Product Placement

Werbung
MARKENFÜHRUNG
PRODUCT PLACEMENT
MARKENARTIKEL 5/2010
HANDEL
RECHT
SERVICE
100
Versteckte Probleme
Seit Anfang April ist Product Placement im
deutschen Fernsehen erlaubt. Die verdeckte
Werbung hat aber ihre Tücken. Unternehmen
sollten die Regeln deshalb genau kennen.
DER ÜBERGANG VON ZULÄSSIGEM PRODUCT-PLACEMENT zu unzulässiger Schleichwerbung ist schleichend. Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) eigentlich Klarheit schaffen.
Der Paragraph sollte sicherstellen, dass der Adressat
(z.B. ein Verbraucher) eine Werbebotschaft als solche
erkennt und sich des werblichen Charakters der darin enthaltenen Aussagen bewusst ist. Wie erkenne ich
aber, ob eine Werbung als Werbung daher kommt?
sich das Vertrauen des Konsumenten zu erschleichen
– was verboten ist. Denn durch die scheinbar unverfängliche Einbindung als Product-Placement in redaktionelle Programmbeiträge des Senders wird das »gesunde Misstrauen« des Zuhörers gegenüber Werbung
beseitigt. Das hat zu Folge, dass die Entscheidungsbildung beeinflusst wird. Schleichwerbung umgeht also
die kritische Haltung des Adressaten, indem sie so tut,
als sei sie gar keine Werbung.
Auf leisen Sohlen: Gezielte Schleichwerbung Themen- und Image-Placement
Der Gesetzgeber vertritt die Auffassung, dass die durchschnittlich und angemessen aufmerksamen, kritischen
Mitglieder der angesprochenen Verkehrskreise in der
Lage sein müssen, eine Werbung als Werbung zu erkennen. Man kann also sagen: Werbung für eine bestimmte Zielgruppe muss der Aufmerksamkeits- und
Kritikfähigkeit dieser Personen entsprechen.
Werden Marken, Produkte oder Unternehmenskennzeichen außerhalb gekennzeichneter Werbung (etwa
im redaktionellen Teil von Hörfunk oder Fernsehen)
zu Werbezwecken gezielt eingesetzt und das Publikum
über den Werbecharakter getäuscht, liegt ein Fall der
unzulässigen Schleichwerbung im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags. Gleichzeitig handelt es sich um einen Verstoß gegen das
UWG, da der Werbecharakter verschleiert wird.
Anders gesprochen:
Versteckt sich Werbung unter dem
Mantel des Redaktionellen, versucht sie
Fo
to
Eine Variante des Product-Placement ist das ThemenPlacement. In diesem Fall zahlen Interessenverbände
und Unternehmen dafür, dass in einer Sendung ein positives Bild über eine ganze Warengruppe vermittelt
wird. Auch die Darstellung von Dienstleistungen, Warenzeichen, Unternehmen und deren Logos (Corporate-Placement) sowie das Generic-Placement (die Platzierung einer ganzen Warengruppe) gehören zu den
Erscheinungsformen des Product-Placement.
Beim Image-Placement wird sogar die Thematik eines
ganzen Films auf ein Unternehmen oder ein Produkt
zugeschnitten. Neben der visuellen Darstellung wird
hier die Möglichkeit genutzt, Wirtschaftsgüter in Dialoge der Darsteller einzubinden (Verbal-Placement).
So erzeugt beispielweise die Verwendung von Fahrzeugen bestimmter Hersteller (etwa als Film-Dienstauto
des Geheimagenten James Bond) Solidarisierungseffekte mit dem Protagonisten. Aber auch die Übernahme von Lifestyle-Gewohnheiten durch die Zuschauer
kann mittels Platzierung imageträchtiger Produkte angeregt werden (z.B. wenn der Geheimagent die Armbanduhr eines bestimmten Herstellers trägt).
Die Grenze zur unzulässigen Schleichwerbung ist jedoch insoweit fließend, als dass alle Umstände des
Werden Produkte in redaktionelle Programmbeiträge eingebaut,
muss die kenntlich gemacht werden
:F
ra
nz
Pf
lu
eg
l-
Fo
to
l ia
MARKENARTIKEL 5/2010
PRODUCT PLACEMENT
MARKENFÜHRUNG
HANDEL
RECHT
SERVICE
101
Da Schauspieler zeitgemäß gekleidet sein müssen, ist die Nutzung
bekannter Marken und Produkte im TV fast unvermeidlich
Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Das heißt, die
Schauspieler müssen häufig Kleidung eines bestimmten Marken-Herstellers tragen, damit ein gewisser Realitätsbezug der Filmsituation gewährleistet ist. Sie
kommt nicht ohne ein zeitgenössisch ausstaffiertes
Umfeld aus, was den Gebrauch bekannter Marken
und Produkte fast unvermeidlich macht.
Der Umkehrschluss lautet: Nachdem Werbung Bestandteil der realen Umwelt ist, kann daraus nicht auf
eine grundsätzliche Pflicht zur künstlichen Aussparung
bei Berichten und Darstellungen aus der Realität geschlossen werden. Im Rahmen des Unvermeidbaren ist
Werbung im Sendeprogramm damit immer zulässig.
Wann sind Platzierungen zulässig?
Inzwischen konkretisiert Art. 3g der EG-RL über
audiovisuelle Mediendienste (EG-RL = EU Richtlinie
2007/65/EG v. 11.12.2007) die Zulässigkeit von Produkt- und Markenplatzierungen. Product-Placement
ist demnach möglich in Kinofilmen, Filmen und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, wenn kein Entgelt geleistet wird.
Voraussetzung ist allerdings, dass Inhalt und Programmplatz nicht so beeinflusst werden, dass die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit des
Mediendienste-Anbieters beeinträchtigt wird. Zudem
darf keine Aufforderung zum Kauf beinhaltet sein.
Das Produkt darf nicht »zu stark« herausgestellt werden, etwa durch auffallend intensive und häufige bildliche Darstellung. Außerdem müssen die Zuschauer zu
Beginn und Ende des Programms auf Produktplatzierungen hingewiesen werden. In Kindersendungen sind
Produktplatzierungen nie zulässig!
Voraussetzung für erlaubtes Product-Placement ist
auch, dass der Konsument nicht darüber getäuscht
wird, dass überhaupt Werbung vorliegt. Das Vorstellungsbild der Zuschauer ist von dem Wissen geprägt,
dass im Programm Werbung möglichst vermieden
werden soll. Merkt der Konsument nicht, dass er Werbung ausgesetzt ist, kann er nicht die übliche Skepsis
gegenüber Werbung aufbringen.
»Feuer, Eis und Dynamit«
Bereits in seiner Entscheidung zum Film »Feuer, Eis und
Dynamit« von Willy Bogner hat der Bundesgerichtshof
1995 festgestellt, dass das grundsätzliche wettbewerbsrechtliche Verbot getarnter Werbung auch für Kinospielfilme gilt. Maßgeblich kommt es nach dem BGH
dabei auf die Erwartungshaltung des Publikums an:
»Das Publikum hat gegenüber privaten Spielfilmen wegen ihres bekanntermaßen meist kommerziellen Charakters eine andere Erwartungshaltung, als gegenüber
den primär auf Medien- und Meinungsbildung ausgerichteten Medien. Die Toleranzgrenze ist jedoch da
überschritten, wo über die Verquickung von Herstellern und Werbeinteressen hinaus Zahlungen oder andere geldwerte Leistungen von einigem Gewicht von
Unternehmen dafür erbracht werden, dass diese selbst
oder ihre Erzeugnisse in irgendeiner Weise im Film in
Erscheinung treten. Das Publikum rechnet regelmäßig
weder mit solchen Konstellationen noch mit den damit
verbundenen Manipulationsmöglichkeiten.«
Konsequenz einer Überschreitung der vom BGH skizzierten Grenzen ist jedoch nicht die Unzulässigkeit der
Ausstrahlung. Der Wettbewerbsverstoß liegt allein im
Unterlassen der Aufklärung des Publikums vor der
Vorführung des Films. Die Zuschauer müssten zu Beginn und zum Ende des Programms auf Produktplatzierungen aufmerksam gemacht werden – dann wäre alles korrekt.
Andere Sender, andere Werbe-Sitten
Die Privatsender haben die Medienlandschaft in vieler
Hinsicht verändert. Eine Differenzierung nach der Erwartungshaltung der Zuschauer gegenüber kommerziellen privaten Spielfilmen auf der einen und den primär
MARKENFÜHRUNG
PRODUCT PLACEMENT
MARKENARTIKEL 5/2010
HANDEL
RECHT
SERVICE
Foto: Pixelio
102
Product Placement ist zulässig, wenn eine Werbebotschaft auch klar als solche zu erkennen ist, und die Verbraucher nicht getäuscht werden
auf Medien und Meinungsbildung ausgerichteten Medien auf der anderen Seite, ist kaum noch möglich.
Die »Feuer, Eis und Dynamit«-Entscheidung von 1995
kann somit heute nicht einfach übernommen werden,
denn das Publikum wird immer mehr mit Werbung
konfrontiert. Damit hat sich auch die Erwartungshaltung der Zuschauer weiterentwickelt und wird sich in
Zukunft weiter verändern.
Das hat zum Beispiel auch mit der redaktionellen Berichterstattung um kommerzielle Spielfilme herum
zu tun. Die Berichte der Presse über den Wettbewerb
der Unternehmen, bestimmte Requisiten für ein neues Kinogroßereignis zur Verfügung stellen zu können,
beeinflusst die Erwartungshaltung der Zuschauer.
Hinzu kommen die Berichte über umfassende Merchandising- und Lizenzgeschäfte rund um den Film.
Musikvideos und Computerspiele
Neue Trends bei der Umsetzung von Product-Placement werfen neue Fragen auf: Ist beispielsweise die
bezahlte Einbindung eines bestimmten Produkts in ein
Computerspiel (Ingame Advertising) eine vorsätzliche
Verbraucher-Täuschung? Auch das hängt von der Erwartungshaltung des Konsumenten und den Umständen des Einzelfalls ab.
Um einem Konflikt zwischen der unternehmerischen
Freiheit und dem Persönlichkeitsrecht des Spielers
entgegenzuwirken, darf ein Video-Game, das massive
Werbeanteile enthält (wenn mindestens 20% des Budgets über Product-Placement finanziert worden und
das Video-Game mit einer entsprechenden Produktpenetranz ausgestattet ist), nur mit dem einleitenden
Hinweis auf seinen Werbecharakter gespielt werden
können. Gleichzeitig muss bereits auf der Verpackung
darauf hingewiesen werden, um dem Vorwurf der Verschleierung des Werbecharakters entgegenzuwirken.
Strengerer Maßstäbe kommen on-top bei elektronischen Games, die für Kinder entwickelt worden sind.
Auswirkungen für die Zukunft
Die Richtlinie 2007/65 EG sowie ihre nationale Umsetzung tragen der bereits bestehenden Werbepraxis
Rechnung. Die Richtlinie führt unter dem Strich zu
einer Liberalisierung der Werbevorschriften – indem
sie einen Mittelweg sucht zwischen den Interessen der
Werbenden und den schutzwürdigen Interessen des Zuschauers sowie der werbefinanzierten Sender.
Der in Deutschland über Jahrzehnte praktizierte Trennungsgrundsatz scheint damit weitestgehend aufgehoben. Ein Festhalten daran wäre für die deutsche Fernsehwirtschaft gerade im europäischen Vergleich mit
Nachteilen verbunden. Beispielsweise hat am 9. April
die britische Regierung angekündigt, in Zukunft Produktplatzierung in TV-Sendungen zuzulassen, die von
britischen Fernsehanstalten produziert werden.
Kritiker argumentieren zwar, dass die Unabhängigkeit der Programmgestaltung gefährdet sei. Andererseits ist klar, dass Product-Placement die Finanzierung deutscher Produktionen künftig sichern kann. So
dient es letztlich auch der Sicherung der Programmvielfalt. Am Ende wird der Konsument gefordert sein:
Als »aufmerksamer, verständiger und durchschnittlich informierter Verbraucher« – so das Menschenbild des Europäischen Gerichtshofs – wird er schon
merken, wenn er durch eine das Unter- und Unbewusste ansprechende Werbung vor- und umprogrammiert wird.
Christian Zierhut
Rechtsanwalt Christian
Zierhut ist Vorstand der Ihr
Anwalt 24 AG mit Hauptsitz
in München. Sein Schwerpunkt ist die Unterstützung
von Rechteinhabern im
Kampf gegen Produkt- und
Markenpiraten. Er berät vor
allem Kunden aus dem Motorsport und der Textilindustrie.
Herunterladen