Energetische Bestandsaufnahme und Gebäudeoptimierung

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Energetische Bestandsaufnahme und
Gebäudeoptimierung
des Ex-Post Gebäudes in Bozen/Italien
Hannes Mahlknecht 1, Francesca Roberti 1, Dagmar Exner 1, Alexandra Troi 1
1 EURAC Research, 39100 Bozen, Drususallee 1, 39100 Bozen, Italy
E-Mail: [email protected]
1 Sanierung des Ex-Post Gebäudes
Ein ehemaliges Postgebäude der 50er Jahren wurde in Bozen im Jahr 2005 nach Plänen
des Architekten Michael Tribus in ein Verwaltungsgebäude der Provinz Bozen
umfunktioniert und energetisch saniert. Neben der Nutzungsadaptierung und Erweiterung
des Gebäudes, stand insbesondere die energetische Sanierung im Vordergrund, um den
hohen Energiebedarf von über 200 kWh/m²a des Bestandsgebäudes auf
Passivhausstandard zu senken und ein Gebäude mit Vorzeigecharakter für die ganze
Provinz zu schaffen.
Das Gebäude wurde 2006 eröffnet und in Betrieb genommen. Mit berechneten
10 kWh/m²a Heizwärmebedarf nach PHPP (Passivhaus Projektierungs Paket) wurde das
Ziel Passivhaus erreicht. Die Heizwärmebedarfsberechnung mit dem lokalen KlimahausZertifizierungssystem ergab einen Wert von 7 kWh/m²a und eine Einstufung des
Gebäudes als Klimahaus Gold.
Abbildung 1: Süd-Ost Fassade
Abbildung 2:
Nordfassade
Abbildung 3:
Straßenansicht mit NordWest Fassade
2 Die Sanierung im Detail
Die architektonische und energetische Sanierung der Gebäudehülle umfasst die
Aufstockung des Gebäudes um zwei Stockwerke und die Eindeckung der Fassaden mit
einem 35 cm dicken Wärmedämmverbundsystem aus EPS, den Einsatz von
Dreifachwärmeschutzverglasungen, das Schaffen einer luftdichten Hülle (Blower-DoorTest n50=0.6), die Verwendung einer kontrollierten Lüftung, die Begrünung des Daches
und die Einkleidung des Treppenturmes mit fassadenintegrierten Photovoltaikpaneelen
(Peak-Leistung von knapp 27 kW).
Zur Erneuerung der Haustechnikanlage zählt neben der kontrollierten Lüftungsanlage mit
Wärmerückgewinnung und Entfeuchtung eine Nacherwärmung der Zuluft, die dezentral in
den einzelnen Büroräumen erfolgt. Über Heizbatterien, die mit 55°C warmem Wasser aus
einer Gasbrennwerttherme (60 kW) versorgt werden, kann die Lufttemperatur über eine
Einzelraumregelung nach Bedarf vom Benutzer angehoben werden. Die Gastherme, die
sich im Heizraum am Dach befindet, versorgt einen 800 Liter Pufferspeicher im
Untergeschoss, über den außerdem die Radiatoren in den Aufenthaltsbereichen und
Fluren mit Warmwasser gespeist werden.
Eine 12 kW Kompressionskältemaschine sorgt über den Verdampfer (47 kW) für die
Entfeuchtung der Zuluft, und über den Kondensator für die notwendige Wiedererwärmung
derselben.
Die Kälteerzeugung erfolgt über gasbefeuerte Absorptionskältemaschinen (insgesamt
85 kW), die ebenso am Dach sitzen. Wie bei der Wärmproduktion wird das produzierte
Kaltwasser im Untergeschoss in einem Speicher gesammelt und von dort aus zu
einzelnen Büroräumen geführt, welche über Gebläsekonvektoren gekühlt werden.
Das Brauchwarmwasser der Sanitärräume wird dezentral in den Nassräumen mit
elektrischen Heizgeräten bereitgestellt.
Abbildung 4: Schema der Lüftungsanlage
3 Methodik
Im Zuge der Sanierung des Gebäudes wurde ein Monitoringsystem installiert, welches
Wärme-und Kälteerzeugung, Stromverbrauch nach Nutzungstyp (ICT, Haustechnik,
Brauchwarmwasser, Entfeuchtung) sowie Wärme- und Kälteverbrauch getrennt nach
Stockwerken misst. Außerdem werden zur Feststellung des Raumklimas Temperatur,
relative Luftfeuchtigkeit und Kohlendioxid in verschiedenen Räumen gemessen.
Hauptanliegen der Monitoringkampagne sind zum einen die Überprüfung des
Energieverbrauchs sowie die Einschätzung des Raumkomforts in der Betriebszeit des
Gebäudes, zum anderen das Aufzeigen von eventuellen kritischen Situationen oder
Problemzonen und die Entwicklung von Optimierungen oder Lösungsvorschlägen.
Entscheidend für die Optimierung des Energieverbrauchs des Gebäudes sind detaillierte
Verbrauchsdaten, anhand derer kritische Punkte der Regelung festgestellt und
Verbesserungen
der
Haustechnikanlage
vorgenommen
werden
können.
Mit Hilfe von statischen und dynamischen Simulationsprogrammen wie PHPP und Energy
Plus wurde der Einfluss der zu verändernden Parameter zur Optimierung quantifiziert.
Ausgehend vom dynamischen Gebäudemodell, wurden Optimierungsstrategien getestet,
die von der Optimierung der Regelung und Haustechnikanlage bis zur Anbringung
konstruktiver Verschattungselemente reichen.
4 Ergebnisse des Monitoring
Die Ergebnisse der Monitoringjahre 2008 und 2009 zeigen einen höheren
Heizwärmverbrauch als den in der Projektberechnung. Für das Jahr 2008 wurde ein
Heizwärmeverbrauch von 34,0 kW/h gemessen, für das Jahr 2009 31,6 kW/h.
2008 Ex Post_Monthly Energy Consumption for Heating
700
600
5
500
4
400
3
300
2
200
1
Heating Degree Days [°C day]
Energy consumption [kWh/(m²month)]
Solar Horiziontal [kWh/(m²month)]
6
100
0
0
Monthly ThEnergy Heating/m² in [kWh/m²]
Solar Radiation
Normalized HDD to external T
Abbildung 5: Gemessener monatlicher Heizwärmeverbrauch im Jahr 2008 mit
Darstellung der horizontalen Sonneneinstrahlung und Normheizgradtagen. Abgebildet
sind auch die Verbrauchswerte der Sommermonate, die durch die Heizbatterien
verursacht wurden. Der reine Heizwärmeverbrauch der Winterperiode (15.Oktober 15.April) beträgt 26,1 kWh/m²a.
2009 Ex Post_Monthly Energy Consumption for Heating
700
600
5
500
4
400
3
300
2
200
1
Heating Degree Days [°C day]
Energy consumption [kWh/(m²month)]
Solar Horiziontal [kWh/(m²month)]
6
100
0
0
Monthly ThEnergy Heating/m² in [kWh/m²]
Solar Radiation
Normalized HDD to external T
Abbildung 6: Gemessener monatlicher Heizwärmeverbrauch im Jahr 2009 mit
Darstellung der der horizontalen Sonneneinstrahlung und Normheizgradtagen.
Abgebildet sind auch die Verbrauchswerte der Sommermonate, die durch die
Heizbatterien verursacht wurden. Der reine Heizwärmeverbrauch der Winterperiode
(15.Oktober -15.April) beträgt 22,5 kWh/m²a.
Die Gründe für den erhöhten Heizwärmeverbrauch gegenüber der Projektkalkulation sind
in erster Linie die erhöhte reale Raumtemperatur von 22,3°C - gegenüber den
projektbezogenen 20°C - und eine nicht optimale Reg elung der Heiztherme mit langen
Heizintervallen außerhalb der Nutzungszeiten des Gebäudes. Der Energieverbrauch zur
Kühlung des Gebäudes, der in der Projektphase nicht berechnet wurde, macht einen
großen Teil der Gesamtenergiekosten aus und beläuft sich auf gemessene 40 kWh/m²a.
Zusammengesetzt ist dieser aus den beiden Anteilen für latente Kühlung (Entfeuchtung)
und sensible Kühlung. Der hohe Kühlbedarf ist wahrscheinlich auf die großen internen
Wärmelasten zurückzuführen, die in der Projektphase unterbewertet wurde, sowie auch
auf die niedrige Raumtemperatur von durchschnittlich 23,8°C und die nicht optimale
Regelung der Anlage.
2008 Ex Post_Monthly Energy Consumption for Cooling &
Dehumidification
Energy consumption [kWh/(m²month)]
Solar Horiziontal [kWh/(m²month)]
12
10
8
6
4
2
0
Monthly ThEnergy Heating/m² in [kWh/m²]
Solar Radiation
Abbildung 7: Gemessene thermische Energie zur Kühlung und Entfeuchtung im Jahr
2008
2009 Ex Post_ Monthly Energy Consumption for Cooling+
Dehumidification
Energy consumption [kWh/(m²month)]
Solar Horiziontal [kWh/(m²month)]
9
8
7
6
5
4
3
2
1
0
Monthly ThEnergy cooling/m² in [kWh/m²]
Solar Radiation
Abbildung 8: Gemessene thermische Energie zur Kühlung und Entfeuchtung im Jahr
2009
Zur Überprüfung des thermischen Komforts wurden Temperatur- und Feuchtigkeitsfühler
in verschiedenen Räumen und Stockwerke installiert und die gemessenen Werte
ausgewertet. Die signifikantesten Messungen wurden im 4. Obergeschoss erhoben und
sind in der nachstehenden Grafik dargestellt. Die Messwerte, die hier die Flurbereiche
betreffen, liegen im Winter im Komfortbereich (nach Ashrae Standard 55, blaue
Einrahmung). In den Sommermonaten sind die Temperaturen häufig zu niedrig, was
aufzeigt dass die Kühlung etwas gedrosselt werden kann. Die Durchschnittstemperaturen
in den einzelnen Büroräumen sind im Vergleich dazu höher. Hier können die hohen
internen Lasten und Sonneneinträge oft nicht über die Kühlung und Lüftungsanlage
abgeführt werden, was zu nicht adäquaten Temperaturen führt.
Psychrometric chart with Ashrae comfort zones, 4th floor.
relative humidity
25
80%
70%
60%
60
15
40%
50
30%
40
10
30
20%
20
Moisture content gw/kg air
20
50%
5
10%
10
5%
0
0
5
10
15
20
25
30
35
Operative Temperature (°C)
January
February
December
June
July
August
Abbildung 9: Psychometrisches Diagramm mit Ashrae Standard 55 Komfortbereichen
für das Jahr 2008. Die blaue Einrahmung kennzeichnet den Komfortbereich im Winter,
die rote Einrahmung den Komfortbereich im Sommer. Für die dargestellten
Punktwolken wurden Messwerte der Bürozeiten verwendet.
5 Ergebnisse der Simulationen und Optimierungsstrategien
Um Optimierungsvorschläge zur Reduzierung des Energieverbrauchs geben zu können,
wurde in einem ersten Schritt ein digitales Gebäudemodell erstellt, das den realen
Verbrauchsmesswerten des Monitorings entsprach. In einem zweiten Schritt konnten dann
Optimierungsstrategien anhand des digitalen Modells beurteilt werden.
Die ersten Simulationen wurden mit der Software PHPP durchgeführt, die mit konstanter
Innenraumtemperatur
rechnet
und
als
Ergebnis
monatliche
u.
jährliche
Energiebedarfszahlen liefert. Daraufhin wurden weitere Simulationen mit der dynamischen
Software Energy Plus durchgeführt, die den Energiebedarf anhand von stündlichen
internen und externen Lasten berechnet. Durch das Nachstellen der realen Situation
(Regelung, Innen- und Außentemperaturen sowie Einstrahlung) konnte das Modell mit
dem gemessenen Energieverbrauch validiert werden: die Simulation ergibt einen
Heizwärmebedarf von 21 kWh/m²a und einen Kühlbedarf von 40 kWh/m²a.
Ausgehend von diesem validierten Modell wurden Optimierungsstrategien getestet. So
bringt etwa die Reduzierung der Raumtemperatur von aktuellen 22,3°C auf die gesetzliche
Mindesttemperatur von 20°C im Winter und Anhebung v on 23,3°C auf 25°C im Sommer
eine Einsparung von 30% Heizenergie und 20% Kühlenergie.
Abbildung 10: Absenkung der Temperatur
im Winter von 22,3 °C auf 20°C:
Heizenergieeinsparung von 30% (von 23
kWh/m2 a auf 17 kWh/m2). Berechnung
mit PHPP.
Abbildung 11: Anheben der Temperatur im
Sommer von 23,3 °C auf 26°C:
Kühlenergieeinsparung von 20% (von 40
kWh/m2 a auf 30 kWh/m2). Berechnung
mit Energy Plus.
In weiteren Simulationen wurde das Ausschalten der Heiztherme und Lüftungsanlage
während der Wochenenden und der Nicht-Bürozeiten simuliert, wobei darauf geachtet
wurde, dass die Mindest- bzw. Maximaltemperaturen auch am frühen Morgen garantiert
wurden. Das Ergebnis ist eine Einsparung von 15% elektrischer Energie und 15%
thermischer Heizenergie.
Abbildung 12: Lufttemperatur im Monat
Januar im Erdgeschoss bei Abschalten
der Heizanlage an Samstagen und in den
Nachtstunden. Simulation mit Energy
Plus.
Abbildung 13: Lufttemperatur an einem
Wochentag im Januar bei Abschalten der
Heizanlage an Samstagen und in den
Nachtstunden. Simulation mit Energy Plus.
In weiteren architektonischen Optimierungsstrategien wurde das Anbringen verschiedener
Verschattungselemente simuliert.
Durch das Anbringen von horizontalen
Verschattungselementen an der Außenseite der Fassaden im vierten Obergeschoss, kann
der Kühlenergiebedarf um rund 10% reduziert werden.
Abbildung 14: Brise soleil mit horizontalen
Lamellen im vierten Obergeschoss:
Kühlenergieeinsparung von 9% bei
gleichbleibenden Heizenergiebedarf.
Abbildung 15: Innenansicht der Brise soleil
im Monat Januar: 0°Neigung der Lamellen
mit 30%iger Verdeckung der Fensterfläche
und gleichbleibenden Heizwärmebedarf.
6 Ziel
Das Beispiel des Ex-Post zeigt, wie grundlegend ein Monitoring-System für die Analyse
des Gebäudes während seiner Nutzung und für die Optimierung der Anlagen ist. Ebenso
wichtig ist neben dem Monitoringsystem das Vorhandensein eines Technikers, der das
Monitoring begleitet, die Daten analysiert und in die Regelung der Haustechnik eingreifen
kann. Auf diese Art und Weise können durch verbesserte Betriebsführung selbst mit
einfachen Maßnahmen, erhebliche Einsparungen gemacht werden. Übergeordnete Ziel
ist es, das Bewusstsein von Bauherren und Planern darauf zu richten, dass die
wirtschaftliche und energetische Planung bzw. Optimierung nicht mit der Inbetriebnahme
eines Gebäudes beendet werden kann, sondern sich über die gesamte Nutzungsdauer
fortziehen.
7 Literatur
Ing. A.Troi, Arch. M.Tribus, Dipl.-Ing A. Costa, W. Haberer, D. Parisi, Dipl.-Ing. W.
Sparber, (2009) Energetische Sanierung und architektonische Aufwertung: Das Ex-Post
Gebäude in Bozen/Italien.- Ökosan 2009- Internationales Symposium für hochwertige
energetische Sanierung von großvolumigen Gebäuden.
Ing. A.Troi, (2008), Towards Zero Energy Renovation: Ex-Post Building in Bolzano/Italy,
PLEA 2008 - 25th International Conference on Passive and Low Energy Architecture,
Dublin, 22nd - 24th October 20 08
Arch. M. Tribus, (2007) Remodeling and Renovation of the Former Post Office Building in
Bolzano, 11 Passivhauskonferenz Bregenz 2007
Abbildungen 1,2.3: Michael Tribus Architecture Studio, Schießstandgasse 9, I-39011
Lana (BZ)
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