Prof. Dr. Werner Smolny ANDO · U N ITÄT Wintersemester 2004/2005 U M · C UR · SCIENDO DO CENDO · Helmholtzstr. 20, Raum E 05 Tel. 0731 50 24261 ERS L Abteilung Wirtschaftspolitik IV Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften Universität Ulm [email protected] Allgemeine Volkswirtschaftslehre II: Makroöokonomik 3 Das aggregierte Angebot 3.1 Preis- und Mengenanpassung 3.2 Produktionsfunktion und Arbeitsmarkt 3.3 Kapitalstock und Investitionen 3.4 Wirtschaftliches Wachstum Literatur • Mankiw, Makroökonomik, Kapitel 3-5, 17 • Unterlagen zur Vorlesung und zur Übung 1 3.1 Preis- und Mengenanpassung Die Anpassung von Produktion, Preisen und Beschäftigung in einem mikroökonomischen Modell des Unternehmensverhaltens Die Annahmen des Modells Die Güternachfrage auf Unternehmensebene ist abhängig vom Preis und einem Nachfrageniveauparameter (Modell unvollständiger Konkurrenz auf dem Gütermarkt, Annahme einer logarithmisch-linearen Nachfragekurve) YD = pη · Z bzw. ln YD = η · ln p + ln Z YD : Güternachfrage Z : Nachfrageniveauparameter p : Preis η : Preiselastizität der Nachfrage, η = ∂ ln YD ∂YD/YD = , η < −1 ∂ ln p ∂p/p Das Güterangebot wird bestimmt durch eine kurzfristig limitationale Produktionsfunktion mit Arbeit und Kapital als Produktionsfaktoren YS = min(YC, YL) = min(πk · K, πl · L) YS : Güterangebot YC : Kapazität YL : Beschäftigungsschranke K : Kapitalstock, kurzfristig gegeben L : Beschäftigung, flexibel πl : Arbeitsproduktivität, kurzfristig gegeben πk : Kapitalproduktivität, kurzfristig gegeben 2 Gewinnmaximierung max →p,L,Y Gewinn =: p · Y − w · L − c · K unter der Nebenbedingung Y ≤ YD, YC, YL w : Lohnsatz, vollständige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, exogener Lohnsatz, konstante Grenzkosten c : Kapitalnutzungskosten (Fixkosten) Die Produktion Y ergibt sich als Minimum von Güterangebot und Güternachfrage, Y = min(YD, YS) Die Bedingung erster Ordnung für das Gewinnmaximum à ∂Y ∂p ·Y +p · −w = 0 ∂Y ∂L ∂Y p · (1 + 1/η) · −w = 0 ∂L ! Produktion und Preise, Kapazitäten und Kosten Z1 < Z2 < Z3 p YD(p, Z3) YD(p, Z2) YD(p, Z1) p(w) w/πl YC 3 YD Für das Optimum können zwei Fälle unterschieden werden Fall 1: Zu geringe Nachfrage YD(p, Z1), hinreichende Kapazitäten Die Lohnstückkosten w/πl und die Preiselastizität der Nachfrage η bestimmen den Preis, die Nachfrage bestimmt die Produktion und die Beschäftigung → Unterauslastung der Kapazitäten w πl · (1 + 1/η) ln p(w) = ln w/πl + ln(1 + 1/η) Preis p(w) = Produktion Y (w) = p(w)η · Z ln Y (w) = η · p(w) + ln Z Arbeitsnachfrage L(w) = Y /πl ln L(w) = ln Y − ln πl Fall 2: Hinreichende Nachfrage YD(p, Z3), Kapazitätsrestriktion YC Die Kapazitäten bestimmen die Produktion und die Arbeitsnachfrage, die Nachfrage bestimmt den Preis Produktion Y = YC Arbeitsnachfrage L(YC) = Y C/πl ln L(YC) = ln YC − ln πl Preis ln p(YC) = (ln YC − ln Z)/η Grenzfall: Nachfrage = Kapazität YD(p(w), Z2) = Y C ln YC = η · ln p(w) + ln Z 4 Was kann das Modell leisten? 1. Modell für die Preissetzung: Die Preise sind abhängig von den Kosten (Löhne, Arbeitsproduktivität → Lohnstückkosten w/πl ), der Güternachfrage Z, den Kapazitäten YC und von der Marktmacht (Preiselastizität der Nachfrage η) Modell für die Produktion: Die Produktion ist abhängig von den Lohnstückkosten, der Güternachfrage, den Kapazitäten und von der Marktmacht Modell für die Arbeitsnachfrage: Die Arbeitsnachfrage ist abhängig von der Produktion und der Arbeitsproduktivität 2. Fallunterscheidung: Unterauslastung vs. Vollauslastung a) Bei Unterauslastung der Produktionskapazitäten reagieren die Produktion und die Beschäftigung auf Nachfrageänderungen, der Preis bleibt konstant: Höhere Nachfrage → steigende Produktion → steigende Arbeitsnachfrage Bei Kostenänderungen reagieren Produktion, Preise und Beschäftigung: Höhere Lohnstückkosten → höhere Preise → geringere Produktion und Arbeitsnachfrage b) Bei Vollauslastung der Kapazitäten reagiert nur der Preis auf Nachfrageschwankungen, die Produktion und die Beschäftigung bleiben konstant: Höhere Nachfrage → steigende Preise Bei Lohnsatzänderungen ändern sich Produktion, Beschäftigung und Preise nicht Bei einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität sinkt der notwendige Arbeitseinsatz, und die Arbeitsnachfrage sinkt 5 3. Höhere Kapazitäten erhöhen die Produktion und die Beschäftigung und führen zu geringeren Preisen, aber nur im kapazitätsbeschränkten Regime 4. Mehr Marktmacht führt zu höheren Preisen und geringerer Produktion und Beschäftigung im nachfragebeschränkten Regime; im angebotsbeschränkten Regime steigen nur die Preise Vollständige Konkurrenz (η → −∞) ist ein Spezialfall des Modells 5. Langfristige Determinanten der Investitionen: Erwartete Nachfrage, Auslastung der Kapazitäten, Kapitalnutzungskosten, Lohnkosten, Nachfrageunsicherheit, Marktmacht → Anpassung der Kapazitäten an das Optimum Wirtschaftliches Wachstum und technischer Fortschritt: Innovationen sind abhängig von Investitionen! 6. Gesamtwirtschaftliche Effekte: In einer Volkswirtschaft sind zu jedem Zeitpunkt ein Teil der Unternehmen in einer Situation der Vollauslastung der Kapazitäten, der andere Teil der Unternehmen arbeitet bei Unterauslastung der Kapazitäten Rezession: Viele Unternehmen arbeiten unterhalb der Kapazitätsgrenze Boomsituation: Viele Unternehmen arbeiten an der Kapazitätsgrenze 6 3.2 Produktionsfunktion und Arbeitsmarkt Die Produktionsfunktion ist eine technische Relation zur Beschreibung des Zusammenhangs des Produktionspotentials Y P von den Einsatzmengen der Produktionsfaktoren Kapital K und Arbeit L Y P = Y P (K, L) (1) Ein Beispiel ist die Cobb/Douglas Produktionsfunktion Y P = A · K α · L1−α (2) Die Faktorproduktivitäten bestimmen sich aus der Kapitalintensität K/L Arbeitsproduktivität Y P/L = A · (K/L)α Kapitalproduktivität Y P/K = A · (K/L)−(1−α) (3) (4) – Eine bessere Kapitalausstattung der Arbeitsplätze führt zu einer höheren Arbeitsproduktivität; wenn mehr Kapital eingesetzt wird, ist die Kapitalproduktivität geringer – Das Grenzprodukt der Produktionsfaktoren kann aus den partiellen Ableitungen der Produktionsfunktion bestimmt werden Grenzprodukt der Arbeit: ∂Y P/∂L = (1 − α) · A · (K/L)α Grenzprodukt des Kapitals: ∂Y P/∂K = α · A · (K/L)−(1−α) – Gewinnmaximierung der Unternehmen erfordert, dass das Grenzprodukt der Produktionsfaktoren den marginalen Faktorkosten entspricht – Bei Grenzproduktivitätsentlohnung der Produktionsfaktoren bestimmt die Produktionselastizität der Faktoren die Einkommensverteilung 7 (5) (6) Grenzproduktivitätsentlohnung begründet – die Abhängigkeit der Arbeitsnachfrage vom Lohnsatz – und der Kapitalnachfrage (der Investitionen) von den Kapitalkosten (dem Zinssatz) Der Zusammenhang zwischen Lohnsatz und Beschäftigung Da das Grenzprodukt der Arbeit mit zunehmenden Arbeitseinsatz abnimmt, sinkt die Arbeitsnachfrage mit steigenden Lohnsatz ⇒ bei zu hohem (Tarif-)Lohnsatz entsteht Arbeitslosigkeit Steigende Preise bei konstanten Nominallöhnen reduzieren die Reallöhne ⇒ die aggregierte Angebotskurve ist positiv geneigt Ein höherer Kapitalstock (Investitionen) führt zu einer Erhöhung der Arbeitsnachfrage Technischer Fortschritt (eine Zunahme von A) führt zu einer Erhöhung des Grenzprodukts der Arbeit ⇒ die Arbeitsnachfrage steigt Stichworte: Produktionsfunktion, Produktivität, Grenzprodukt, Gewinnmaximierung, Produktionselastizität, Arbeitsmarktgleichgewicht, Mindestlöhne, aggregiertes Angebot, AS-Kurve, Auslastung des Produktionspotentials 8