Seminar: Archive des Wissens, durch Peter Haber

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Institut für Medienwissenschaften
der Universität Basel
Sommersemester 2003
Seminar: Archive des Wissens,
durch Peter Haber
Protokoll vom 7.5.2003,
verfasst von Roberto Gonzalez
Referent: Joel Eschmann
Themen:
Teil 1: Die Bibliothek von Alexandria
Teil 2: Bibliotheken und Archive im Wandel
der Zeit
Literatur
Der Referent hebt von den Materialien besonders hervor:
Canfora, Lucian: Die verschwunden Bibliothek. Das Wissen der Welt und der Brand
von Alexandria, Berlin 1998.
Web-Links
www.bibliothek-alexandria.de
www.artur-photo.de/Neu/2305021/
www.unesco.org/courier/1999_04/uk/signes/txt1.htm
Zeitungsartikel
Bergmann, Kristina: „Die digitale Sonnenscheibe von Alexandria“, NZZ Nr. 119 vom
27.5.02, S. 25
BvA = Bibliothek von Alexandria
Brainstorming
Ein vom Referenten angeregtes Brainstorming fördert zutage, dass vor allem die
Zerstörung der BvA zum Allgemeinwissen gehört. Allerdings scheint der genaue Hergang der Zerstörung nicht immer genau festzustehen. Die BvA scheint auch eine
Metapher für den antiken Anspruch auf Vollständigkeit zu sein, ebenfalls bekannt
ist auch, dass die Bibliothek im neuen Millennium in einer modernen Form und mit
grossem Anspruch wiederbelebt worden ist, mit zum Teil kontroverser Beurteilung.
Quellenlage
Die Quellenlage ist widersprüchlich, archäologische Funde sind nicht vorhanden
und wissenschaftliche Meinungen zur BvA divergieren zum Teil beträchtlich.
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Begründung der BvA
Nach dem Ende des Imperiums Alexanders des Grossen um 323 v. Chr. zerfällt das
Herrschaftsgebiet in die Diadochenreiche. Ptolemäus I. Soter (um 367 bis 283
v. Chr.) begründet die hellenistische Herrschaft der Ptolemäer in Ägypten. Nach Sicherung seiner Herrschaft und Aufbau einer Verwaltung beginnt er den kulturellen
Umbau in Ägypten nach hellenistischem Vorbild. Zu seinen herausragenden Projekten gehört vor allem der Aufbau der BvA, der dann später unter seinem Sohn Ptolemäus II wesentlich vorangetrieben wurde und das Projekt zu einer ersten Blüte
brachte.
Universaler Anspruch
Mit der BvA wurde ein universaler Anspruch erhoben, im Zentrum stand dabei natürlich vor allem das hellenistische Bildungsgut. Aber auch Gelehrte aus anderen
Kulturkreisen der damals aus griechischer Perspektive bekannten Welt waren für
die BvA von Interesse. So wurden z.B. auch die Übersetzung der Schriften Zarathustras aus dem Persischen für die BvA in Auftrag gegeben und jüdische Schriftgelehrte für die Mitarbeit angefordert.
Schätzungen über den tatsächlichen Bestand an Pergamentrollen reichen von 40
Tausend bis 700 Tausend, wobei hier zwischen vermischten (d.h. mehrbändigen
Werken) und unvermischten (einbändigen Werken) unterschieden wird.
Die BvA verkörperte nicht nur ein antikes Bildungs- und Wissensideal, sondern hatte auch eine zentrale symbolische Bedeutung für den Machtanspruch des Ptolemäischen Reiches.
Architektur
Über die Architektur kann aufgrund fehlenden archäologischen Materials nur spekuliert werden. Es ist anzunehmen, dass hellenistische Architekturstandards beim
Bau als Vorbild dienten. Der Grundriss der Bibliothek von Pergamon mit seiner Aufteilung Vorraum – Hauptbereich - Sakralbereich kann hier als Anschauungsmaterial
dienen.
„Anekdotisches“
Es kursieren diverse Geschichten anekdotischen Charakters über die Akquisitionsmethoden der BvA, deren Wahrheitsgehalt aus wissenschaftlicher Sicht allerdings
nicht als gesichert gelten kann. Zum Beispiel:
1) Schiffe, die vor Alexandria ankerten, wurden in teilweise überfallartigen Aktionen dazu gezwungen, ihre Schriftdokumente herauszugeben, damit Kopien von diesen Dokumenten für die BvA angefertigt werden konnten. Dabei
wurden den Besitzern aber oftmals die Kopien statt der Originale zurückerstattet.
2) Wertvolle Originale, die aus Athen angefordert worden waren und für deren
Lieferung eine erhebliche Summe als Pfand ausgestellt wurde, wurden nicht
mehr zurückgegeben. Stattdessen zog man es vor, den Athenern das Pfand
zu überlassen.
3) Beim Kauf von Originaldokumenten von Aristoteles wurden die Bibliothekare
vom Verkäufer, einem ehemaligen Schüler Aristoteles, übers Ohr gehauen,
indem sie grösstenteils unwesentliche Dokumente angedreht bekamen.
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Errungenschaften der BvA
1) Erste Ansätze einer Literaturkritik, aufbauend auf der sorgfältigen Redigierung und Korrektur vorhandener Dokumente und dem Bemühen, den Ursprungstext möglichst originalgetreu zu rekonstruieren.
2) Erste systematische Katalogisierungsversuche nach Sachgruppen und Autoren
3) Im Verlauf der Zeit Aufbau einer zweiten öffentlichen Bibliothek, die im Gegensatz zur BvA nicht nur den Schriftgelehrten zur Verfügung stand.
Die Zerstörung
Es kursieren verschiedene Thesen über die Zerstörung der BvA, hervorzuheben sind:
1) Zerstörung im Alexandrinischen Krieg durch Julius Cäsars Vernichtung der
Ptolemäischen Flotte im Hafen von Alexandria. Der dabei übergreifende
Brand zerstörte die in der Nähe des Hafens gelegene Bibliothek oder aber
auch nur die Hafenlager, wo lediglich neuere Pergamentrollen (ca. 40 Tausend) zwischengelagert wurden.
2) Die BvA wurde möglicherweise auch im 3. Jahrhundert n. Chr. bei kriegerischen Auseinandersetzungen oder aber auch erst von den siegreichen Arabern im 7. Jahrhundert zerstört, wobei auch diese Thesen angezweifelt werden dürfen.
Neue Alexandrinische Bibliothek
Im neuen Jahrtausend wurde die Alexandrinische Bibliothek mit moderner Architektur und Ausstattung neu als ägyptisches Prestigeprojekt eröffnet. Beeindruckend
ist die Architektur des Norwegers Christoph Kapeller. Konzept und Anspruch des
Projekts sind aber aus verschiedenen Gründen kritischen Kontroversen ausgeliefert,
über deren genaueren Inhalt aber im Referat nicht näher eingegangen wurde. (→
„Die digitale Sonnenscheibe von Alexandria“ von Kristina Bergmann, NZZ Nr. 119
vom 27.5.02, S. 25)
Schlussdiskussion
In der anschliessenden Kurzdiskussion wird u.a. reflektiert a) über die Bedeutung
der Kopie im Vergleich zum Original (besonders im Hinblick auf die z.T. räuberischen Akquisitionsmethoden) b) die Funktion und das Angebot der öffentlichen
Tochterbibliothek und c) über die in dieser Epoche sich erstmalig manifestierende
Materialisierung des Wissens.
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Sonstiges:
a) P. Haber weist darauf hin, dass die frühzeitige Besprechung der noch anstehenden Referate von Vorteil ist, um etwaige Engpässe in der zweiten Semesterhälfte zu
verhindern.
b) P. Haber bittet, sofern noch nicht erfolgt, um die Lektüre des folgenden Textes
zum nächsten Mal:
Raffelt, Albert: <http://www.ub.uni-freiburg.de> Vom Bibliothekshandwerk zum
Medien- und Informationsmanagement, in: ders. (Hrsg.): Positionen im Wandel.
Festschrift für Bärbel Schubel, Freibutg im Breisgau 2002, S. 1-21.
RG/7.5.03
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