Kuhnen 2009: 140) Die beiden größten buddhistischen Gräberfelder in Hannover und Berlin sollen im Folgenden vorgestellt werden. Die buddhistische Abteilung auf dem Friedhof Berlin-Ruhleben ist ein besonderes Beispiel, da es Angehörigen aller Nationalitäten offen steht. Das buddhistische Gräberfeld in Hannover-Seelhorst dagegen ist strikt vietnamesisch ausgerichtet, obwohl diese Beschränkung offiziell bestritten wird. Es existieren noch weitere, kleinere buddhistische Abteilungen auf Kommunalfriedhöfen in Oldenburg, Mönchengladbach und Hamburg. 5.2. Das buddhistische Urnengräberfeld auf dem Stadtfriedhof Hannover-Seelhorst Die Bezeichnung eines buddhistischen Gräberfeldes als Integrationsbeispiel ist kritisch zu betrachten. Welchen Hintergrund hat das Bedürfnis nach einem eigenen Gräberfeld, wenn doch im Buddhismus der körperlichen Hülle nach dem Tod keine große Aufmerksamkeit geschenkt wird? Möchte man sich hier das Ruhen in „fremder Erde“ angenehmer und heimischer gestalten oder ist es weniger Integration, sondern mehr Abkapselung durch den Aufbau einer räumlichen Trennung zu Andersgläubigen auf dem Friedhof? Das buddhistische Gräberfeld auf dem Stadtfriedhof Hannover-Seelhorst ist nicht aus einem emotionalen Bedürfnis heraus entstanden, sondern aus dem pragmatischen Grund, dass die Stadt Hannover in dem siebenstöckigen Turm der Pagode mehrere Urnen entdeckt und gemäß der deutschen Beisetzungspflicht die Anordnung zur Bestattung dieser Urnen gegeben hat. Der vietnamesisch-buddhistischen Ansicht nach ist es wichtig die Urnen der Verstorbenen in der Nähe der Gebetshalle der Pagode, meist in einem speziell hierfür angelegten Turm, aufzubewahren, da die dort getätigten Andachtsfeiern und Gebete von den Verstorbenen 52 besser erhört werden können. Dies geht nicht mit der deutschen Bestattungsgesetzgebung überein, welche aus reinem Unwissen von der vietnamesischen Gemeinde in Hannover übergangen wurde. Nach der Einäscherung ist eine direkte Beisetzung nicht verpflichtend, womit es der hinterbliebenen Familie möglich war, die Urne mit nach Hause zu nehmen beziehungsweise in den Turm der Pagode zu stellen. Die im Jahre 1990 durchgeführte Einrichung der buddhistischen Abteilung ging demnach von seiten der Stadtverwaltung aus, da diese der Pagode die Möglichkeit unterbreitetete ein eigenes Areal auf dem Stadtfriedhof Hannover-Seelhorst zu erwerben. Das buddhistische Gräberfeld ist somit nicht aus Eigeninitiative heraus entstanden, was wiederum aufzeigt, dass die eigentliche Bestattung und das Besitzen eines eigenen Friedhofs oder einer eigenen Abteilung keine große Bedeutung für die vietnamesisch-buddhistische Gemeinde in Deutschland hat. Dennoch folgten weitere buddhistische Abteilungen auf Friedhöfen in anderen Städten, wobei die buddhistische Abteilung auf dem Friedhof Berlin-Ruhleben durch den Einsatz des dortigen Sangha gegründet wurde und nicht durch den Eingriff von Behörden zustande kam. (Kuhnen 2009: 142, Grünhagen 2008: 353, Ho 2012: 117) Das buddhistische Gräberfeld besteht aus Reihen- und Wahlgräbern für Urnen42 (Abb. 04). Erdgräber sind nicht vorgesehen. Die rund 50 Urnengräber befinden sich am Rande des Friedhofsgeländes und sind von Weitem nicht als buddhistische Gräber auszumachen. Lediglich bei näherer Betrachtung fallen die buddhistischen Gestaltungsmerkmale auf (Abb. 05 und 06). Zunächst ist auf den Grabplatten und Grabsteinen oftmals ein Bild des Verstorbenen angebracht. Neben dem weltlichen Namen ist auch der Dharma-Name vermerkt, sowie das Geburts- und Todesdatum. Hinzu kommt meist noch eine Lotusblütendarstellung, welche in Vietnam durch das Swastika-Symbol ersetzt wird. In Deutschland wird auf die Benutzung dieses Symbols aus Gründen der negativen Belastung des Swastika-Zeichens durch das NS-Regime verzichtet. Ein weiteres Merkmal buddhistischer Grabgestaltung ist die Verwendung von Räucherstäbchen, die Aufstellung kleiner Buddha-Statuen und die Trank- und Speis-Opfergaben. Die meisten dort befindlichen Urnengräber sind mit Grabplatten versehen, wobei einige auch einen stehenden Grabstein besitzen. (Ho 2012: 122) Das in Vietnam übliche Errichten einer Stupa, also einem Grabbau mit Dach und 42 Als Reihengrab werden die Gräber bezeichnet, welche in zeitlicher Reihenfolge auf einem dafür vorgesehenen Platz nebeneinander und ohne Auswahlmöglichkeiten angelegt werden. Nach Ablauf der Nutzungszeit ist keine Verlängerung möglich und die Grabstelle wird neu vergeben. Ein Wahlgrab kann im Gegensatz dazu auf einer separaten Fläche frei ausgwählt werden und unterliegt keiner vorgegebenen Reihenfolge. Zudem kann die Nutzungszeit der Grabfläche immer wieder verlängert werden. Ein Reihengrab ist demnach kostengünstiger als ein Wahlgrab. (Sörries 2008: 37) 53 Seitenwänden, ist laut der Friedhofsordnung nicht gestattet. In Hannover besagt diese, dass das Grab „so zu gestalten und so an die Umgebung anzupassen [ist], dass die Würde des Friedhofs in seinen einzelnen Teilen und in seiner Gesamtanlage gewahrt wird.“ (Friedhofsatzung der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover (FhSHannover) vom 7. Juli 2005, § 21,1) Das bedeutet auch, dass der Bau von Mausoleen und Grabkammern, wozu Stupas als Sepulkralbau zählen, nicht gestattet ist. (FhS Hannover, § 21,4) Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das einzige Kindergrab auf dem vietnamesisch-buddhistischen Gräberfeld in Hannover-Seelhorst einen Grabstein besitzt, welcher ansatzweise die Form eines Hauses mit zwei Säulen und einer Dachkonstruktion aufzeigt. Nicht nur die Verwendung eines solchen Grabsteines hebt die Bedeutung eines Kindergrabes hervor, auch die Platzierung auf dem Gräberfeld macht dies deutlich. In der ersten Reihe befindlich ist das Kindergrab in einer relativ großen Entfernung zu den anderen Gräbern angelegt und somit als Wahlgrab zu identifizieren. Auch ist es im Gegensatz zu der allgemeinen Situation des Gräberfeldes in einem sehr gepflegten Zustand (Abb. 07). 43 Die nur geringe Pflege der Gräber zeigt, dass die Ahnenverehrung in der deutschen Diaspora für vietnamesische Buddhisten nicht mehr höchste Priorität hat. Meines Erachtens kann hier ein Verlust des Bewusstseins für die Ahnen innerhalb der Migration, bedingt durch Zeitmangel, berufliche Einschränkungen und einem vorherrschenden Generationenkonflikt, gesehen werden. Die jüngere Generation fühlt sich der vietnamesischen Kultur und somit auch der Ahnenverehrung nicht mehr so stark verbunden. Baumann betont aber, dass es sich hierbei nicht um einen durch die Migrationssituation bedingten Kulturkonflikt handele, sondern viel mehr um einen typischen Generationenkonflikt, wie er sich auch bei deutschen Familien wiederfinden lasse (Baumann 2000: 46f). Folglich ist die verminderte Grabpflege nicht religiös zu deuten, sondern als Zeichen für die allgemeine Ausblendung der Toten in den neueren Generationen. Auch das breite Angebot an anderweitigen Bestattungsarten, welche nicht an eine Grabstelle gebunden sind und bei denen somit die Grabpflege entfällt, wie Seebestattungen oder die Beisetzung in einem Friedwald, verdeutlichen die Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft. Das Einrichten eines buddhistischen Gräberfeldes bedarf eines Gleichgewichtes der Möglichkeit zur freien Religionsausübung und der Einhaltung von Friedhofssatzungen sowie 43 Kuhnen weist darauf hin, dass die Gräber sich in einem gepflegten Zustand befinden. (Kuhnen 2009: 144) Diese Beobachtungen konnte ich bei meinem Besuch des Gräberfeldes nicht machen, welches in Abbildung 04 deutlich wird. Die Vermutung meinerseits ist die, dass die Gräber womöglich nur vor den wichtigen Andachtsfeiern hergerichtet werden und an den restlichen Tagen im Jahr aus Zeitgründen nicht gepflegt werden können. 54 Bestattungsgesetzen. Die Verlagerung der Gräberfelder an die Ränder der öffentlichen Friedhöfe ist aus diesem Grund nicht als Affront aufzufassen, sondern dient der Beibehaltung dieses Gleichgewichtes. Buddhistische Feste und Totenandachten sind verbunden mit Rezitationen, Gong-Schlägen, Räucherstäbchen und einer Menschenmasse, die auf einem öffentlichen Friedhof als störend empfunden werden kann. Durch die Verlagerung an Randgebiete soll die weltanschauliche Neutralität und Totenruhe gewahrt, aber gleichzeitig die Möglichkeit zur Ausführung dieser Feste gegeben werden. Auch das buddhistische Gräberfeld auf dem Friedhof Berlin-Ruhleben liegt an solch einem Randgebiet eines Kommunalfriedhofes. 5.3. Das buddhistische Gräberfeld auf dem Friedhof Berlin-Ruhleben Der Friedhof Berlin-Ruhleben verfügt über eine buddhistische Abteilung mit Urnen- und Erdgräbern in Wahl- oder Reihengrabfolge und liegt in der Nähe der vietnamesischen Pagode in Spandau. Die offizielle Einweihung fand am 03. August 2004 durch den Abt Thich Nhu Dien der Pagode Hannover statt. Die in Berlin-Spandau ansäßige vietnamesischbuddhistische Gemeinschaft nahm es sich aufgrund wiederkehrender Probleme während Bestattungszeremonien zur Aufgabe, ein buddhistisches Gräberfeld einzurichten. Die genannten Einschränkungen sind, dass die Gräber nicht nach Osten ausgerichtet werden können und dass der astrologisch bestimmte Termin nicht eingehalten werden kann und es dadurch zu langen Wartezeiten kommt. Außerdem wird die zeitliche Begrenzung in der Trauerhalle, das Zurückhalten im Benutzen von Räucherstäbchen und die nicht in vollem Ausmaß durchführbaren Totenfeiertage von buddhistischer Seite als Minderung des Rechtes auf freie Religionsausübung angesehen. Im Gegensatz zu Hannover waren diese Probleme schon im Vorraus bekannt, weshalb sich überhaupt für ein eigenes Gräberfeld eingesetzt wurde. (Vien/Nguyen 2004: 82) Das Areal ist auch hier wieder am Randgebiet und umfasst 100 Urnengrab- und 600 Erdgrabstellen, wovon zur Zeit mehr Urnengrabstellen belegt sind (Abb. 08). Nicht nur die Größenordnung der Abteilung ist einzigartig, auch die viereinhalb Meter hohe Statue des Bodhisattvas Dia Tang sorgt dafür, dass die buddhistische Abteilung auch von weitem als solche wahrgenommen wird (Abb. 09). Dennoch wird auf der Schautafel am Eingang des Friedhofes nicht darauf aufmerksam gemacht. Erst auf Nachfrage wurde mir der Abschnitt V als buddhistisches Gräberfeld gezeigt (Abb.10). Die Schautafel markiert die Buddhastatue des 55 Dia Tang sogar mit einem Kreuz (Abb. 11). Dies ist meines Erachtens keine angemessene Art und Weise der Repräsentation eines buddhistischen Gräberfeldes und sollte von der Friedhofsverwaltung geändert werden. Die Verwendung eines speziell vietnamesischen Bodhisattvas steht in Konflikt mit der Intention eines multinationalen Gräberfeldes und erweckt den Eindruck, dass es sich hier wieder um ein rein vietnamesisches Areal handelt. Doch ist nach Aussage der Friedhofsverwaltung diese Fläche als Teil eines städtischen Friedhofes von jedem Bürger Deutschlands als Bestattungsort wählbar und keinesfalls nur auf Gräber vietnamesischer Buddhisten beschränkt, auch wenn das Gräberfeld auf deren Initiative hin entstand. Somit ist eigentlich auch der Einsatz eines vietnamesisch-buddhistischen Bodhisattvas nicht unverwunderlich und bildet ein repräsentatives Alleinstellungsmerkmal auf dem Friedhof. (Kuhnen 2009: 145, Ho 2012: 145) Die Grabsteine und die Gräber sind in dem gleichen Stil gestaltet wie zuvor schon in Hannover-Seelhorst beobachtet werden konnte (Abb.12). Da es in Berlin schon von vornherein gestattet war, stehende Grabsteine für Urnengräber zu benutzen, finden sich diese im Gegensatz zu Hannover vermehrt wieder. Vor der Statue des Dia Tang steht ein massives, eisernes Gefäß mit Räucherstäbchen und griffbereiten Feuerzeugen (Abb. 09). Auch in Berlin-Ruhleben gehören Lotus-Abbildungen, Bilder der Verstorbenen auf dem Grabstein, Räucherstäbchen und asiatische Schriftzeichen zu den offensichtlich buddhistischen Eigenschaften dieser Friedhofsabteilung. Aber neben diesen Charakteristika kann auch vermehrt die christliche Symbolik, ausgedrückt durch betende Hände oder Engelsfiguren, beobachtet werden (Abb. 14). Wie schon im Zusammenhang mit der buddhistischen Abteilung in Hannover-Seelhorst vermutet, bestätigt sich durch Vien/Nguyen die Annahme, dass die Grabpflege auf wenige Tage im Jahr, nämlich vor den wichtigen Festtagen, beschränkt wird. (Vien/Nguyen 2004: 82) Die buddhistische Abteilung des Friedhofes Berlin-Ruhleben ist jedem zugänglich und wird auch von Seiten der buddhistischen Gemeinschaft als eine „(…) sozial unermessliche Bereicherung, die über die Grenze der Gemeinde hinaus geht“ (Vien/Nguyen 2004: 83) angesehen. Meine Beobachtungen können diese Anpruchnahme der buddhistischen Friedhofsabteilung andersgläubiger Personen bestätigen, da zwar der Großteil der Gräber vietnamesisch-buddhistischer Natur ist, sich dennoch einige chinesische und auch ein auf den ersten Blick konfessionsloses Erdgrab dort befinden (Abb. 15). Aber auch bei diesem Grab ist durch das Ying-Yang-Symbol eine spirituelle Verbundenheit zur buddhistischen Kultur sichtbar, weshalb anzunehmen ist, dass trotz der Offenheit ein rein buddhistisches Gräberfeld 56 bestehen bleibt. Durch diese Öffnung für alle wird deutlich, dass eine räumliche Abgrenzung nur für die Ausführung der zahlreichen Totenrituale und Totenfeiern wichtig ist. Der Initiation eines eigenständigen buddhistischen Friedhofes steht zum Einen die fehlende Anerkennung des Buddhismus in Deutschland als Religionsgemeinschaft im Weg. Zum Anderen ist vor allem die geringe Anzahl buddhistischer Bestattungen in Deutschland ausschlaggebend für die Eingliederung an bereits bestehende Friedhöfe. Grünhagen sieht aber in der Zukunft einen Ausbau buddhistischer Friedhofsanlagen durch das zunehmende Alter der buddhistischen Mitglieder innerhalb der deutschen Bevölkerung. Dies muss sich nicht unbedingt in der Gründung eigener Friedhöfe äußern, sondern vor allem in der Bereitstellung eigener, buddhistisch ausgestatteter Trauerräume und der Spezialisierung deutscher Bestattungsunternehmen auf buddhistische Bestattungsfeiern. Momentan spricht bloß die geringe Anzahl buddhistischer Bestattungen gegen diesen Ausbau. (Grünhagen 2008: 358, pers. Gespr. Gscheidel: 10.12.2014, pers. Gespr. Steenebrügge: 28.11.2014) Interessanterweise sind auf beiden Friedhöfen keine offensichtlich tibetisch-buddhistischen Gräber zu beobachten. In Hannover-Seelhorst ist es der vietnamesischen Ausrichtung geschuldet, jedoch ist es in Berlin verwunderlich, ist doch der tibetische Buddhismus eine in Deutschland sehr beliebte buddhistische Ausrichtung. Der Grund für die nicht-existenten tibetisch-buddhistischen Gräber und die Verschmelzung mit dem „westlichen Buddhismus“, welcher zur Folge hat, dass eine gänzlich neue Ritualsprache entwickelt wurde, soll nun im nächsten Kapitel geklärt werden. Anhand der Entwicklung des tibetischen Buddhismus in Deutschland werde ich versuchen, die Bestattungsrituale in den Kontext der Entwicklung eines „deutschen Buddhismus“ zu stellen, um somit im darauffolgenden Kapitel die Ergebnisse dieser Neuformation buddhistischer Bestattungsrituale in Deutschland vorzustellen. 57 5.4. Tibetisch-Buddhistische Bestattungen in Deutschland Im Gegensatz zu den im vorherigen Kapitel dargestellten Bestattungsritualen vietnamesischer Buddhisten in Deutschland ist eine gänzlich andere Herangehensweise an tibetischbuddhistische Bestattungen in Deutschland anzustreben. Nicht nur die Geschichte der Einwanderung tibetischer Buddhisten nach Deutschland, allgemein in westliche Länder, unterscheidet sich grundsätzlich von der vietnamesischen Einwanderung. Auch die Gemeinschaft der tibetisch-buddhistischen Laien und Mönche ist viel enger mit der Entwicklung einer deutsch-buddhistischen Tradition zu sehen, als es im vietnamesischen Kontext der Fall ist. 5.4.1. Tibetisch-Buddhistische Einwanderung in „westliche“ Länder und die Entwicklung eines „Pop-Buddhismus“ ? Die Geschichte der tibetisch-buddhistischen Einwanderung in westliche Länder, aber vor allem auch nach Indien, fängt mit dem Jahr 1959 an. In diesem Jahr erhebt sich die tibetische Bevölkerung, angeführt von tibetisch-buddhistischen Meistern, gegen die seit 1950 währende Okkupation durch China. Unter dem Deckmantel einer „friedlichen Befreiung“ marschierten chinesische Truppen in Tibet ein und sorgten in den folgenden Jahren für die Zerstörung tibetischer Kultur und für eine massenhafte Auswanderung in benachbarte Länder. Seit 1960 existiert eine tibetische Exilregierung in Dharamsala, einem Ort in Nord-Indien, welcher durch diese Umstände zu einem neuen Wallfahrtsort tibetischer Buddhisten und auch westlicher Konvertiten heranwuchs. (Baumann 2005: 361) Durch die massenhafte Exilierung tibetischer Buddhisten entstand in Nordamerika sowie in vielen europäischen Ländern, darunter in der Schweiz 44 und Deutschland, ein „Tibet-Boom“, welcher von beiden Seiten gefördert wurde und zu einer rasanten Ausbreitung des tibetischen Buddhismus führte. Für die weitergehende Betrachtung sind zwei Gruppen innerhalb des tibetischen Buddhismus in der Diaspora zu unterscheiden. Auf der einen Seite die 44 Durch die Aufnahme tibetischer Flüchtlinge in den 1960er Jahren entwickelte sich in der Schweiz ein Konzept des „Klösterlichen Tibet-Institutes“. Da es durch die Schweizer Gesetzgebung nicht gestattet war Klöster zu gründen, musste ein Ausweg gefunden werden, um die tibetisch-buddhistische Praxis in einer geeigneten Umgebung ausüben zu können. Aus diesem Grund wurden Institute ins Leben gerufen, welche neben der wissenschaftlichen Lehre auch den Einbezug der buddhistischen Praxis gewährleisteten. Dieses Konzept des „Tibet-Institutes“ ist auch in Deutschland zu beobachten, vor allem in tibetisch-buddhistischen Zentren, in denen Residenz-Lehrer aus Tibet leben, praktizieren und gleichzeitig ihrer Lehre nachgehen. (Baumann 2005: 363) 58 „ethnischen“ Buddhisten Tibets, welche in dem jeweiligen Einwanderungsland durch Gründung von buddhistischen Zentren und der neuartigen Verbindung von religiöser Identität und politischem Aktivismus ein Heimatgefühl aufbauen wollten. Auf der anderen Seite führte dieser Prozess der Globalisierung des tibetischen Buddhismus durch Emigration zu einem vermehrten Anstieg westlicher Interessenten, welche zum Buddhismus konvertierten und durch Gründung eigener Zentren eine parallele neuartige Richtung des Buddhismus entwickelten. Im Zusammenhang mit der Importierung des asiatischen Buddhismus nach Deutschland und in den „Westen“ wurden durch Charles S. Prebish die Begrifflichkeiten „ethnischer“ und „konvertierter“ Buddhismus für den amerikanischen Buddhismus eingeführt. 45 Prebish vergleicht damit zwei Gruppen von Buddhisten, welche in Amerika aufzufinden seien. Diese Theorie ist aber nicht nur auf den amerikanischen Buddhismus beschränkt, sondern lässt sich theoretisch auf den ganzen „Westen“ anwenden. „The first form of Buddhism […] represented the Buddhism practised by essentially Asian American communities. Collectively, they emphasised basic Buddhist doctrines and practises […], were markedly conservative and presented a primarily stable climate for their members. The second line of development included those groups that emerged shortly after the social and religious revolution of the 1960s.“ (Prebish 1993: 187) Diese Dichotomie wurde von vielen Seiten aus kritisiert, da solch ein duales Konzept nur auf die erste Generation der jeweiligen Gruppen anwendbar sei. Weitere Generationen werden von dieser Aufteilung ausgeschlossen. Prebish weist in seiner Stellungnahme „Two Buddhisms Reconsidered“ aus dem Jahr 1993 auf die Tatsache hin, dass er mit der Differenzierung „ethnischer“ und „konvertierter“ Buddhisten lediglich die Entwicklung zwei verschiedener Stränge des amerikanischen Buddhismus aufzeigen und keine Art von Stigmatisierung vornehmen wollte. Ohne Zweifel kann der Buddhismus, welcher von Asiaten in der Diaspora ausgeübt wird, von dem Buddhismus, welcher von konvertierten Europäern gelebt wird, unterschieden werden. Dennoch ist die Begriffswahl „ethnisch“ und „konvertiert“ zu unspezifisch und muss dringend überarbeitet werden. Ein erster Schritt zur Etablierung neuer Fachtermini zur Beschreibung dieser Buddhismus-Stränge ist bei Martin Baumann zu erkennen. Dieser betrachtet weniger die einzelne Person, sondern die ausgeübte Form des Buddhismus. 45 Siehe Prebish, Charles S. (1979): American Buddhism. North Scituate: Duxbury Press. 59 Dementsprechend schlägt Baumann die Fachtermini „traditionell“ und „modern“ vor, welche „ethnisch“ und „konvertiert“ ersetzen sollen. Doch ist auch die Verwendung der Begriffe „traditionell“ und „modern“ nicht ausreichend. Der von asiatischen Immigranten gelebte Buddhismus ist nämlich keinesfalls als traditioneller Buddhismus zu sehen, mit welchem der Begriff „ethnisch“ assoziiert werden könnte. Auch „konvertierte“ Buddhisten adaptieren nicht die traditionelle Form des Buddhismus, sondern richten sich nach dem von asiatischen Immigranten eingeführten modernen Buddhismus46. Nichts desto trotz behält Baumann Recht, wenn er die Fokussierung auf ethnische Abstammung als alleiniges Differenzierungsmerkmal beider Gruppen anprangert. (Baumann 2001: 22-32, Baumann 2002: 59, Scherer 2009: 3047) Dennoch werde ich innerhalb meiner Arbeit die Begriffe „ethnisch“ und „konvertiert“ beibehalten, da sie weniger irreführend als „traditionell“ und „modern“ sind. Zudem wird dadurch auch der diasporische Kontext deutlich, welcher in meinen Ausführungen eine wichtige Rolle für das Verständnis buddhistischer Bestattungen in Deutschland spielt. Die Gründung eigenständiger Zentren durch Konvertierte hatte zur Folge, dass sich die wechselseitige Lehrer-Schüler-Beziehung im tibetischen Buddhismus für die „ethnischen“ Buddhisten in der Diaspora grundlegend veränderte. Eve Mullen beschreibt dieses Phänomen anhand ihrer Beobachtungen in New York City in dem Artikel „Tibetischer Buddhismus im Westen. Kreative Innovationen am Beispiel der tibetischen Gemeinde in New York City“ aus dem Jahre 2001 sehr treffend. Auch hier muss der tibetisch-buddhistische Sangha in „ethnische“ und konvertierte Buddhisten aufgeteilt werden. Dementsprechend sind auch die in Amerika befindlichen tibetisch-buddhistischen Zentren in ihren Schwerpunkten verschieden. Mullen kann durch die Übernahme tibetisch-buddhistischer Zentren durch amerikanische Schüler Gemeindestrukturen erkennen, welche sonst nur in protestantischen Gemeinden existieren. Zudem werden die Unterrichtsstunden auf eine amerikanische Zielgruppe und deren Fragestellungen ausgelegt. Es kommt zu einer Verdrängung der ethnischen Buddhisten und zur Trennung der in amerikanischen Zentren lehrenden tibetischen Mönchen und der tibetischen Laien. Mullen beschreibt dies als amerikanische „Okkupation“ des Vajrayana, welche die tibetische Laiengemeinschaft vor ungeahnte Probleme stellt, aber auch zu einer neuen Form des tibetischen Buddhismus im Exil führt. Zwar stand das 46 Zu der Diskussion von Tradition und Moderne innerhalb asiatischer Religionskonzepten in Asien und Europa siehe Schlehe, Judith und Boike Rehbein (Hg.) (2008): Religion und die Modernität von Traditionen in Asien. Neukonfigurationen von Götter-, Geister- und Menschenwelten. Berlin: LIT-Verlag. 47 Für weitere Ausführungen zu Prebishs „Two Buddhisms“ siehe auch Numrich, Paul David (2003): „Two Buddhisms Further Considered“. In: Contemporary Buddhism 4 (1): 55-78. 60 Zusammenspiel von Politik und Religion in Tibet durch die Besetzung politischer Positionen durch religiöse Führer schon immer im Vordergrund, dennoch ist in den Einwanderungsländern ein „politisch motivierter tibetischer Buddhismus“ entstanden, welcher gefördert wird durch die neue Eigenständigkeit der Laiengemeinschaft. Der Verlust der direkten Lehrer-Schüler-Beziehung ist demnach nicht nur negativ zu deuten, sondern führt sogar zu einer Neuinterpretation der tibetischen Identität, indem Religion und Politik Hand in Hand gehen und sich begünstigen. (Mullen 2001: 182-188) Mullen konstatiert, dass „[…] Veränderung […] nicht gleichzusetzen [ist] mit dem Verfall einer Tradition. Vielmehr ist die Fähigkeit zur Veränderung Teil einer religiösen Tradition und Voraussetzung für ihr Bestehen unter veränderten historischen Bedingungen.“ (Mullen 2001: 189) Die Tatsache, dass sich Zentren und Gemeinschaften von Konvertierten viel stärker ausbreiteten als diejenigen von „ethnischen“ Tibetern, kann auch mit der unterschiedlichen Wahrnehmung des religiösen Lebens im Alltag begründet werden. Baumann führt hier an, dass bei tibetisch-buddhistischen Laien der regelmäßige Besuch eines buddhistischen Zentrums ungewöhnlich sei. Ein buddhistisches Zentrum wird von dieser Zielgruppe nur aufgesucht, wenn bedingt durch eine bestimmte Lebenssituation devotionale Handlungen ausgeübt werden, wenn Jahresfeste gefeiert werden oder ein bestimmter Meister einen Vortrag oder eine Unterweisung hält. Eine Regelmäßigkeit ist nicht erforderlich, um sich dem tibetisch-buddhistischen Glauben zugehörig zu fühlen, weshalb es weniger Zentren der tibetischen Laiengemeinschaft gibt. (Baumann 2002: 95) Die Beobachtungen Mullens können ohne Zweifel auch auf die europäische Entwicklung des tibetischen Buddhismus übertragen werden. Hierbei liegt der Fokus auf global agierenden, in europäischen Ländern gegründeten tibetisch-buddhistischen Vereinigungen wie die Diamondway-Zentren oder das Rigpa Fellowship, bei welchen ähnliche Entwicklungen festgestellt werden können. Die Diamondway-Organisation wurde von dem Ehepaar Ole und Hannah Nydahl 1972 in Kopenhagen gegründet und ist mit über 640 Zentren weltweit vertreten. An den auf die Karma Kagyüpa-Linie ausgelegten Zentren kann sehr gut der Ursprung des westlichen Buddhismus abgelesen werden. Wie auch viele andere Europäer in den 1960er Jahren fand auch das Ehepaar Nydahl während einer Reise in das Himalayagebiet, genauer nach Bhutan, zum Buddhismus. Dort wurden sie durch den Meister der Karma Kagyüpa-Linie ermächtigt im Westen zu lehren. (Baumann 2005: 368f; Scherer 2009: 23f) 61 Durch die mit keiner anderen Richtung des tibetischen Buddhismus vergleichbaren Auslegung der buddhistischen Praxis und Lehre kann sogar von einem eigenständigen „Diamondway-Buddhismus“ beziehungsweise einer „Diamondway-Bewegung“ geredet werden. Die Selbstdarstellung der Zentren vernachlässigt den Ursprung des Buddhismus, indem zum Beispiel Lehrtexte ausschließlich in der jeweiligen europäischen Sprache rezitiert werden. Auf der Website der Diamondway-Organisation werden die Merkmale des speziellen „Diamondway-Buddhismus“ wie folgt dargestellt: „As a lineage of direct oral transmission from teacher to student, the Karma Kagyu gives central place to meditation and, through interaction with a qualified teacher, can bring about the full and direct experience of the nature of mind. Mind in its essence is understood in Vajrayana Buddhism to be limitless like space, open, fearless, and joyful. Diamond Way Buddhism uses authentic Karma Kagyu teachings and translates them into Western languages, allowing many more people to access the valuable instructions on working with mind without unnecessary cultural baggage. Our work is based on the friendship and idealism shared amongst the practitioners. As such, all work is carried out on the basis of voluntary work and contributions. “ (http://www.diamondway-buddhism.org/buddhism/diamond-way/, letzter Zugriff: 09.04.2015 14:51 Uhr) Scherer beschreibt die Zielgruppe des „Diamondway-Buddhismus“ als „critical elite“ (Scherer 2009: 26). Die Fokussierung auf die intellektuellen Aspekte der Buddhismus-Lehre unter Ausschluss des „cultural baggage“ scheint wie in dem Fall in New York City zu einer Verdrängung der tibetischen Laien in der Diaspora zu führen. Die eigenständige Ausbildung westlicher Lehrer des Buddhismus ist aber in keinster Weise mit der Okkupierung tibetischer Gelehrter und dem damit einhergehenden Wegfall der Lehrer-Schüler-Beziehung in Verbindung zu bringen. Martin Baumann sieht in dieser Tatsache eine Besonderheit der westlichen Interpretation des Vajrayana-Buddhismus, die in anderen Buddhismus-Traditionen nicht so stark ausgeprägt ist und somit die Gegensätzlichkeit von „ethnischen“ und konvertierten Buddhisten hervorhebt. Beide Zielgruppen können das gleiche Zentrum besuchen, dennoch bilden sie „[…] parallel communities […]“ (Baumann 2005: 376). Die Interessen und religiösen Weltbilder liegen trotz der gleichen Religion weit auseinander. Während es für tibetische Buddhisten wichtig ist devotionale Handlungen zum Zwecke der Anhäufung verdienstvoller Taten auszuüben, haben Textstudium, Meditation und „[…] Befreiung in diesem Leben […]“ (Baumann 2005:376) bei konvertierten Buddhisten einen 62 höheren Wert in ihrer Praxis. Die Folgen dieser Differenz werden bei „ethnischen“ wie auch konvertierten Buddhisten sichtbar. In der tibetischen Gemeinschaft wird das Verhältnis Lehrer und Schüler neu strukturiert und die Eigenständigkeit der Schüler akzentuiert. Zudem wird die Selbstwahrnehmung der Tibeter im Exil grundlegend geändert und musische Aspekte der Praxis neu ausgelegt. Die Gemeinschaft der konvertierten Buddhisten übersetzt buddhistische Fachtermini in eine weltliche, an psychologische Begriffe angelehnte Sprache. Die Verkürzung und Vereinfachung von Ritualen und eine Enthierarchisierung fallen auf. Genauso wie die kritische Betrachtung der Einschränkungen für weibliche Schülerinnen und Lehrerinnen. (Baumann 2005: 376) Ein weiteres Beispiel für eine globale buddhistische Organisation sind die Rigpa FellowshipZentren. 1975 gründete Sogyal Rinpoche das erste Rigpa-Zentrum in London. Heute gibt es über 130 Zentren in 30 Ländern, 17 davon in Deutschland mit ungefähr 1400 Mitgliedern 48. In der Gründungsgeschichte findet sich der zweite Aspekt der Transferrierung der buddhistischen Lehre in den Westen wieder. Durch die Ankunft tibetischer Lehrer in Europa und Nordamerika in den 1960er und 1970er Jahren entstand das Bedürfnis seitens der tibetischen Gelehrten den Buddhismus in einer neuen Form zu lehren, um ihn den westlichen Rezipienten zugänglich zu machen. Hierzu gehörte vor allem die Organisation ansäßiger Zentren, welche sich nicht nur durch Spenden, sondern vor allem durch Mitgliedsbeiträge finanzierten. Das Konzept eines Vereines mit monatlichen Mitgliedsbeiträgen stößt bei einem tibetischen Laien in der Diaspora womöglich auf Unverständnis, weshalb auch hier festgestellt werden kann, dass sich unter den Mitgliedern hauptsächlich konvertierte Buddhisten befinden. Die Thematik der Sterbebegleitung ist innerhalb der Rigpa-Zentren sehr gut aufgearbeitet, wobei sich auf die mentalen Grundlagen und weniger auf die rituellen Aspekte konzentriert wird. Auf diesen Teilbereich der Rigpa-Lehre werde ich im nächsten Kapitel im Zusammenhang mit tibetisch-buddhistischen Bestattungsritualen in Deutschland näher eingehen. Zu der Weitergabe der buddhistischen Lehre im Westen und der Gründung eigenständiger Zentren kommen Nebeneffekte einer marktwirtschaftlichen Einbindung des Buddhismus in den modernen Westen hinzu. Hierunter fallen die zahlreichen populärwissenschaftlichen Publikationen durch buddhistisch orientierte Verlage, die Einbindung der tibetischen Kultur in 48 Daten der Rigpa-Website entnommen, siehe http://www.rigpa.de/lang-de/rigpa/rigpa-e-v.html (letzter Zugriff: 09.04.2015, 18:22 Uhr) und http://www.rigpa.de/lang-de/rigpa/die-geschichte-rigpas/jahr-fuer-jahraufgelistet.html (letzter Zugriff: 09.04.2015, 18:23 Uhr). 63 die Filmindustrie, die immer weiter fortlaufenden Zentrengründungen mit ihren kostenpflichtigen Weiterbildungsangeboten sowie „Welttourneen“ berühmter Mönche, Lamas und Nonnen. Insgesamt kann diese Entwicklung als „Pop-Buddhismus“ bezeichnet werden, wobei in diesem Fall der Begriff Pop nicht negativ eingesetzt wird. Es soll vielmehr zum Ausdruck bringen, dass durch große Zentren wie Rigpa oder Diamondway eine Art Buddhismus für die Masse entwickelt wurde, welchen Martin Baumann kritisch als „InstantBuddhismus“ bezeichnet (Baumann 2005: 377). Dagyab Kyabgön Rinpoche spricht sich gegen den von ihm genannten „Instant-Dharma“ aus und sieht als Grund für den unterschiedlichen Umgang mit der buddhistischen Lehre durch „ethnische“ und konvertierte Buddhisten die unterschiedliche Mentalität von Asiaten und Europäern an. Mit Mentalität ist der divergierende Realitätsbegriff beider Bevölkerungsgruppen gemeint, wodurch aber trotz der Nachfrage seiner Meinung nach kein für den Massenkonsum vorgefertigter Buddhismus entstehen kann. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 116f) Die buddhistische Praxis und die buddhistische Lehre bleiben ein individuelles Erlebnis. Dementsprechend ist auch das Publikum solch großer Zentren untereinander nach dem Grad ihrer Praxis aufgeteilt. Als Beispiel sei das Rigpa-Zentrum in Frankfurt a. M. zu nehmen. In diesem beschäftigen sich von den insgesamt 35 Mitgliedern lediglich zehn intensiv und täglich mit der buddhistischen Praxis. Nur vier bis fünf Personen dieser Gruppe nehmen an Retreats teil. (pers. Gespr. Mohry: 07.04.2015) Die Übertragung tibetisch-buddhistischer oder allgemein buddhistischer Lehren in den Westen49 kann laut Dagyab Kyabgön Rinpoche zunächst nur durch die Mimikry asiatischer Praktiken erfolgen. Lehrer werden eingeflogen und Texte übersetzt, um Rituale in einem neuen Kontext anwenden zu können. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 115) Vor diesem Hintergrund können auch die im nächsten Unterkapitel besprochenen tibetischbuddhistischen Bestattungsrituale gedeutet werden, da auch bei diesen, durch die Einbindung in einen „westlichen“ Buddhismus, neue Schwerpunkte innerhalb der Ausführung gelegt werden. 49 Zu tibetischer Kulturausprägung in der Diaspora siehe Korom, Frank J. (Hg.) (1997): Tibetan Culture in the Diaspora. Papers Presented at a Panel of the 7 th Seminar of the International Association for Tibetan Studies, Graz 1995. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 64 5.4.2. Tibetisch-Buddhistische Bestattungsrituale in Deutschland „Wenn wir für bestimmte Vorhaben günstige Tage oder besondere Orte wählen, oder wenn wir versuchen, durch Gebete und die Verwendung symbolischer Substanzen für unsere Aktivitäten eine förderliche Atmosphäre zu erzeugen, dann entstehen dadurch zweifellos auch Ermutigung und Selbstvertrauen, und unsere Unternehmungen werden in nicht zu unterschätzender Weise positiv beeinflusst.“ (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 151) Die Aufrechterhaltung einer positiven Atmosphäre vor, während und nach dem Tod ist innerhalb der tibetisch-buddhistischen Bestattungsrituale sehr wichtig und tritt sogar vor die explizite Anwendung bestimmter Rituale, wobei diese natürlich zur Schaffung einer positiven Atmosphäre beitragen. Trotzallem liegt der Schwerpunkt definitiv in der Vorbereitung auf den Tod als auf den rituellen Umgang mit der Leiche. Tibetisch-Buddhistische Bestattungsrituale gehen Hand in Hand mit der Entwicklung einer Ritualsprache des westlichen Buddhismus, weswegen die hier angeführten Rituale und Umgangsarten mit dem Tod hauptsächlich bei zum Vajrayana-Buddhismus konvertierten Personen beobachtet werden können. Nichtsdestotrotz ist keinesfalls auszuschliessen, dass sich auch „ethnische“ Buddhisten sich an diese Vorgaben halten. Eine traditionelle Himmelsbestattung ist in Deutschland natürlich nicht ausführbar. Universelle tibetisch-buddhistische Bestattungsrituale gibt es nicht, außer einige Praktiken, die im Kern erhalten geblieben sind, jedoch einer Wandlung unterzogen wurden. Die bisher in Deutschland ausgeführten tibetisch-buddhistischen Bestattungen sind immer individuell von den Familienangehörigen und einem Lama oder einem anderen Mitglied des Sangha geplant worden. Aus diesem Grund können die im Folgenden aufgelisteten Rituale nur als Aufzählung der Möglichkeiten zur Gestaltung einer tibetisch-buddhistischen Bestattung angesehen werden. Weder die Reihenfolge muss eingehalten, noch müssen die erwähnten Rituale alle vollzogen werden. Die Auseinandersetzung mit dem Tod sollte zudem in die alltägliche Praxis aufgenommen werden. Die Basis für alle weiterführenden Aktivitäten ist die Vergegenwärtigung des eigenen Todes und die angstfreie Konfrontation mit den bevorstehenden Prozessen. Diese Einstellung ist abhängig von dem körperlichen Befinden, der Vorbereitungszeit und dem Alter. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 177f) Der historische Buddha Shakyamuni erwähnte in seinen Lehrreden wichtige Lebenszeremonien wie die Bestattung zwar nicht, dennoch wurden basierend auf 65 buddhistischen Lebensansichten Zeremonien entwickelt. Doch sind diese in erster Linie vor dem jeweiligen kulturellen wie auch geographischen Hintergrund zu interpretieren. In Deutschland ist aufgrund der christlichen Prägung der Bestattungskultur ein Zusammenspiel aus christlichen Rahmenbedingungen und buddhistischem Inhalt entstanden. (Brucker/Sohns 2003: 253) Neben der allgemeinen Unterteilung in Rituale der Sterbebegleitung, Rituale innerhalb der Bestattungszeremonie und postzeremonielle Rituale muss auch unterschieden werden in Rituale für und Rituale mit dem Sterbenden/Verstorbenen. Rituale für den Sterbenden/Verstorbenen unterscheiden nicht zwischen Buddhisten und Nicht-Buddhisten. Hierzu zählen vor allem Übungen, welche für den Sterbenden eine angenehme Umgebung schaffen können. An dieser Stelle kann auch unterstützendes Powa durchgeführt werden, genauso wie Visualisierungen, Meditationen und Mantra-Rezitationen wie das Chenresigoder Amitabha-Mantra (Om Mani Padme Hum beziehungsweise Om Am). Die Tatsache, dass Dagyab Kyabgön Rinpoche diese Übungen auch im Falle von Nicht-Buddhisten als ratsam betrachtet, ist meines Erachtens nicht haltbar. Nicht nur, dass diese Übungen möglicherweise keine Wirkung bei Nicht-Buddhisten erzielen können, wie es bei einer Rezitation aus dem Bardo Thödol der Fall ist. Auch, dass der Sterbende ohne Mitwissen einer für ihn vielleicht befremdlichen Prozedur unterzogen wird, ist kein zu empfehlendes Verhalten. Bei Übungen mit Sterbenden ist auf die von ihm zu Lebzeiten praktizierten Übungen zu achten. Die dabei eingesetzten Praktiken sind meist das Tonglen50, Lama Chöpa51 oder tantrische Sadhanas52. Ist der Sterbende nicht mehr in der Lage die Praktiken alleine auszuführen, kann dieser durch die Lesung der Praxistexte unterstützt werden. Diese Übungen sind als Teil der Rituale der Sterbebegleitung zu betrachten. Während der rituellen Ausführung ist auch darauf zu achten, dass der eigene geistige Zustand stark genug ist, um dem Sterbenden die nötige Unterstützung zukommen zu lassen. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 181f) 50 Tonglen: Meditation des Geben und Nehmens. Durch diese Meditation wird das Leid der Anderen auf sich genommen, um dieses für alle zu lindern. (siehe Regel, Yesche U. (2007): „Die Meditation des Tonglen: Sich das Leiden der anderen zu Herzen nehmen, in: Tibet und Buddhismus, 82 (3): 16-18. Elektronisches Dokument: http://www.tibet.de/fileadmin/pdf/tibu/2007/tibu082-2007-16-ur-tonglen.pdf, letzter Zugriff: 12.04.2015, 20:12 Uhr). 51 Lama Chöpa: hohes tantrisches Meditations-Ritual. Dient der Verbindung von Lehrer und Schüler (siehe: http://www.tibetzentrum-berlin.de/programm/regelmaessige-veranstaltungen/guru-puja-lama-choepa.html, letzter Zugriff: 12.04.2015, 20:28 Uhr). 52 Sadhana: Meditationspraxis, welche darauf beruht, dass der Meditierende sich mit der jeweiligen tantrischen Gottheit verbindet. Ein Sadhana besteht aus mehreren Bestandteilen, darunter Reinigungs- und Schutzrituale der Umgebung, Meditationen, Visualisierungen und Wunschgebete (siehe: http://www.tantratradition.de/21.html, letzter Zugriff 12.04.2015, 20:34 Uhr). 66 Ist der Tod eingetroffen, sind einige Vorkehrungen zu treffen. Zunächst sollte der Körper des Verstorbenen so lange wie möglich, im Idealfall drei Tage, unberührt bleiben. Dabei ist darauf zu achten, in welcher Umgebung diejenige Person gestorben ist. Sollte der Tod im Krankenhaus oder einer anderen öffentlichen Einrichtung eingetreten sein, so ist die Absprache mit dem Personal von sehr großer Bedeutung, um diesen die Wichtigkeit der dreitägigen Ruhe zu erklären. Es besteht auch die Möglichkeit einen kleinen Altar mit Opfergaben und Buddha-Bildern aufzubauen. In den allermeisten Fällen stellt dies kein Problem dar, solange andere Patienten oder Mitbewohner nicht gestört werden. Aus medizinischer Sicht muss auch die Thematik der Organspende angesprochen werden, wobei es hier zu einer direkten Entnahme der Organe kommen muss und die dreitägige Wartezeit in keinem Fall eingehalten werden kann. Andererseits kann das Spenden von Organen zum Wohle eines anderen Lebewesens mit dem Buddhismus in Verbindung gebracht werden. Aus buddhistischer Sicht gibt es keine universelle Lösung, sondern es muss sich schon zu Lebzeiten mit dieser Thematik beschäftigt werden, um eine individuelle Lösung für dieses Problem zu finden.53 Sollte nicht bereits zu Beginn der Sterbebegleitung ein Lama oder ein anderer Gelehrter über den bevorstehenden Tod benachrichtig worden sein, so ist dies nun nachzuholen. Die praktizierte Richtung des Vajrayana-Buddhismus, ob Sutra oder Tantra, bedingt auch die weitergehende Form und das Ausmaß der Rituale. Unterschiede sind in der Länge und dem Inhalt der Gebete und Mantren auffindbar. Der Sangha des Verstorbenen kann nun 100 Butterlampen oder Kerzen entzünden und je nach Fähigkeit Chenresig- oder Amitabha-Pujas verrichten. Einfache Mani-Mantras wie Om Mani Padme Hum reichen genauso aus. Das Hauptaugenmerk liegt in der Widmung der Praxis an den Verstorbenen und dem Zusammenschluss aller positiven Strömungen zugunsten einer guten Wiedergeburt. Je nach tibetisch-buddhistischer Schule und Vorbereitung kann nun der Bardo Thödol verlesen werden. Wenn die Praxis des Verstorbenen auf dem Tantra beruht, so kann Powa durch den Sterbenden oder durch eine andere Person für den Sterbenden vollzogen werden. Die Praxis des Powa ist essentiell in der tibetisch-buddhistischen Sterbebegleitung und sollte von jedem erlernt werden. Es existieren viele verschiedene Stufen des Powa. Das am häufigsten ausgeübte ist das „Powa der dreifachen Erkenntnis“, in welcher der Zentralkanal als Pfad, das Bewusstsein als Reisender und der Buddha-Bereich als Ziel 53 Zum Thema Organspende und Buddhismus siehe o.V. (2009): „Buddhistische Standpunkte zur Organspende“. Tibet & Buddhismus (91) 4: 20-26. Elektronisches Dokument: http://www.tibet.de/fileadmin/pdf/tibu/2009/tibu091-2009-20-organspende.pdf, letzter Zugriff: 13.04.2015, 10:49 Uhr). 67 erkannt wird. Meist tritt hierbei der Buddha Amitabha ins Zentrum der Praxis. Der richtige Zeitpunkt für die Ausübung des Powa ist, wenn der äußere Atem aufhört und der innere Atem noch fortbesteht. Anzeichen für ein erfolgreiches Powa sind Veränderungen an der Kopffontanelle in Form von Haarausfall oder der Bildung eines kleinen Loches. Diese Anzeichen können auch nach einer Powa-Übung während des Lebens beobachtet werden. (Sogyal Rinpoche 2003: 279, 281, 283) Im Gegensatz zur Lesung des Bardo Thödol kann die Phowa-Praxis für jeden und unabhängig von der Religion des Verstorbenen getätigt werden. Die Lesung des Bardo Thödol findet in der gleichen Form statt wie es in Kapitel 4.2.7. erklärt wurde. In Deutschland wird eine deutsche Übersetzung des Bardo Thödol verwendet. Wenn der Verstorbene bereits bestattet wurde, kann das Bewusstsein für die 49-tägige Lesung herbeigerufen werden. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 181, 185; Sogyal Rinpoche 2003: 263; Brucker/Sohns 2003: 257ff) Die deutsche Darstellung des Bardo Thodöl in einer für den Westen verständlichen Form ist in Sogyal Rinpoches „Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben. Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod“ aus dem Jahre 2003 zu finden. Es ist keine Übersetzung der Bardo Thodöl Texte, sondern filtert die Essenz dieser Texte heraus, um somit eine Sterbebegleitung in Textform zum Lesen zu Lebzeiten zu entwickeln. Dieses Buch gibt spirituelle Anleitungen für den Umgang mit Verstorbenen und versucht die erforderliche positive Ausgangsbasis zu schaffen. Alle Hilfestellungen und Anweisungen innerhalb dieses Buches sind ein Konglumerat aus buddhistischen und christlichen Praktiken. Die christliche Religion wird hier nicht ausgeblendet, um den Lesern die möglichen Verbindungen aufzuzeigen. Immer wiederkehrend finden sich Zitate aus dem Bardo Thödol. Somit wird dieser durch die Verbindung mit praktischen Beispielen aus dem Alltag von seiner Abstraktheit befreit und für alle Leser zugänglich gemacht. Ob dies mit der tantrischen Idee der Initiation in komplexe Strukturen wie den Bardo Thödol einhergeht, bleibt fraglich. Weitere Totenpraktiken sind das Ne Dren und das Chang Chog. Beide müssen innerhalb der ersten 49 Tage nach Eintritt des Todes praktiziert werden. Wenn der Verstorbene bereits bestattet wurde, so kann auch hier das Bewusstsein, wie bei der Lesung des Bardo Thödol, herbeigerufen und in ein Bildnis überführt werden. Mit diesem Substitut kann auch Powa gemacht werden. Wichtig ist dabei nur, dass das Bildnis nach Vollendung der Übung verbrannt wird. (Brucker/Sohns 2003: 257) Das Ritual des Ne Dren ist für die Führung des Toten innerhalb der einzelnen Bardos durch 68 die meditative Kraft des Ausführenden gedacht. Das Chang Chog (oder Chank Chok) ist eine rituelle Reinigung der sechs karmischen Bereiche54 von den sechs negativen Emotionen55. Dies geschieht wiederum durch Meditationen und Visualisierungen. Das hierfür genutzte Substitut fängt die negativen Emotionen und das Anhaften an das Leben auf und durch das Verbrennen werden diese zerstört. (Heinemann/Müller 2015: 102) Insgesamt werden Gebete und Übungen für den Toten 49 Tage lang verrichtet. Die Beseitigung des Leichnams in Form einer Erd- oder Feuerbestattung kann jedoch ab dem dritten Tag nach Eintritt des Todes zeremoniell gefeiert werden. In Deutschland sind die Bestattungsformen im Gegensatz zu Tibet und anderen buddhistischen Ländern durch die Gesetzgebung eingeschränkt, wobei in der Durchführung der Rituale relativ viel Spielraum gelassen wird. Eine Feuerbestattung bietet sich in „westlichen“ Ländern an und wird auch von den meisten tibetisch-buddhistischen Mitgliedern in Anspruch genommen. Dennoch existieren auch hier keine Gebote, welche eine andere Form der Bestattung, zum Beispiel die Erdbestattung, konsequent ablehnen. Die Feuerbestattung wird dennoch empfohlen, da mit der Asche, die nicht direkt im Anschluss an die Kremation bestattet werden muss, weitere Reinigungsrituale möglich sind. Im deutschen Kontext ist vor allem bei konvertierten Buddhisten darauf zu achten, dass die Angehörigen des Verstorbenen in den meisten Fällen keinen Bezug zum Buddhismus haben. Aus diesem Grund ist eine eher neutrale Form der Bestattunszeremonie zu wählen und wird auch von einem Großteil der konvertierten Buddhisten gewünscht. Der Ablauf der Bestattungszeremonie folgt dementsprechend keinen festgelegten Regeln, sondern wird dem Maße der zu Lebzeiten ausgeführten Praxis angepasst. Je mehr sich die verstorbene Person innerhalb ihres Lebens mit der buddhistischen Lehre auseinandergesetzt hat, desto stärker fallen die buddhistischen Elemente der Zeremonie aus. Dagyab Kyabgön Rinpoche zählt einige Merkmale auf, welche eine buddhistische Bestattungszeremonie auszeichnen. Die Wahl der Musik unterscheidet sich durch die fernöstlichen Klänge von anderen Bestattungszeremonien. Um ein ausgleichendes Verhältnis zu schaffen, wird neben meditativen Klängen auch westlich geprägte Musik abgespielt. Neben der Ansprache eines Trauerredners erfolgt meist noch eine kurze Ansprache eines 54 Die sechs karmischen Bereiche: Hölle, Welt der Hungergeister, Tierwelt, Menschenwelt, Welt der Halbgötter und Welt der Götter. Jedem der sechs Bereiche wird eine negative Emotion zugeschrieben (Sogyal Rinpoche 2003: 361). 55 Die sechs negativen Emotionen: Hass, Habgier, Unwissenheit, Zweifel, Eifersucht und Stolz (Sogyal Rinpoche 2003: 361). 69 Sangha-Mitglieds oder Lehrers, in welcher die Zusammenhänge zwischen Karma und Reinkarnation verdeutlicht werden. Damit sich die nicht-buddhistischen Angehörigen nicht fremdartig fühlen, sollte hier auf fachterminologische Begriffe verzichtet werden. Am Ende der Trauerfeier kann eine stille Meditation abgehalten werden, während dieser nichtbuddhistische Teilnehmer eine Schweigeminute ablegen können. Handelte es sich bei dem Verstorbenen um einen intensiv Praktizierenden, so kann die Ansprache auch für eine Lehrunterweisung zum Tod genutzt werden. Zudem können in diesem Teil der Bestattungszeremonie Rezitationen, wie das Lama-Chöpa-Puja, oder Wunschgebete und Mantras zur Vermeidung schlechter Wiedergeburten, wie Chenresig oder Amitabha, verlesen werden. Durch die Einschränkungen innerhalb der Krematorien in Deutschland sind keine großen Einäscherungsrituale möglich. Hier haben sich bereits Ersatzhandlungen entwickelt. Da nicht alle Teilnehmer der Trauerzeremonie direkt bei der Einäscherung anwesend sein dürfen, müssen die notwendigen Gebete von jeder anteilnehmenden Person alleine ausgeführt werden. Die Einäscherung betreffend ist es ratsam das Reinigungsritual Sbyangs-chog zu vollziehen. Wenn die Asche des Verstorbenen nicht direkt bestattet wird, so kann diese einem weiteren Reinigungsritual (Rus-chog) unterzogen werden. Alle Reinigungsrituale bezwecken eine Reinigung der Form, der Wahrnehmung und des Bewusstseins des Verstorbenen von den sechs negativen Emotionen innerhalb der sechs karmischen Bereiche. Während einer Erdbestattung kann solch ein Reinigungsritual auch für die Erde, welche symbolisch von der Trauergemeinde auf das Grab geworfen wird, stattfinden. Hierbei wird ein Mantra aufgesagt und mit der Ausatmung auf die zu werfende Erde übertragen. (Dagyab Kyabgön Rinpoche 2010: 186ff; pers. Gespr. Aguilar-Raab: 01.12.2014) Unabhängig von der tatsächlichen Trauerfeier werden in den großen Zentren weitere Schritte getätigt, welche sicherstellen sollen, dass dem Verstorbenen die größtmögliche Unterstützung in Form von Gebeten zukommt. Es wird von allen dazu qualifizierten Beteiligten des jeweiligen Sanghas unterstützendes Powa geleistet. Außerdem wird der Verstorbene in die tägliche Praxis eingebunden, welche natürlich unterschiedlich ausfallen kann. Der Tod bietet immer wieder eine Chance die eigene Zukunft und Vergänglichkeit zu reflektieren und ist eine der zentralen Antriebskräfte der buddhistischen Praxis. Zu den postzeremoniellen Ritualen gehört auch das Lesen des Bardo Thödol unter vorheriger Rufung des Bewusstseins des Verstorbenen. Über tibetisch-buddhistische Zentren können große Klöster in Asien kontaktiert und gegen eine Spende weitere Lesungen, Gebete und Reinigungsrituale in 70 Auftrag gegeben werden. In den 49 Tagen nach Eintritt des Todes kann das einmalige Trauerritual der Sur-Opferung stattfinden. Durch das Verbrennen von Substanzen wie Essen, Trinken, Stoff oder gerösteter Gerste (Tsampa) mit Butter vermischt entsteht Rauch, welcher dem Bardo-Wesen als Nahrung dient und dieses besänftigt. Um dieses symbolische Ritual ausführen zu können, ist eine Einweisung durch einen Lehrer nicht notwendig. Dementsprechend ist es als ein persönliches Trauerritual zu deuten. (Brucker/Sohns 2003: 259; pers. Gespr. Aguilar-Raab: 01.12.2014) Die Rigpa-Zentren in Deutschland haben für den Einbezug der verstorbenen Mitglieder Gebetslisten entwickelt, welche von dem Hauptzentrum in Berlin an alle Rigpa-Zentren deutschlandweit verschickt werden. Neben Verstorbenen werden aber auch die Namen von Mitgliedern, welche gerade eine schwere Zeit durchleben, durch diese Listen weitergegeben. Das Rigpa-Zentrum in Frankfurt a.M. führt zweimal im Monat eine Lesung durch, in welchen die Personen dieser Gebetsliste in die Praxis aufgenommen werden. Stirbt ein Mitglied des Sangha in Frankfurt a.M., werden die 49 Tage nach Eintritt des Todes und die jeweiligen Übungen, wie die Praxis des Bardo Thodöl, unter den Mitgliedern aufgeteilt, sodass jeder an einem Tag den Verstorbenen in seine Praxis aufnimmt. Die Gebetslisten werden nicht nur innerhalb der deutschen Rigpa-Gemeinschaft ausgetauscht. Auch das Rigpa-Retreat-Zentrum Lerab Ling in Frankreich wird benachrichtigt und die Namen der Verstorbenen werden auch nach Indien weitergegeben. Dort werden sie in einer Art und Weise in die tägliche Praxis und Rituale eingebunden wie es in den einzelnen Zentren nicht möglich wäre. (pers. Gespr.. Mohry: 07.04.2015) Tibetisch-buddhistische Bestattungen können per se nicht von anderen buddhistischen oder konfessionslosen Bestattungen unterschieden werden. Der Ablauf ist bei allen sehr ähnlich, da es in Deutschland viele formelle Rahmenbedingungen zu beachten gilt und diese einen bestimmten zeremoniellen Ablauf bedingen. Durch die christliche Prägung der deutschen Bestattungskultur werden christliche Aspekte nicht ausgegrenzt, sondern kritisch betrachtet und möglicherweise sogar adaptiert. Aufgrund der geringen Anzahl tibetisch-buddhistischer Bestattungen in Deutschland kann noch von keiner etablierten und eigenständigen Bestattungskultur gesprochen werden. Die Anfänge dieser befinden sich in der Herausbildung und durch die Abänderung von tibetischen Praktiken wird versucht etwas Eigenes zu erschaffen. (pers. Gespr. Aguilar-Raab: 01.12.2014) Die beschriebenen Methoden der Gestaltung einer tibetisch-buddhistischen Bestattung 71 können im Gegensatz zu den vietnamesisch-buddhistischen Bestattungszeremonien in Deutschland eher dem Konzept des „westlichen“ Buddhismus zugeordnet werden, welches ich im Folgenden vorstellen werde. 5.5. Die Die Entwicklung eines „deutschen“ Buddhismus Einwanderung des Buddhismus nach Deutschland ist von verschiedenen Ausgangspunkten zu betrachten. Neben der Mitnahme des buddhistischen Glaubens durch asiatische Einwanderer soll vor allem die eigenständige Entwicklung eines deutschen Buddhismus und die Motive zur Konversion deutscher Bürger hervorgehoben und mit dem vorherrschenden gesellschaftlichen Umfeld in Verbindung gebracht werden. Martin Baumann unterscheidet zwei verschiedene Gruppen von buddhistisch Konvertierten: die analytischen Rationalisten und die romantischen Sucher. Mit der ersten Gruppe beschreibt er die Begegnung deutscher „Bildungsbürger“ mit dem Buddhismus zu der Zeit der vergangenen Jahrhundertwende, allen voran Arthur Schopenhauer56. Die intellektuelle Annäherung an die buddhistische Lehre bildet den Grundstein zur Adaption buddhistischer Praktiken in das deutsche kulturelle Umfeld. Der Buddhismus tritt hier vor allem als Lehre auf, da zu dieser Zeit kein „gelebter“ Buddhismus in Deutschland praktiziert wurde. Diese Bewegung kann angelehnt an die „Armchair Anthropology“ als „Armchair Buddhism“ bezeichnet werden, bei welchem sich Wissen über den Buddhismus über Sekundärquellen beschafft wurde. Ein persönliches und aktives Erlebnis mit dem Buddhismus war in den meisten Fällen noch nicht vorangegangen. Als erste buddhistische Organisation ist der von Dr. Karl Seidenstücker im Jahre 1903 in Leipzig gegründete „Buddhistische Missionsverein in Deutschland“ zu nennen. Die Bezeichnung als Missionsverein ist irreführend, da es sich im Buddhismus keinesfalls um eine missionierende Religion handelt, sondern um eine auf Eigenständigkeit und Individualität in der Ausführung buddhistischer Praktiken beruhende Glaubensrichtung. Eine weitere wichtige Anlaufstätte für Buddhismus-Interessierte bildete das 1924 von Dr. Paul Dahlke initiierte „Buddhistische Haus“ in Berlin. 57 In dieser Zeit wurde versucht, den Buddhismus für westliche Rezipienten verständlich zu machen. Dies geschah 56 Arthur Schopenhauer beschäftigte sich bereits 1836 mit dem Buddhismus in seiner Schrift „Über den Willen der Natur“. Klaus-Josef Notz sieht in Schopenhauer den „[…] Wegbereiter des Buddhismus im Abendland […]“ (Notz 1984: 33). 57 Für eine ausführliche Übersicht buddhistischer Organisationen in der Zeit um die Jahrhundertwende in Deutschland siehe Notz, Klaus-Josef (1984): Der Buddhismus in Deutschland in seinen Selbstdarstellungen. Eine religionswissenschaftliche Untersuchung zur religiösen Akkulturationsproblematik. Frankfurt a.M.: Peter Lang, 42-58. 72 hauptsächlich durch die kritische Gegenüberstellung des Buddhismus mit dem Christentum. Im Zentrum der Diskussion standen in erster Linie der Theravada-Buddhismus und der PaliKanon in der Übersetzung von Karl Eugen Neumann. (Baumann 1995a: 208ff, Baumann 1995b: 54-58) Neben der literarischen Auseinandersetzung in der anfänglichen Buddhismus-Rezeption sind auch immer mehr die persönliche und regionale Begegnung mit dem Buddhismus als Motiv zur Konversion wichtig geworden. Alle drei Stränge sind nicht nur auf die frühe Phase des „deutschen“ Buddhismus anzuwenden, sondern finden sich auch in der gegenwärtigen Buddhismusrezeption wieder. Lediglich die Schwerpunkte wurden hier verlagert. Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem die schriftlichen Grundlagen und die intellektuelle Auseinandersetzung von großer Bedeutung, nahmen die Begegnungen mit buddhistischen Mönchen und Reisen in buddhistisch geprägte Länder mit der Zeit immer mehr zu. Die Begegnung mit dem Buddhismus innerhalb eines außereuropäischen Kontextes führt aber immer wieder zu Literaturquellen zurück, da die erstmalige Konfrontation meist ein Verlangen nach Antworten hinterlässt, welche bei der Rückkehr nach Deutschland nur durch ein Literaturstudium zu beantworten sind. Dementsprechend sind die literarische, persönliche und regionale Begegnung als sich gegenseitig bedingende Motive zur buddhistischen Konversion zu nennen. (Baumann 1995a: 211, pers. Gespr. Mohry: 07.04.2015) In der Nachkriegszeit des Ersten und Zweiten Weltkriegs wurde der Drang nach einem gelebten Buddhismus immer größer. Viele der Repräsentanten des zuvor genannten „Armchair Buddhism“ machten sich auf den Weg nach Asien und unterzogen sich sogar einer mehrjährigen Lehre zum Mönch. Die Zuwendung zu devotionalen Aspekten des Buddhismus trat in den Vordergrund. Ab den 1960er Jahren lässt sich eine Umkehrung der Bedeutung des Buddhismus für die einzelne Person feststellen. Die von Baumann betitelten „analytischen Rationalisten“ werden von den „romantischen Suchern“ abgelöst. Die Schwerpunktverschiebung lässt sich in der Konzentration auf die meditativen Elemente des Buddhismus beobachten. Wurde dem Buddhismus zuvor bloß von dem sogenannten „Bildungsbürgertum“ Aufmerksamkeit geschenkt, so sind es jetzt vor allem die esoterisch und spirituell Interessierten, welche im Buddhismus nicht bloß eine Religion, sondern eine angestrebte Lebenspraxis sehen. Die im vorherigen Kapitel als „Pop-Buddhismus“ bezeichnete Entwicklung nimmt hier ihren Anfang. Der japanische Zen-Buddhismus und der Vajrayana-Buddhismus aus Tibet gewinnen immer mehr Aufmerksamkeit und werden durch zahlreiche Besuche tibetischer Mönche in ihrer Außenwirkung bestärkt. (Baumann 2001: 16) 73 Als einen ersten Schritt zu einer Vereinhaltlichung des neuen vielfältigen Angebotes an buddhistischen Zentren wurden diese unter dem Dachverband „Deutsche Buddhistische Union e.V.“ zusammengefasst. Die DBU wurde zum ersten Mal aktiv, als es darum ging eine eingetragene „Buddhistische Religionsgemeinschaft“ in Deutschland zu etablieren. Von staatlicher Seite mussten dazu einige Anforderungen, wie ein einheitliches Bekenntnis und eine gewisse Anzahl an Mitgliedern, erfüllt werden. Das Bekenntnis wurde 1984 verabschiedet und wird zwar von allen in Deutschland vertretenen Schulen anerkannt, ist dennoch nicht verpflichtend für die Mitgliedschaft in einem buddhistischen Verein. 58 Die Entwicklung eines buddhistischen Bekenntnisses in Deutschland bleibt einzigartig im globalen Kontext und ist kritisch zu betrachten, da es sich bei dem Buddhismus grundsätzlich um keine Bekenntnisreligion wie dem Christentum handelt. Die Anerkennung als „Körperschaft öffentlichen Rechtes“ und somit als Religion wurde in Deutschland nicht erreicht und die einzelnen buddhistischen Zentren bleiben weiterhin als eingetragene Vereine tätig, womit Hilfestellungen von staatlicher Seite nicht stattfinden. (Kantowsky 1994: 98ff) Der Buddhismus in Deutschland wächst aber nicht nur durch die steigenden Gründungen von Zentren durch Konvertierte. Durch den zunehmenden Flüchtlingsstrom aus Südostasien wurde auch der asiatische Buddhismus in seiner gelebten Praxis nach Deutschland 58 Buddhistisches Bekenntnis: Ich bekenne mich zum Buddha als meinem unübertroffenen Lehrer. Er hat die Vollkommenheiten verwirklicht und ist aus eigener Kraft den Weg zur Befreiung und Erleuchtung gegangen. Aus dieser Erfahrung hat er die Lehre dargelegt, damit auch wir endgültig frei von Leid werden. Ich bekenne mich zum Dharma, der Lehre des Buddha. Sie ist klar, zeitlos und lädt alle ein sie zu prüfen, anzuwenden und zu verwirklichen. Ich bekenne mich zum Sangha, der Gemeinschaft derer, die den Weg des Buddha gehen und die verschiedenen Stufen der inneren Erfahrung und des Erwachens verwirklichen. Ich habe festes Vertrauen zu den Vier Edlen Wahrheiten: Das Leben im Daseinskreislauf ist letztlich leidvoll. Ursachen des Leidens sind Gier, Hass und Verblendung. Erlöschen die Ursachen, erlischt das Leiden. Zum Erlöschen des Leidens führt der Edle Achtfache Pfad. Ich habe festes Vertrauen in die Lehre des Buddha: Alles Bedingte ist unbeständig. Alles Bedingte ist leidvoll. Alles ist ohne eigenständiges Selbst. Nirvana ist Frieden. Ich bekenne mich zur Einheit aller Buddhisten und begegne allen Mitgliedern dieser Gemeinschaft mit Achtung und Offenheit. Wir folgen dem Buddha, unserem gemeinsamen Lehrer und sind bestrebt seine Lehre zu verwirklichen. Ethisches Verhalten, Sammlung und Weisheit führen zur Befreiung und Erleuchtung. Ich übe mich darin keine Lebewesen zu töten oder zu verletzen, Nichtgegebenes nicht zu nehmen, keine unheilsamen sexuellen Handlungen zu begehen, nicht unwahr oder unheilsam zu reden, mir nicht durch berauschende Mittel das Bewusstsein zu trüben. Zu allen Lebewesen will ich unbegrenzte Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut entfalten im Wissen um das Streben aller Lebewesen nach Glück. http://www.buddhismus-deutschland.de/ziele-der-dbu/satzung-der-dbu/, letzter Zugriff: 29.04.15, 13:38 Uhr. 74 importiert. Beide unterscheiden sich grundlegend in der Bedeutung, welche der Buddhismus in ihrem Leben einnimmt. Für die in Deutschland aufgenommenen asiatischen Flüchtlinge stellt der Buddhismus und der Aufbau einer organisatorischen Struktur durch Zentrengründungen die Bewahrung der Heimat in der Fremde und den Erhalt ihrer nationalen Identität dar. (Baumann 2001: 17f) Grundsätzlich bleiben die „ethnischen“ Buddhisten in Deutschland unter sich, was in meinen Ausführungen zum vietnamesischen Buddhismus in Deutschland festgestellt werden konnte. Eine Ausnahme bildet der tibetische Buddhismus, welcher in der Diaspora durch Transformationen versucht, einen westlichen Vajrayana-Buddhismus zu erschaffen. Ein Beispiel ist die bereits erwähnte Publikation „Das tibetische Buch vom Leben und Sterben“ von Sogyal Rinpoche. An der Rezeption dieses Buches können sehr gut die Veränderungen innerhalb der buddhistischen Praxis in der Diaspora beobachtet werden. „Das tibetische Buch vom Leben und Sterben“ baut auf die Bardo Thödol-Lesung während des Sterbeprozesses auf und erweitert dieses Konzept der Leitung durch die Bardo-Stufen auf das Leben. Ist der Bardo Thödol als praktischer Ritualtext im tibetischen Buddhismus angelegt, so werden in Sogyal Rinpoches Ausführungen nur wenige praktische Anweisungen gegeben. Viel mehr soll das Buch eine intellektuelle Diskussion über das Leben und den Tod anregen und steht somit in der Tradition einer schriftlichen Buddhismusrezeption im Westen. Wie bereits in vorherigen Kapiteln erwähnt, kann in der Diaspora die Veränderung der Lehrer-SchülerBeziehung zugunsten der Eigenständigkeit der Laien ausgemacht werden. Dies ist auch hier der Fall, da es traditionell nur Ritualspezialisten erlaubt war den Bardo Thödol zu verlesen. Nun sind auch Laien dazu aufgefordert sich mit der Aufgabenstellung eines Ritualspezialisten zu beschäftigen und diesen im diasporischen Kontext zu ersetzen. Zudem findet eine Erweiterung der Anwendung der Bardo Thödol Texte auf säkuläre Institutionen statt. Vor allem die Hospizarbeit und das eigens von Sogyal Rinpoches Rigpa-Fellowship konstituierte Spiritual Care Program (SCP), in welchem tibetisch-buddhistische Lehren und Praktiken durch Aubildungsangebote an Fachpersonal weitergegeben werden, sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen.59 In dieser Anpassung an westliche Gegebenheiten ist leider auch eine Universalisierung der buddhistischen Lehre zu beobachten. Ähnliche Beobachtungen können auch für die Diamondway-Zentren gemacht werden. Der Buddhismus in Deutschland und allgemein in euro-amerikanischen Ländern wird immer mehr als 59 Im Zusammenhang mit dem Spiritual Care Program (SCP) ist auch das Spiritual-Care-Center-Projekt „Sukhavati“ in Bad Saarow zu erwähnen. Vgl. Göppert, Almut (2014): „Ein Haus zum Leben und Sterben. Das Spiritual-Care-Center-Projekt „Sukhavati“ in Bad Saarow“. In: Buddhismus Aktuell 4 (2014): 23-27. 75 Spiritualismus und weniger als Religion betrachtet. Als spirituelles Konzept ist die buddhistische Lehre zwar unabhängig von religiöser oder kultureller Zugehörigkeit als universelles Mittel einsetzbar, wird aber durch ihre Dekontextualisierung aus ihrem religiösen Umfeld gerissen.60 (Rakow 2008: 82-104) Die intensive Beschäftigung mit dem Tod hat zur Folge, dass sich auch mit der Ausrichtung einer buddhistisch orientierten Trauerfeier bereits zu Lebzeiten auseinandergesetzt wird. 5.6. „Deutsch-buddhistische“ Bestattungen und Bestattungsrituale „Deutsch-buddhistische“ Bestattungen müssen vor allem im Kontext mit der hier vorherrschenden Bestattungskultur betrachtet werden, welche noch immer sehr stark vom Christentum geprägt ist. Obwohl sich eine immer stärkere Säkularisierung von Bestattungen deutlich abzeichnet, ist auch der Ablauf einer konfessionslosen Bestattung an christliche Bestattungen angelehnt. Der Überbegriff „deutsch-buddhistisch“ beschreibt alle Richtungen des Buddhismus, welche von konvertierten Deutschen ausgeübt werden. An die vorherige Prägung durch eine anderweitige Religion, welche vor der Konversion aktiv oder passiv das Leben der jeweiligen Person beeinflusst hat, werden die buddhistischen Elemente einer Trauerfeier angepasst. Mit steigendem Alter ist die christliche Prägung, hauptsächlich durch das Elternhaus, so weit fortgeschritten, dass trotz Konzentration auf die buddhistische Lehre eine Trauerfeier mit Pfarrer und eine Bestattung auf einem kirchlichen Friedhof gewünscht wird. Neben dieser „vor-buddhistischen“ Prägung spielt auch das Ausmaß der buddhistischen Praxis im Alltag eine große Rolle. B. Allan Wallace kann drei verschiedene Gruppen von „westlichen“ Praktizierenden identifizieren. Die erste Gruppe setzt sich aus gelegentlichen Teilnehmern an Meditations- und Retreat-Veranstaltungen zusammen. Die zweite Gruppe geht eine Lehrer-Schüler-Beziehung ein, nimmt an regelmäßigen Veranstaltungen teil und regelt die Angelegenheiten des Zentrums auf organisatorischer Basis. Die dritte Gruppe sieht Wallace als diejenigen an, die sich dem Buddhismus in all seinen Facetten verschrieben haben. Die buddhistische Lehre wird in alle Teilbereiche des Lebens konsequent eingebaut. (Wallace 2002: 34f) Dementsprechend werden die buddhistischen Elemente innerhalb einer Trauerfeier bei 60 Siehe zu Hospizarbeit und Buddhismus auch Garces-Foley, Kathleen (2003): „Buddhism, Hospice and the American Way of Dying“. In: Review of Religious Research 44 (4): 341-353. 76 letzterer Gruppe überwiegen. Während die Trauerfeiern der ersten beiden Gruppen als „buddhistisch-orientiert“ bezeichnet werden können, kann innerhalb der dritten Gruppe von einer „buddhistischen“ Trauerfeier gesprochen werden. Meine Interviews habe ich mit Repräsentanten der ersten beiden Gruppen geführt und stütze meine Beobachtungen demnach auf den Komplex „buddhistisch-orientierter“ Bestattungen. Wie kann eine Religion, die dem Tod so nahe steht und diesen nicht als Ende, sondern als Anfang sieht, sich in einem Umfeld etablieren, in welchem der Tod an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurde? Schon Carl Gustav Jung erwähnte diese moderne Verdrängung des Todes in seinem Geleitwort zum Tibetanischen Totenbuch von Evans-Wentz. „Abgesehen von den Seelenmessen der katholischen Kirche ist aber unsere Sorge für die Abgeschiedenen rudimentär und auf niederster Stufe, nicht etwa, weil wir uns von der Unsterblichkeit der Seele nicht hinlänglich überzeugen können, sondern weil wir das seelische Bedürfnis wegrationalisiert haben. Wir benehmen uns so, wie wenn wir dieses Bedürfnis nicht hätten, und weil man an die Fortdauer nach dem Tode nicht glauben kann, darum tut man eben überhaupt nichts.“ (Jung 2000 [1960]: 54) Auch Philippe Ariès betrachtet in seinen „Studien zur Geschichte des Todes im Abendland“ die Entwicklung der Todesverdrängung seit dem Mittelalter. Ariès beschreibt den Tod als ein „[…] technisches Phänomen […]“ (Ariès 1981: 59), welcher durch die Verlagerung des Todesortes in Krankenhäuser und Altersheime aus dem Alltag verbannt wurde und eine Entritualisierung zur Folge hatte. Das hospitalisierte Sterben ist hauptverantwortlich für den fehlenden Kontakt zu Sterbenden oder Verstorbenen. Die Entritualisierung macht sich hier vor allem in dem fehlenden Ritual der Waschung, Kleidung und Einsargung des Leichnams bemerkbar, welches als eines der wichtigsten Abschiedsrituale gilt. (Berger-Zell 2013: 97) In der Form der Bestattung sieht Ariès eine weitere Abkehr von der Allgegenwärtigkeit des Todes. „Hat man sich des Toten erst einmal entledigt, ist keine Rede mehr davon, sein Grab aufzusuchen. In den Ländern, in denen die Revolutionisierung des Todes und des Totenkultes einschneidend ist, etwa in England, wird die Einäscherung zur vorherrschenden Bestattungsweise. Wo die Feuerbestattung – zuweilen mit anschließender Zerstreuung der Asche – überwiegt, liegen die Gründe dafür nicht nur im bewußten Entschluß, mit der christlichen Tradition zu brechen, einer Äußerungsform von enlightenment (Aufklärung), von Modernität; die eigentliche und tieferliegende Motivation gibt zu erkennen, daß die Einäscherung als das radikalste Mittel aufgefaßt wird, die sterblichen Überreste 77 verschwinden und vergessen zu machen […].“ (Ariès 1981: 60) Die öffentliche Auslebung von Trauer gilt in der „westlichen“ Welt als Zeichen für eine labile Persönlichkeit.61 „Allzu augenfälliger Schmerz erweckt nicht Ehrerbietung, sondern Widerwillen: er ist ein Zeichen von geistiger Verwirrung oder von schlechter Erziehung; er ist morbide.“ (Ariès 1981: 60) Zwar ist es während einer buddhistischen Bestattung auch nicht gestattet öffentliche Trauerbekundungen auszuführen, dennoch wird die Trauer hier nicht negiert, sondern es werden andere Möglichkeiten aufgezeigt, um mit der Trauer umzugehen und diese in die individuelle buddhistische Praxis einzubauen. Im Laufe der Entwicklung einer Todesverdrängung ist auch ein Zuwachs des „Geschäftes mit dem Tod“ zu verzeichnen. Durch den Einbezug eines Bestatters und der, vor allem im amerikanischen Bereich oftmals verwendeten, Präparation des Leichnams wird die Distanz zwischen den Hinterbliebenen und den Toten immer größer. Der Bestatter nimmt in der modernen Gesellschaft viele Rollen ein. Er kann Seelsorger sein, aber auch den Tod von den Hinterbliebenen durch seine Arbeit komplett fernhalten, zum Beispiel durch die Präparation des Leichnams. Lediglich die Tatsache, dass der Verstorbene nicht mehr präsent ist, wird von den Hinterbliebenen mit dem Tod assoziiert. Der Bestatter löst durch seine immer weiter fortschreitende Professionalisierung die Familie und die Kirche als erste Instanz nach dem Tod ab. Durch die Nutzung eigener Räumlichkeiten zur Lagerung der Leichname entfällt auch der Ritualort des Hauses oder der Kirche, in welchem Angehörige Abschiedsrituale vollziehen konnten. Neue Orte der Trauer finden Einzug in das Leben der Hinterbliebenen. Hierzu gehören neben den Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens auch Trauerhallen oder Krematorien. (Ariès 1981: 65; Berger-Zell 2013: 113f) Der Tod ist demnach das größte Tabu der modernen Gesellschaft geworden und zieht sich durch alle Generationen. Ein Ende ist vom heutigen Standpunkt aus nicht in Sicht. 62 Der 61 Siehe dazu die Diskussion um eine „gesunde“ Trauerzeit: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/trauerzeit-laut-dsm-5-nicht-laenger-als-zwei-wochen13278887.html (Artikel vom 25.11.2014, zuletzt aufgerufen: 22.04.2015, 15:22 Uhr) 62 Eine gute Übersicht über die Faktoren, welche die Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft begünstigten, bietet Joachim-Meyer, Sandra (2004): Sinnbilder von Leben und Tod. Die Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft. Marburg: Tectum-Verlag. Joachim-Meyer spricht von dem Verlust „symbolischer Sinnwelten“ durch die Säkularisierung und den damit einhergehenden Verlust eines Todesbildes, welches zuvor durch die (im europäischen Kontext christliche) Religion vorgegeben wurde. (59ff) Hier kann der Buddhismus ansetzen, indem er den sich vom Christentum abwendenden Individuen eine mit „symbolischen Sinnwelten“ aufgeladene Alternative bietet. Weiterführend zu der Thematik Todesverdrängung vgl. Nassehi, Armin und Georg Weber (1989): Tod, Modernität und Gesellschaft. Entwurf einer Theorie der Todesverdrängung. Opladen: Westdeutscher. Weiterführend zu der Thematik Technisierung und Hospitalisierung des Todes vgl. Fischer, Norbert (1997): Wie wir unter die Erde kommen. Sterben und Tod zwischen Trauer und Technik. Frankfurt a.M: Fischer. 78 Buddhismus steht dem Tod aber mit einer großen Offenheit gegenüber, weswegen er immer mehr Anklang in der deutschen Bevölkerung findet. Eine eigenständige „deutsch-buddhistische“ Bestattungskultur, welche auf alle Konvertierten gleichermaßen angewendet werden kann, ist nicht vorhanden. Die Individualität der Bestattungsfeier und der damit einhergehenden Bestattungsrituale steht im Vordergrund. Dennoch können von Zentrum zu Zentrum eigene Maßnahmen zum Umgang mit dem Tod eines Mitgliedes verzeichnet werden. Wie bereits im tibetisch-buddhistischen Kontext erläutert, nehmen die Rigpa-Zentren das „Tibetische Buch vom Leben und Sterben“ als Ausgangspunkt für ihre Handlungen. Eine Besonderheit innerhalb „deutsch-buddhistischer“ Zentren, welche nicht an eine große Organisation angeschlossen sind, bildet die buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V. in Hannover. In einem kleinen Raum der vietnamesischen Pagode treffen sich Mitglieder des Zentrums, welches zwar als tibetisch-buddhistisches Zentrum ausgezeichnet, dennoch offen für alle Richtungen der buddhistischen Lehre ist. Die Räumlichkeiten weisen neben tibetischen Thangkas und einem nepalesischen Buddha in der Mitte auch Darstellungen thailändischer Buddha-Statuen auf, welche aus der Symbolik des Theravada stammen. (Baumann 2000: 87) Gemeinsam mit dem Buddhistischen Bund Hannover e.V. entwickelte das Chöling-Zentrum in der Arbeitsgruppe „Krankheit und Sterben“ einen Leitfaden für eine buddhistischorientierte Bestattungszeremonie. Die Broschüre „Des Buddhisten letzter Weg“ ist für die Mitglieder des Zentrums frei zugänglich und soll im Folgenden erörtert werden. „Des Buddhisten letzter Weg“ orientiert sich an der deutschen nich-tkirchlichen Bestattungskultur mit einem zweiteiligen Ritus, der aus einer Ansprache mit musikalischer Begleitung und einer Prozession mit anschliessender Verabschiedung am Grab besteht. Christlicher Bestattungsfeiern entsprechend finden sich einige Konstanten auch in nichtkirchlichen Zeremonien wieder.63 Hierzu gehören die Ansprache eines freien Redners, die musikalische Untermalung der Zeremonie, die Trauerprozession zum Grab und an der Grabstelle ausgeführte Rituale wie der Erdwurf. Der Unterschied zu christlichen Bestattungen ist also inhaltlicher und nicht struktureller Form. (Sörries 2008: 156, Kirsch 2009: 180ff) Zu dem Wandel im Umgang mit dem Tod vgl. Feldmann, Klaus (1997): Sterben und Tod. Sozialwissenschaftliche Theorien und Forschungsergebnisse. Opladen: Leske und Budrich. 63 Vgl. Pahnke McIntosh, Donate (2009): „Trauerrituale im nichtkonfessionellen Kontext“. In.: Heller, Birgit und Franz Winter (Hg.) (2009): Tod und Ritual. Interkulturelle Perspektiven zwischen Tradition und Moderne. Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Religionswissenschaft (Band 2). Wien: LIT: 189-209. 79 Anstatt wie bei einer christlichen Bestattung aus der Bibel zu zitieren, werden bei einer konfessionslosen Trauerzeremonie anderweitige Texte oder Gedichte verlesen. Innerhalb einer buddhistisch-orientierten Bestattung werden dementsprechend Lehrunterweisungen des Buddha oder buddhistische Erzählungen zu Tod und Wiedergeburt vorgetragen. Die Traueransprache sollte im Idealfall von einem Mitglied des Sangha gehalten werden. Wenn sich kein Mitglied dazu bereit erklärt, ist ein außenstehender Trauerredner hinzuzuziehen, welcher eine positive Einstellung zum Buddhismus hat. Meist steht bereits ein Trauerredner in Kontakt mit dem jeweiligen Zentrum und wird von diesem als erster Ansprechpartner gewählt. Inhalt der Rezitationen und Rituale richten sich individuell nach der Schulrichtung des Verstorbenen. Die Broschüre stellt somit einen, auf jede Buddhismusinterpretation anwendbaren Leitfaden zusammen. Ergänzend können Rituale wie Lesungen aus dem Totenbuch in den Ablauf eingebaut werden. Die Broschüre gibt auch eine Hilfestellung für die Maßnahmen, welche vor dem Tod von der betroffenen Person beachtet werden müssen. Zunächst sollte der Wunsch nach einer buddhistisch-orientierten Bestattungsfeier schriftlich festgehalten werden. Hierzu gehört nicht nur die Benachrichtigung der Angehörigen, sondern eine schriftliche „Regelung für meine Trauerfeier“, die der Broschüre als Muster beigefügt ist. In diesem Schriftstück soll festgelegt werden, welches Zentrum beziehungsweise welcher Sangha im Falle des Todes Hilfestellung bei der Ausrichtung der Feier geben soll. Wichtig scheint dies vor allem aufgrund der Tatsache, dass die Familienangehörigen in den meisten Fällen selbst keine Erfahrung mit den Notwendigkeiten einer buddhistisch-orientierten Trauerfeier haben. Neben dieser Maßnahme wird darauf hingewiesen sich nach dem Tod nicht nur an das gewünschte buddhistische Zentrum, sondern auch an ein Bestattungsinstitut zu wenden, um alle Formalitäten bezüglich des Todes zu klären. Auch hier wird ein Bestattungsinstitut genannt, welches in Zusammenarbeit mit Chöling e.V. bereits buddhistisch-orientierte Bestattungen durchgeführt hat. In meinen Gesprächen mit den Bestattern Herrn Steenebrügge aus Aachen und Herrn Gscheidel aus Berlin wird die Bindung eines Sangha an ein bestimmtes Bestattungsinsitut deutlich. Im Fall von Herrn Steenebrügge, welcher sich nach eigenen Aussagen nicht mit der buddhistischen Lehre auskennt, ist eine Vertrauensbasis mit der vietnamesischen Gemeinde in Aachen aus jahrelanger Zusammenarbeit bei Todesfällen hervorgegangen. Auch wenn 80 keinerlei Bezug zum Buddhismus von Seiten des Bestatters aufzufinden ist, so ist dies dennoch kein Ausschlusskriterium für die Ausrichtung buddhistisch-orientierter Bestattungen. Der Berliner Bestatter Herr Gscheidel bildet eine interessante Ausnahme in der „buddhismusfremden“ Bestattungskultur. Als praktizierender Buddhist in tibetischer Tradition seit 35 Jahren ist sein Blickwinkel auf buddhistische Bestattungen anders als bei Herrn Steenebrügge. Hier kann zum Beispiel ein engerer Kontakt zu den Hinterbliebenen aufgrund der gleichen Gesinnung geknüpft werden. Es ist aber nicht unbedingt notwendig ein „buddhistisch-orientiertes“ Bestattungsunternehmen zu engagieren, da das Bestattungsunternehmen lediglich die formalen Angelegenheiten wie Überführungen von Leichenhallen zu den Bestattungsörtlichkeiten übernimmt und die inhaltlichen Aspekte der Bestattungszeremonie von den Angehörigen und dem Sangha organisiert werden. Der Bestatter kann ebenfalls zwischen der Kommune und dem Sangha bezüglich der Ausschmückung der Trauerhalle vermitteln. Gesetzlich vorgeschrieben ist die Einberufung eines Bestatters zwar nicht, aber der Transport des Leichnams oder die notwendige Kühlung bis zur Bestattung sind in der Gesetzgebung festgelegt und können nur durch ein Bestattungsunternehmen gewährleistet werden. 64 Der Ablauf der Feier unterliegt den in den vorherigen Kapiteln zu buddhistischen Bestattungen in Deutschland erwähnten äußeren Rahmenbedingungen. Diese beinhalten die Räumlichkeiten der Trauerhalle, bei welchen in der Ausschmückung auf die schnelle Entfernbarkeit buddhistischer Symbole oder der mäßigen Benutzung von Räucherstäbchen zu achten ist. Außerdem wird durch die Trauerhalle oder die Kapelle eines kommunalen Friedhofs ein zeitlicher Rahmen von 30 Minuten vorgegeben. Die Beisetzung erfolgt meist auf einem kommunalen Friedhof, welcher an keine kirchliche Institution gebunden ist. Dennoch finden sich auch auf kirchlichen Friedhöfen Gräber von Buddhisten wieder, jedoch ohne äußere Merkmale. Eine buddhistische Grabstätte auf einem kirchlichen Friedhof ist entweder auf fehlende Grabplätze in großen Städten wie Berlin oder auf die bereits erwähnte stärkere christliche Prägung der Bestattung zurückzuführen. (pers. Gespr. Gscheidel: 10.12.2014) Die Wahl der Bestattungsform bei deutschen Buddhisten geht nicht unbedingt auf einen buddhistischen Hintergrund zurück. Die Einäscherung wird in Deutschland allen anderen Beisetzungsformen vorgezogen, da sie sich optimal in den „modernen“ Alltag einbauen lässt. 64 Eine ausführliche Betrachtung der Vorgehensweise von Bestattungsinstituten siehe Nölle, Volker (1997): Vom Umgang mit Verstorbenen. Eine mikrosoziologische Erklärung des Bestattungsverhaltens. Frankfurt a.M.: Peter Lang, 29-50. 81 (Kirsch 2009: 182) Durch die geringe Größe eines Urnengrabes hält sich der Pflegeaufwand in Grenzen. Im Gegensatz zu Erdgräbern ist eine minimalistische Gestaltung eines Urnengrabes erwünscht. Weitere, sogenannte alternative Beisetzungsformen wie Seebestattungen oder Bestattungen in einem Friedwald können auch unter den deutschen Buddhisten beobachtet werden. Die Wahl einer alternativen Bestattung ist nicht religionsgebunden, sondern lässt sich religionsübergreifend beobachten. (pers. Gespr. Steenebrügge: 28.11.2014, pers. Gespr. Gscheidel: 10.12.2014, vgl. Sörries 2008: 46-154) Obwohl manche Bestatter in ihrem Angebot auch „Buddhistische Bestattungen“ auflisten, ist dieser Teilbereich der Bestattungskultur recht klein. Die Bezeichnung „Buddhistische Bestattung“ ist zudem irreführend, da diese als Beisetzungsform, wie eine Feuer- oder Seebestattung, nicht existiert. Warum wird sie dann trotzdem als solch eine Form gelistet und behandelt? Neben verkaufsstrategischen Gründen sehe ich vor allem die Listung „Buddhistischer Bestattungen“ als eine Art Anhaltspunkt für Zentren, die sich im Anfangsstadium befinden oder individuell praktizierende Buddhisten. Diese Untergruppen haben bisher noch keinen Kontakt zu Bestattern gehabt und können somit durch einfaches Suchen im Internet ein mit buddhistisch-orientierten Bestattungen vertrautes Bestattungsunternehmen auswählen. In diesem Zusammenhang kommt auch die Frage auf, ob sich möglicherweise eigene „buddhistische“ Bestattungsunternehmen entwickeln könnten, wie es auch bei der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland der Fall ist. Die Entwicklung hin zu einem „buddhistischen“ Bestattungsunternehmen ist sehr unwahrscheinlich, da sich dieses aufgrund der derzeit geringen Anzahl an Buddhisten im Sterbealter nicht halten könnte. Der Vergleich mit der Etablierung muslimischer Bestattungsunternehmen in Deutschland ist zudem nicht möglich, da sich das Aufgabengebiet sehr unterscheidet. Muslimische Bestattungsunternehmen haben sich nur aufgrund der Rückführung verstorbener türkischer Gastarbeiter in deren Heimatland entwickelt. Zum Einen, weil der Markt vorhanden war und zum Anderen, weil ein türkischer Bestatter besser mit den Behörden im Aufnahmeland kommunizieren kann. Diese Ausgangssituation ist für den Buddhismus und vor allem für deutsche Buddhisten nicht gegeben. (pers. Gespr. Gscheidel: 10.12.2014) Die Frage nach „deutsch-buddhistischen“ Ritualen kann bisher nur teilweise beantwortet werden. Fest steht, dass sich eigene Rituale im Anfangsstadium befinden, wobei sich diese durch ihre Nähe zu den jeweiligen Buddhismusinterpretationen nicht als „deutschbuddhistisch“ bezeichnen lassen. Der Einfluss der modernen Bestattungskultur lässt sich auch 82 hier nicht leugnen, da sich Abschiedsrituale wie Sargbemalungen in „deutsch-buddhistischen“ Trauerfeiern wiederfinden. Rituale wie Knochenreinigungen werden im deutschen Kontext abgemildert und aufgrund der Totenruhe durch Lesungen von Texten ersetzt. Die rituellen Elemente einer „deutsch-buddhistischen“ Trauerzeremonie können als „free-style“ charakterisiert werden. Sie unterliegen keiner geregelten Ordnung und sind in ihrer Ausführung frei. Dennoch bilden sich durch einzelne Vertreter des Buddhismus in Deutschland neue Rituale heraus. Als Beispiel sei hier die Umdeutung einer buddhistischen Lichtopferung65, welche bei wichtigen Lebenszeremonien wie Geburtstagen aber auch Todestagen vollzogen wird, zu einem übergreifenden „Kerzenritual“66. Dieses von Lisa Freund eingeführte Ritual kann als vermittelndes Instrument genutzt werden, wenn Angehörige eines verstorbenen Buddhisten die Lichtopferung von Butterlampen als zu fremdartig ansehen. (pers. Gespr. Aguilar-Raab: 01.12.2014) Neben diesen Lichtritualen können auch Duft- oder Wasser-Rituale in die Zeremonie eingebaut werden. Bei einem Duft-Ritual werden Räucherstäbchen mit einem Wunschgebet in eine Schale mit Sand vor dem Sarg gesteckt. Ein Wasser-Ritual beinhaltet eine Wasserkaraffe, welche sich auf dem Altar befindet und mit einer Ansprache über die Symbolik von Wasser durch den Zeremonienleiter herumgereicht wird. Anschliessend wird das Wasser aus der Karaffe von einem Angehörigen während einer Mantra-Rezitation langsam in eine Schale gegossen. (Lyon 2004: 171f) Die Institutionalisierung und Ausprägung buddhistischer Bestattungsrituale ist immer regional bedingt. Im Nachhinein wird eine religiöse oder spirituelle Bedeutung hineininterpretiert. Die regionalen Bedingungen stecken auch in Deutschland den Rahmen für die Ausführung buddhistischer Rituale. Ob es sich aber um eine Transformation buddhistischer Rituale handelt, muss kritisch betrachtet werden. Spricht man von einer Transformation, also einer Abänderung von vorgegebenen Ritualen, so müssen die Rituale im Herkunftsland als „Ur-Rituale“ definiert werden. Da dies aber nicht der Fall ist, sollte im Kontext der Entwicklung „deutsch-buddhistischer“ Rituale eher von einer Neu-Interpretation als von einer Transformation gesprochen werden. (pers. Gespr. Gscheidel: 10.12.2014) 65 Vgl. http://www.kamalashila.de/index.php?option=com_content&view=article&id=210:butterlampenopferung&catid=55:unterstuetzung&Itemid=119, letzter Zugriff: 27.04.2015, 18:46 Uhr. 66 Vgl. Freund, Lisa (2003): „Riten des Übergangs. Vortrag von Lisa Freund (vorläufige, noch nicht vollständig überarbeitete Fassung) auf dem ökumenischen Kirchentag in der Emmaus-Gemeinde Berlin im Rahmen des Programms 'Den Sterbenden ein Segen sein' “. Elektronisches Dokument: http://www.lisafreund.de/docs/riten_des_uebergangs_kitag_03.pdf, letzter Zugriff: 27.04.2015, 18:45 Uhr. 83 Es folgt ein beispielhafter Ablauf einer buddhistisch-orientierten Trauerfeier, entnommen aus der Broschüre „Des Buddhisten letzter Weg“, welche mir freundlicherweise von Herrn Schwabedal zur Verfügung gestellt wurde. Die Anlehnung an konfessionslose Bestattungen ist bei der Betrachtung dieses beispielhaften Ablaufes unübersehbar. 5.7. Beispielhafter Ablauf einer buddhistisch-orientierten Trauerfeier in Deutschland a) Versammlung: Statt der üblichen drückenden Stille zwischen Öffnung der Kapelle und Beginn der Feier sollte während der Ansammlung der Trauergäste die für den Verstorbenen als adäquat gehaltene oder von ihm gewünschte Musik (weder lustig noch traurig) gespielt werden. (veranschlagte Zeit: 10 Min.) GONG Ein Gongschlag leitet die Feierlichkeit ein. b) Begrüßung der Trauergäste und Vorlesen eines buddhistischen Verses, etwa aus dem Dhammapada, (oder auch, bei überwiegend buddhistischen Trauergästen, des Buddhistischen Bekenntnisses) durch ein Sangha-Mitglied. (veranschlagte Zeit: 3 Min.) Beispiel: Liebe Freundinnen und Freunde, wir sind heute zusammen gekommen, um dem von uns gegangenen (Vorname und Name) ein letztes Geleit zu geben. Der Verstorbene hat zu seinen Lebzeiten den Weg zur Lehre des Buddha gefunden und darum gebeten, unsere Feierstunde im Sinne dieser Lehre zu gestalten. Die buddhistischen Schriften befassen sich tief und umfangreich mit dem jedem Wesen bestimmten Schicksal des Todes, und wir lesen im Samyutta-Nikaya: GONG (event. anderer Sprecher:) Alle Wesen sind dem Tode unterworfen, enden im Tod, können dem Tode nicht entgehen. Wie jedes irdene Gefäß, gebildet von des Töpfers Hand, ganz einerlei, ob klein ob groß, am Ende zerbrechen muß. Genau so auch sind alle Wesen dem Tode unterworfen, enden im Tode, können dem Tode nicht entgehen. GONG c) Ansprache durch den freien Redner (oder, falls geeignet vorhanden, ein Sangha-Mitglied) 84 (Schilderung des Lebenslaufs unter besonderer Berücksichtigung der Konversion zum Buddhismus) (veranschlagte Zeit: 5 Min.) GONG d) Vortrag eines Sutras oder sonstigen Werkes durch ein Sangha-Mitglied (veranschlagte Zeit: 3 Min.) Beispiel: Drei Schrecken aber gibt es, ihr Mönche, wobei Mutter und Sohn einander nimmer helfen können. Welche drei? Den Schrecken des Alters, den Schrecken der Krankheit, den Schrecken des Todes. Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem alternden Sohne dies erreichen: „Ich altere zwar, doch nicht möge mein Sohn altern!“ Und auch der Sohn kann es bei seiner alternden Mutter nicht erreichen: „Ich altere zwar, doch nicht möge meine Mutter altern!“ Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem erkrankten Sohne dies erreichen: „Ich erkranke zwar, doch nicht möge mein Sohn erkranken!“ Und auch der Sohn kann es bei seiner erkrankten Mutter nicht erreichen: „Ich erkranke zwar, doch nicht möge meine Mutter erkranken!“ Nicht kann, ihr Mönche, die Mutter bei ihrem sterbenden Sohne dies erreichen: „Ich werde zwar sterben, doch nicht möge mein Sohn sterben!“ Und auch der Sohn kann es bei seiner sterbenden Mutter nicht erreichen: „Ich werde zwar sterben, doch nicht möge meine Mutter sterben!“ Diese drei Schrecken gibt es, wobei Mutter und Sohn einander nimmer helfen können. Es gibt aber, ihr Mönche, einen Weg, es gibt einen Pfad, der zum Vermeiden und Überwinden dieser drei Schrecken führt. Welches aber, ihr Mönche, ist dieser Weg? Es ist eben dieser edle achtfache Pfad, nämlich: rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Tun, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. Dies, ihr Mönche, ist der Weg, dies ist der Pfad, der zum Vermeiden und Überwinden dieser drei Schrecken führt, bei denen Mutter und Sohn einander nimmer helfen können. ( ANGEREIHTE SAMMLUNG III 63) GONG e) Besonderheiten: Ansprache oder Rezitationen gemäß der jeweiligen Buddhismusinterpretation durch Sangha-Mitglied oder Ordinierten, zB. Anrede gemäß Tibetischem Totenbuch (veranschlagte Zeit: 4 Min.) Beispiel: Höre mich! Höre, bevor du dich auf den Weg durch das Zwischenreich der Reinigung begibst! O Sohn (Tochter) aus edler Familie: Du hast den irdischen Leib abgelegt, um dich einer neuen Geburt zuzuwenden. - Als dir der Schreck des körperlichen Todes die Sinne raubte, hat dein Bewusstsein mit dem letzten Atemzug die körperliche Hülle verlassen. Als dir das Erkennen wiederkam, glaubtest du geschlafen zu haben; aber bald erkanntest du, 85 dass man dich nicht mehr wahrnehmen konnte. Noch siehst du uns, noch hörst du uns; aber schon stehst du an der Schwelle des Zwischenreiches, das 49 Tage andauern wird. Du wirst durch ein Reich friedlicher Gottheiten gehen; aber beachte, dass dies deine eigenen Bewusstseinsgestaltungen sind. Beachte es jetzt, solange du uns noch wahrnimmst. - Dann wirst du durch das Reich der furchterregenden Gottheiten gehen. Auch dort werden es nur deine eigenen Bewusstseinsgestaltungen sein, die dir diese Bilder vorgaukeln. Denke jetzt aufmerksam daran, damit du dich dort nicht fürchtest. Nur kurze Zeit werden diese Vorstellungen andauern; aber der Zeitbegriff des irdischen Daseins hat in diesen Zuständen des Zwischenreichs keine Gültigkeit mehr und du wirst keine Wahrnehmung einer Zeitdauer haben. Denke schon jetzt daran, dass dieser Zustand nur von kurzer Dauer ist. - Nach Ablauf dieser 49 Tage seit dem Tag deines irdischen Abscheidens wirst du in einem neuen Mutterschoß eintreten. Wisse, dass dich auf diesem Wege unsere liebevollsten Wünsche begleiten, denn wir wissen: Auch wenn du dann nicht mehr den Namen ........... tragen wirst, eines Tages wird uns ein Kind begegnen, und du wirst es sein; aber du wirst es nicht wissen. Immer wollen wir daran denken, dass in jedem Kinde, das uns entgegentritt, das sein kann, was wir in dir geliebt haben. Etwas von dir, das in uns allen ist: eine göttliche Kraft, die des Namens und nicht des Bildes bedarf, um uns Gewissheit zu geben, dass wir alle Brüder und Schwestern sind, gespeist aus der gleichen Quelle eines unteilbaren Lebens. Mögen unsere guten Wünsche den (die) Dahingegangene(n) begleiten. Möge die Buddhaweisheit bald in ihm(ihr) aufleuchten. Möge er(sie) die Heiligkeit erringen und erkennen: „Vollbracht ist die Aufgabe, getan ist, was zu tun war, vollendet ist das Reinheitsleben - nicht mehr ist diese Welt!“ GONG f) Gemeinsame Meditation (Leitung durch Sanghamitglied, event. Ordinierten) (veranschlagte Zeit: 3 Min.) Beispiel: Liebe Freundinnen und Freunde unseres (Vorname und Name)! Wir wollen uns zunächst mit unseren geistigen Kräften an die weltliche Persönlichkeit, das Charakteristische des Verstorbenen erinnern. Lassen wir das Bild vor unserem Geist aufsteigen. Betrachten wir es aufmerksam. (Pause). Laßt uns nun für einige Minuten meditativ über das Kommen und Gehen im Kreislauf der Wiedergeburten sinnen. GONG kurze Meditation GONG g) Verabschiedung am Sarg. Eventuell leise Hintergrundmusik. (veranschlagte Zeit: 3 Min.) Beispiel: Wir alle sind traurig, wenn wir von einem lieben Menschen Abschied nehmen müssen. Dies war auch dem Buddha klar, weswegen er kurz vor seinem Parinirvana seinen Lieblingsjünger Ananda ermahnte: „Sei nicht traurig, Ananda, jammere und klage nicht! Habe ich dir nicht schon früher gesagt, daß man von allem, was einem lieb und wert ist, scheiden und sich trennen muß, und daß alle unsere Beziehungen sich wandeln? Auch ist es unmöglich und ganz ausgeschlossen, daß das, 86 was geboren, entstanden, bedingt und der natürlichen Vernichtung anheim gegeben ist, nicht zerfiele. Lange Zeit, Ananda, hast du dem Erwachten zur Seite gestanden, warst um sein Wohl und sein Glück besorgt, mit liebevollen Taten von Körper, Mund und Gedanken. Du hast Gutes getan, Ananda, sei eifrig bestrebt, dann wirst auch du auf gutem Wege sein.“ GONG Die Trauergäste verabschieden sich mit stummem Gruß und Niederlegung von Blumen vom Sarg, bevor dieser zum Einäscherungsort gefahren wird. Musik im Hintergrund. h) Ende der Feier. Aufbruch zum Leichenschmaus in Gaststätte, Buddhist. Zentrum oder Privatwohnung (Fahrgemeinschaften bilden!) Quelle: Buddhistische Gemeinschaft Chöling e.V., Hannover Stand: November 2006 Verfasser: Manfred Schwabedal 87 6. Bestattungsrituale im ritualtheoretischen Kontext Die Grundsätze der Ritualtheorie wurden hauptsächlich durch die Ethnologen Arnold van Gennep, Victor Turner, Émile Durkheim und Catherine Bell formuliert. Große Beachtung wurde dabei den Bestattungsritualen geschenkt, an welchen das von van Gennep entwickelte dreiteilige Schema der „rites de passage“ sehr gut angewendet werden kann. Neuere Ritualtheorien versuchen vor allem die Ausweitung des Begriffes „Ritual“ durch festgelegte Bedingungen einzugrenzen. Axel Michaels (1999) oder Michael Oppitz (1999) versuchen, aufbauend auf den vorhergehenden ritualtheoretischen Texten, „Ritualbaupläne“ zu entwickeln, welche aber in ihrer Durchführung sehr kritisch betrachtet werden müssen. Im Zusammenhang mit meinen Beobachtungen zu buddhistischen Bestattungsritualen in Deutschland ist aber vor allem der Komplex der Ritualdynamik wichtig. Hier unterscheide ich zwischen einer migrations- und adaptionsbedingten Ritualdynamik. Zunächst sollen aber die grundlegenden Überlegungen der Ritualtheorie vorgestellt werden. Bevor ich nun mit meiner Ausführung beginne, möchte ich die Begriffe Ritual und Ritus (Pl. Riten) definieren. Das Wort Ritual67 wird im alltäglichen Gebrauch meist als eine „[…] ([sinnentleerte]) Wiederholung und [theatralische] Täuschung, wie im Ausdruck »das ist ja nur ein Ritual«“ (Jungaberle/Verres/DuBois 2006: 17) beschrieben. Aber auch eine Umkehr in eine „Wiederverzauberung“ des Alltags durch Rituale kann durch Jungaberle/Verres/DuBois festgestellt werden. In der Wissenschaft wurde das Wort Ritual bis zum 20. Jahrhundert, beeinflusst durch Émile Durkheims Arbeiten, nur in einem religiösen Kontext gesehen. Deutlich wird im Laufe der wissenschaftlichen Diskussion um Rituale, dass die Konzentration auf sakrale Angelegenheiten ausgeweitet werden muss. Definitionen von Ritualen variieren von Ritualtheoretiker zu Ritualtheoretiker. Der Begriff Ritus wird oft synonym zu Ritual benutzt, obwohl die religiöse Konnotation bei diesem ohne Zweifel im Vordergrund steht. Riten können auch die einzelnen Bestandteile eines Rituals bezeichnen. Wenn zum Beispiel von Bestattungsritualen die Rede ist, dann können die einzelnen Rituale als Abschieds-, Trennungs- und Umwandlungsriten bezeichnet werden. (Jungaberle/Verres/DuBois: 2006: 17f; Quack 2013: 197-204; Stausberg 2004: 31f) 67 Rituale: Handlungen mit bewussten und unbewussten Anteilen, welche in einem bestimmten Rahmen und mit einer bestimmten Formalität ausgeführt werden (vgl. Brosius/Michaels/Schrode 2013: 13f). 88 6.1. Die klassischen Ritualtheorien ausgehend von Arnold van Genneps „Les Rites de Passage“ Arnold van Gennep und seine Ritual-Dreiteilung in Trennungsriten (rites de séparation), Umwandlungsriten (rites de marge) und Angliederungsriten (rites d'agrégation) bildeten den Grundstein für jegliche ritualtheoretische Forschung. Sein 1909 veröffentliches Buch „Les Rites de Passage“ wendet diese Dreiteilung bei lebenszyklischen Ritualen wie Geburt, Heirat oder Tod an. Van Gennep maß diesen Übergangsriten einen hohen Stellenwert zu, da er sie in jeder Situation für notwendig hielt. Als Übergänge bezeichnet er Lebensphasen, bei welchen entweder eine Status- oder eine Ortsveränderung stattfindet. Da er das Ziel dieser Übergänge, nämlich „[d]as Individuum aus einer genau definierten Situation in eine andere, ebenso genau definierte hinüberzuführen“, als universell für alle Übergangsriten ansieht, stellt er die Vermutung auf, dass auch die Dreiteilung bei allen Übergangsritualen zu beobachten sei. „Aufgrund der Wichtigkeit solcher Übergänge halte ich es für gerechtfertigt, eine besondere Kategorie der Übergangsriten (»rites de passage«) zu unterscheiden, die sich bei genauer Analyse in Trennungsriten (»rites de séparation«), Schwellen- bzw. Umwandlungsriten[...] (»rites de marge«) und Angliederungsriten (»rites d'agrégation«) gliedern. Übergangsriten erfolgen also, theoretisch zumindet, in drei Schritten: Umwandlungsriten Trennungsriten die kennzeichnen Zwischenphase (die die Ablösungsphase, Schwellen- bzw Schwellen- bzw. Umwandlungsphase) und Angliederungsriten die Integrationsphase. Diese drei Phasen sind jedoch nicht in allen Kulturen oder in allen Zeremonialkomplexen gleich stark ausgebildet.“ (Gennep 1999 [1909]: 21) Neben dieser gesonderten Behandlung von Übergangsriten unterteilt van Gennep alle Riten in animistische oder dynamistische Riten. Zudem kann eine weitere Aufteilung in sympathetische und kontagiöse, direkte und indirekte sowie positive und negative Riten unternommen werden. Unter einem animistischen Ritus versteht man zum Beispiel die Heilung einer Person durch die Austreibung eines Dämons, welcher Krankheiten hervorruft. Ein dynamistischer Ritus versucht die Krankheit an sich zu heilen. Sympathetisch oder kontagiös beschreiben den, einem Ritual zugrunde liegenden Glauben. Indirekte Riten werden im Gegensatz zu direkten Riten von einer äußeren Macht ausgeführt. Positive Riten meinen die direkte Umsetzung eines Rituals, während negative Riten nur als Gegenstück zu positiven Riten existieren können und als Handlungsunterlassungen oder Tabus bezeichnet werden. (Gennep 1999 [1909]: 16ff) Van Genneps Feststellungen können dem Funktionalismus zugeordnet werden, welcher 89 Ritualen den Zweck von Angstreduktion und Spannungsabbau innerhalb einer Gruppe zuschreibt. Formalistische Theorien betonen den performativen Aspekt von Ritualen und untersuchen deren Technik und äußere Form. Hierzu lässt sich auch Victor Turner zuordnen. Einen weiteren Ansatz liefert der konfessionalistische Ansatz, welcher den religiösen Anteil der Rituale betont. (Michaels 1999: 24ff) Victor Turner greift van Genneps Konzept der Übergangsriten auf und konzentriert sich auf die Übergangsphase, welche er als „liminale Phase“ betitelt. Turner fokussiert nun auch die symbolistischen und performativen Bestandteile von Ritualhandlungen und sieht in diesen einen Hauptcharakter des Rituals. (Turner 2005 [1969]: 46f) Die liminale Phase greift er heraus, da die Personen im Zwischenzustand immer einen besonderen Status genießen. Sie können durch ihren ungewissen Zustand gefährlich sein. (Turner 2005 [1969]: 94ff) Soziologische Ritualtheorien wie von Émile Durkheim beschäftigen sich mit der verbündenden Komponente von Ritualen. Seine Monographie „Die elementaren Formen des religiösen Lebens“ betrachtet vor allem das kollektive Moment eines Rituals, welches in der „[...] Gleichartigkeit dieser Bewegungen […] der Gruppe ihr Selbstgefühl [gibt] und […] es folglich [hervorruft]. Ist einmal diese Gleichartigkeit hergestellt und haben diese Bewegungen sich stereotypisiert, dann dienen sie zur Symbolisierung der entsprechenden Vorstellungen.“ (Durkheim 1981 [1968]: 316) Eine weitere erwähnenswerte Schrift im Zusammenhang mit Ritualen und Tod ist Robert Hertz' „Contribution à une étude sur la représentation collective de la mort“ aus dem Jahr 1907, in welcher Hertz auf die gegenseitige Beeinflussung von Leichnam, Trauer und Seele eingeht. Er beschreibt in der Durchführung von ersten, vorläufigen und zweiten, endgültigen Bestattungen am Beispiel der Dayak in Borneo die Dualität des Todes. Die dabei entstehende Umwandlung von Erinnerungs- in Gedächtniswert wird durch den Einsatz verschiedener Rituale und Ritualgegenstände hervorgerufen. Auch die Prozessualität des Todes wurde durch Hertz in der zweiten Bestattung aufgedeckt und löst somit die Annahme ab, dass der Tod bloß als ein Moment angesehen wird. Außerdem weitet er die Dimension des Todes von einer rein physischen auf eine soziale Ebene aus. Die erste, vorläufige Bestattung ist eine Trennung von der Gesellschaft. Die zweite, endgültige Bestattung führt aber wieder zu einer Integration des Verstorbenen in die Gesellschaft. (Hertz 2014 [Original 1907]: 197-212; Küchler 2006: 19690 203; vgl. Hertz 2007 [Original 1907]) Andere wichtige Vertreter der Ritualtheorie sind Catherine Bell, Mary Douglas und Clifford Geertz, auf welche ich in diesem Zusammenhang nicht weiter eingehen kann. 68 Bezüglich der Definitionsfrage von Ritualen liefern Axel Michaels und Michael Oppitz neue Ansätze durch Baupläne, nach welchen alle Rituale aufgebaut seien. Michaels These ist, dass Rituale aus fünf Komponenten bestehen. Diese seien die ursächliche Veränderung, der förmliche Beschluss, die formalen Handlungskriterien, die modalen Handlungskriterien und Veränderungen von Identität, Rolle, Status und Kompetenz. (Michaels 1999: 29, vgl. 30-39) Oppitz' „Montageplan“ von Ritualen bezieht sich nicht nur auf die Tatsache, dass es sich bei Ritualen unter anderem um festgelegte Abläufe handelt. Er betrachtet zudem die einzelnen Ritualkomponenten, welche später innerhalb eines festgelegten Ablaufes wiederholt werden. Nach Oppitz werden verschiedene Bauelemente vorgefertigt, um später in der Ritualhandlung benutzt zu werden. Diese Bauelemente setzen sich aus der materiellen Ebene von Objekten, der sprachlichen Ebene von Gebeten, der akustischen Ebene von Musik und Klängen sowie der kinetischen Ebene von Bewegung zusammen. (Oppitz 1999: 73ff) Ritualtheoretische Diskurse haben sich im Laufe der Zeit vertieft und sind sogar so weit gegangen, dass Rituale aus ihrer repetetiven Rolle gehoben wurden und im Zusammenhang dynamischer Strömungen betrachtet werden. Rituale sind nicht mehr statisch, sondern allesamt dynamisch und verändern sich aufgrund verschiedener Impulse. Diese ritualdynamische Sphäre der Ritualtheorie möchte ich im Folgenden an dem Beispiel von Bestattungsritualen bestärken. 68 Eine Zusammenfassung der wichtigsten Schriften ist zu finden bei: Belliger, Andréa und David J. Krieger (Hg.) (1998): Ritualtheorien. Ein einführendes Handbuch. Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Weitergehend auch: Bell, Catherine (1992): Ritual Theory, Ritual Practice. New York: Oxford University Press. Bloch, Maurice und Jonathan Parry (Hg.) (1987): Death and the Regeneration of Life. Cambridge, New York u.a.: Cambridge University Press. 91 6.2. Das Konzept der „Rites de Passage“ und ihre Anwendung auf den Tod Die klassische Dreiteilung der Rituale in Separation, Transition und Inkorporation kann sehr gut an Bestattungsritualen beobachtet werden.69 Hierbei können soziale, psychische und physische Ebenen durchlaufen werden, sowie verschiedene Personengruppen betroffen sein. (Feldmann 1997: 20; vgl. Berger-Zell 2013: 238-243) Die Separation betrifft nicht nur den Verstorbenen, welcher durch seinen Tod von den Lebenden getrennt wurde, sondern auch die Hinterbliebenen. Diese werden durch ihre Trauer, früher mehr als heutzutage, von der Gesellschaft in gewisser Art und Weise getrennt und haben einen besonderen sozialen Status inne: den der Trauernden. Eine weitere Trennung im Sinne der van Gennep'schen Separation ist die räumliche Trennung des Leichnams durch die Aufbewahrung in einer Kühlhalle und später in einem Grab. Transition kann auf allen Ebenen und in beiden Personengruppen dargestellt werden. Durch den Tod eines Angehörigen wurden die Hinterbliebenen zu Trauernden. Durch den eigenen Tod wurde man selbst zu einem Verstorbenen. Dies sind zunächst die sozialen Statusänderungen. Aber auch psychische Umwandlungen können bei den Angehörigen durch die Konfrontation mit dem Tod hervorgerufen werden. Während der Trauerfeier kulminieren die verschiedenen Umwandlungsriten von Angehörigen und Verstorbenen. Sie bildet den offiziellen Übergang von lebend zu tot und von Verwandtschaft zu Trauergemeinde beziehungsweise von Ehefrau oder Ehemann zu Witwe oder Witwer. Im Fall des Todes eines oder beider Elternteile durchlaufen auch die Kinder einen Statuswechsel zu Halbwaisen oder Waisen. (vgl. Nölle 1997: 60-67) Die physische Umwandlung ist bei dem Verstorbenen in der Verwesung zu sehen. Bei den Trauernden ist die physische Umwandlung differenzierter ausgeprägt. Sie hält meist die ganze Trauerzeit an, welche früher als sogenanntes Trauerjahr durch Tabus gekennzeichnet war. Stubbe beschreibt diesen Zeitraum als „soziale Zeitlosigkeit“, welche an den gesellschaftlichen Kontext angepasst wird. (Stubbe 1985: 330) In der heutigen Zeit werden physische Transitionen, wie zum Beispiel das Tragen schwarzer Kleidung, nur während der Beerdigungsfeier sichtbar. (Gennep 1999 [1909]: 143) 69 Vgl. Hödl, Hans Gerald (2009): „Dancing on the Corpses' Ashes. Zur Typologie von Ritualen in Zusammenhang mit dem Tod“. In: Heller, Birgit und Franz Winter (Hg.) (2009): Tod und Ritual. Interkulturelle Perspektiven zwischen Tradition und Moderne. Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Religionswissenschaft (Band 2). Wien: LIT: 27-57. 92 Die buddhistische Sicht auf den Tod misst der liminalen Phase große Bedeutung zu. Die tibetisch- aber auch vietnamesisch-buddhistische Richtung beschreibt einen bis zu 49 Tage anhaltenden Zwischenzustand, in welchem der Verstorbene sich nach Eintritt des Todes aufhält. In dieser Zeit liegt der Fokus auf dem Verstorbenen und jeglichen Ritualen, welche ihm dabei helfen, den Zwischenzustand zu beenden und in die Eingliederungsphase als Wiedergeborener oder Ahne einzutreten. Beendet wird die liminale Phase des Zwischenzustandes durch eine Gedenkfeier oder ein gemeinsames Mahl. Durch diese gemeinsamen Aktivitäten wird der neue soziale Status bekräftigt und die Angliederung an die Gesellschaft beginnt. Stubbe sieht in den Angliederungsriten eine Umkehr der Separationsriten, indem Dinge, welche verboten waren, nun wieder erlaubt sind. (Stubbe 1985: 330f) Den Angliederungsriten folgen noch weitere Riten, welche sich in kommemorativen Ereignissen widerspiegeln. Hierzu gehört die Zelebrierung von Todestagen durch einen Besuch auf dem Friedhof oder im buddhistischen Kontext durch wiederkehrende Gedenkfeiern und den Einbezug von Verstorbenen in die alltägliche Ritualpraxis. (vgl. Connerton 1989) Bereits van Gennep vernahm einen Unterschied in dem Ausmaß der Rituale, bedingt durch den gesellschaftlichen Kontext. Die Theorie der Ritualdynamik erkennt in Ritualen eine immanente dynamische Kraft, die dazu führt, dass Rituale sich kontextbedingt in ihrer Ausführung ändern können.70 Durch die Betrachtung buddhistischer Bestattungsrituale in Deutschland ist einerseits von einer migrationsbedingten, andererseits von einer adaptionsbedingten Ritualdynamik auszugehen. 70 Vgl. Hartung, Constance und Annette Deschner (Hg.) (2004): The Dynamics of Changing Rituals. The Transformation of Religious Rituals within Their Social and Cultural Context (Toronto Studies in Religion, Bd. 29). New York, Washington D.C. u.a.: Peter Lang. Vgl. Stewart, Pamela J. und Andrew Strathern (Hg.) (2009): Religious and Ritual Change. Cosmologies and Histories. Durham (North Carolina): Carolina Academic Press. 93 6.3. Migrationsbedingte versus adaptionsbedingte Ritualdynamik „Die Ergebnisse der Migrationsforschung lassen deutlich werden, dass sich für Menschen, die freiweillig oder gezwungen ihr Leben in fremdkultureller Umgebung zubringen, die Frage nach der eigenen Identität mit großer Intensität stellt. So kann geradezu von einer Notwendigkeit der Selbstpositionierung gesprochen werden, die durch innere wie äußere Kräfte angestoßen wird. Religion, oder besser religiöse Orientierung ist – und das zeigt die Forschung beeindruckend klar – eine sehr wichtige Quelle der Selbstverortung […].“ (Lauser/Weissköppel 2008: 9) Religion als wichtiger Faktor der Identitätsbildung von Migranten in der Diaspora schliesst auch die Ausübung von Ritualen ein. Innerhalb meiner Beobachtungen wurde festgestellt, dass sich Rituale bedingt durch Migration in einigen Teilaspekten verändern und sich neu definieren. Ritualdynamik lässt sich auf verschiedenen Ebenen beobachten. Harth und Michaels unterscheiden zwischen Geschichtsdynamik (alt/neu; traditionell/modern; regional/global), Sozialdynamik (individuell/kollektiv) und Strukturdynamik, wobei hier vor allem der Wandel im Einsatz von Medien gemeint ist. (Harth/Michaels 2013: 125) All diese Dynamiken können auch auf die Neuformation vietnamesisch-buddhistischer Bestattungsrituale in Deutschland angewendet werden. Dieses Beispiel stellt eine Besonderheit der Ritualdynamik dar, nämlich den synchronen Ritualtransfer. „Wechselt […] ein Teil der ursprünglichen Teilnehmergruppe das geografische und damit auch das soziale und kulturelle Umfeld, so kann das religiöse Umfeld dennoch erhalten bleiben. Auf diese Weise wird ein Ritual zur selben Zeit von zwei Teilnehmergruppen praktiziert, die beide eine gemeinsame religiöse Tradition teilen (Traditionsgemeinschaft). Dies ist […] bei Herkunftsund Diasporagruppen in Migrationskontexten der Fall.“ (Langer/Snoek 2013: 192) Die Wandlung vietnamesisch-buddhistischer Bestattungsrituale ist in den meisten Fällen durch äußere Impulse entstanden und betrifft hauptsächlich die Länge der ausgeführten Rituale. Durch Verkürzungen muss sich die Trauergemeinschaft an äußere Umstände anpassen, welche durch die Trauerhalle oder andere Institutionen vorgegeben werden. Aber auch eine interne Dynamik führt zu Verkürzungen, da sich viele Mitglieder der religiösen Gemeinschaft durch fehlendes Zugehörigkeitsgefühl in der zweiten oder dritten Generation nicht mehr in dem Maße mit Bestattungsritualen verbunden fühlen, wie es in der ersten Generation der Fall war. Diese Entwicklung kann vor dem Hintergrund der Integration diskutiert werden. Integration soll kein assimilatorischer Prozess sein, sondern eine Eingliederung in vorherrschende gesellschaftliche Modelle. Dies passiert hauptsächlich durch 94 die Berufswahl und den Schulbesuch, sowie die dadurch erlernte Landessprache. Durch die „strukturelle Eingliederung“ wird die „[…] einstige Fremde […] den Kindern bzw. Enkeln zur neuen Heimat“ (Baumann 2004: 24). Auch wenn viele integrative Maßnahmen von außen auf die Einwanderungsgesellschaft eingreifen, ist die Transformation buddhistischer Bestattungsrituale in Deutschland vielmehr auf interne Dynamiken zurückzuführen. Schwerpunktverschiebungen im alltäglichen Leben von einer religiös geprägten Lebenshaltung im Herkunftsland zu einer modernen, durch Zeitmangel ausgezeichneten Lebensführung im „Westen“ sehe ich als Hauptkriterium für die festgestellte Verkürzung und das Weglassen einiger Ritualelemente. Dursun Tan sieht hierin einen „[…] Strukturwandel, der durch die Peripherie-Zentrums-Migration eingetreten ist. Die Verschiebung des Sterbens und des Trauerns hinter die Kulissen von Institutionen, die für postmoderne Wohlfahrtsgesellschaften charakteristisch ist, überträgt sich nun auf die Migranten“ (Tan 1998: 230).71 Eine ähnliche Schwerpunktverschiebung kann auch bei Ritualdynamik „deutsch-buddhistischer“ Bestattungsrituale der adaptionsbedingten beobachtet werden. Im Gegensatz zu dem Begriff „migrationsbedingt“ setze ich „adaptionsbedingte Ritualdynamik“ zur Beschreibung der deutsch-buddhistischen Gemeinschaft und ihrer Adaptierung buddhistischer Rituale ein. Auch hier kommt es durch eine interne Dynamik zu einer Veränderung in der Konzentration auf bestimmte Praktiken. Eine direkte Ritualveränderung kann aber nicht festgestellt werden. Es wird aber beispielsweise innerhalb der Bestattungsrituale versucht christlich geprägte Ausführungen in eine buddhistisch-orientierte Richtung zu leiten. Dementsprechend kann in diesem Zusammenhang möglicherweise auch von einer wechselseitigen Ritualdynamik gesprochen werden. Ob migrations- oder adaptionsbedingt, Rituale sind keinesfalls statisch. Sie weisen eine zugrundeliegende Dynamik auf, welche dafür sorgt, dass jedes Ritual individuell ist und immer im Zusammenhang mit der äußeren Gestalt, wie den gegebenen Örtlichkeiten, und der inneren Gestalt, wie der Teilnehmergruppe, bewertet werden muss. 71 Untersuchungen zu Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken liefert das DFGProjekt „Sinnsuche – Coping – Streben nach Wohlgefühl. Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken in der deutschen Gegenwartsgesellschaft“ (2007), geleitet durch Prof. Dr.. Inken Prohl (Heidelberg). Vgl. Prohl, Inken und Katja Rakow (2008): „Transformationen buddhistisch inspirierter Vorstellungen und Praktiken: Eine empirische Studie im Raum Berlin“. In: Transformierte Buddhismen 01: 3-27. 95 7. Schlussfolgerung Die Gegenüberstellung buddhistischer Bestattungen im Herkunftsland mit denen im Migrationsland, sowie „ethnischer“ und konvertierter Buddhisten brachte einige Erkenntnisse über den veränderten Umgang mit dem Tod und Bestattungen. Buddhistische Bestattungen im Herkunftsland, in diesem Fall in Vietnam und in Tibet, unterscheiden sich zu den in Deutschland ausgeführten buddhistischen Trauerfeiern hauptsächlich in der Länge der Rituale. Die Verkürzung einzelner Rituale stellt aber meinen Beobachtungen nach keine negative Auswirkung der Migration dar. Vielmehr sind interne Dynamiken dafür zuständig, dass einerseits durch einen Generationenkonflikt ein „moderner“, todesfremder Blick auf Bestattungen eingenommen wird. Andererseits ist durch die jeweilige Berufssituation meist automatisch mit rituellen Einschränkungen zu rechnen. Dass einige Rituale somit an Ordinierte abgegeben und Ersatzhandlungen durchgeführt werden, kann als Charakteristikum buddhistischer Bestattungen „ethnischer“ Buddhisten in Deutschland angesehen werden. Wie es auch im Herkunftsland zu regionalen Beschränkungen, vor allem im Bezug auf die Beisetzungsform kommt, so sind auch in Deutschland vorgegebene Richtlinien einzuhalten. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um die von Bundesland zu Bundesland divergierenden Bestattungsgesetze, welche zu Einschränkungen in der Durchführung buddhistischer Bestattungen führen können. Unwissenheit um diese Gesetze können, wie in der vietnamesischen Gemeinschaft in Hannover beobachtet, sogar dazu führen, dass neue Institutionen wie buddhistische Gräberfelder ins Leben gerufen werden. Die Entwicklung „deutsch-buddhistischer“ Bestattungsrituale ist ein neuartiges Phänomen, welches ich unter dem Begriff der adaptionsbedingten Ritualdynamik zusammengefasst habe. Der deutsche Buddhismus ist ein Oberbegriff für die verschiedenen buddhistischen Richtungen, die in Deutschland in den letzten 50 Jahren Fuß gefasst haben. Am ausgeprägtesten ist die Auseinandersetzung mit dem Tod und der Entwicklung individueller Bestattungsrituale in deutschen Zentren der tibetisch-buddhistischen Richtungen. Viele der angewendeten Bestattungsrituale bekommen durch den Einsatz im „deutsch-buddhistischen“ Zusammenhang eine neue Bedeutung, da sie oftmals angelehnt sind an christliche Vorgaben für eine Trauerfeier. Sowohl im Migrations- als auch im Adaptionszusammenhang ist die Verwendung des 96 Begriffes „buddhistische Bestattung“ nicht haltbar. Die Vielfältigkeit in der Durchführung darf nicht negiert werden. Aus diesem Grund ist die Bezeichnung „buddhistisch orientiert“ in diesem Kontext zu empfehlen. Neben der Einrichtung von buddhistischen Gräberfeldern ist auch die Erwähnung „buddhistischer Bestattungen“ in den Öffentlichkeitsauftritten einiger Bestattungsunternehmen als eine Neuerung anzusehen. Obwohl es unsinnig ist „buddhistische Bestattungen“ als eine mögliche Bestattungsform neben Erd- oder Feuerbestattungen aufzuführen, dient es dennoch vielen eigenständig praktizierenden Buddhisten als Anhaltspunkt für die Organisation der eigenen Bestattung. Viele buddhistische Zentren stehen aber schon mit Bestattungsunternehmen in Kontakt. In Zukunft könnten weitere Veränderungen den Weg zu einer eigenständigen buddhistischen Bestattungskultur in Deutschland ebnen. Neben eigenen Trauerräumlichkeiten auf dem Friedhofsgelände könnten auch in der Gestaltung der Gräber mehr Freiheiten gelassen werden. Durch eigene Räumlichkeiten könnten die Trauerfeiern in dem vorgesehenen zeitlichen Umfang stattfinden ohne weitere Bestattungsfeiern zu stören. Eine freie Gestaltung der Grabstätten ist nur dann möglich, wenn sich eigene buddhistische Friedhöfe entwickeln würden. Auf einem konfessionslosen Kommunalfriedhof ist eine gewisse Neutralität einzuhalten. Da sich aber aufgrund fehlender Nachfrage weder ein buddhistisches Bestattungsunternehmen noch ein buddhistischer Friedhof entwickeln werden, ist in der näheren Zukunft mit einer eigenen buddhistischen Bestattungskultur in Deutschland nicht zu rechnen. Nichtsdestotrotz ist die Bildung neuer Bestattungsrituale, sei es nun durch „ethnische“ oder konvertierte Buddhisten, eine bedeutende Maßnahme in der Festigung der religiösen Vielfalt Deutschlands und ist nicht nur als eine notwendige, durch äußere Faktoren bedingte Veränderung zu deuten. Die interne Dynamik beider Gruppen ist ausschlaggebend und verdeutlicht den Aspekt der Ritualdynamik, denn kein Ritual ist statisch. Sie verändern sich bei jeder Anwendung zu einem kollektiv erfahrbaren und dennoch individuellen Erlebnis. 97 8. Anhang 8.1. Abbildungen Abb. 01: Spyang-pu. Evans-Wentz 2000 [1960]: 98. 98 Abb. 02: Totenraum Vien-Giac Pagode, Hannover. Private Aufnahme, 17.11.2014. Abb. 03: Computerbildschirme in Totenraum Vien-Giac Pagode, Hannover. Private Aufnahme, 17.11.2014. 99 Abb. 04: Buddhistischer Urnengräberfeld Hannover-Seelhorst. Private Aufnahme, 17.11.2014. Abb. 05: Zwei buddhistische Urnengräber mit Grabplatte, Hannover-Seelhorst. Private Aufnahme, 17.11.2014. 100 Abb. 06: Buddhistisches Urnengrab mit Buddha und Räucherstäbchen, HannoverSeelhorst. Private Aufnahme, 17.11.2014. Abb. 07: Buddhistisches Urnengrab eines Kindes, Hannover-Seelhorst. Private Aufnahme, 17.11.2014. 101 Abb. 08: Buddhistisches Gräberfeld Berlin-Ruhleben mit Urnengräbern (rechts), Erdgräbern (links) und Dia Tang Statue in der Mitte. Private Aufnahme, 10.12.2014. 102 Abb. 09: Dia Tang Statue, Berlin-Ruhleben. Private Aufnahme, 10.12.2014. 103 Abb. 10: Schaubild Friedhof Berlin-Ruhleben. Buddhistische Abteilung V oben links eingekreist. Flugblatt der Friedhofsverwaltung Ruhleben. 104 Abb. 11: Wegweiser Friedhof Berlin-Ruhleben. Oben links ist ein Kreuz in der buddhistischen Abteilung V sichtbar. Private Aufnahme, 10.12.2014. Abb.12: Urnengräber, Berlin Ruhleben. Private Aufnahme, 10.12.2014. 105 Abb. 13: Christliche Symbolik auf einem buddhistischen Urnengrab, Berlin-Ruhleben. Private Aufnahme, 10.12.2014. Abb. 14: Konfessionsloses Grab auf dem buddhistischen Urnengräberfeld BerlinRuhleben. Private Aufnahme, 10.12.2014. 106 8.2. Interviews 8.2.1. Leitfadenfragen Leitfadenfragen zu den Interviews mit Geshe Palden Öser (Hannover), Corinna AuguilarRaab (Frankfurt a.M.) und Christoph Mohry (Frankfurt a.M.) 1. Wie trauern Buddhisten in Deutschland? (Trauerkleidung, Trauerzeit, Einhaltung bestimmter Regelungen innerhalb dieser Trauerzeit?) 2. Wie werden buddhistische Trauerfeiern und Beisetzungen abgehalten? 3. Welche Zeremonien bzw. Rituale werden hier in Deutschland praktiziert? 4. Welche Zeremonien bzw. Rituale werden hier in Deutschland nicht praktiziert und warum? 5. Welche Bedeutung haben traditionelle Trauerrituale für die fernab ihrer Heimat lebenden Buddhisten? 6. Welche Unterschiede und welche Herausforderungen stellt eine in Deutschland abgehaltene buddhistische Trauerfeier dar? 7. Gibt es Unterschiede im Ablauf bei einer buddhistischen Trauerfeier eines Konvertierten? 8. Hat sich speziell für konvertierte Buddhisten eine eigene buddhistische Trauerzeremonie entwickelt? Speziell zu Herrn Mohry: 9. Welchen Stellenwert haben Bestattungsrituale für Ihr Zentrum? Gibt es einen Einbezug in tägliche Gebete/Zeremonien? 10. Wird ein Altar errichtet oder sind Fotos von Verstorbenen in einem speziellen Raum aufgehängt? 107 Weiterführende Leitfadenfragen zu den Interviews mit den Bestattern Karl Steenebrügge (Aachen) und Uller Gscheidel (Berlin) 1. Welche Funktionen erfüllen sie bei einer buddhistischen Bestattung? 2. Unterscheidet sich ihr Aufgabengebiet bei einer buddhistischen Bestattung von anderen Bestattungen? 3. Wie läuft eine buddhistische Bestattung aus ihrer Sicht ab? 4. Wie viele buddhistische Bestattungen finden ungefähr im Jahr statt und werden mehr Erd- oder Feuerbestattung ausgerichtet? 5. Wie sind sie dazu gekommen buddhistische Bestattungen anzubieten? 6. Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Buddhismus? 8.2.2. Notizen und Antworten der Interviewpartner Geshe Palden Öser Tibet-Zentrum Hannover – Samten Dargye Ling e.V. Odeonstrasse 2, 30159 Hannover www.tibet-zentrum.de 18.11.2014 – Gebete sind gleich – Gaben werden dargebracht – Lama Chöpa oder Samantanapradras – zusammenfassende Gebete oder individuell ist abhängig von Wunsch des Verstorbenen oder der Hinterbliebenen – Gepflogenheiten des Landes müssen beachtet werden, deshalb ist es irrelevant welche Beisetzungsform gewählt wird → für Geshe Palden Öser ideal Wasserbestattung – nicht nur nach dem Tod, sondern auch zu Lebzeiten muss der Bardo Thödol gelesen werden – 49 Tage: maximale Spanne des Bardo-Zustandes 108 Karl Steenebrügge Bestattungshaus Bakonyi Augustastrasse 25, 52070 Aachen www.bakonyi-gmbh.de 28.11.2014 – seit 1990er Jahre, nachdem Tabuisierung des Todes nicht mehr so ausgeprägt – vietnamesische Buddhisten ging auf Steenebrügge zu – seit dem viele vietnamesisch-buddhistische Bestattungen in Zusammenarbeit mit der Pagode ausgeführt – 80% Feuerbestattung, 20% Erdbestattung – alles eine Frage des Geldes → Überführungen meist zu teuer – im Gegensatz zu muslimischen Bestattungshäusern wird sich kein rein buddhistisches Bestattungshaus entwickeln können → Markt zu klein – Grabpflege → nicht nur bei Buddhisten ungenügende Grabpflege, allgemein wirkt sich der verkürzte Trauerprozess in der modernen Gesellschaft auch auf die Grabpflege aus – maximal ein bis zwei buddhistische Bestattungen im Jahr – Beschreibung einer durchgeführten Trauerzeremonie → insgesamt drei Trauerzeremonie bzw. drei Bestandteile: 1. sehr große Trauerzeremonie mit 200 Gästen in Halle auf Kommunalfriedhof, wo zwei Tage später Urne beigesetzt wird → Buddha-Altar zur Linken → Mitte Altar mit Opfergaben und geschlossenem Sarg dahinter (teurer Eichensarg, obwohl Einäscherung!) → auf dem Altar Bild des Verstorbenen → gemeinsame Niederwerfungen vor dem Buddha-Altar, aber auch individuelle Niederwerfungen vor Opferaltar (→ Söhne danken den Trauergästen mit erwiderndem Niederwurf) → Umkreisen des Grabes 109 → „Weihe“ durch Blume, die in Wasser getaucht wird (katholisch?) → im Sarg Gebetskette → Leichnam wird mit Tuch bedeckt, auf welchem Gebete gestickt sind → ältester Sohn deckt Gesicht zu, dann kann Zeremonie beginnen → Trauergemeinde trägt weiße Stirnbänder, manche mit farbigem Punkt 2. sehr kleine Zeremonie vor Einäscherung in Krematoriumshalle → nur enge Familie, ca. fünf Personen → ältester Sohn hätte gerne den Knopf des Brennofens gedrückt, dies ist in Aachen aber nicht gestattet → teurer Eichensarg, warum nicht günstiger Sarg? Wiedergeburt! → auch wenn man verschuldet ist, die Bestattung muss groß sein → Essen und Trinken immer dabei als Opfergaben 3. einen Tag später: Beisetzung der Urne → wieder nur kleiner Kreis → „Weihe“ des Grabes durch Mönch → Urne wird durch ältesten Sohn runtergelassen, aber: Grab wird von Angestellten des Friedhofes zugeschüttet → sehr schlichtes Grabschild, einfaches Holz Corinna Aguilar-Raab Tibethaus Deutschland e.V. Kaufunger Straße 4, 60486 Frankfurt a.M. www.tibethaus.com 01.12.2014 (Telefoninterview) – Skandhas („Haufen): wie der Mensch zusammengesetzt ist, fünf Bestandteile – diese gilt es zu reinigen: karmische Reinigung – Wunschgebete → Reines Land 110 – Mantra singen, Thangka malen – am Grab: Erde reinigen → Mantra sagen und dann auf Erde pusten – Bestattungsrechte beachten! → Wie lange darf Leiche liegen bleiben? – Asche zerstreuen → Schweiz – Reinigungsrituale → Knochenreinigung abmildern oder Teile davon; Texte lesen als Reinigungsritual um Bardo zu leiten – Rezitieren von Texten – rituelle Elemente sind frei; Neues ist am Ausbilden (siehe Lisa Freund: Kerzenritual) – Dinge rausgreifen, um Abschied zu nehem: Wunschgebete, Mantren – Anlehnung an konfessionslose Bestattungen – Beisetzungsform hängt von Wunsch des Verstorbenen ab – keine feste Etablierung → free style – Trauer: Vermischung Christentum und Buddhismus – geweint wird trotzdem – Idee: Frauen fernhalten (?) – Versuch Verstorbenen zu schützen – Spiritual Care System – Trauer konstruktiv durchleben in der Praxis; kein Abbruch für immer – Leichenschmaus wird genauso praktiziert – Sur-Opfer: Bardo-Wesen ist ein Rauchfresser → Feuer anzünden und dann Substanzen (Essen, Trinken, Stoffe) verbrennen; Bardo-Wesen ernährt sich von Rauch → symbolisch, für jeden, einmaliges Trauerritual – weniger „deutsch“-buddhistische Rituale am Entwickeln, sondern westlichbuddhistische – Unterschiede zu anderen Bestattungen eher gering → christliche Aspekte: kritische Auseinandersetzung – Anfänge einer eigenen Trauerkultur in der Herausbildung durch Abänderung von Praktiken 111 Uller Gscheidel Charon Bestattungen Alte Jakobstraße 133 10969 Berlin www.charon.de 10.12.2014 – gleiche Funktionen wie bei allen Bestattungen – bei Bestattung immer da, enger Kontakt → allgemeine Philosophie – seit 35 Jahren praktizierender Buddhist (tibetischer Buddhismus) – seit 12 Jahren im Bestattungswesen – höchstens 5% der Bestattungen buddhistisch orientiert – buddhistisch: nur Feuerbestattungen bisher (allg. 80% Feuerbestattungen in Deutschland) – keine Definition einer buddhistischen Bestattung, sehr frei – Berlin-Ruhleben: Friedhof ist eher vietnamesischer Friedhof als buddhistischer Friedhof – Vietnamesen haben sich dort etwas Eigenes geschaffen, was aber theoretisch von jedem genutzt werden darf – vietnamesischer Buddha → macht es für nicht-vietnamesische Buddhisten befremdlich – eigentlich kein Grund dafür einen eigenen buddhistischen Friedhof zu haben – in Berlin sogar buddhistische Gräber auf kirchlichen Friedhöfen – ansonsten sind diese Gräber immer zwischen anderen Konfessionen oder Konfessionslosen → was hat es dann überhaupt für einen Hintergrund nach Konfessionen zu bestatten? – die Institutionalisierung und Ausprägung buddhistischer Rituale eigentlich immer regional bedingt → siehe Tibet (im Nachhinein wird „religiöse“/spirituelle Bedeutung hineininterpretiert) – genau das Gleiche passiert in Deutschland, wenn buddhistische Rituale anders ausgeführt werden 112 → regionale Bedingung legt fest inwieweit Rituale abgeändert werden → von Abänderung kann man auch nicht sprechen, weil man sonst Rituale im Herkunftsland als ultimativen Ausgangspunkt und „Ur-Rituale“ ansehen müsste, dabei haben sich die dortigen Bestattungsrituale in ihrer jetzogen Form auch bloß aufgrund von regionalen Bedingungen entwickelt = eher Neu-Interpretation – Entwicklung zu rein buddhistischen Bestattungsunternehmen wie bei muslimischen Bestattungsunternehmen sehr unwahrscheinlich, weil 1. zahlenbedingt → zu wenige Buddhisten (vor allem im Sterbealter); davon könnte ein Bestatter nicht leben 2. anderes Aufgabengebiet als bei muslimischen Bestattungsunternehmen → diese haben sich nur aufgrund der Rücküberführung türkischer Gastarbeiter entwickelt (zum Einen weil der Markt da war, zum Anderen weil türkische Bestatter besser mit den Behörden im Aufnahmeland kommunizieren können) – es gibt kein Gesetz, welches vorschreibt einen Bestatter zu engagieren → aber Dinge wie Kühlung und Leichenwagen hat nur ein Bestatter und diese sind vorgeschrieben – „deutsch“-buddhistische Bestattungsrituale sind erst im Entstehen – Zentren alle sehr individuell, einheitliche Rituale noch nicht vorhanden Christoph Mohry Rigpa-Zentrum Frankfurt a.M. Dreieichstrasse 39 60594 Frankfurt a.M. www.rigpa.de/zentrum-frankfurt.html 07.04.2015 – Namen von Verstorbenen oder Kranken werden zweimal im Monat verlesen – Gebetsliste → zentrums-intern und deutschlandweit – zweimal im Monat Praxis und an einer Stelle Einbezug der Gebetsliste – Namen werden auch nach Lerab Ling und Indien weitergegeben – über den Tod reden + Vorbereitung auf Praxis für den Tod 113 – friedvolle Umgebung einrichten – Aufteilung → jeder einen Tag der Todespraxis – in Indien und Lerab Ling findet täglich Einbezug statt – Vajrasatthva-Praktiken → Körper, Sprache und Geist reinigen – Nara Konchak → Gifte in Weisheit verwandeln – Bumpa: Ritualvase – zweimal im Monat offene Meditation – 35 Mitglieder, davon 10 intensiv Praktizierende – Zentren tragen sich selbst: Mitgliedsbeiträge, Spenden, Hilfe von Rigpa Fellowship wenn notwendig – Gründe der Konversion: Neugier; Schicksalsschläge – Einbezug der Praxis in modernen Alltag: Belehrungen auf dem Ipod, Handy 114 8.3. 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Ehrenwörtliche Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig verfasst und alle von mir benutzten Quellen und Hilfsmittel angegeben habe. Diese Arbeit ist nicht – auch nicht auszugsweise – in einem anderen Srudiengang als Studien- oder Prüfungsleistung verwendet worden. Frankfurt, 09.06.2015