Factsheet

Werbung
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Grundlagen
Der Tourismus als Markt: Touristische Nachfrage, touristisches Angebot und Werbung
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Vereinfacht gesagt und aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet, ist der Tourismus ein Markt, auf dem
sich Nachfrage und Angebot treffen. Auf der einen Seite stehen die Bedürfnisse und das Reiseverha lten einer Touristin (= touristische Nachfrage) und auf der anderen Seite ein Angebot von touristischen
Gütern und Dienstleistungen, die diese Touristin interessieren dürften (= touristisches Angebot). Es ist
meist das Angebot, welches versucht, sich möglichst genau mit der Nachfrage zu decken. Allerdings
ist es auch so, dass die touristische Nachfrage von den touristischen Anbietern beeinflusst wird. Angebot und Nachfrage bedingen sich also gegenseitig.
1
Touristische Nachfrage
1.1
Von den menschlichen Grundbedürfnissen zum konkreten Reiseverhalten
Die touristische Nachfrage entwickelt sich in verschiedenen Schritten (Abbildung 1). Am Anfang stehen menschliche Grundbedürfnisse nach Freiheit, Entspannung, Erholung usw. Sie ergeben sich
als eine Art Kontrast aus den alltäglichen Zwängen.
Abbildung 1: Zusammenhänge der touristischen Nachfrage
Diese Grundbedürfnisse werden
durch das gesellschaftliche Umfeld
stark beeinflusst und bestimmt. Für
jedermann scheint festzustehen:
Ferien heisst reisen – verreisen.
Noch viele weitere Kräfte in unserer
westlichen Gesellschaft verstärken
den Drang nach draussen: Die steigenden Einkommen, die verkürzte
Arbeitszeit, die Organisation der
Arbeits- und Schulzeit, die Mobilität,
eine
günstige
Währungslage.
Schliesslich ist die Beeinflussung
durch die Tourismusanbieter nicht
unerheblich. Art der Leistung, Preis,
Absatzweg, Werbung etc. beeinflussen die Reisemotive. Die Kommerzialisierung der Erholungsbedürfnisse geschieht nach den anerkannten Regeln der Marketingkunst. Wie geschickt Ferienstimmung vermittelt wird, ist aus Katalogen, Plakaten, Inseraten, Werbefilmen etc. bekannt.
Möchte man von einem einzelnen
Touristen die Reisemotive (vgl.
Abbildung 2) – seine BewegGründe also – erfahren, so erstaunt
es nicht, dass viele jener Gründe
genannt werden, die in der Tourismuswerbung immer wieder anklingen.
Abbildung 2: Reisemotive (Deutschland). Quelle: F.U.R. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (Hrsg.), 2004, zit. in: Müller
(2008): Freizeit und Tourismus, S. 116
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Insofern sind die Reisemotive etwas „Gemachtes“, etwas Sekundäres. Aus den Reisemotiven entstehen Reiseerwartungen: Von Reisen erwartet man ziemlich analog zu den Reisemotiven Wiederherstellung (Re-Kreation), Gesundung und Gesunderhaltung von Körper und Geist, Schöpfung von neuer
Lebenskraft, von neuem Lebensinhalt. Untersuchungen zu den Qualitätserwartungen zeigen imme r
wieder in etwa das gleiche Bild der Reiseerwartungen:
Tabelle 1: Reiseerwartungen (Opaschowski, 2004, zit. in: Müller, 2008, S. 117)
Wichtigkeit
1. (von 88-90% der Befragten genannt)
2. (80-88%)
3. (70-80%)
Reiseerwartungen (Kriterien)
Freundlichkeit, Atmosphäre, Landschaftliche Schönheit
Gesundes Klima, Sicherheit, Sauberkeit, Gute Küche
Kontaktmöglichkeiten, gutes Preis-Leistungsverhältnis,
Erreichbarkeit, Sehenswürdigkeiten
Reisemotive und Reiseerwartungen zusammen beeinflussen das Verhalten vor, während und nach
den Ferien, also das Reiseverhalten (z. B. Reiseform, Reisebegleitung, Zeitpunkt, Dauer, Reiseziel,
Verkehrsmittel, Unterkunft, Ausgaben, Aktivitäten am Urlaubsort, Reisezieltreue, Reisezufriedenheit).
1.2
Kennziffern zur touristischen Nachfrage
Internationale Organisationen (z. B. die World Tourism Organisation WTO) bemühen sich seit Jahren
um eine bessere statistische Erfassung der touristischen Bewegungen innerhalb und zwischen den
einzelnen Ländern, aber bisher noch ohne grossen Erfolg. Die Zählmethoden variieren von Land zu
Land. Gewisse Reiseformen (z. B. der Binnentourismus oder die Ausflugs- und Wochenendfahrten)
werden oft überhaupt nicht erfasst. Aufgrund verschiedener Quellen lassen sich etwa folgende Auss agen (Schätzungen) zum globalen Tourismusaufkommen machen:
 Weltweit gesehen unternimmt etwa ein Viertel der Gesamtbevölkerung eine oder mehrere Re isen von mindestens 5 Tagen Dauer. Beim grenzüberschreitenden Tourismus sind es ca. 6%.
 Die Freizeitreisen machen rund 90% des Gesamttourismus aus, der Rest entfällt auf Geschäftsreisen.
 Selbstverständlich sind die Prozentzahlen in den Industrieländern wesentlich über diesen
Durchschnittswerten und jene in den Entwicklungsländern liegen stark darunter.
Kennziffern zur touristischen Nachfrage in der Schweiz werden im Rahmen des Satellitenkontos Tourismus statistisch erhoben und können z. B. auf der Website des Bundesamtes für Statistik herunter
geladen werden.
2
Touristisches Angebot
Die Reisemotive und Reiseerwartungen, die im vorangehenden Kapitel genannt wurden, bedingen
eine Entsprechung beim touristischen Angebot. Zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermar ktung eines touristischen Produkts, ist, die Nachfrage zu kennen, um das Angebot darauf abzustimmen.
2.1
Elemente des touristischen Angebotes
In der Literatur wird das touristische Angebot vielfach unterteilt in das ursprüngliche Angebot, auch
Potenzial genannt, und das abgeleitete Angebot oder die Ausstattung.
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Ursprüngliches Angebot:
Darunter verstehen wir alle jene
Faktoren, die in ihrem Wesensgehalt keinen direkten Bezug
zum Tourismus haben, durch
ihre Anziehungskraft auf Touristen jedoch zu touristischen Objekten werden.
Natürliche Faktoren: z. B. geografische Lage, Klima, Topografie, Landschaftsbild, Tier- und Pflanzenwelt. Sie sind vom Menschen meist nicht erschaffen, sondern können nur erschlossen
oder erhalten werden. Die natürlichen Faktoren stellen gewissermassen das Kapital des Tourismus dar.
Allgemeine Faktoren des menschlichen Seins und Tuns:
Obwohl „Land und Leute kennen lernen“ nicht zu den wichtigsten
Ferienmotiven gehört, gehört die einheimische Bevölkerung im
weiteren Sinn zum ursprünglichen touristischen Angebot. Sein
und Tun der Bevölkerung kommt grosse Bedeutung zu. Gastfreundschaft, Brauchtum, Sitten, Traditionen, Folklore, Mentalität,
Sprache, Wirtschaft, alles was unter Kultur verstanden werden
kann, steigert die Attraktivität einer Feriendestination.
Allgemeine Infrastruktur: z. B. allgemeine Verkehrsanlagen,
Wasser-, Energieversorgung, Entsorgung (Abfall, Abwasser,
Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Spitäler.
Abgeleitetes Angebot:
Das abgeleitete Angebot umfasst
all jene Objekte und Leistungen,
die speziell im Hinblick auf die
touristische
Bedürfnisbefriedigung entstanden bzw. betrieben
werden.
Touristische Infra- und Suprastruktur: Unter die touristische
Infrastruktur fällt vorerst jene durch den Tourismus bedingte zusätzliche, d. h. über das Richtmass für Einheimische hinausgehende, allgemeine Infrastruktur wie Skilifte, Luftseilbahnen, Tennisplätze, Wanderwege, Skipisten, Spielcasinos, Betreuungsund Informationsdienste etc. Unter die touristische Suprastruktur
fallen ganz allgemein sämtliche Beherbergungs- und Verpflegungsbetriebe.
Touristische Attraktionen: Der Wettbewerb unter Tourismusdestinationen verläuft immer mehr über Attraktionspunkte; sie
stellen den eigentlichen Wert einer Destination dar. Bsp: Natürliche Attraktionen, Denkmäler, Freizeit- und Themenparks, Museen, Nationalparks etc.
Touristische Events: Events gehören zu den am schnellsten
wachsenden Teilsegmenten im touristischen Leistungsangebot.
Der Event-Tourismus wird immer wichtiger.
2.2
Destination und Destinationsmanagement
Eine Besonderheit des touristischen Angebots gegenüber anderen Branchen ist, dass Touristinnen
und Touristen selten ein einzelnes Gut nachfragen, sondern ein ganzes Leistungsbündel. Die meisten
Reisen umfassen eine ganze Kette von aneinander gereihten nachgefragten Dienstleistungen – einer
Dienstleistungskette (vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3:
Dienstleistungskette im Tourismus.
Quelle: Müller
(2008): Freizeit
und Tourismus, S.
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Überdies sind komplementäre Leistungserbringer (z. B. Verkehrssektor) sehr wichtig. Und nicht zuletzt
fällen viele Touristinnen und Touristen ihren Reiseentscheid in Abwesenheit – d. h. sie bestellen oder
buchen etwas, ohne die Qualität der bestellten Leistung zu kennen. Dies erfordert ein ganzheitliches
Vorgehen auf der Seite der touristischen Anbieter. In diesem Zusammenhang steht der relativ junge
Begriff der touristischen Destination.
Eine touristische Destination bietet das gesamte, von einzelnen Gästegruppen nachgefragte Leistungsbündel an. Destinationen müssen ortsübergreifend koordiniert werden, weil die touristische
Dienstleistungskette in der Regel die örtlichen Grenzen sprengt.
Unter dem Begriff Destinations-Management wird heute ein Instrument für grössere Tourismusorte
verstanden, welches hilft, die Komplexität des touristischen Angebotes und die Vielfalt der aus Gäst esicht gewünschten Leistungsbündel optimal aufeinander abzustimmen und zu koordinieren.
2.3
Werbung
Tourismusanbieter haben es seit jeher verstanden, den „ferienhungrigen“ Menschen nicht nur Erfüllung anzubieten, sondern dort, wo noch nötig, auch die dazugehörigen Wünsche und Sehnsüchte zu
erzeugen. Dies kann mit verschiedenen Marketing-Instrumenten geschehen. Zentrales Instrument
dabei ist die Werbung.
Mit Werbung wird versucht, die Leistung, die zu einem bestimmten Preis angeboten wird, bei potentie llen Nachfragerinnen und Nachfragern auf Distanz bekannt zu machen. Plakate, Inserate, Kataloge,
Prospekte, Fernseh- und Radiospots usw. stehen als Träger von Werbebotschaften zur Verfügung.
Dabei soll die Empfängerschaft der Botschaft von den Vorteilen einer Leistung überzeugt werden. Eine
kritische Durchsicht der touristischen Werbeimprimate zeigt jedoch, dass in Wort und Bild immer wi eder dieselben Klischees verwendet werden, die beliebig austauschbar sind. Sie zielen weniger auf
eine Bedarfsdeckung als vielmehr auf eine Bedarfsweckung ab. Eine Traumwelt wird dargestellt, die
für wenig Geld auf Zeit erkauft werden kann. Die Erfolge der touristischen Werber und Werberinnen
belegen aber, dass die potenziellen Touristinnen und Touristen offenbar gerne verführen lassen.
Zur Veranschaulichung von touristischer Werbung und gezielter, kontinentübergreifender NachfrageGenerierung im Sinn eines Destinationsmanagements können folgender Medien herangezogen werden:
- Zeitungsartikel "Wie sich die Traumdestination Schweiz in Indien vermarktet", Der Bund,
08.04.2010, download im Kapitel Grundlagen -> Print
- Werbespot von myswitzerland „Wir tun alles für perfekte Winterferien“, einsehbar im Kapitel
Grundlagen -> Video
Quelle: Müller, Hansruedi (2008): Freizeit und Tourismus – Eine Einführung in Theorie und Praxis. 11.
Auflage. Bern: Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern
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