Maurice Maeterlinck (1862-1949) »Niemals hat der Symbolismus mit größerer Kühnheit versucht, in Wort und Bild das Unsichtbare sichtbar zu machen.« schreibt Maeterlincks Interpret Fernand Desonay über Les aveugles. Das 1890 in der Form eines drame statique verfasste Stück zählt zu den bedeutendsten Bühnenwerken des belgischen Autors, der 1911 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. Vor allem mit seinen frühen Dramen hat Maeterlinck den Symbolismus wesentlich mitgeprägt. Die Ästhetik dieser Stücke beeinflusste das moderne Theater und dessen Entwicklung zum Theater des Absurden, bis hin zu Autoren wie Beckett, Camus oder Kafka. Maeterlinck wurde 1862 in Gent als Sohn wohlhabender französischsprachiger Eltern geboren. 1886, während seines Jurastudiums, reiste er erstmals nach Paris, wo er Anschluss an literarische und künstlerische Kreise suchte und unter den Vertretern der jungen symbolistischen Bewegung auch Stéphane Mallarmé kennenlernte. 1889 veröffentlichte Maeterlinck einen ersten Gedichtband sowie das Drama La Princesse Maleine – die Auflage von je 30 Stück hatte er eigenhändig auf einer Handdruckerpresse hergestellt. Die Publikation machte ihn quasi über Nacht berühmt. Maeterlinck gab den ungeliebten Anwaltsberuf auf, zog sich von der Öffentlichkeit zurück und widmete sich von nun an ganz dem Schreiben und seinem lebenslangen Hobby, der Imkerei. So entstanden in den folgenden Jahren nicht nur Gedichte und Dramen, Essays und philosophische Schriften, sondern auch seine naturphilosophischen Werke, zu denen La vie des Abeilles (Das Leben der Bienen, 1901) und La vie des Termites (Das Leben der Termiten, 1926) zählen .In ihnen vereinigt er »in bisher unbekannter Weise Poesie und Wissenschaft« (Gerhard Roth). Maurice Maeterlinck starb 1949 in seinem Schloss »Orlamonde« in der Nähe von Nizza. Impressum Herausgeber Konzerthaus Berlin Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann Redaktion Katharina Tarján Satz und Reinzeichnung www.graphiccenter.de Plakat- und Postkartenmotiv Matthias Wittig, fernkopie Herstellung LASERLINE Berlin Aufführungsrechte Sikorski Musikverlage, Hamburg Maeterlincks Das Leben der Bienen ist 2011 in einer Neuausgabe des Unionsverlags Zürich erschienen. Lera Auerbach (*1973) gehört zu den weltweit meistaufgeführten Komponisten der jüngeren Generation. Die 1973 in Sibirien geborene Pianistin und Komponistin zog 1991 kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nach New York, wo sie auch heute lebt. Charakteristisch für ihre Musik ist die stilistische Freiheit und das Aufeinandertreffen von tonaler und atonaler Musiksprache, das ihre Kompositionen für den Hörer in hohem Maße zugänglich macht, ohne überkommenen Traditionen verhaftet zu bleiben. Ihr schon jetzt umfangreiches Werkverzeichnis umfasst Kompositionen fast aller Gattungen: Kammermusik für verschiedene Besetzungen, Chor- und Orchesterwerke sowie Ballettmusik. Lera Auerbach erhielt Kompositionsaufträge führender internationaler Ensembles und Musikfestivals (u.a. Gidon Kremer, Tokyo String Quartet, Kuss- und Petersen-Quartett, Sinfonieorchester des SWR und NDR Hannover sowie NDR Hamburg, Luzern Festival, Lockenhaus und Schleswig-Holstein Musik Festival). Sie arbeitete als Composer in Residence in Amerika, Japan und Deutschland und erhielt zahlreiche bedeutende Preise und Auszeichnungen. John Neumeier choreographierte für das Königlich Dänische Ballett und die Hamburger Staatsoper ihre Ballettmusik The little Mermaid. Derzeit ist sie Composer in Residence bei der Staatskapelle Dresden. Zahlreiche Werke von Lera Auerbach kommen in der nächsten Zeit zur Uraufführung: Nach The Blind in Berlin folgt am 14. Oktober 2011 in Helsinki das Ballett Cinderella, am 15. November die Oper GOGOL in Wien und am 12. Februar 2012 ein Requiem für Männer- und Knabenchor, Orchester und Solisten in Dresden. Lera Auerbach The Blind A-cappella-Oper nach Maurice Maeterlincks Les aveugles Koproduktion von Berliner Kammeroper und Konzerthaus Berlin Uraufführung am Donnerstag, 13.10.2011 20 Uhr Konzerthaus Berlin Werner-Otto-Saal Vocalconsort Berlin Inge Clerix, Yvonne Friedli, Claudia van Hasselt, Helena Köhne, Angelika Weber, Viola Wiemker; Kai-Uwe Fahnert, Friedemann Hecht, Tobias Müller-Kopp, Thomas Stimmel, Maciej Straburzynski Oliver Uden Gefördert durch die Berliner Kulturverwaltung und den Hauptstadtkulturfonds Kontakte Berliner Kammeroper Künstlerischer Leiter Kay Kuntze Ringbahnstr. 10-14 12099 Berlin Tel. 030-693 10 54 www.berlinerkammeroper.de Konzerthaus Berlin Gendarmenmarkt 10117 Berlin Tel. 030-20309-0 www.konzerthaus.de I. Praeludium Henry Purcell / Sven David Sandström: Hear My Prayer, O Lord Es singen: Inge Clerix, Yvonne Friedli, Helena Köhne, Viola Wiemker; Maciej Straburzynski, Friedemann Hecht, Tobias Müller-Kopp, Oliver Uden II. Prolog Texte aus: Maurice Maeterlinck Das Leben der Bienen (1901) (Übersetzung: Friedrich von Oppeln-Bronikowski) Das Leben der Termiten (1926) (Übersetzung: Käthe Illch) Es sprechen: Claudia van Hasselt, Angelika Weber; Kai-Uwe Fahnert, Thomas Stimmel III. The Blind A-cappella-Oper (2001) nach Maurice Maeterlincks Drama Les aveugles Aufführung in englischer Sprache Gesamtdauer ca. 60 Min., keine Pause Musikalische Leitung ...............................................................Philip Mayers Regie.......................................................................................Cornelia Heger Choreographie ........................................................................Angelina Jankova Bühne und Video.....................................................................Frank Michael Zeidler Kostüme .................................................................................Manuela Mildt, Anja Mikolajetz Dramaturgie ............................................................................Katharina Tarján Produktionsleitung ..................................................................Karin Lindner Bühnenbildherstellung .............................................................LICHTblick Bühnentechnik Maske .....................................................................................Tatjana Richartz Kostümherstellung ..................................................................Christin Gärtner Klangcollage / Klangregie / Praktikum Musikalische Leitung ...Josef Alois Ramsauer Regieassistenz ........................................................................Yvon Kluin Regiehospitanz .......................................................................Alexander Mionskowski Bühnenbildassistenz ...............................................................María Reyes Pérez Praktikum PR/Presse ..............................................................Linus Bickmann Sprechtraining .........................................................................Antje Behrens Team Konzerthaus Produktionsleitung ..................................................................Arno Lücker Technische Einrichtung und Organisation ...............................Peer Niemann Bühnenmeister ........................................................................Günter Wolfram Lichteinrichtung .......................................................................Fabian Wezel »Es wäre ungeheuerlich und unerklärlich, wenn wir nur wären, was wir scheinen...« (Maurice Maeterlinck) Die Blinden: In diesem Werk, das auf eine äußere Handlung gänzlich verzichtet, ist es Maeterlinck wie vielleicht in keinem anderen seiner Dramen gelungen, die Situation des Menschen in der Welt, sein Ausgeliefertsein an ein unbekanntes Schicksal und die Unfähigkeit zur Kommunikation literarisch Gestalt werden zu lassen. Alles im Stück ist Symbol. Jedes Geräusch, jedes vermeintliche Ereignis dient nur dazu, seelische Zustände sichtbar zu machen. Das Warten der Blinden gleicht dem Warten Wladimirs und Estragons auf den nie erscheinenden Godot. Zwischen Angst und ewig enttäuschter Hoffnung finden sich die Blinden – im Versuch, dem unerträglichen Warten einen Sinn zu geben – im Gebet zusammen. Die großen Fragen der Menschheit nach dem Woher und Wohin manifestieren sich in einer Grenzsituation. Der Gruppe der Blinden, die die Menschheit an sich repräsentiert, gibt Lera Auerbach musikalisch die Gestalt von zwölf Stimmen im leeren Raum. Kein Instrument, kein Orchester bettet die menschliche Stimme ein; da ist nichts in der Welt außer diesen zwölfen: allein in ewiger Dunkelheit. Die zwölf Blinden, schlafend, betend. NOX ATRA… Die dunkle Nacht hat all die Farben der Erde verhüllt. Wir Gläubigen verlangen nach dir, gerechter Richter der Herzen. Die Blinden warten auf den Priester, der vorausgegangen ist. A VOCE GEMITUS... Vor lauter Wehklagen klebt mir das Fleisch an den Knochen. Meine Tage schwinden wie Schatten, ich verdorre wie Gras. Der Priester hat die Blinden ins Freie geführt, damit sie den letzten Sommertag vor dem nahenden Winter genießen können. He hasn’t returned? Er ist nicht zurückgekehrt. Die Blinden wissen nicht, wo sie sich befinden; sie glauben sich weit entfernt von dem Blindenheim, in dem sie zuhause sind. We have walked a long time, a very long time. Die Blinden frieren, sind hungrig und durstig. Sie geraten in Streit über den Priester. Er hatte den Blinden aufgetragen, zu warten und zu schweigen. Zwei Frauen berichten, er sei zum Leuchtturm gegangen; bei seinem Abschied sei er traurig und ängstlich gewesen. Oh, how far away we are from home. We will never find our way. We shall die here... Geräusche von auffliegenden Vögeln erschrecken die Blinden, die auf Rettung hoffen. Sie sind sicher, ohne die Hilfe des Priesters verloren zu sein. Sind sie in der Nähe des Meeres? You don’t know whether it’s the sea or maybe someone coming here to help us find our way home. Natureindrücke und Sinneswahrnehmungen dringen auf die Blinden ein, das Geräusch der Wellen, der Duft von Blumen - Totenblumen... I think they are flowers for the dead. Einer der Männer will versuchen, den Weg zu finden. Die anderen schließen sich ihm an. Die Blinden müssen begreifen, dass der Priester tot ist. We knew nothing, we never even saw him. When have we ever seen anything under our dead eyes? Die Blinden hören sich nähernde Schritte. Ist es die Rettung oder der Tod? - Erneut beginnen die Blinden zu beten. DE PROFUNDIS… Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir...