3. ARBEITSMARKT AVWL II 53 Abbildung 17: Arbeitnehmerentgelte in Deutschland 3 Arbeitsmarkt Die oben vorgestellte Analyse unterstellt, dass der Preismechanismus nur auf dem Finanzmarkt greift. Auf dem Gütermarkt aber werden die Preise weniger zügig angepasst als die Mengen. Also spielen Preise auf dem Gütermarkt zunächst keine Rolle, die Nachfrage bestimmt den Output. Implizit bedeutet das, dass die Kostensituation unerheblich ist. Wie wir gesehen haben, konfligiert das mit der Befürchtung der Zentralbank, dass eine allzu starke Ausweitung der Nachfrage zu Inflation führt. Um also die Preisentwicklung zu verstehen, müssen wir auf die Kostenseite schauen. Die VGR liefert uns auch hier erste Hinweise. So ist vor allem das Einkommen aus unselbständiger Arbeit eine wesentliche Komponente der Entstehungsseite der VGR. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 54 Die Lohnquote misst den Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen (ein Derivat des Bruttoinlandproduktes). Der Wert liegt 2006 bei knapp 2/3: 0, 66 = 3.1 1145, 7 1746, 87 Output und Beschäftigung Betrachten wir deswegen die Bestimmung der Arbeitnehmerentgelte auf dem Arbeitsmarkt. Im ersten Schritt lassen Sie uns die Beschäftigung angehen. In der traditionellen Analyse wird angenommen, dass die Beschäftigung sich einfach aus der Produktionsnotwendigkeit ergibt. Der gleichgewichtige Output Y impliziert über die Produktionsfunktion bei gegebenem Kapitalbestand K die Zahl der Beschäftigten N Y = AF (N, K) , wobei A ein Indikator der allgemeinen Produktivität ist, den wir aber zunächst auf 1 setzen Y = F (N, K) . Demach sind Produktion und Arbeitseinsatz durch die Grenzproduktivität der Arbeit verbunden. Schauen wir uns das graphisch an: In der horizontalen ist der Arbeitseinsatz abgetragen. In der vertikalen der Output. Die 3. ARBEITSMARKT AVWL II 55 Abbildung 18: Output und Beschäftigung Output 6 Y = F (N, K) ............ ................. .............. .............. ........... . . . . . . . . . . .. ........... .......... ......... ......... ......... . . . . . . . ....... ........ ........ ........ ....... . . . . . . . ....... ....... ...... ...... ...... . . . . . .... ...... ...... ...... ..... . . . . .... .... .... .... . . . . .... .... .... ... . . . .... .... ... ... ... . . ... ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... .. .. . . . - Beschäftigung Steigung der Kurve ist die Grenzproduktivität der Arbeit. Bei dem eingezeichneten Verlauf sinkt die Grenzproduktivität. Was passiert aber bei einer Ausweitung des Output? Die Beschäftigung steigt und zwar in zunehmendem Maße. Schauen wir uns das formal an: dY = ∂F (N, K) dN ∂N In vereinfachter Schreibweise dY = FN (N, K) dN 3. ARBEITSMARKT AVWL II 56 und so 1 dN = . dY FN (N, K) Dieser Term is positiv und steigt mit dem Niveau der Beschäftigung. Nun werden Sie mir zugeben, dass der Term etwas unbequem ist. Eine Möglichkeit zur Vereinfachung ist die Arbeit mit der Umkehrfunktion. Sie gibt die für eine Produktion von Y bei Kapitaleinsatz von K erforderliche Beschäftigung an. N = N (Y, K) = F −1 (Y, K) wobei dN dY > 0 entsprechend dem obigen Ausdruck. Abbildung 19: Beschäftigung und Output Beschäftigung ... ... ... .... .. ... ... .... .. ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . .. .. ... ... ... . . .. ... .... .... ... . . . ... ... .... .... .... . . ... ... .... .... .... . . . . ...... ..... ...... ...... ...... . . . . . . ...... ....... ...... ....... ...... . . . . . . . ........ ....... ........ ........ ........ . . . . . . . .. ........ ......... ......... ......... ......... . . . . . . . . . . .......... .......... 6 N = N (Y, K) - Output 3. ARBEITSMARKT AVWL II 57 Geht man also davon aus, dass die Beschäftigung durch die Produktionsfunktion betimmt ist, kommt es zu einer prozyklischen Beschäftigungsentwicklung. In der Tat ist die Beschäftigung prozyklisch. Schauen wir uns die Zahlen an (vgl. Abbildung 20). In Abbildung 21 ist die Entwicklung als Wachstumsrate und gleichzeitig die BIP Wachstumsrate angegeben. Konjunkturell zeigt sich demnach ein enger Zusammenhang mit dem BIP. Der Zusammenhang zwischen Output und Beschäftigung könnte nun einfach genutzt werden, die IS-LM Analyse etwas zu erweitern und dann Aussagen über die Beschäftigung zu treffen. Wenn wir dann eine Nachfrageexpansion haben, wie letztens besprochen, können wir unter Kenntnis der Produktionsfunktion den Beschäftigungseffekt ableiten. Abbildung 22 zeigt, wie wir die Beschäftigung mit der IS-LM Analyse verbinden. Was hier zum Ausdruck kommt, ist eine nur rudimentäre Auseinandersetzung mit dem Arbeitsmarkt. Die Vorstellung ist, dass einfach die Arbeitsnachfrage die Beschäftigung bestimmt. Was aber, wenn die Arbeitsnachfrage nicht gedeckt werden kann? Und was passiert umgekehrt, wenn das Arbeitsangebot nicht genutzt wird? 3.2 Beschäftigung und Arbeitslosigkeit Üblicherweise würde man doch vermuten, dass sich wie auf jedem Markt ein Preismechanismus einstellt, der die Marktseiten zum Ausgleich bringt. Die traditionelle Vorstellung ist 3. ARBEITSMARKT Abbildung 20: Erwerbstätigkeit in Deutschland AVWL II 58 3. ARBEITSMARKT AVWL II 59 Abbildung 21: Erwerbstätigkeit und BIP offenbar, dass stets ein Überschussangebot auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Dann würde die Entwicklung der Beschäftigung stets aus dem Reservoir Nichtbeschäftigter und Beschäftigter gespeist. In der Tat gibt es ja in vielen Ländern eine gewisse Arbeitslosigkeit, die vielleicht als ein Überschussangebot gesehen werden kann. Schauen wir uns die Arbeitslosigkeit an. AQ = LS − N LS Das Komplement ist die Beschäftigungsquote BeschQ = N LS 3. ARBEITSMARKT AVWL II 60 Abbildung 22: IS-LM mit Arbeitsmarkt Zinssatz 6 . ..... ..... ..... ..... ..... . . . . .. ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . ..... ..... .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . ..... ..... . .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . ..... ..... . . . .. ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . . . . . ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .......... ..... ......... ..... ......... ..... ..... .......... ......... ..... ..... ..... .... ..... ..... .......... ..... ..... .......... ..... ..... . . . . . ..... . . . ..... ..... .... . . . . . . . ..... ..... .... . . ..... . . . . . ..... ..... ... . . . . . . ..... . ..... .... ..... . . . . . . . ..... ..... .... . . . . ..... . . . ..... ..... .... . . . . . . . ..... ..... ... . . . ..... . . . . ..... ..... .... . . . . . . ..... ..... .... . . ..... . . . . . ..... ..... .... . . . . . . ..... . ..... .... ..... . . . . . . . ..... ..... ... . . . . ..... . . . ..... ..... .... . . . . . . . ..... ..... .... . . ..... . . . . . ..... ..... .... . . . . . . ..... . ..... .. .... ... ..... - Einkommen Beschäftigung . ... ... .... .. ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... .. .. ... ... . . .. ... .... .... .... . . . .... .... ... .... . . . ... ... .... .... ... . . . ..... ..... ...... ...... ...... . . . . . .. ...... ...... ...... ....... ...... . . . . . . ....... ....... ....... ........ ....... . . . . . . . .. ........ ........ ......... ......... ......... . . . . . . . . . .......... .......... .......... 6 - Output 3. ARBEITSMARKT AVWL II 61 Abbildung 23: Entwicklung der Arbeitslosigkeit In Deutschland steht die registrierte Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Im Zuge der Reformen in der Arbeitsmarktpolitik gibt es gegenwärtig zahlreiche Meßfragen. Für den Makroökonomen ist aber der internationale Vergleich wichtig. Deswegen wird in der Abbildung 23 die Entwicklung der Arbeitslosenquote anhand der standardisierten OECD Zahlen dargestellt. Wir sehen die für Deutschland typische, seit den 70ern ansteigende Sockelarbeitslosigkeit. Dies ist ein sogenanntes strukturelles Phänomen, weil es eben nicht mit der Konjunktur kommt und verschwindet. Daneben sieht man aber auch deutliche zyklische Bewegungen. In der Tat stehen diese zyklischen Bewegungen im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit. Dieser Zusammenhang kann etwas präziser anhand einer Regression überprüft werden (vgl. Abbildung 25). Beachten Sie, dass die Schätzung einen kubischen Trend beinhaltet, 3. ARBEITSMARKT AVWL II 62 Abbildung 24: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und Erwerbstätigkeit um die strukturelle Komponente aufzufangen. Demnach führt ein Anstieg der Beschäftigung um 1 Prozentpunkt zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit um knapp einen halben Prozentpunkt (genauer um 0,45 Prozentpunkte). Abbildung 25: Regression: Determinanten der Arbeitslosigkeit 3. ARBEITSMARKT 3.3 AVWL II 63 Beschäftigung und Preisentwicklung Warum aber kommt es dann aber nicht zu einer Lohnanpassung? Ohnehin stellt sich die Frage, wie sich die Löhne bilden und was die Preisentwicklung determiniert. Die Bestimmung von Löhnen und Preisen wird bei Blanchard durch zwei weitere Gleichungen beschrieben: die Preissetzungsgleichung und die Lohnsetzungsgleichung. Die Preisbildung wird extrem einfach modelliert, als eine proportionale Funktion der Lohnkosten. p = (1 + µ) w. Der Zuschlag kennzeichnet die für den Einsatz des Kapitals erforderlichen Deckungsbeiträge, darüber hinaus Wettbewerb und auch andere Faktoren: Ölpreise, etc. Der zweite Punkt ist die Modellierung der Lohnbildung. Sie erfolgt anhand einer Lohnsetzungsgleichung: w=w e (u, pe ) , wobei pe die Preiserwartungen kennzeichnet. Die Vorstellung hier ist, dass die Tarifparteien sich auf einen Lohnsatz einigen, in Abhängigkeit von der jeweiligen Arbeitslosigkeit und dem erwarteten Preisniveau. Geht man davon aus, dass die Lohnsetzung stets proportional mit dem erwarteten Preisniveau wächst, gilt w = pe w (u) , w0 < 0. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 64 Ein Anstieg der Beschäftigung N/LS relativ zum Arbeitsangebot führt zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit u = 1 − N LS und damit zu höheren Lohnforderungen. Wie erklärt man die Lohnsetzungskurve? Eine Variante ist die Lohnverhandlung. Steigende Arbeitslosigkeit führt dazu, dass mögliche adverse Beschäftigungseffekte der Lohnerhöhung für die Arbeitnehmer eher problematisch sind. Ein zweiter Aspekt sind die Bedingungen, denen sich Arbeitslose gegenüber sehen. Hier spricht man vom Reservationslohn. Alternative Erklärungen beruhen auf der positiven Wirkung höherer Löhne auf die Arbeitsbereitschaft und der negativen Wirkung auf die Kündigungsbereitschaft der Arbeitnehmer (sogenannte Effizienzlöhne). Der markträumende Lohn ist dann kein Gleichgewicht, weil Arbeitgeber in der Situation den Anreiz haben, höhere Löhne zu zahlen. Mit positiver Arbeitslosigkeit verschwindet dieser Anreiz, weil dann die Opportunitätskosten des Jobverlustes steigen. Wenn wir die Elemente zusammenaddieren, erhalten wir die folgende Beziehung zwischen Preisniveau und Arbeitslosigkeit: p = (1 + µ) pe w (u) Bei der Beurteilung der Plausibilität ist ein erstes Problem, dass das Preisniveau nicht beobachtet wird, sondern nur die Entwicklung des Preisniveaus. Deswegen formulieren wird die Gleichung um in: 3. ARBEITSMARKT AVWL II 65 pe p = (1 + µ) w (u) p−1 p−1 Wir definieren die Preissteigerungsraten: π≡ p − p−1 p−1 πe ≡ pe − p−1 p−1 Dann gilt: p = (1 + π) p−1 pe = (1 + π e ) p−1 und so: (1 + π) = (1 + µ) (1 + π e ) w (u) 3. ARBEITSMARKT AVWL II 66 Es stellt sich nun die Frage nach der funktionalen Form. Eine erste Vorstellung wäre, dass zwischen Lohnsatz und Beschäftigungsquote eine konstante Elastizität gilt w (u) = (1 − u)β so dass (1 + π) = (1 + µ) (1 + π e ) (1 − u)β Logarithmische Transformation liefert: log (1 + π) = log (1 + π e ) + log (1 + µ) + β log (1 − u) Und dies kann man weiter vereinfachen zu: π = π e + α − βu, wobei α = log (1 + µ) . Warum denn das? Was wir nutzen ist eine besondere Eigenschaft der logarithmischen 3. ARBEITSMARKT AVWL II 67 Funktion. Schauen wir uns den Logarithmus von 1 + x an: y = log (1 + x) Dann gilt doch nach der Regel für logarithmische Differentiation dy = 1 dx 1+x Wenn nun x in der Nähe von Null liegt dy ' dx für x in der Nähe von Null. Die nächste Frage, die sich hier stellt, ist die nach der Preiserwartung. Was bestimmt die Erwartung über die Kaufkraft? Eine denkbare, wenn auch vielleicht nicht völlig überzeugende Sicht ist die, dass die Preiserwartungen adaptiv sind, dass also die Lohnverhandlungen von der tatsächlichen Preisentwicklung ausgehen: π e = π−1 Dann gilt π − π−1 = α − βu 3. ARBEITSMARKT AVWL II 68 Abbildung 26: Regression: Inflation und Arbeitslosigkeit In der Tat ist diese Beziehung empirisch durchaus tragfähig (vgl. Abbildung 26). Beachten Sie, dass wir die Trendentwicklung herausgenommen haben, um die steigende strukturelle Arbeitslosigkeit aufzufangen. Im Ergebnis zeigt sich, dass ein Anstieg der Arbeitslosigkeit um einen Prozentpunkt dazu führt, dass die Inflationsrate um 0,65 Prozentpunkte fällt. Gehen wir von einer anderen Spezifikation der Lohnsetzungkurve aus: w (u) = (u)−β , dann gilt ∆π = α − β log u. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 69 Abbildung 27: Regression: Inflation und Arbeitslosigkeit In der Tat ist diese Beziehung empirisch noch etwas besser (vgl. Abbildung 27 ). 3.4 Das Modell mit Preisbildung Das Modell mit Preisbildung sieht nun wie folgt aus: 1. Konsum (C) Konsumfunktion C = c0 + c1 (Y − T ) oder G statt T 2. Output (Y ) Budgetidentität Y =C +I +G+X 3. Zinssatz (r) Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (r) 4. Investition (I) Investitionsfunktion I = I (r) 5. Beschäftigung (N ) inverse Produktionsfunktion N = N (Y, K) 6. Preisniveau (p) Preisfunktion p = (1 + µ) w 7. Lohnsatz (w) Lohnsetzung w = pe w (N/LS) 3. ARBEITSMARKT AVWL II 70 Bestimmt werden C, Y , r, I, N , p und w. 3.5 Die AS-Kurve Mit den beiden Gleichungen für Preissetzung und Lohnsetzung und unter Berücksichtigung der Produktionsfunktion ergibt sich die aggregierte Angebotsfunktion. Sie zeigt an, zu welchem Preis die Produktion eines gegebenen Outputs erfolgen kann, wenn der Arbeitsmarkt im Gleichgewicht ist (trotzdem Arbeitslosigkeit). Sie fasst die Gleichungen 5 bis 7 unseres Modells zusammen. Zur Herleitung vergegenwärtigen Sie sich, wohin wir wollen: Y → N → w → p, und so: p = (1 + µ) pe w ( N (Y, K) /LS) . N (Y, K) ist die Umkehrfunktion der Produktionsfunktion. Der dritte Term in der Gleichung der AS-Kurve kennzeichnet von daher die für die erforderliche Beschäftigung resultierenden Lohnkosten. Wie ist der Zusammenhang zwischen Preisniveau und Einkommen? Da das höhere Einkommen eine höhere Beschäftigung impliziert, die zu höheren Lohnforderungen führt, ist das Preisniveau bei höherem Einkommen höher. Formal können wir den von der Funktion implizierten Zusammenhang zwischen dem Preis- 3. ARBEITSMARKT AVWL II 71 niveau und dem Einkommen wie folgt bestimmen dp = (1 + µ) pe w0 (N (Y, K) /LS) 1 ∂N dY LS ∂Y dp = (1 + µ) pe w0 (N (Y, K) /LS) 1 dY ∂Y LS ∂N Was wissen wir nun zu ∂N ? ∂Y Das ist der Kehrwert der Grenzproduktivität, also positiv. Damit ist also die Steigung der gesamtwirtschaftlichen Angebotsfunktion positiv. Da die Grenzproduktivität mit dem Arbeitseinsatz fällt, können wir davon ausgehen, dass bei linearem Zusammenhang zwischen Beschäftigungsquote und Lohnhöhe die Angebotsfunktion nach oben hin gekrümmt ist: Eine Ausweitung des Outputs führt zu stärkeren Preiseffekten, wenn die Beschäftigung bereits groß ist. Bei nichtlinearem Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigungsquote sind verschiedene Effekte möglich. In der Regel wird man aber (in Gegensatz zu unserer obigen Spezifikation) annehmen, dass die Lohnsetzung stärker beschäftigungsreagibel ist, wenn die Beschäftigung hoch ist. Das verstärkt dann den Effekt. Von daher gehen wir von einer positiven Steigung aus. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 72 Abbildung 28: AS-Kurve Preisniveau 6 ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... ... ... .... . . .... .... .... .... . . . ... ... .... .... .... . . . . ..... ...... ...... ....... ....... . . . . . . . . ........ ......... ......... ........... ............ . . . . . . . . . . . . . . . ................... - Einkommen 3.6 Die AD-Kurve Zur Bestimmung des Preisniveaus reicht die Angebotsfunktion nicht aus. Denn das Preisniveau hat Rückwirkungen auf die Nachfrage, da die Kaufkraft der Geldmenge sich ändert. Diese Wirkungsweise wird durch die AD Kurve abgebildet. Sie definiert den Zusammenhang zwischen Einkommen und Preisniveau, bei dem Gütermarkt und Geldmarkt im Gleichgewicht sind. Sie fasst die Gleichungen 1 bis 4 unseres Modells zusammen. Wo will ich hin? p → M/p → L (Y, r) → I, C, Y. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 73 Abbildung 29: Gleichgewicht auf Güter- und Geldmarkt und AD Kurve Zinssatz 6 .. .. .... .... ... ... .... .... . . . . . . .. .. .... .... .... .... ... ... .... .... . . . . . . ... ... ..... ... ... ..... .... .... ..... ..... .... .... ..... .... .... . . ..... . . .. .. ..... .... .... ..... ..... .... .... ..... .... .... ..... ... ... . . ..... . . . . ..... .. .. ..... .... .... ..... .... .... ..... .... .... ..... ... ... ..... . . . . . . ..... .... .. ........ .... ...... .... ... ...... ... .... ............... . . . ... ... ..... ... ... ......... ..... .... .... ..... .... .... ..... .... .... ..... . . . . ..... .. .. . . . . . . ..... .. .. . . ..... . . . . ..... .. .. . . . . ..... . . ... ... ..... . . . . ..... .. .. . . . . ..... . . .. .. ..... . . . . . . ..... ... ... ..... . . . . . . ..... .... .... . - Einkommen - Einkommen Preisniveau 6 ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... . 3.7 Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht Nun können wir das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht bestimmen. Konzentrieren wir uns zunächst auf die grafische Darstellung in Abbildung 31. – Analyse einer Nachfrageexpansion: AD verschiebt sich nach rechts, Output und Preisniveau steigen 3. ARBEITSMARKT AVWL II 74 Abbildung 30: Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht: AD-AS Preisniveau 6 ..... ..... ... ..... ... ..... .. ..... .. ..... . . ..... ..... ... ..... ..... ... ..... ... ..... .. ..... . ..... ... ..... ..... ... ..... ... ..... .. ..... . ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... . . . ..... ..... .... ..... .... ..... .... ..... ..... ...... ..... ... ...... . .. .... .......... ..... .... ..... .... . . . . ..... ... . ..... . . . . ..... ... . . . . . ..... . .... . ..... . . . . . ..... .... . . . . ..... . . . ..... ..... . . . . . . . ..... ...... . . . ..... . . . . . ..... ....... . . . . . . . . . ..... . ....... . . . . . ..... . . . . . . . . . . ... ................... - Einkommen – Analyse der kontraktiven Geldpolitik: AD verschiebt sich nach links, Output und Preisniveau fallen. – Zinseffekte ergeben sich aus den weiteren Gleichungen: – – bei der Nachfrageexpansion: höhere Preise führen zu einer Verknappung des Geldes, Geldnachfrage kann nur bei höheren Zinsen befriedigt werden. – – bei der Geldpolitik: Verknappung des Geldes führt dazu, dass dass die Geldnachfrage sinken muss. Das tut sie nur bei steigenden Zinsen. Die niedrigeren Preise führen zu einem Anstieg des realen Geldangebots, Geldnachfrage kann nur bei niedrigeren Zinsen ansteigen: Zinsanstieg wird gedämpft. Das Modell erlaubt uns eine Beantwortung der letztens gestellten Frage: Warum hat die Bundesbank uns bei der Wiedervereinigung mit den hohen Zinsen den Spaß verdorben? 3. ARBEITSMARKT AVWL II 75 Der Grund könnte in einer Politik der Preisstabilität liegen. Aber vielleicht war die Stabilitätspolitik der Bundesbank falsch? Vielleicht hätte sie weniger stark auf die Preisentwicklung schauen sollen, und maß der Wirtschaftsentwicklung und der Beschäftigungsentwicklung einen zu geringen Wert bei? Nun, vielleicht ist das Modell auch nicht ganz korrekt? Schliesslich haben wir in der Modellierung der Angebotskurve einfach mal so unterstellt, dass die Preiserwartungen pe gegeben sind. Wenn die Bundesbank Recht hat und Inflation entsteht, dann ist das vielleicht zu restriktiv? 3. ARBEITSMARKT 3.8 AVWL II 76 Korrekte Preiserwartungen: vertikale Angebotsfunktion Nehmen wir als entgegengesetzten Fall an, dass die Preiserwartungen nicht falsch, sondern richtig sind. Dann gilt pe = p. Wenn nicht das erwartete Preisniveau, sondern das tatsächliche Preisniveau in die Lohnsetzungsgleichung eingeht, fallen die Preisterme aus der Angebotsgleichung heraus p = (1 + µ) pw ( N (Y, K) /LS) , bzw. 1 = (1 + µ) w ( N (Y, K) /LS) . Diese Gleichung zeigt nun, dass der gleichgewichtige Output Y unabhängig vom Preisniveau p ist. Dies wird im AS-AD Diagramm als der Fall der vertikalen Angebotskurve geschildert. Was ist da los? Ganz einfach gesagt übernimmt nun der Arbeitsmarkt die Koordinierungsaufgabe. Die Lohnsetzungsgleichung definiert ein Reallohnniveau, das mit der Beschäftigung steigt w/p = w (N (Y, K) /LS) . Es ist aber nur das Reallohnniveau mit dem Preissetzungsverhalten der Unternehmen kom- 3. ARBEITSMARKT AVWL II 77 Abbildung 31: Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht: AD-AS Preisniveau 6 ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... ... ..... . ..... ..... .... ..... ... ..... .. ....... ...... ... ..... ..... .......... ..... ... ..... . ..... ..... ..... ... ..... ..... .... ..... ... ..... ..... .... ..... ..... .... ..... ... ..... ..... .... ..... ... ..... ..... .... .... . - Einkommen patibel, das einen Preisaufschlag von 1 + µ erlaubt. w/p = 1 . (1 + µ) Es folgt für die gleichgewichtige Beschäftigung: w (N (Y, K) /LS) = 1 (1 + µ) Hieraus bestimmt sich nicht nur die gleichgewichtige Beschäftigung N , sondern auch die Arbeitslosigkeit, und über die Produktionsfunktion auch der gleichgewichtige Output. Das Modell zerfällt nun in nacheinander lösbare Blöcke (Blockrekursivität): Gleichungen 6 und 7 bestimmen Beschäftigung und den Lohnsatz gegeben das Preisniveau bzw. 3. ARBEITSMARKT AVWL II 78 Abbildung 32: Gleichgewicht im Arbeitsmarkt Reallohn 6 . ... ... .. . ... ... ... .. . ... ... .. ... . . .. ... ... .... ... . . . . .... .... .... ... . . . ................................................................................................................................................................................................................. ... .... .... ... . . ...... ..... ..... ...... ...... . . . . . . . ....... ........ ........ .......... ............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... - den Reallohn w . p Beschäftigung Gleichung 5 bestimmt den Output. Der Nachfrageblock bestimmt dann Konsum, Investitionen, Zinssatz und Preisniveau: 1. Konsum (C) Konsumfunktion C = c0 + c1 (Y − T ) 2. Output (Y ) Budgetidentität Y =C +I +G+X 3. Zinssatz (r) Geldmarktgleichgewicht M/p = Y L (r) 4. Investition (I) Investitionsfunktion I = I (r) 5. Beschäftigung (N ) inverse Produktionsfunktion N = N (Y, K) 6. Preisniveau (p) Preisfunktion p = (1 + µ) w 7. Lohnsatz (w) Lohnsetzung w = pw (N/LS) Bestimmt werden C, Y , r, I, N , p und w. Beachten Sie, dass Beschäftigung und Preise im Arbeitsmarkt bestimmt werden! Hieraus folgen dann sukzessive der Output Y , der Konsum C, damit die Investititionen I und 3. ARBEITSMARKT AVWL II 79 schließlich der Zinssatz (Blockrekursivität). Die berühmte keynesianische Formel von der Bestimmung der Produktion durch die Nachfrage hat keine Gültigkeit mehr, die Angebotsbedingungen sind relevant. Der Nachfrageblock der Gleichungen (1)-(4) bestimmt nun lediglich das Preisniveau. Hier zeigt sich ein noch heute erkennbarer Riss in der Makroökonomik. Angebotsorientierte vs. Nachfrageorientierte Politik Moderne integrative Analysen überwinden die Spaltung fachlich durch die Betonung der Erwartungsbildung (nächstes Kapitel) und genauerer Analyse der Determinanten der Preisbildung. 3.9 Gleichgewichtige Arbeitslosigkeit Beachten Sie, dass wir diesen Zusammenhang auch nutzen können, um die strukturelle Arbeitslosigkeit zu definieren. Hierzu ersetzen wir wie oben die Beschäftigungsquote durch die Arbeitslosenquote: w (1 − u) = Graphisch führt dies nun zu Folgendem: u∗ ist die “natürliche” Arbeitslosigkeit. 1 (1 + µ) 3. ARBEITSMARKT AVWL II 80 Abbildung 33: Strukturelle (“Natürliche”) Arbeitslosigkeit Reallohn 6 ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .... ....................................................................................................................................................................................................................... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... ..... .. u∗ - Arbeitslosenquote Gehen wir zurück zu unserer Preissetzungskurve (1 + π) = (1 + π e ) (1 + µ) w (1 − u) Hier können wir nun die natürliche Arbeitslosenquote einsetzen, die sich ergibt, wenn die Preiserwartungen korrekt wären (1 + π) = (1 + π e ) w (1 − u) w (1 − u∗ ) Wenn wir nun wie oben davon ausgehen, dass die Preiserwartungen sich aber dennoch adaptiv entwickeln (1 + π) = (1 + π−1 ) w (1 − u) w (1 − u∗ ) Mit der konstanten Elastizität bezogen auf die Beschäftigungsquote w (1 − u) = (1 − u)β 3. ARBEITSMARKT AVWL II 81 gilt log (1 − u)β = β log (1 − u) und das können wir näherungsweise schreiben als β log (1 − u) ' −βu also log (1 − u)β log (1 − u∗ )β = −β (u − u∗ ) und so π − π−1 = −β (u − u∗ ) Wenn also die Arbeitslosigkeit unter der natürlichen Arbeitslosigkeit liegt, kommt es zu Inflationsbeschleunigung, sonst zu Verlangsamung. u∗ wird deshalb auch bezeichnet als “Inflationsstabile Arbeitslosenquote” (NAIRU).