Anwaltliche Werbung § 6 BORA • Das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung vor der förmlichen Verleihung ist unzulässig und kann sanktioniert werden. • Die fehlerhafte Bezeichnung als „Fachanwalt für Strafrecht“ in der Werbung für ein Seminar ist nicht berufsrechtswidrig, wenn die Angabe nicht vom Rechtsanwalt, sondern vom Veranstalter stammt und der Rechtsanwalt keinen Anlass hatte, die Werbung zu überprüfen. „Eine Verpflichtung des Rechtsanwalts, sich vor Veröffentlichung die Seminarankündigung zu Korrekturzwecken geben zu lassen, besteht jedenfalls dann nicht, wenn kein Anlass zu der Annahme besteht, dass der Veranstalter unzutreffende Bezeichnungen verwenden werde.“ Hat der Rechtsanwalt aber Kenntnis davon, dass der Seminarveranstalter mit einer unzutreffenden Bezeichnung („Fachanwalt für Strafrecht“) wirbt, muss er intervenieren und dafür sorgen, dass die Veröffentlichung der Seminarankündigung unterbleibt (AnwG Celle, 2 AnwG 10/08, Beschluss vom 12.06.2009). • Der Hinweis auf Fachvorträge zu näher benannten Rechtsgebieten auf dem Wahlwerbeblatt einer politischen Partei ist zulässig. Es handelt sich nicht um eine bloß werbewirksame Maßnahme, die nicht § 6 BORA unterfallen würde. Die Werbung stellt aber nur eine sachliche Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit des RA dar. Weder täuscht sie den Rechtssuchenden noch bedroht sie die Unabhängigkeit des RA. Werbung für juristische Informationsveranstaltungen ist zulässig (AnwG Celle, 1 AnwG 9/07, Beschluss vom 30.04.2008). • Die Bezeichnung als „Kanzlei für Medizin- und Arztrecht“ ist unzulässig, wenn der Rechtsanwalt (trotz Aufforderung durch den Vorstand der Rechtsanwaltskammer) besondere theoretische Kenntnisse und Tätigkeit von erheblichem Umfang auf diesem Gebiet nicht nachweist. Ob die Bezeichnung auch wegen der Verwechselungsgefahr mit der Fachanwaltsbezeichnung unzulässig ist, kann wegen des fehlenden Nachweises in diesem Fall dahinstehen (AnwG Celle, 1 AnwG 13/08, Beschluss vom 07.07.2009). • Die Bezeichnung als „Kompetenzzentrum für Rechts- und Steuerfragen“ ist bei der Kooperation zweier Rechtsanwälte mit einem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater unzulässig. Unter einem Kompetenzzentrum ist jedenfalls eine größere Einheit zu verstehen, die von mehreren Fachanwälten getragen werden muss. „Unter einem „Zentrum“ wird im Allgemeinen die Zusammenführung verschiedenster Dienstleistungen in großer Auswahl verstanden (Harte / Bavendamm / Henning-Bodewig, UWG, 2. Aufl. § 5 Nr. 3). Dabei ist nicht von Bedeutung, welches Verständnis der Verkehr mit anderen Bezeichnungen verbindet, die den Begriff „Zentrum“ enthalten, und ob insoweit ein Bedeutungswandel hin zu einer Sinnentleerung dieses Begriffs festzustellen ist. Ausschlaggebend ist allein die Frage, wie gerade der Begriff „Kompetenzzentrum für Rechts- und Steuerfragen“ und zwar im erkennbar gemeinten Zusammenhang mit Beratung vom Verkehr verstanden wird (vgl. OLG Köln v. 30.10.1998 – 6 U 87/98). Der Verkehr erwartet zumindest nach dem ursprünglichen Inhalt des Wortes eine Aussage dahin, die Kanzlei nähme eine Vorrangstellung gegenüber gleichartigen Kanzleien ein (vgl. OLG München v. 10.2.1994 – 6 U 2020/93; MDR 1995, 384, 385). 2 Das LG Münster führte in einem Rechtsstreit, in dem es um die Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung „Kompetenzzentrum Kältetechnik“ ging, aus: Der Begriff „Zentrum“ weist auf eine besondere Größe und Bedeutung des Unternehmens hin. Auch wenn sich der Gebrauch des Wortes Zentrum mit der Zeit gewandelt haben mag, versteht der Verkehr darunter weiterhin eine Einrichtung, in der mehrere Angebote zu einem Unternehmen zusammengefasst sind, das über den Durchschnitt gleichartiger Unternehmen hinausragt. (LG Münster v. 19.09.2008 – 23 0 155/08 unter Hinweis auf OLG Koblenz, WRP 1990, 125). In einem Urteil, in dem es um die Zulässigkeit der Verwendung der Bezeichnung „Brustzentrum“ ging, legte das OLG München den Begriff des „Zentrums“ dahingehend aus, dass der Verkehr bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend von einem Zentrum „koordinierte und konzentrierte Fachkompetenz“ erwarte (vgl. OLG München vom 11.11.2004 – 29 U 4629/04). Der Rechtsanwalt führt eine Rechtsanwaltskanzlei und gibt auf dem Briefbogen an, es bestehe eine Kooperation mit einem Wirtschaftsprüfer/Steuerberater. Die Kooperation zweiter Rechtsanwälte mit einem Wirtschaftsprüfer/Steuerberater bedeutet zwar die Zusammenführung verschiedener Dienstleistungen, bietet jedoch gegenüber vergleichbaren Kanzleien keine große Auswahl an Dienstleistungen. Auch stellt eine Kooperation zweier Rechtsanwälte mit einem Steuerberater keine Einrichtung dar, in der mehrere Angebote zusammengefasst werden und die über den Durchschnitt herausragt. Der Zusammenschluss von Rechtsanwälten mit Wirtschaftsprüfern/Steuerberatern ist nicht unüblich. Die Anzahl der beteiligten Personen ist mit drei eher als klein anzusehen. Ein Herausragen über den Durchschnitt kann daher nicht angenommen werden. Von einer Vorrangstellung gegenüber gleichartigen Kanzleien kann ebenso wenig ausgegangen werden. Die Verwendung der Bezeichnung „Zentrum“ ist vorliegend auch nicht durch die Angabe mehrerer Teilbereiche der beruflichen Tätigkeit in Verbindung mit einem Fachanwaltstitel gerechtfertigt. Das Gericht schließt sich der Auffassung des OLG München an, wonach von einem Zentrum „koordinierte und konzentrierte Fachkompetenz“ zu erwarten ist. Eine abschließende Klärung ist hier nicht erforderlich, denn der Zusammenschluss eines Rechtsanwalts/Notars, der zugleich Fachanwalt für Erbrecht ist, mit einem Rechtsanwalt erfüllt sicher nicht die Erwartungen, die die Verkehrsanschauung an eine koordinierte und konzentrierte Fachkompetenz stellt. Laut §§ 6 I, 7 I BORA darf der Rechtsanwalt über seine Tätigkeit informieren. Die Angabe von Rechtsgebieten auf dem Briefbogen, in denen die Rechtsanwälte tätig sind, stellt keineswegs eine konzentrierte Fachkompetenz dar. Lediglich ergänzend teilt das Gericht die Einschätzung mit, dass ein Fachanwalt sich für das Gebiet, auf dem er den Fachanwaltstitel führen darf, als „kompetent“ bezeichnen kann, ohne weitere Kenntnisse oder Tätigkeiten nachweisen zu müssen. 3 Bei der Gestaltung des Briefbogens des Rechtsanwalts wird jedoch hinsichtlich seiner „Kompetenz“ nicht zwischen den Rechtsgebieten unterschieden, für die eine Berechtigung zur Führung des Fachanwaltstitels gegeben ist und den Fachgebieten, die als Teilbereiche der Tätigkeit angegeben werden können. Sofern die Bezeichnung „Kompetenzzentrum für Rechts- und Steuerfragen“ verwendet wird, ist sicher erforderlich, dass es sich um einen Zusammenschluss handeln muss, bei dem mehr als ein Fachanwalt beteiligt ist. Diese Anforderung erfüllt die Kanzlei des Rechtsanwalts nicht.“ (AnwG Celle, 1 AnwG 10/2009, Beschl. v. 2.6.2010). • Das Angebot an einen Verein oder dessen Mitglieder, Buchführungsarbeiten zu übernehmen, ist keine unzulässige Werbung um das Mandat im Einzelfall: „§ 43 b BRAO untersagt ausschließlich lediglich diejenige Werbung, die auf die Erteilung eines Mandats im konkreten Einzelfall gerichtet und darüber hinaus auch gemeinschädlich ist. Das Verbot der Einzelfallwerbung des § 43 b BRAO dient dem Schutz des Rechtssuchenden davor, dass sich ihm Rechtsberater aufdrängen. Nur aufgrund des Einzelfallbezugs kann eine Werbung nicht als unzulässig angesehen werden und damit auch keinen Verstoß gegen § 43 b BRAO begründen. Damit wird die Werbung um Mandate auch im Einzelfall nicht pauschal untersagt. Nicht gestattet ist lediglich die Werbung um einen konkreten Auftrag, nachdem bei dem potentiellen Mandanten bereits ein dem werbenden Rechtsanwalt bekannter akuter Beratungs- oder Vertretungsbedarf entstanden ist oder der Rechtsanwalt jedenfalls mit einem akuten Beratungsbedarf rechnet oder einen solchen zu wecken sucht, weil nur dann die Gefahr besteht, dass der Rechtssuchende sich möglicherweise nicht frei für einen Anwalt entscheiden kann (Feuerich/Weyland, § 43 b, Rn. 31; Kleine-Cosack, § 43 b, Rn. 18, 23 m.w.N., 27). Das von der Rechtsanwaltskammer Celle gerügte Schreiben des Rechtsanwalts mag auf die Erteilung eines konkreten Mandats des jeweiligen Adressanten gerichtet gewesen sein. Es war indes in keinster Weise gemeinschädlich. Eine Aufdrängung kann darin weder formal, noch inhaltlich gesehen werden. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Rechtsanwalt versucht hat, mit seinem Schreiben einen akuten Beratungsbedarf zu wecken. Vielmehr beschäftigt sich sein Schreiben mit dem allgemeinen, dauerhaft vorliegenden Bereich der Lohn- und Buchführungsarbeiten. Es geht bei dem Angebot darum, diese Arbeiten zu übernehmen; dass diese Übernahme akut zu erfolgen hat, ist weder ersichtlich, noch wird dies von dem Rechtsanwalt suggeriert. Dass der Rechtsanwalt konkret angeboten hat, die Lohn- und Buchführungsarbeiten der angeschriebenen, potentiellen Mandanten zu übernehmen, ist mit § 43 b BRAO vereinbar. Auch die Unterbreitung von Dienstleistungsangeboten an Nichtmandanten ist nicht zu beanstanden (Feuerich/Weyland, a.a.O.), solange die Mandatswerbung nicht als gemeinschädlich anzusehen ist (Kleine-Cosack, § 43 b, Rn. 18). Dass ein werbender Rechtsanwalt immer das Ziel verfolgt, ein Mandat zu erlangen, liegt in der Natur der Sache. Ebenso kann nicht außer Acht gelassen werden, dass grundsätzlich jede Mandantenwerbung auch eine Mandatswerbung beinhaltet. So verstößt eine Werbung nicht bereits deshalb gegen § 43 b BRAO, weil der werben- 4 de Rechtsanwalt sein Ziel zu erkennen gibt, in einer konkreten Angelegenheit tätig werden zu wollen (OLG Naumburg AnwBl. 2007, Rn. 41 ff.). Dementsprechend kann, entgegen der Auffassung der Rechtsanwaltskammer Celle, kein Verstoß gegen § 43 b BRAO allein aus dem Umstand hergeleitet werden, dass der Rechtsanwalt offen die Bereitschaft zur Übernahme der Lohn- und Buchführungsarbeiten erklärt hat. Er bewegte sich mit dieser Art der Werbung noch im Bereich des standesrechtlich Zulässigen. Auch die von dem Rechtsanwalt gewählte Form der Werbung kann weder wegen ihrer Art, noch wegen ihres Inhalts unter dem Aspekt der Gemeinschädlichkeit beanstandet werden. Eine dem Verbot des § 43 b BRAO unterfallende gemeinschädliche Werbung liegt erst dann vor, wenn sie in aufdringlicher, belästigender Art erfolgt. Eine solche Aufdringlichkeit kann nicht bereits deshalb angenommen werden, weil der potentielle Mandant eines Rates bedarf. Jede Werbung, die effektiv sein soll, muss sich zwangsläufig an einem potentiellen Bedarf orientieren. Diese Hoffnung auf das Vorliegen eines Bedarfs darf gerade nicht mit der sicheren Kenntnis von einem bereits vorliegenden oder dem Erwecken eines solchen gleichgesetzt werden (Kleine-Cosack, § 43 b, Rn. 26 f.). Aufdringlich und damit unzulässig ist eine Werbung erst dann, wenn die Intensität des konkreten Beratungsbedarfs außer Verhältnis zu der Intensität der anwaltlichen, mandatsbezogenen Werbung steht. Hierbei hat im jeweiligen Einzelfall eine Abwägung zu erfolgen. Rundschreiben sind dem Grunde nach immer eine zulässige Form der Werbung, so nicht ausnahmsweise der Empfänger deutlich gemacht hat, dass er keine Werbung erhalten will. Als aufdringlich oder belästigend kann eine Werbung weiterhin angesehen werden, wenn der werbende Rechtsanwalt verbal zur Mandatierung drängt. Dagegen reicht es nicht aus, wenn der Rechtsanwalt sich lediglich allgemein zur Übernahme von Mandaten bereit erklärt; das auch dann nicht, wenn er bereits die Kosten für eine etwaige Inanspruchnahme nennt (Kleine-Cosack, § 43 b, Rn. 28 ff., 33). Dass die Beschwerdeführerin keinerlei Werbung erhalten wollte, ist nicht vorgetragen worden; Anhaltspunkte dafür sind jedenfalls nicht ersichtlich. Eine Aufdringlichkeit der Werbung ist ebenfalls zu verneinen. Dass der angeschriebene Verein zur Erteilung eines Mandats gedrängt werden sollte, ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Schreibens, noch aus der konkreten Angabe etwaiger Kosten. Der Rechtsanwalt hat die Beschwerdeführerin lediglich auf Arbeiten hingewiesen, die dieser ohnehin obliegen, und deren Übernahme angeboten. Eine Bedrängung jedweder Art kann darin nicht gesehen werden. Gleiches gilt für die Angabe der Kosten, die eine Mandatierung nach sich ziehen würde. Gerade diese Angabe ermöglicht es dem Angeschriebenen, sich darüber zu entscheiden, ob ein Rechtsanwalt mit der Übernahme der Lohn- und Buchführungsarbeiten beauftragt werden soll oder nicht. Es wird dadurch gerade eine Kosten-Nutzen-Kalkulation ermöglicht, die jedenfalls einerlei aufdrängendes Verhalten des Rechtsanwalts erkennen lässt. Dass die hier gewählte Form der Werbung nicht dem Verbot des § 43 b BRAO unterfällt, verdeutlicht auch ein Vergleich mit Fällen unzulässiger Werbung. So wird eine Werbung als unzulässig angesehen, die den Adressaten das Risiko eines Schadenseintritts vermittelt und dabei gleichzeitig zur Rücksendung einer ausgefüllten, bereits im ersten Anschreiben mit übersandten Vollmacht auffordert (OLG Hamburg NJW 2005, 2783). In einem solchen Fall liegt zweifellos ein Verstoß gegen § 43 b BRAO vor, weil in gemeinschädlicher Weise um die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall geworben wird. 5 Die Werbung des Rechtsanwalts kann mit einer derartigen Vorgehensweise indes nicht gleichgesetzt werden. Weder führt er dem Angeschriebenen ein konkretes Risiko für den Fall der Nichtmandatierung vor Augen, noch übersendet er bereits eine auf sich auszustellende Vollmacht. Er beschränkt sich vielmehr darauf, für weitere Informationen zur Verfügung zu stehen, was standesrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2001 – 1 ZR 337/98 -).“ (AnwG Celle, 1 AnwG 27/2009, Beschl. v. 18.1.2010).