TULKU THONDUP Friedliches Sterben – Glückliche Wiedergeburt Ein tibetisch-buddhistisches Handbuch Herausgegeben von Harold Talbott Aus dem amerikanischen Englisch von Claudia Fregiehn WINDPFERD s c h n e e l ö w e Urheberrechtlich geschütztes Material Titel der Originalausgabe Peaceful Death Joyful Rebirth – A Tibetan Buddhist Guidebook Erschienen bei Shambhala Publications, Inc., P. O. Box 308, MA 02117 © 2005 by Tulku Thondup Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Claudia Fregiehn 1. Auflage 2008 © 2006 Windpferd Verlagsgesellschaft mbH, Aitrang Edition Schneelöwe www.windpferd.de Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung und Layout: Marx Grafik & ArtWork Lektorat: Sylvia Luetjohann Gesetzt aus der Adobe Garamond Gesamtherstellung: Schneelöwe Verlagsberatung & Verlag, Aitrang Druck: Himmer AG, Augsburg Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany · ISBN 978-3-89385-557-5 Urheberrechtlich geschütztes Material Die wahre Natur von Leben und Tod ist friedlich und freudig. Die wahre Welt von Frieden und Freude ist das Glückselige Reine Land. Die wahre Quelle der Glückseligkeit ist das Grenzenlose Licht. Das Segenslicht ist dein und mein wahres Herz. Urheberrechtlich geschütztes Material Urheberrechtlich geschütztes Material Inhalt Danksagung Vorwort zur deutschen Ausgabe Anmerkungen zur deutschen Übersetzung Zu diesem Buch 13 15 16 17 Einleitung Der Tod ist nicht das Ende 25 Was passiert beim Tod? 26 Karma, das Naturgesetz der Kausalität 28 Der Kreislauf von Leben, Tod und Nachtoderfahrung 30 Flüchtige Eindrücke des Bardo 31 Wiedergeburt annehmen 34 Unsere Zukunft umwandeln 36 Zeremonien für die Toten und für Sterbende 39 Der Tod eines großen Lehrers 42 Kapitel Das menschliche Leben: Unsere kostbare Existenz Wie ist unsere wahre Natur beschaffen? Warum sollen wir meditieren? Urheberrechtlich geschütztes Material 47 48 50 Das menschliche Leben ist kostbar und selten 53 Das Leben ist vergänglich 56 58 Die Vergänglichkeit einsetzen, um negative Emotionen auflösen Das Leben wird durch das karmische Gesetz von Ursache und Wirkung erzeugt Die Wurzel von Karma liegt im Greifen nach einem „Selbst“ Wie entsteht Karma? Über die karmische Kausalität hinausgehen Ist das Leben eine Illusion? Warum es wichtig ist, Karma zu verstehen Das Leben ist voller Elend 61 64 65 69 70 71 Das Leiden: die erste edle Wahrheit 72 73 Das großartige Potential des Lebens 78 Kapitel Sterben: Die entscheidende Stunde des Lebens Der Sterbeprozess Die Elemente und Energien des menschlichen Körpers Die Auflösung der Elemente Die drei inneren Auflösungen Was sollten wir tun, wenn wir sterben? Delog-Berichte über Sterbeerfahrungen Energien lösen sich auf: Die Erfahrung von Karma Wangdzin Sammelt Verdienst für mich an: Die Erfahrung von Lingza Chökyi Sind die Herren des Todes gekommen, um mich zu holen? Die Erfahrung von Denma Sangye Seng-ge Strahlendes Leuchten wie ein wolkenloser Himmel: Die Erfahrung von Dagpo Tashi Namgyal Wahrnehmungen des Sterbens: Die Erfahrung von Samten Chötso Einmalig unter Delogs: Die Erfahrung von Dawa Dölma Geistige Reise ohne Behinderung: Die Erfahrung von Gyalwa Yungtrung Ursprüngliche Bewusstheit: Die Erfahrung von Tsophu Dorlo Ihr Weisheitsgeist wurde klar: Die Erfahrung von Shugseb Jetsün Lochen Der Dunkle Dämon geht fort: Die Erfahrung von Tagla Könchog Gyaltsen Keine Panik! Die Erfahrung von Changchub Seng-ge Hab keine Angst – sei auf alles vorbereitet Urheberrechtlich geschütztes Material 83 84 84 86 88 91 93 94 95 98 99 101 101 103 104 105 106 108 111 Kapitel Der Zustand der ursprünglichen Natur des Geistes: Flüchtige Eindrücke des Klaren Lichtes Die Erfahrung der ursprünglichen Natur des Geistes im Tod 113 114 Delog-Berichte über die Phase der ursprünglichen Natur des Geistes 124 Spontan vorhandenes Licht: Die Erfahrung von Lingza Chökyi 125 Ein körperloser Lichtkörper: Die Erfahrung von Dagpo Tashi Namgyal 125 Visionen der ursprünglichen Natur des Geistes: Die Erfahrung von Tsophu Dorlo Im Schoß eines Lichtkörpers: Die Erfahrung von Samten Chötso Anweisungen für die Helfer: Die Erfahrung von Changchub Seng-ge Ein äußerst glückseliger Zustand: Die Erfahrung von Dawa Dölma Ein Gefühl von Traurigkeit: Die Erfahrung von Karma Wangdzin Unser großartiges Potential Kapitel Der Bardo: Die folgenschwere Übergangsphase 126 127 127 130 130 131 133 Erfahrungen des Bardo 134 Der Gerichtshof und das Urteil 138 Hinweise auf die Wiedergeburt, die uns erwartet 140 Was sollten wir im Bardo tun? 142 Unsere zukünftige Reise 146 Kapitel Bardo-Geschichten: Nachtoderfahrungen tibetischer Delogs 149 Möge sie alles erinnern, was sie sieht: Die Erfahrung von Lingza Chökyi 150 Welche Beurteilungen erwarten mich? Die Erfahrung von Karma Wangdzin 168 Keine Angst vor den Feinden: Die Erfahrung von Denma Sangye Seng-ge 189 Besuche in den achtzehn Höllenbereichen: Die Erfahrung von Tagla Könchog Gyaltsen 194 Urheberrechtlich geschütztes Material In die Täuschung abgelenkt: Die Erfahrung von Dagpo Tashi Namgyal 199 Das Feld der Toten überqueren: Die Erfahrung von Gyalwa Yungtrung 202 Von Nektarströmen gereinigt: Die Erfahrung von Samten Chötso 207 Verliere nicht den Mut:D ie Erfahrung von Changchub-Senge 209 Die Hölle ist das Unübertroffene Reine Land: Die Erfahrung von Tsophu Dorlo 211 Form untrennbar von Weisheit: Die Erfahrung von Dawa Dölma 216 Lasst jeden Befreiung finden: Die Erfahrung von Shugseb Jetsün Lochen 221 Es gibt nichts anzunehmen oder abzulehnen: Die Erfahrung von Do Khyentse Yeshe Dorje 231 Kapitel Wiedergeburt: Der unentrinnbare karmische Kreislauf 237 Befreiung oder Wiedergeburt? 239 Die Ursachen für eine Wiedergeburt 241 Die sechs Bereiche der weltlichen Existenz 244 Sechs Emotionen: Die Samen für eine Wiedergeburt in den sechs Daseinsbereichen 246 Die Wahl des nächsten Geburtsortes könnten wir selbst in der Hand haben Den falschen Geburtsort verhindern Den richtigen Geburtsort wählen Kapitel Der Buddha des Grenzenlosen Lichtes und sein Glückseliges Reines Land Quellen der Tradition des Reinen Landes Urheberrechtlich geschütztes Material 250 250 254 259 260 Die drei Aspekte des Reinen Landes 261 Die Kraft der Gelübde des Buddha 262 Die Kraft des Namens des Buddha 264 Welche Eigenschaften hat das Reine Land? 265 Der Buddha des Grenzenlosen Lichtes und seine Schüler 269 Wiedergeburt im Glückseligen Reinen Land 272 Kapitel Wie man Sterbenden und Toten helfen kann 275 Positive Gedanken und Verhaltensweisen beibehalten 276 Gebete sprechen und Rituale praktizieren 278 Verdienste ansammeln 278 Buddhistische Rituale für Nicht-Buddhisten 280 Eine allumfassende Meditation für jeden 281 Anweisungen für Buddhisten und alle, die offen für den Buddhismus sind 282 Meditationen für Buddhisten und andere Meditierende Meditationen für sehr gut ausgebildete Helfer Anweisung für die Helfer von sterbenden Meditierenden 286 286 288 Wenn wir anderen helfen, helfen wir uns selbst 289 Einige wichtige Beobachtungen 290 Kapitel Ritualdienste für Sterbende und Tote 295 Die Tradition von Totenritualen 296 Religiöse Dienste für die Sterbenden 297 298 300 301 302 Reinigung Verdienst ansammeln Ermächtigungen Widmung und Wunschgebete Religiöse Dienste zum Zeitpunkt des Todes Anweisungen für gewöhnliche Menschen Anweisungen und Totenzeremonien für fortgeschrittene Meditierende Urheberrechtlich geschütztes Material 303 303 305 Religiöse Dienste nach dem Tod Eine Zusammenfassung des Dreizehnstufigen Totenrituals Andere Zeremonien 306 307 311 Kapitel Abschliessende Gedanken 313 Anhänge Einige einfache buddhistische Totenrituale 317 Anhang A Meditationen auf die vier Ursachen für eine Wiedergeburt im Glückseligen Reinen Land 319 Vorbereitende Übungen Zuflucht nehmen Erleuchtungsgeist (Bodhichitta) entwickeln Die vier Ursachen für eine Wiedergeburt im Glückseligen Reinen Land Die erste Ursache: Besinnung auf das Reine Land Die zweite Ursache: Ansammlung von Verdiensten Die dritte Ursache: Erleuchtungsgeist entwickeln Die vierte Ursache: Widmung und Wunschgebete Die Liturgien der vier Ursachen Das Mantra und die Namensgebete 324 324 324 325 325 328 328 329 330 Das Mantra des Buddha des Grenzenlosen Lichtes Namensgebete an den Buddha und die Bodhisattvas 332 332 333 Abschließende Praxis: Widmung und Wunschgebet 335 Anhang B Acht Rituale des esoterischen Buddhismus für Sterbende und Tote 339 Einführung in die acht Rituale 339 Die Durchführung der acht Rituale 341 Vorbereitende Übungen 343 343 344 Zuflucht nehmen Erleuchtungsgeist (Bodhichitta) entwickeln Urheberrechtlich geschütztes Material Sich selbst als den Buddha des Mitgefühls visualisieren und darauf meditieren Das Mantra des Buddha des Mitgefühls Dem Buddha des Mitgefühls Opfergaben darbringen Opferung zur Lobpreisung des Buddha des Mitgefühls Wunschgebet 344 347 347 348 348 Das Bewusstsein des Verstorbenen herbeirufen und ihm Belehrungen geben 349 Die Sur-Opferung an den Verstorbenen 351 Dharma-Unterweisungen an den Verstorbenen 356 Die Meditation und die Gebete des Phowa: Die Bewusstseinsübertragung in das Glückselige Reine Land Meditation Gebete Rezitation der Namensgebete an den Buddha und den Bodhisattva Die Hauptmeditaion des Phowa 358 360 363 365 367 Gebet und Meditation auf den Buddha des Grenzenlosen Lebens 369 Verbrennung des Bildnisses 370 Widmung und Wunschgebet 372 Anmerkungen Glossar Literaturverzeichnis Sach- und Personenregister Urheberrechtlich geschütztes Material 375 385 399 407 Urheberrechtlich geschütztes Material Danksagung F ür ihre tiefgründigen Lehren des Buddhismus, die meinem Leben einen Sinn gaben, bringe ich Kyabje Dodrupchen und Kyala Khenpo meine ganze Dankbarkeit dar. Ich danke ihnen auch für die äußerst genauen Anweisungen und Praktiken, die sie mir zu Totenritualen gaben, wodurch dieses Buch überhaupt entstehen konnte. Dank gilt auch meinen gütigen Eltern, Vorvätern und -müttern, meinen lieben Freunden, denen ich mein körperliches und geistiges Wohlergehen zu verdanken habe. Ich danke Harold Talbott sehr dafür, das Buch Peaceful Death, Joyful Rebirth [die amerikanische Originalausgabe von Friedliches Sterben – Glückliche Wiedergeburt] mit Geduld, Hingabe und Weisheit herausgegeben zu haben. Besonderer Dank gilt Kendra Crossen Burroughs für ihre Meisterschaft in der Kunst des Redigierens und für ihre Sachkenntnis, wodurch dieses Buch seine endgültigen Form erhielt. Ich danke Ian Baldwin für sein geschicktes Manövrieren durch die Verlagswelt und für seine redaktionellen Ratschläge; Zenkar Rinpoche dafür, mir viele seltene Texte von Delogs zur Verfügung gestellt zu haben. Dank an Gene Smith und das Tibetan Buddhist Resource Center, die eine sehr gute Quelle für meine Forschung waren; an Larry Mermelstein für die Übersetzung der Mantras aus dem Sanskrit (leider konnten wir die diakritischen Zeichen, die er vorgeschlagen hat, nicht verwenden). Dank an das Mahasiddha Nyingmapa Center, den verstorbenen Chagdud Rinpoche, Gyalse Putrug Rinpoche, Gyatul Rinpoche, Sherab Raldhi Lama, Lama Migmar Tseten, Ani Lodrö Palmo und Madeline Nold dafür, dass sie ihre kostbaren Bibliotheken für mich öffneten; Dank an Jonathan Miller, Byron Brumbaugh und Philip Richman für das Lesen des Manuskriptes und Urheberrechtlich geschütztes Material 13 für ihre guten Anmerkungen, an David Dvore für seine Fähigkeiten im Umgang mit Computern, an Michael Krigsman für die Unterstützung unserer Arbeit auf der Webseite www.tulkuthondup.com und Dank an Victor und Ruby Lam für den friedvollen Arbeitsplatz. Tief verpflichtet bin ich auch Michael Baldwin, der sich eigenhändig um alle menschlichen Notwendigkeiten kümmerte, wodurch die Produktivität unserer Forschungs- und Schreibarbeit stets beibehalten wurde. Ebenso stehe ich in der Schuld aller Förderer der Buddhayana-Stiftung (Buddhayana Foundation, 3 Barnabas Road, Marion, MA 02738) für ihre großzügige Unterstützung in den vergangenen 25 Jahren. Ich bedanke mich sehr bei Acharya Samuel Bercholz für das Vertrauen in meine Arbeit und auch bei Peter Turner, Jonathan Green, Lenny Jacobs, Hazel Bercholz und der Belegschaft des Verlages Shambhala Publications, die sich diesem Buch mit großer Sorgfalt widmeten. Dank auch an L. S. Summer für die Erstellung des Registers. Schließlich danke ich Lydia Segal für ihre stete Inspiration beim Schreiben des Buches und dafür, dass sie diesem Projekt ihre literarischen Fähigkeiten kenntnisreich und liebevoll zur Verfügung gestellt hat. Ich widme das ganze aus diesem Buch hervorgehende Verdienst mit innigen Gebeten allen Freunden, die ihre kostbarsten Übergangsmomente auf unterschiedliche Weise mit mir geteilt haben, und all denen, die von den in diesem Buch zur Verfügung gestellten Lehren profitieren werden. Mögen sie den Segen des Buddha des Grenzenlosen Lichtes und aller Verwirklichten voll vergegenwärtigen und stets eins damit sein. 14 Danksagung Urheberrechtlich geschütztes Material Vorwort zur deutschen Ausgabe Z iel des Buches Friedliches Sterben – Glückliche Wiedergeburt ist es, auf der Grundlage von authentischen buddhistischen Lehren, die seit Tausenden von Jahren Gültigkeit haben, unsere Zukunft wirklich im praktischen Sinne zu verbessern. Das Buch ist nicht nur dafür bestimmt, Erfahrungen des Sterbens und Nachtoderfahrungen in Form von Geschichten oder intellektuellen Vorstellungen zu beschreiben. Auf diesen Seiten finden sich zahlreiche Meditationen, doch sie sind alle in demselben Grundsatz verwurzelt: Unser ganzes Glück und auch all unser Schmerz werden von unserem eigenen Geist (Bewusstsein) erzeugt. Unser Geist wird davon angetrieben, wie wir unsere Umgebung und Situationen wahrnehmen. Wenn es uns also gelingen würde, die Präsenz des Buddha des Grenzenlosen Lichtes zu sehen oder uns auf sie zu besinnen; wenn wir den Buddha vom Grunde unseres Herzens als bedingungslose Liebe und allwissende Weisheit sehen und spüren könnten, dann würden sich in diesem Augenblick unsere mentalen Gedanken und Gefühle in Gedanken und Gefühle bedingungsloser Liebe und Weisheit umwandeln. Wenn in uns Liebe und Weisheit erwachen, die reinen Qualitäten unseres eigenen Geistes, dann werden alle Dinge, die wir sehen, hören und spüren, zu Bildern, Klängen und Erfahrungen von bedingungsloser Liebe und allwissender Weisheit. Wenn unser Körper dann zum Zeitpunkt des Todes von den Beschränkungen durch unseren grobstofflichen Körper, unsere Kultur und andere Bedingungen befreit wird, dann werden alle Phänomene als die immerwährende Welt grenzenloser Freude erscheinen, als das Glückselige Reine Land. Erlangen wir erst einmal Wiedergeburt im Glückseligen Reinen Land, so werden wir mehr Weisheit und Kraft haben, um anderen zu dienen Urheberrechtlich geschütztes Material 15 und zu helfen. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns jetzt, solange wir leben, darauf vorbereiten, für uns selbst und für andere immerwährenden Frieden und grenzenlose Freude zu sichern. Ich danke Claudia Fregiehn für ihre Kenntnisse und für ihr Engagement, mit dem sie dieses Buch sorgfältig ins Deutsche übersetzt hat. Ich bin auch unserer Freundin Frauke Blohm dankbar dafür, dass sie ihr Fachwissen für die deutsche Übersetzung zur Verfügung gestellt hat. Sylvia Luetjohann danke ich für ihr gründliches Lektorat. Ganz besonders froh bin ich darüber, dass Monika Jünemann das Buch Friedliches Sterben, glückliche Wiedergeburt in die Familie der Windpferd-Publikationen aufgenommen hat. Tulku Thondup Rinpoche Anmerkungen zur deutschen Übersetzung Insgesamt haben wir uns bei der Übersetzung des gesamten Buches darum bemüht, eine möglichst klare und einfache Sprache zu verwenden, so wie Tulku Thondup Rinpoche es auch im Englischen tut und dadurch mit einfachen Worten tiefgründige Inhalte transportiert. Bei der Übersetzung buddhistischer Fachausdrücke haben wir darauf geachtet, Begriffe zu benutzen, die nach Möglichkeit auch von Lesern verstanden werden, die keine oder kaum Vorkenntnisse zum Thema haben. Da gerade im Deutschen die Übersetzung buddhistischer Fachliteratur weniger standardisiert ist als im Englischen oder Französischen, gibt es für viele Ausdrücke mit Sicherheit mehrere Übersetzungsvarianten. Wir haben uns zugunsten des Leseflusses für die – so weit vorhanden – gängigsten Varianten entschieden. Bei mehrdeutigen Ausdrücken und tiefgründigen tibetischen Begriffen durften wir uns mit Fragen nach der gemeinten Nuance immer unmittelbar an Tulku Thondup Rinpoche wenden. Dafür danke ich ihm ganz herzlich und hoffe, dass wir seine Botschaften authentisch ins Deutsche übertragen haben. Claudia Fregiehn 16 Vorwort zur Deutschen Ausgabe Urheberrechtlich geschütztes Material Zu diesem Buch D ieses Buch extrahiert die tiefgründige Weisheit der Tausende von Jahren alten Tradition des tibetischen Buddhismus, die in einfachen und für jeden leicht verständlichen Worten wiedergegeben wird. Mein wichtigstes Ziel dabei ist, Lehren zu präsentieren, die nicht nur unseren Schmerz und unsere Verwirrung im Hinblick auf den Tod und das Sterben heilen, sondern die zugleich helfen, das erleuchtete Ziel von absolutem Frieden und vollkommener Freude zu verwirklichen, und zwar nicht nur in diesem Leben, sondern auch im Tod und danach. Buddha lehrte verschiedene Wege, mit denen wir uns auf die unbekannten Situationen des Todes vorbereiten und den größten Nutzen aus ihnen ziehen können. Zu ebendiesem Thema haben viele wahrhaft erleuchtete Meister wissenschaftliche Abhandlungen geschrieben. Der tibetische Buddhismus hat einige äußerst sorgfältig ausgearbeitete, detaillierte Lehren zum Thema Tod und Nachtoderfahrung hervorgebracht; das berühmte Bardo Thödol (im Deutschen allgemein bekannt als das Tibetische Totenbuch) ist nur eines von ihnen. In der Tat geht es in allen buddhistischen Lehren darum, die Umstände im Leben, im Tod und im nächsten Leben zu erkennen und zu verbessern. Meine Quellen für dieses Buch schließen somit eine sehr große Vielfalt an Texten* ein sowie Unterweisungen, die ich direkt von meinen spirituellen Meistern erhalten habe, und auch Erfahrungen aus erster Hand, die ich im Umgang mit dem Tod von großen Meistern, engen Freunden und Fremden gemacht habe. * Die Texte, aus denen ich schöpfe, sind in abgekürzter Form in den Anmerkungen im hinteren Teil des Buches aufgeführt. Die Rubrik „Literaturverzeichnis“ liefert den Schlüssel zu den Abkürzungen und die vollständigen Quellenangaben zu den Texten. Urheberrechtlich geschütztes Material 17 Tibetische Weisheitslehren Die Lehren des tibetischen Buddhismus teilen unsere Reise durch die zyklische Existenz in vier Zeitabschnitte ein: 1. die Phase des Lebens 2. die Phase des Todes 3. die Phase der flüchtigen Einblicke in die ursprüngliche Natur des Geistes und seine leuchtenden Visionen und 4. die Phase des Bardo oder der Übergangsphase zwischen dem nachtodlichen Zustand und der nächsten Wiedergeburt. In Kapitel 1 bis 4 werden diese vier Zeitabschnitte zusammengefasst. Um die Erfahrungen des Todes und des Bardo zu veranschaulichen, habe ich ausgiebig aus historischen Berichten von Delogs geschöpft. Dabei handelt es sich um tibetische „Rückkehrer vom Tod“, deren Schilderungen oft denen in der modernen Literatur der westlichen Welt über Nahtoderfahrungen auf bemerkenswerte Weise ähneln. Da die sehr ausführlichen Berichte, aus denen ich zitiere, unmittelbar den Bardo betreffen, habe ich ihnen ein ganzes Kapitel gewidmet: Kapitel 5, „Bardo-Geschchten“, das Berichte von ungewöhnlichen Reisen in Höllenbereiche oder in glückselige Welten jenseits des Todes enthält. Warum, wo und wie nehmen wir am Ende des Bardo in verschiedenen Bereichen Wiedergeburt an? Auf diese Frage konzentriert sich Kapitel 6, „Wiedergeburt“, und liefert eine Art Fahrplan, mit dessen Hilfe wir verhindern können, an falschen Orten wiedergeboren zu werden. Wir erfahren auch, wie wir die richtigen Orte dafür auswählen können, nämlich paradiesische Bereiche voller Freude, die als „Reine Länder“ bezeichnet werden. Die Reinen Länder sind die Aufenthaltsorte der himmlischen Buddhas, die Verkörperungen von Weisheit und Mitgefühl sind. Es ist charakteristisch für tibetische Rituale für Tote und Sterbende, dass sie hingebungsvolle Meditationen auf diese Buddhas und ihre Reinen Länder, die Quelle des Segens und der Kraft, beinhalten. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf die populärste dieser spirituellen Verkörperungen, auf den Buddha des Grenzenlosen Lichtes. Sich auf den Buddha des Grenzenlosen Lichtes zu besinnen und zu ihm zu beten wird den Toten eine Wiedergeburt in seinem Glückseligen Reinen Land ermöglichen, 18 Zu diesem Buch Urheberrechtlich geschütztes Material in einem Bereich von höchstem Frieden und großer Freude. Kapitel 7, „Der Buddha des Grenzenlosen Lichtes und sein Glückseliges Reines Land“, zeichnet auf der Basis von Beschreibungen aus den Sutras ein lebhaftes Bild dieser Segensquelle. Hinterbliebene spielen bei der Hilfe der Sterbenden und der Toten auf ihrem Weg in den Tod und darüber hinaus eine sehr wichtige Rolle. Kapitel 8, „Wie man den Sterbenden und den Toten hilft“, liefert einige praktische Anleitungen für Familienmitglieder und andere Hinterbliebene, Helfer und Pfleger, für Buddhisten wie auch für Nicht-Buddhisten. Für diejenigen, die daran interessiert sind, sich gründlicher mit der tibetischen Tradition zu befassen, beschreibt Kapitel 9, „Ritualdienste für Sterbende und Tote“, traditionelle Rituale, die Lamas für Sterbende und Tote in den Dörfern von Osttibet praktizierten, wo ich aufwuchs und in der Nyingma-Tradition des tibetischen Buddhismus ausgebildet wurde. Ich schließe mit einigen abschließenden Überlegungen in einem kurzen 10. Kapitel. Weitere buddhistische Materialien habe ich, weil sie ein wenig theoretischer sind, in zwei Anhängen untergebracht. Sie enthalten sehr einfache, aber wesentliche Totenrituale, die von einem Lama oder einem Helfer für eine sterbende oder tote Person durchgeführt werden können. Anhang A, „Meditationen auf die vier Ursachen für eine Wiedergeburt im Glückseligen Reinen Land“, bietet allgemeine buddhistische Meditationen mit tibetischem Text und Erläuterungen. Anhang B, „Acht Rituale des esoterischen Buddhismus für Sterbende und Tote“, bietet acht wichtige liturgische Praktiken mit tibetischen Texten und Erläuterungen. Im Anhang B befindet sich ebenfalls die Beschreibung der für viele Leser interessanten Phowa-Praxis, einer einzigartigen Meditation, durch die das Bewusstsein einer sterbenden Person (das eigene oder das einer Person, der man hilft) in ein erleuchtetes Reines Land versetzt wird. Einige persönliche Betrachtungen Dieses Buch ist angesichts der kostbaren Lehren, die ich hier zusammengetragen habe, für mich auf eine gewisse Art und Weise mein zärtlich geliebtes Kind. Auf einige Menschen mag es nicht wie ein traditionelles Werk tibetischer Gelehrsamkeit wirken, das normalerweise voller Fachausdrücke und tiefgehender philosophischer Prämissen ist. Anderen Zu diesem Buch Urheberrechtlich geschütztes Material 19 mag es an der Art von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen fehlen, wie sie westliche Wissenschaftler für unerlässlich halten. Mir kommt es jedoch nicht darauf an, Antworten auf solche Einwände zu geben. Mein Ziel und zugleich meine Hoffnung ist, diese Informationen allen Lesern, Buddhisten und Nicht-Buddhisten, so zugänglich wie möglich zu machen und dabei gleichzeitig die verbürgte Essenz der Originallehren zu bewahren. Ich fand aus verschiedenen Gründen Interesse daran, dieses Buch zu schreiben. Als ich vor einem Vierteljahrhundert in die Vereinigten Staaten kam, bemühten sich viele meiner westlichen Freunde gerade darum, ihren Universitätsabschluss zu schaffen, sich einen Job zu sichern und einen Lebenspartner zu finden; heute aber hat eine ganze Reihe von ihnen mit Krankheit und der Aussicht auf den Tod zu tun – genau wie ich auch. Von daher motivierten mich zu einem Teil private Beweggründe dazu, dieses Buch zu schreiben. Als Buddhist habe ich gelernt, immer mit dem Ziel zu studieren und zu arbeiten, für mich und andere die Qualität von Leben und Tod zu verbessern. In meinen beiden vorherigen Bücher, Die heilende Kraft des Geistes und Heilung grenzenlos, geht es vorrangig darum, die Leiden dieses Lebens zu heilen. Das Leben ist wichtig und kostbar und wir müssen fürsorglich mit ihm umgehen. Aber verdient denn der Tod, der Eintritt in das Tor zu unzähligen künftigen Leben ist, nicht auch besondere Aufmerksamkeit? Aus diesem Grunde ist Friedliches Sterben – Glückliche Wiedergeburt als Anleitung für uns vorgesehen, um dem Tod mit Zuversicht entgegenzusehen, für eine günstige Wiedergeburt zu sorgen und anderen dabei zu helfen, dies ebenfalls zu tun. Dies ist auch eine Form heilender Arbeit. Seit meiner frühen Kindheit bin ich im berühmten DodrupchenKloster in Osttibet aufgewachsen und habe unter der liebevollen Anleitung des großen Meisters Kyala Khenpo und anderer weiser Lehrer den Buddhismus studiert. Sie haben mich in der jahrhundertealten Tradition wissenschaftlicher und meditativer Kenntnisse und Fähigkeiten ausgebildet, mit denen sie sich auch selbst tagein tagaus befassten. Während sie so in vollen Zügen lebten, bereiteten sie sich immer auch auf ihren Tod vor – stets mit dem Wissen darum, dass das Leben kurz und der Tod gewiss ist und dass das, was nach dem Tod geschieht, eine ganz entscheidende Bedeutung für die Zukunft hat. Stets halfen sie 20 Zu diesem Buch Urheberrechtlich geschütztes Material anderen Menschen eifrig dabei, ihr Leben zu verbessern und sich auf den Tod vorzubereiten. Unser Kloster, eine der wohl abgeschiedensten bewohnten Ansiedlungen auf der ganzen Welt, lag in einem tiefen, von majestätischen Bergen umgebenen Tal. Mit meinem kindlichen Geist war ich völlig davon überzeugt, dass unser Kloster ein Heiligtum immerwährenden Friedens und ewiger Freude sei. Keine Macht könnte jemals seine geheiligte Existenz antasten, so glaubte ich. Doch ich irrte mich, denn die Kräfte des politischen Aufruhrs veränderten unser Leben für immer. Die jahrhundertealte Tradition des pulsierenden religiösen Lebens im Kloster kam zu einem jähen Ende, wir mussten fliehen. Unter der Führung eines der größten Meister des Klosters, Kyabje Dodrupchen Rinpoche, der mit der besonderen Gabe natürlicher Weisheit ausgestattet ist, entkamen einige von uns als Flüchtlinge nach Indien. Auf unserer Reise durch das Land des Schnees (der alte Name für Tibet) legten wir insgesamt eine Strecke von mehr als 1500 Kilometern zurück. Es wäre verlockend, anderen die Schuld an dem sowohl körperlichen als auch seelischen Leiden zu geben, das Menschen infolge von politischer, militärischer und sozialer Konflikte und Gewalt weltweit ertragen. Obwohl Schuldzuweisungen ein Gefühl der Befriedigung oder der Entlastung erzeugen mögen, betont der Buddhismus, dass alles Leiden in unserem Leben Ergebnis unserer eigenen vergangenen Handlungen ist. Von daher wird das bloße Beschuldigen anderer niemals dabei helfen, etwas in Ordnung zu bringen. Hier handelt es sich nicht um ein Spiel von Selbstbeschuldigung, bei dem man Wut auf neurotische Weise gegen sich selbst anstatt auf die eigentliche Ursache richtet. Stattdessen ist es genau diese Überzeugung, aufgrund der wir die Verantwortung für unser Leben selbst in die Hand nehmen. Nur wenn wir diese Verantwortung akzeptieren, können wir unseren Platz auf dem Fahrersitz unseres Lebens einnehmen und anfangen, den Kurs unserer karmischen Reise auch wirklich zu lenken. In Indien kam ich, wie viele andere Flüchtlinge auch, unmittelbar in den Genuss der Erfahrung, gütig von Menschen behandelt zu werden, die alles mit mir teilten, was sie hatten. Solch ein Empfang war ein großes Wunder, an das ich auch heute, mehr als vier Jahrzehnte später, noch immer zurückdenke. Die Freiheit, beten zu dürfen, hatte eine besondere Bedeutung und tröstete jene, deren Herzen verletzt waren. Zu diesem Buch Urheberrechtlich geschütztes Material 21 Nach Jahren der Anstrengung passte ich mich an die höchst differenzierte Kultur und die Werte der neuen Welt an. Bei jungen Menschen heilt die Seele – sowie auch körperliche Verletzungen – leichter, wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten. Aufgrund dessen überlebte ich ohne jegliche Langzeitschäden. Ich bin dankbar und voller Wertschätzung für das Glück, das mir in den 25 Jahren meines Lebens in Indien erst als Flüchtling und dann als Universitätsprofessor widerfuhr. Es folgten mehr als 24 Jahre in den Vereinigten Staaten, die es mir ermöglicht haben, in großen Annehmlichkeiten über die nektarartigen Lehren des Buddhismus zu arbeiten. Alle Chancen, die großen und die kleinen, die sich mir in der freien Welt boten, haben nicht nur mein Alltagsleben bereichert, sondern auch die Tiefe und Weite meiner spirituellen Reise ausgedehnt. Trotzdem sind die Versuchungen in der modernen Welt zu zahlreich und zu stark, um ihnen zu widerstehen. Die Tage gingen so blitzschnell, förmlich in Lichtgeschwindigkeit vorüber. Sie waren schon vorbei, bevor ich überhaupt merkte, was geschah, und die Chance wahrnahm, sie zu genießen. Eine große Anzahl günstiger Gelegenheiten dieses kostbaren Lebens sind für immer vorüber und werden sich mir nie wieder bieten. Doch jeder Schritt des Lebens war eine wichtige Herausforderung, jeder wertvolle Augenblick war eine Quelle wirklichen Segens. Den Fortbestand vieler wertvoller Früchte meiner harten, der Zukunft gewidmeten Arbeit konnte ich ausschließlich dank der gütigen Hilfe vieler Lehrer und Freunde sichern. Auf den Seiten dieses Buches schöpfe ich aus den Lehren tiefgründiger Weisheit, die ich in Tibet empfangen habe, und auch aus dem, was ich durch die schmerzhaften Ereignisse lernte, die ich dort erlebt habe. Doch ohne das Leben, das ich außerhalb von Tibet gelebt habe, mit all seinem materiellen Reichtum und seinem vielfältigen Wissen ebenso wie mit seinen Kämpfen und Versuchungen, wäre dieses Buch so sicherlich nie konzipiert worden. Es wird hoffentlich mir selbst und vielen anderen, die es benutzen, ein Wegweiser für die Reise ins Unbekannte sein. 22 Zu diesem Buch Urheberrechtlich geschütztes Material