Als PDF-Download - Richard-Wagner

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Samstag, 19. Januar 2013
Freiburger Nachrichten
13
Er war ein Leben lang auf der Flucht. Und er war ein Leben lang in Geldnot. Trotzdem hat Richard Wagner Grosses geschaffen.
2013 bietet der 200. Geburtstag des Komponisten Anlass, dessen abenteuerliches Leben in Erinnerung zu rufen.
Leipzig, Dresden, Bayreuth, Eisenach und viele andere deutsche Städte tun dies mit verschiedenen Aktivitäten.
Auf den Spuren Richard Wagners
IRMGARD LEHMANN
R
ichard Wagner ist einer der schillerndsten und spannendsten
Komponisten,
welche die Musikwelt je gekannt hat. Sein Leben liest sich
wie ein Abenteuerroman.
«Wagner war ein exaltierter
Typ», sagt der Leipziger Wagner-Kenner Thomas Krakow.
«Er war ganz gross in der
Selbstvermarktung, hat viel geredet, am liebsten über sich
und seine Werke.» Doch Wagner hat Einzigartiges geschaffen. Er war der erste Musiker,
der das Libretto schrieb, die
Musik komponierte und auch
die Inszenierung bestimmte.
Wagner ist der geniale Schöpfer des Gesamtkunstwerks.
Krakow: «Alles, was wir auf der
Bühne sehen, hat sich dieser
Mann bis in letzte Detail ausgedacht.»
Flucht vor den Gläubigern
Bereits als Schüler interessiert sich Wagner für Dichtung
und Komposition. In der
Musikmetropole Leipzig, wo
auch Bach, Schumann und
Mendelssohn Bartholdy gewirkt haben, inspiriert ihn
Beethovens «Fidelio» zu seiner
ersten Sinfonie. Wagner ist gerade mal 17 Jahre alt, als mit
der Ouvertüre in B-Dur erstmals ein Werk von ihm aufgeführt wird. Mit 18 Jahren
schreibt er sich an der Uni
Leipzig ein und erhält den ersten Kompositionsunterricht.
Das Unstete bestimmt schon
früh das Leben des jungen
Musikers. Zwischen 1833 und
1839 dirigiert Wagner an den
Theatern von Würzburg, Magdeburg, Königsberg und Riga.
Doch wie viele seiner Zeitgenossen kann er kaum von seinen Einkünften leben. Dazu
Thomas Krakow, der auch
Vorsitzender des RichardWagner-Verbandes ist: «Aufgrund einer Jugend unter
schwierigsten materiellen und
finanziellen
Bedingungen
führte er einen dekadenten
Lebenswandel, liebte Prunk
und Luxus.»
Die Schulden häufen sich
und Wagner ist dauernd auf
der Flucht vor den Gläubigern.
Immer wieder muss er das Domizil wechseln. Für Schulden
gabs damals Gefängnis, die sogenannte Schuldhaft. 1839
flieht Wagner hoch verschuldet nach Paris.
Neid und Grössenwahn
Wagner träumt davon, die
Metropole der Musik zu erobern. Doch der erhoffte Er-
folg bleibt aus. In Paris besetzt
Meyerbeer, ein steinreicher jüdischer Musikgott, das Terrain
und unterstützt Wagner. Doch
Mendelssohn, ebenfalls Jude,
lässt den jungen Musiker zappeln. Ihm hat Wagner seine
erste Sinfonie geschickt. Als
Mendelssohn nichts von sich
hören lässt, erkundigt sich
Wagner. Mendelssohn speist
ihn mit der Antwort ab, dass er
die Sinfonie verloren habe.
Krakow: «Wagners Antisemitismus könnte hier seinen Anfang genommen haben.»
Thomas Krakow sieht die
Persönlichkeit
Wagners
durchaus kritisch und spricht
offen über die negativen Seiten
des grossen Komponisten:
«Die antisemitischen Tiraden
wie auch der Neid auf Mendelssohn und Meyerbeer gehören zu Wagners Charakterschwächen.» Wie auch sein
Grössenwahn? «Wagner war
nur 1,66 Meter gross, das hat
wohl dazu beigetragen.»
Aufstand in Dresden
Der Durchbruch gelingt
Wagner als knapp 30-Jähriger
mit der Uraufführung von
«Rienzi» in Dresden. 1842 wird
er Hofkapellmeister – eine feste Anstellung, die seine chronische Geldnot lindert. In Dresden verbringt Wagner zusammen mit der Kinderzeit insgesamt 19 Jahre. Berühmte Werke wie «Tannhäuser» und «Lohengrin» entstehen.
Wagner war auch ein politischer Mensch. Mit Gesellschaftskritik beschäftigt er sich
ein Leben lang. Der begeisterte
Demokrat unterstützt in Dresden die bürgerliche Revolution. Was ihn prompt die Kapellmeister-Stelle kostet. Krakow: «Wagner war bis ins letzte
Detail konsequent. Ihn interessierte weder rechts noch
links.» Im Mai 1849 nimmt er
am Dresdener Aufstand teil.
Seine Kollegen werden gefangen genommen. Wagner aber
gelingt mit Hilfe von Franz
Liszt die Flucht nach Zürich. In
ganz Deutschland erscheint
ein Steckbrief, der in Sachsen
erst 1860 aufgehoben wird.
Wagners politisches Handeln ist aus dem Umfeld der
damaligen Zeit zu verstehen.
In den Dreissigerjahren des 19.
Jahrhunderts erlebt das Nationalgefühl in Deutschland wie
in Europa als Folge der Französischen Revolution und der
Kriege Napoleons einen starken Aufschwung. Anstelle der
traumatischen Zersplitterung
träumt das Volk von einem
vereinten Deutschland. «Wagner plädierte für eine Gleich-
Die Grabstätte von Richard und Cosima Wagner im Garten der
Villa Wahnfried in Bayreuth.
heit der Klassen und wollte das
Geld abschaffen», erzählt Thomas Krakow. «Und er war
überzeugt, dass der Mensch
durch Musik ein besserer
Mensch wird.»
Vom König gerettet
Rund zehn Jahre bleibt Wagner mit seiner Frau Minna, einer Schauspielerin, im Zürcher Exil. Dort entsteht eine
seiner wichtigsten theoretischen Schriften, «Das Kunstwerk der Zukunft». Und es entstehen grosse Teile des «Rings
des Nibelungen» und von
«Tristan und Isolde». «Seine
Kunst sollte eine Kunst fürs
Volk sein», bemerkt Krakow.
Nach dem Zürcher Exil führen Wagner zahlreiche Konzertreisen in die Städte Europas, bis der Bayernkönig Ludwig II. ihn 1864 nach München
holt. Der junge König bezahlt
Wagners Schulden, und für
den Komponisten beginnt eine Zeit unbeschwerten Schaffens ohne Geldsorgen. Vom
König erhält er eine jährliche
Rente. Warum diese Verbundenheit? Krakow sieht es so:
«Ludwig wurde genauso herumgeschoben wie Wagner.
Beide litten unter der Abwesenheit des Vaters. Wagners
Trauma zeigt sich in seinen
Werken; seine Hauptdarsteller
sind oft vaterlos.» Kein Zweifel:
Der Bayernkönig hat Wagner
für die Welt gerettet.
Wagner und die Schweiz
Während des Zürcher Exils
lernt Wagner das Industriellenpaar Otto und Mathilde
Wesendonck kennen. Diese
bleiben ihm über alle Turbulenzen hinweg verbunden und
stellen ihm auf dem grünen
Hügel in der Enge das Haus
«Asyl» zur Verfügung. Aufgrund seiner Beziehung zu
Mathilde – vermutlich platonisch – müssen die Wagners in
aller Eile das Grundstück der
Wesendoncks räumen, und
Wagners erste Frau Minna
zieht nach Dresden zurück, wo
sie 1866 stirbt.
In das Leben Wagners tritt
die 24 Jahre jüngere Cosima
von Bülow, Tochter von Franz
Liszt. Noch als Gemahlin des
Dirigenten Bülow bringt sie
Wagners Tochter Isolde auf die
Welt. Später folgt sie Wagner
nach Tribschen. Nach der Geburt des dritten gemeinsamen
Kindes Siegfried schliessen sie
1870 ihre Ehe. Die Familie
zieht 1872 nach Bayreuth.
Wagner hat sich aber auch in
Venedig feudal eingerichtet.
Im Palazzo Vendramin direkt
am Canale Grande verbringt er
die Winter. So auch im Jahre
1883, als ihn eine Herzattacke
ereilt. Wagner stirbt am 13. Februar 1883 im Beisein von Cosima. Sie überlebt ihn um fast
50 Jahre, wird 93 Jahre alt und
stirbt 1930. Im Garten der Villa
Wahnfried haben Richard und
Cosima ihre letzte Ruhestätte
gefunden, nach dem Willen
Wagners ein Grab mit namenlosem Grabstein.
Richard Wagner, der grosse
Musikdramatiker, Frauenheld,
Revolutionär und Lebemann,
hinterlässt 13 Opern, eine Vielzahl von Liedern, Orchesterund Klavierwerken und über
10 000 Briefe.
Die Reportage entstand mit Unterstützung
der Deutschen Zentrale für Tourismus.
Musikgenie, Lebemann, Antisemit: Richard Wagner war ein Mann mit vielen Gesichtern.
Bilder zvg
Wagner-Jahr: 2013 lässt sich der
Komponist an vielen Orten neu entdecken
V
on Bayreuth bis Tribschen können WagnerFreunde sich auf Spurensuche machen:
• Bayreuth: 1872 zogen Richard und Cosima Wagner
nach Bayreuth, nicht zuletzt,
weil die Stadt ihnen das
Grundstück fürs Festspielhaus
schenkte. Wagner liess das
Festspielhaus bauen, finanziert über Patronatsscheine
von den gerade gegründeten
Wagner-Verbänden und über
Kredite des Bayernkönigs. Mit
dem «Ring des Nibelungen» –
die Aufführung dauerte 16
Stunden – wurde das Haus
1876 eröffnet.
Tipps: Wagner-Festspiele (25. Juli bis 28.
August); Wagner-Museum Villa Wahnfried (aktuell wegen Sanierungsarbeiten
geschlossen); Franz-Liszt-Museum.
Infos: http://www.bayreuth.de.
• Leipzig: Im Jahr der Völkerschlacht gegen Napoleon kam
Richard Wagner 1813 als
neuntes Kind einer Beamtenfamilie in Leipzig zur Welt.
Der Vater starb ein halbes Jahr
später, die Mutter heiratete
1814 den Schauspieler Ludwig
Geyer. Gerüchte verstummten
nicht, dass Geyer Wagners
wahrer Vater war.
Tipps: Richard-Wagner-Festtage (16. bis
26. Mai); Ausstellung «Wagnerlust und
Wagnerlast» (Februar bis Mai); Eröffnung
des Richard-Wagner-Museums mit Dauerausstellung «Der junge Richard Wagner»
(21. Mai); musikalischer Stadtrundgang
entlang von Wohn- und Schaffensstätten
berühmter Komponisten.
Infos: http://www.richard-wagnerleipzig.de.
• Eisenach: In Eisenach ist Johann Sebastian Bach aufgewachsen (Bachhaus); Martin
Luther besuchte hier die Lateinschule (Lutherhaus) und
übersetzte auf der Wartburg
das Neue Testament. Die
Wartburg inspirierte Wagner
zu «Tannhäuser».
Tipps: Konzertante Aufführung «Tannhäuser» auf der Wartburg (ab 29. März);
Wagnerausstellung in der Villa des Dichters Fritz Reuter.
Infos: http://www.thueringentourismus.de.
• Dresden: Wagner verbrachte in Dresden einen Teil seiner
Kindheit. An der Semperoper
wirkte er sechs Jahre als Hofkapellmeister mit festem Jahresgehalt.
Tipps: Oratorium «Das Liebesmahl der
Apostel» in der Frauenkirche (18. Mai);
Geburtstagskonzert in der Semperoper
(21. Mai); Ausstellung «Richard Wagner
in Dresden – Mythos und Geschichte»
(Mai bis Oktober); Lohengrin-Haus
Graupa (älteste Wohnstätte Wagners)
und Wagner-Museum im Schloss Graupa;
Elbe-Schifffahrt.
Infos: http://www.richard-wagnermuseum.de.
• Tribschen: Sechs Jahre lebten Richard und Cosima Wagner mit ihren Kindern in Tribschen bei Luzern, ehe sie 1872
nach Bayreuth zogen. 1931 erwarb die Stadt Luzern das
Landhaus; 1933 wurde hier
das Richard-Wagner-Museum
eröffnet.
Tipp: Im Richard-Wagner-Museum finden
2013 Sonderveranstaltungen statt.
Infos: www.richard-wagner-museum.ch.
zusammengestellt von il
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