Kunst Philosophie und Verdauung

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Kunst
Philosophie
und Verdauung
Erwin Wurm, Paul Renner, August Ruhs und Elisabeth von Samsonov in einem Symposion rund um Verdauung
Kunst
Philosophie
und Verdauung
Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Goethesche Urpflanze11
Niederschleinz 09/2004
Kraniophage Fruchtblase13
Naschmarkt 08/2004
Gedeckter Tisch
Paris 06/2004
15
Aristotelischer Kurzschluss19
Irland 06/2004
Vegetabiles a priori21
Irland 06/2004
Überprüfung der Theorie Heideggers
Cafe Ronacher 08/2004
23
Différence et digestion25
Gekrümmter Bauchraum27
Niederschleinz 07/2004
Atraud‘sches Morgengebet29
Graz 09/2004
Freudsche Rektifizierung 31
Niederschleinz 10/2004
MailadressenRückseite
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Frau Michaela Kamler, Eigentümerin der Pharmafirma Trenka, lud am 29.11.2004 in der Urania
in Wien zu einem Abend, an dem Kunst und Philosophie auf unterhaltsame Art mit dem Thema
Verdauung in Verbindung gebracht wurden.
Wieso gerade mit Verdauung?
Das liegt am altbewährten Verdauungsregulans EUCARBON®. Schon unsere Urgroßmütter kannten die „schwarze Wunderpille“, die seit fast 100 Jahren weltweit vertrieben wird. Und dass Tradition nichts mit altmodisch zu tun haben muss, hat das kühne Konzept der Veranstaltung bewiesen.
Der bekannte österreichische Künstler Erwin Wurm (Univ. Prof. für Kunst und kommunikative
Praxis) stellte eine skurrile Bildserie zum Thema Verdauung vor. Mit hintergründigen Titeln wie
„gekrümmter Bauchraum: Wittgenstein“ oder „aristotelischer Kurzschluß“. Wieso beißt ein Mann
in den Teller und nicht ins Schnitzel?
Für geistige Nahrung sorgten 2 Persönlichkeiten: Dr. Elisabeth von Samsonow (Univ. Prof. für
philosophische und historische Anthropologie) und Dr. August Ruhs (Univ. Prof. an der Univ.Klinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie) und erläuterten die philosophischen Hintergründe. Die anspruchsvolle, tiefgründige und gleichzeitig zutiefst heitere Auseinandersetzung endete
mit dem Vergleich von guter und schlechter Kohle – Dys- und Eucarbon.
Der aus dem „Hell Fire Dining Club“ bekannte Künstler und Gastrosoph Paul Renner ließ seiner
verwegenen Kreativität freien Lauf. Nicht nur, dass er in jedes Gericht einen der Bestandteile von
EUCARBON® eingearbeitet hat. Die Menukarte war einfach eine Provokation. Doch selbst Bezeichnungen wie „Angel‘s Piss“ oder „Exit from Hades“ konnten die geladenen Gäste nicht davon
abhalten, seine exquisiten Schmankerln, wenn auch unter Schmunzeln, zu genießen.
5
Erwin Wurm Michaela Kamler
Erwin Wurm:
Nochmals guten Abend. Ich freue mich sehr, dass Sie so zahlreich gekommen sind.
Ich bin jetzt in der unangenehmen Lage, als Künstler in meine Arbeit kurz einzuführen,
was ich normalerweise nicht mache, was ich hasse wie die Pest. Ich probiere es trotzdem.
Es ist eine Serie, die sich mit Philosophie und Verdauung beschäftigt.
Philosophie, ein Metier, mit dem ich mich schon seitdem ich Künstler bin auseinandersetze, beschäftige. Philosophie, die mir immer wieder geholfen hat, quasi aus den
Alltagslöchern herauszukommen, nicht aus den Kohlelöchern sondern aus den Löchern
des Alltags, aus den Alltagslöchern sozusagen.
Verdauung: Je älter ich werde, desto mehr beschäftige ich mich mit Verdauung.
Zur Philosophie: Es gibt verschiedene Positionen und Stationen, die mich immer wieder
begeistert und berührt haben, zum einen Montaigne, ganz am Anfang, ein Philosoph,
den ich immer wieder gerne lese, der quasi, indem er über sich geschrieben hat, über die
Welt geschrieben hat. Etwas, das auch die Künstler machen, sie schreiben, sie arbeiten
über sich, und arbeiten eigentlich über die Welt. Kunst ist für mich eine Interpretation
unserer Zeit mit zeitgemäßen Mitteln.
Das war der erste, der zweite ist Descartes, jemand der gesagt hat, wir können uns nicht
sicher sein, ob das was wir sehen auch existiert. Ich kann nicht sicher sein, dass Sie hier
existieren und Sie können nicht sicher sein, dass ich hier existiere. Beide oder alle können wir aber sicher sein, dass wir s e h e n, was wir sehen, also Sie können sich sicher
sein, dass Sie mich sehen, aber Sie wissen nicht, ob ich existiere oder nicht und umgekehrt.
Der nächste, der dritte: Schopenhauer. Schopenhauer ein Pessimist, wahrscheinlich ein
misanthroper Mensch und wahrscheinlich ein misanthroper Mensch, weil er eine
schlechte Verdauung hatte.
Und ich gebe jetzt weiter an Frau Samsonow:
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Dr. Elisabeth von Samsonow
Univ. Prof. für philosophische und historische Anthropologie
Dr. August Ruhs
Univ. Prof. an der Univ.Klinik für Tiefenpsychologie und Psychotherapie
E. Samsonow:
…und ich gebe jetzt weiter an den Gustl Ruhs und zwar aus dem ganz einfachen Grund,
weil ich jetzt in dieser Angelegenheit, nämlich in der Disputation, lieber als Frau das
letzte Wort hätte und nicht das erste.
A. Ruhs:
Mach’ ich gerne – bin ich gewohnt.
E. Wurm:
Darf ich noch ganz kurz unterbrechen.
Sie sehen jetzt die Bilder in Abständen. Die Titel, die darauf vorkommen, kommen normalerweise nicht auf den Bildern vor, das sind also Titel die normalerweise dabei stehen
oder hinter dem Bild stehen. Jetzt – zum besseren Verständnis – haben wir sie quasi ins
Bild hineinprojiziert.
A. Ruhs:
Sehr geehrte Damen und Herren, wir stehen unter einem gewissen Zeitdruck und das ist
für einen Psychoanalytiker fast eine Tantalusqual, wo er sich doch nicht der Langeweile,
aber doch der Langsamkeit verschrieben hat. Ich kann mich noch gut erinnern – eine
meiner Patientinnen hat mir am Ende ihrer Analyse Nadolnys „Die Entdeckung der
Langsamkeit“ geschenkt. Sie war nicht unzufrieden mit ihrer Erfahrung.
Nun zu diesem ersten Bild:
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Goethesche Urpflanze
A. Ruhs:
Le Corbusier soll einmal gesagt haben: „Ein Wohnhaus ist in dem Sinn eine Wohnmaschine,
in dem der Mensch eine Verdauungsröhre ist.“ Natürlich lässt sich das Wesen des
Menschen nicht auf die Verdauung oder auf seinen Verdauungsschlauch allein reduzieren, aber doch ist diese Röhre, dieser Schlauch, in dem wir die Welt materiell in uns
aufnehmen und assimiliert wieder abgeben, die erste oder eine der ersten Topologien,
eines der ersten Bilder, die sich der Mensch von sich selbst macht als Durchgangsröhre.
Später lernen wir über den Körper des anderen, dass diese Röhre aus verschiedenen Teilen besteht: Speiseröhre, Magen, Zwölffingerdarm, Dünndarm, Dickdarm und schließlich After. Um diese Verdauungsröhre herum organisiert sich eigentlich der ganze Leib
und der Leib ist in dieser Perspektive eine Hilfskonstruktion für diesen Schlauch, indem
er sekundäre Organe entwickelt, um sich das aus der Welt Aufgenommene anzueignen: Kauwerkzeuge, Extremitäten, um die Speisen zu ergreifen, sekretorische Organe,
um die Verdauung zu gewährleisten, Sinneswerkzeuge, um Essbares zu finden usw.
Dem entsprechend ist die Einverleibung die erste Modalität der Lust, des Libidinösen.
Daher kommt auch der Impuls Liebender, einander auffressen zu wollen. Die Inkorporation bahnt auch den Weg zur Assimilation und zur Identifikation und die Urform der
Identifizierung ist der Kannibalismus. In der Einverleibung kehrt sich der ursprüngliche
existenzielle Zustand, umschlossen zu werden, in den Wunsch um, selbst Umschließender und Umhüllender zu sein. Daraus resultiert nicht nur die Lust am Bohren in
eigene Körperöffnungen, sondern auch jene Lust, die in der sexuellen Begegnung der
Geschlechter so bedeutsam ist.
Damit gebe ich an Frau von Samsonow weiter:
E. Samsonow:
Mir würde es noch kurz obliegen, zu dem Titel Stellung zu nehmen, also „Goethesche
Urpflanze“ heißt dieses Bild und Sie sehen diese Frau, die von einem Besen durchstoßen wird. Das Wesentliche hat jetzt der Tiefenpsychologe gesagt, also Menschen sind
Wesen, die sich quasi als dekoratives Moment um einen Schlauch ereignen, aufbauen,
sozusagen als Organismen. Das heisst das Urding ist sozusagen ein Keimblatt, eigentlich der Urmund, der in einer gewissen Zweimündigkeit ausläuft, also vorne ein Mund
hinten ein Mund, das ist der Urmund, also manchmal werden die Münder ab und zu
verwechselt. Goethe war durchdrungen von der Vorstellung, er könne eine Pflanze – damit meint er natürlich im Wesentlichen einen Organismus – finden, von dem aus er alle
anderen Bildungen, die in der Welt vorkommen, verstehen könne.
Und wir haben sozusagen hier einen Vorschlag, wie man eine solche Urpflanze verstehen dürfte – ein schon etwas ausgereifterer Prototyp, also ganz elementar ist eben
diese Verbindung zwischen diesen beiden Enden. Es ist eben so, dass Sie nicht vergessen
dürfen, dass das eigentlich die Hauptsache ist. Zumindest nach dieser Urpflanzentheorie
oder Urorganismen-Theorie Goethes tun Menschen alles, um das zu verbergen, aber
in Wahrheit ist es eben so, dass das Wesen dieses Organismus eben in dem Schlauch
besteht.
11
Kraniophage Fruchtblase
A. Ruhs:
Man könnte dazu auch sagen: ein Hirnfresser oder ein Kopf, der sich selber frisst.
Damit verdichten sich in diesem Bild Autoerotismus, Kannibalismus, Vegetariertum
und Anorexie. Vielleicht ein paar Worte über den Übergang dieses Topos zum Vegetarismus. Während der echte Kraniophag seine oralen Bedürfnisse wie ein Engel nur
durch den Verzehr von geistigem Material stillen möchte, also auf die Zurückweisung
alles Materiellen aus ist, was übrigens auch das magersüchtige Subjekt anstrebt, ist der
Vegetarier bestrebt, auf die allem Fleischlichen innewohnende Gewalttätigkeit zu verzichten und Seelengröße, sittliche Gesinnung und Tugendhaftigkeit durch den Verzehr
des Vegetabilen in sich aufzunehmen. Der sanftmütige Bernard de St. Pierre hat auf ein
diesbezügliches Entgegenkommen in der Natur hingewiesen, auf eine dem Gemüse und
dem Obst geradezu inhärente Bereitschaft, gegessen zu werden. Und so meinte er etwa,
dass die Rippen auf der Außenseite der Melone beweisen würden, dass diese zum Verzehr im Familienkreise bestimmt sei.
Dem gegenüber der andere Pol der Radikalität: der Kannibalismus, den man bekanntlicherweise in einen rituellen und in einen dionysischen Kannibalismus unterteilt. Doch
das wäre eine Geschichte für einen anderen Abend.
E. Samsonow:
Kraniophage Fruchtblase, das ist ein etwas abgehobener Titel für etwas, das in Wien ein
Blutzer heißt und ein Blutzer ist eben genau das, was Sie hier in zweifacher Ausfertigung
übereinander gestülpt sehen, nämlich den Kopf und die Melone oder die Riesenmelone. Kraniophag heißt soviel wie kopfabbeißend oder hirnfressend. Wie Sie wissen, ist
das Kopfabbeißen eine sehr wichtige Tätigkeit – die aggressive Lust, der Appetit geht
meistens auf die Hauptsache los. Die Tiere und übrigens auch die Pflanzen, wie wir hier
sehen, attackieren erstmal vorne.
Also was vorne ist, was oben ist, ist sozusagen der Aggression ausgesetzt, der Einverleibungsaggression, und hier sehen sie auch, dass unter Umständen der Kopf interpretiert
werden kann als eine Fruchtblase, also ein Ort, an dem Fruchtbringendes reift. Das ist
natürlich eine interessante Interpretation des Ortes, in dem die Gedanken entstehen,
also sehr erhellend. Es gibt auch einen Philosophen, ich möchte mir sozusagen die interne philosophische Bemerkung nicht verkneifen, es gibt einen Philosophen, nämlich
einen bedeutenden zeitgenössischen Philosophen, der ein dickes Buch über die Blasen
geschrieben hat, der 2. Band einer großen Trilogie über das Runde, das Sphärische – also
Peter Sloterdijk’s Blasenbuch – ich weiß nicht wer von Ihnen das schon gelesen hat – Da
sehen Sie, dass man auch als Philosoph von Blasen, also auch der Fruchtblase, besessen
sein kann. Und die würde dann eben nach oben verrutschen und anstelle des Kopfes
Platz nehmen.
13
Gedeckter Tisch in Wien Josef Karo
A. Ruhs:
Was den Psychoanalytiker hier interessiert, sind zwei Aspekte: ein Aspekt der Sprachlogik und ein Aspekt der Beziehung von Essen und Moral. „Den Tisch essen“ ist das
typische Beispiel einer Metonymie, einer Bedeutungserzeugung, wobei das Gemeinte
durch das Angrenzende ausgedrückt wird, so wie man sagt: noch ein Glas trinken. Es ist
aber auch das Beispiel einer vielleicht doch allzu gelungenen Pädagogik. Hier wäre dann
ein braver Junge am Werk, der den bekannten erzieherischen Grundsatz, dass man alles
aufessen muss, offenbar wirklich befolgt.
Andererseits und in Bezug auf die Frage von Essen und Moral, ist die bedeutsamste Moral die Essmoral, weil sie auch phylogenetisch und ontogenetisch die erste ist, was sich
etwa in den allgemeinen Vorschriften der Bibel oder aber in der individuellen Erziehung
zeigt: Das darfst du essen – das darfst du nicht essen. Diesbezüglich liefert das Bild ein
Beispiel für den Übergang von der jüdischen zur christlichen Moral in Bezug auf das
Nahrungsverhalten, auf die Oralmoral oder Moral schlechthin. Diese Moral des Oralen
bezieht sich von vornherein auf die gute Handlung, auf die Ethik sowohl in Bezug auf
die Nahrung, als auch auf den Ort des Mundes als Ort möglicher moralischer Verfehlung hinsichtlich des Sprechens. Nahrungsverbote gibt es individuell und kollektiv seit
jeher. Heute sind sie hauptsächlich als Diätvorschriften wirksam. Die Grundlage der
Vorschriften ist die Gefahr, dass durch die Einverleibung eines Essens einer Gruppe ich
mich auch mit dieser Gruppe identifiziere. Deshalb sagt man auch: Sag mir, was du isst
und ich sage dir, wer du bist.
Der Begriff des Diätsünders weist darauf hin, dass die moderne Ernährungslehre ein
Religionsersatz ist und dass die modernen Speisegesetze oft die einzige Ethik darstellen,
welche die Erwachsenen an die Kinder herantragen. Im alten Testament galt der Mund
als die Schnittstelle von Wort und Nahrung. Beides sollte rein sein. Von Gott kamen
die Worte, die rein waren, und so bestimmte er auch, was unter den Nahrungsmitteln
als rein zu gelten hatte. Fleisch und Wort waren eins von vornherein. Im Neuen Testament gibt es eine Abschaffung der Nahrungsgesetze, weil das Wort nicht mehr für
die Sache genommen wird. Die Gläubigen werden von Jesus aufgefordert, sich von den
mit den Inkorporationen verknüpften Identifikationen abzusetzen. „Hört und begreift“,
sagt Jesus, „nicht was durch den Mund in den Menschen hinein kommt, macht ihn
unrein, sondern was aus dem Menschen herauskommt, macht ihn unrein“. Somit wird
dem Menschen die Verantwortung für den Gebrauch des Wortes übertragen, und da
das Wort Fleisch geworden ist, übernimmt er auch die Verantwortung für die Nahrung
und ihre Ethik.
·/·
15
Gedeckter Tisch in Wien Josef Karo
Im Mittelalter gibt es dann eine gewisse Modifikation. Thomas von Aquin – aber das
wird vielleicht Frau von Samsonow näher erläutern, wir haben uns ja nicht abgesprochen – fordert eben den Unterschied zwischen Bedürfnisbefriedigung und Verlangen,
und was über die Bedürfnisbefriedigung hinausgeht, ist Sünde. Damit wird auch ein
quantitatives Nahrungsgesetz wichtig. Die Völlerei ist deshalb verderblich und schädlich, weil sie auch alle übrigen Neigungen des Menschen zu einem Übermaß anregt. Die
moderne Diätreligion übernimmt sowohl aus dem Alttestamentarischen als auch aus
dem Neutestamentarischen ihre Bezüge, verbietet gewisse Dinge, gewisse Nahrungsmittel, aber auch die Völlerei. In diesem Sinn darf ich sagen, dass unsere heutige Veranstaltung so etwas wie eine schwarze Messe der Ernährungsreligion darstellt.
E. Samsonow:
Ja, ich möchte nochmals ganz konkret eingehen auf diesen Titel „Der gedeckte Tisch“.
Das ist der Name eines Buches und zwar nicht von ungefähr ist das so. Dieses Buch heißt
„Gedeckter Tisch“, weil man weiß, dass man Bücher fressen kann und dass vor allem
Philosophen solche Bücherfresser sind. Philosophen sind Leute, die den ganzen Tag Bücher fressen. Und sie fressen sie komischerweise eben eigentlich mit den Augen. Hier ist
etwas geschehen. Also, wenn man sich von einem gedeckten Tisch nährt, sagt eben der
Talmud-Kommentar des Josef Karo, dann liest man eben das Buch aus. Und wenn hier
in Wien dieser Tisch nicht mehr gedeckt ist, dann bedeutet das etwas. Das ist ein sehr
politisches Foto. Also, es gab wohl einmal eine Zeit, da hat man, wenn man an diesen
Talmud-Kommentar dachte – „Gedeckter Tisch“ – eigentlich doch wohl einen leeren
Tisch vorfinden müssen, in den konnte man sozusagen, vielleicht noch hineinbeißen.
Trotzdem führt uns dieses Bild, wenn wir uns das so anschauen, eigentlich sehr tief in
die Philosophie – Es gibt zum Beispiel diese wunderbare Schrift, „Das Labyrinth des
Herzens“ von Johann Amos Comenius, wo er sagt, man muss die Bücher so lesen, dass
man sich nicht an ihnen vergiftet. Das ist nämlich wirklich gefährlich. Bücher sind eine
Nahrung, die Bibliothek ist ein pharmakologisches Archiv, es gibt giftige und weniger giftige Bücher, es gibt bekömmliche Bücher und unbekömmliche Bücher und was
g a n z unbekömmlich ist, das sind zu viele Bücher.
A. Ruhs:
Ja, damit wir auch ein wenig in einen Dialog kommen, will ich etwas von dir als Stichwort aufnehmen. Das „Essen von Büchern“, Librophagie, – und darauf hat übrigens der
Psychoanalytiker Fenichel in den 30-er Jahren hingewiesen – bekommt auch Bedeutung
bei vielen Menschen, die es nicht schaffen, den Weg zur Toilette ohne Buch zu beschreiten. Und Fenichel stellt fest, dass dies ein ganz natürlicher homöostatischer Vorgang sei:
„Wenn auf der einen Seite etwas aus dem Körper herauskomme, müsse auf der anderen
etwas hineinkommen, sonst gebe es ein Ungleichgewicht und ein Unbehagen.“
17
Aristotelischer Kurzschluß
A. Ruhs:
Obwohl das ein Aristotelischer Kurzschluss ist und eine philosophische Reflexion suggeriert, möchte ich eher eine Reflexion über den Teller anstellen, unabhängig davon,
dass auch hier wieder ein Beispiel für eine Metonymie gezeigt wird. So wie das schon
erwähnte „Glas trinken“ kann man auch „einen Teller essen“ – was auf die mehr oder
weniger bekannte Sprachwissenschaft der Prager Schule und die Unterscheidung von
Metapher und Metonymie hinweist.
Aber: Der Teller ist hier auch deshalb ein interessanter Topos, weil er gewissermaßen das
Revier des Essenden absteckt. Denn es ist weder soziologisch noch kulturhistorisch eine
Selbstverständlichkeit, einen Teller für sich allein zu haben.
Und tatsächlich tritt der Teller erst spät in der Geschichte des Menschen auf. Er bezeugt
mit seiner Existenz ein Eigentum in Bezug auf eine bestimmte Nahrung und daraus
ergeben sich dann gerade bei Menschen, die unter Nahrungsunlust oder unter Diätvorschriften leben, die Neigung, den eigenen Teller zu negieren oder zu verweigern. Sie
essen dann oft im Stehen und verleugnen dadurch, dass die Nahrung etwas mit ihrem
Besitz zu tun hat, den sie zu sich nehmen, oder sie essen gerne vom Teller des Nachbarn.
Auch damit wird verleugnet, dass man im Grunde genommen eine Verantwortung für
das hat, was man isst. Auch das berühmt-berüchtigte Kosten gehört in diesen Bereich.
„Darf ich kosten“ heißt: „Ich möchte essen, aber nicht ich bin es, der das isst, denn
eigentlich bist das du.“
E. Samsonow:
Der Bewegungsanstoß, der die ganze Welt in Bewegung setzt, das ist so eine Art Urknall,
also vor der Urknalltheorie, dieser erste Bewegungsanstoß bewirkt, dass alles strebt. Alles bewegt sich, um etwas zu erreichen, um etwas zu werden, um etwas zu finden, um
etwas zu ergattern, um etwas zu essen oder um etwas zu ergreifen. Also, alles ist in
Bewegung hin auf ein „um zu“. Das ist eine Bewegung und das nennt man „appetitus“. Das ist der aristotelische appetitus. Das ist das allen Lebewesen innewohnende Bewegungsmotiv. Das heißt, wenn man etwas erstrebt, dann ergibt sich zunächst einmal
eine Distanz zwischen dem Strebenden und dem Erstrebten. Weil dadurch wird das
Strebende ja in Bewegung gehalten. Wenn sie also zum Beispiel Appetitus haben, dann
gehen sie erst einmal irgendwohin, wo sie diesen Appetitus zu stillen gedenken. Hier
hat ganz richtig jetzt Herr Wurm von einem Kurzschluss gesprochen, weil die Distanz
zwischen Strebenden und Erstrebten annulliert ist. Also, hier ist sozusagen das Erstrebte
unmittelbar mit dem Strebenden in eins gefallen.
19
Vegetabiles a priori oder Undichte auf der Vorderseite
A. Ruhs:
Dieses Bild ist natürlich eine Einladung zum psychoanalytischen Kalauern. Es ist – was
soll es sonst sein? – die Darstellung einer Erektion, die, wie etwa im Traum oder auch in
anderen Bildungen des Unbewussten üblich, nach oben verschoben ist.
Früchte und Gemüse haben in der Gastronomie, aber auch in der Werbung, immer
schon etwas Laszives an sich gehabt, indem sie direkt oder indirekt auf einen Bezug zu
den Geschlechtsorganen hingewiesen haben. Die Beziehung zum Phallischen bedarf bei
dieser Darstellung von Obst keiner weiteren Erwähnung. Allerdings ist das Pflanzliche
auch zur Darstellung der weiblichen Geschlechtlichkeit herangezogen worden. Ich erinnere mich noch an einen hervorragenden Monolog von Alan Bates in Ken Russels Film
„Women in Love“, in dem ein wunderbarer poetischer Diskurs über die Feige eröffnet
wurde. Damit wurde auch dieses Organ, dieses auch umgangssprachlich sexuell besetzte
Objekt, zur Würde des sublimen Dings erhoben. Natürlich kennt man auch die laszive
Kehrseite des sublimen Umgangs mit Blumen. Schließlich sind auch die Blumen nichts
anderes als die Geschlechtsorgane der Pflanzen.
E. Samsonow:
Dieses Bild ermöglicht uns ein Eindringen in die phänomenologische Philosophie. Die
Phänomenologen, in ihren maßgeblichen Vertretern, formulieren, dass jedes Wesen
durch Intentionalität bestimmt ist, das heißt man will irgendwie in die Welt hinein. Das
ist natürlich eine geistige Absicht, aber es ist auch sozusagen ein Impuls darin, sich auf
die Welt zu richten. Deshalb sind auch die ganzen Aufmerksamkeitsorgane vorne. Man
geht gespannt in die Welt hinein. Das ist Intentionalität, dh. wir sind ständig irgendwie
dabei, wie so ein waches Erkenntniswesen eben, den Horizont zu sondieren und gehen
in den hinein, auch wenn Sie stehenbleiben übrigens. Autofahren ist nur möglich durch
Intentionalität. Das ist also eine Grundverfassung.
Der Untertitel erläutert das noch einmal: „Undichte auf der Vorderseite“, d.h. die Vorderseite ist undicht, hier kommen Strebungen heraus, die sich auf die Welt richten. Das
vegetabile a priori ist deswegen interessant, weil man ja auch nicht genau weiß, woher dieses Streben kommt. Also, Philosophen bauen dann oft irgendwie das menschliche Wesen aus so genannten niedereren Wesensformen auf, also aus einer tierischen
und einer vegetabilen beispielsweise, und hier haben wir einen Ansatz, dem Heidegger
unbedingt gefolgt wäre, dass das Gemüse oder das Vegetabile eigentlich die Form ist, die
wir in unserer pastoralen Intentionalität gewollt hätten.
21
Überprüfung der Theorie Heideggers
A. Ruhs:
Als Dilettant in Philosophie und offensichtlich spät zündend habe ich erst bei diesem
Bild einen Bezug zur Phänomenologie erkannt, d.h. zum Grundsatz von Husserl „Zurück zu den Sachen selbst“. Es geht also um eine Arretierung der Abstraktion des Verstehens und um dessen Rückführung auf ein Begreifen im buchstäblichen Sinn. Dieser
Konkretismus soll uns auch an die ursprüngliche Unvermitteltheit unserer Existenz und
unsere Beziehung zu den Dingen erinnern, bevor die Sprache unsere fortan auf immer
bestehende diskursive Distanz zu den Gegenständen und Sachverhalten der Welt festlegt. In diesem Zusammenhang sagte einmal Jacques Lacan, dass wir, wenn wir unseren
Trieben gemäß essen würden, der Kellnerin einfach an die Brust fassen müssten.
Hier geht es um das buchstäbliche Begreifen der Verdauung, welche phänomenologisch
weitgehend ein Rätsel ist. Es ist immer viel mehr los in unserem Darm als uns bewusst
ist. Ein direktes Empfinden über diesen Vorgang haben wir bis zu dem Punkt, wo die
Speiseteile in der Speiseröhre verschwinden und dann erst wieder an dem Punkt, wo die
sich aufbauende Kotstange im Dickdarm nach außen drängt. Dazwischen ist der Ablauf
kryptisch und vage. Es melden sich zwar verschiedene Empfindungen aus dem Inneren
unseres Körpers, wir haben aber zu diesen kaum mehr als einen interpretativen Zugang.
E. Samsonow:
Ich möchte noch ein paar Worte verlieren über einen der zentralen Begriffe der Philosophie Heideggers. Das ist ein Begriff, der versucht zu erfassen, in welchem Modus
der Welt für uns – wenn wir uns in ihr befinden – da ist. Heidegger wählt hier den
Begriff der Zuhandenheit; also die Welt ist insofern da, als sie sich unserer Hand, die
sie ergreifen möchte, entgegenreckt. Daher haben die meisten Dinge auch einen Griff.
Also der Griff bebildert das Zuhandensein von Welt. Es ist auch eine Gestaltungsaufgabe, die sich daraus ableiten läßt. In diesem Fall ist es eben so, dass hier durch dieses
Foto auffällig wird, dass Heidegger irgendwie verdrängt hat, dass das Essen eine andere
Form der Zurhandenheit sein könnte. Insofern ist zu erforschen, in welcher Weise die
Welt als Nahrung gegenwärtig sein könnte. Davon ist dann nur das Wort Zuhandenheit
übriggeblieben.
23
Différence et digestion
A. Ruhs:
Für mich bedeutet dieses Bild eine sich ganz auf der Höhe unserer Zeit befindliche Weiterführung der Diskussion über das Rätsel der Verdauung.
Übrigens zu Derrida: Auch das Rechtschreibprogramm Ihres Computers wird mit diesem Begriff seine Schwierigkeiten haben. Haben Sie es schon einmal befragt, welche
Alternativen es dafür anbietet? Ganz poetisch schlägt er Ihnen das Anagramm „Dreirad“ vor! (Noch reizvoller ist allerdings André Bretons Anagramm „Avida Dollars“ für
Salvador Dali).
Bezüglich unserer Thematik drängt sich hier die Frage auf, in welchem Medium der
Verdauungsakt ursprünglich repräsentiert erscheint. Derrida stellt auch hier jeden Phono- und Logozentrismus in Frage und sieht am Ursprung der Verdauungsäußerung
nicht die Stimmen und Geräusche des Darms, sondern dessen Schrift. Somit erhält der
Darmbuchstabe über das Darmphonem die Vorherrschaft, der Darm schreibt, bevor
er spricht. Seine Peristaltik ist ein kontinuierlicher Schriftzug und nur dessen Leerstellen äußern sich im Phonetischen, vornehmlich im Furz, als dem paradigmatischen
Repräsentanten des absoluten Nichts.
E. Samsonow:
Das ist auch ein Titel einer Schrift, die auch in einer Übersetzung vorliegt; Da heißt
sie dann „Differenz und Wiederholung“ – eigentlich heißt es Répétition. Das ist eine
Paraphrase über eine Schrift von Gilles Deleuze. „Differenz und Wiederholung“ – der
Inhalt dieses Buches hat eine unmittelbare Beziehung zum Aufbau des Organismus. Es
ist eigentlich eine Philosophie der Physiologie darin enthalten und die Frage, die sich
Deleuze stellt ist die: „Wie kann es sein, dass das Leben immer so rhythmisch abläuft,
also Herzschläge, Musik, Essen – alles wird ständig wiederholt und immer ist es anders“.
Eigentlich ist es nochmals eine neue Formulierung über die heraklit’sche Frage: „Wie oft
kann man in den gleichen Fluss steigen?“ Man kann also die Menüfolge auch als einen
Auszug von Différence & Répétition oder Digestion ansehen. Man muss sozusagen die
Gänge variieren beim Essen – man kann nicht zweimal das Gleiche essen. Das sehen
Sie ausgedrückt in der Gestalt dieses Körpers – da sehen Sie die Mehrgängigkeit als eine
Form sozusagen von – wie würde man das nennen: „Deformation einer Urblase.“
25
Gekrümmter Bauchraum – Wittgenstein
A. Ruhs:
Dieses Bild regt zu mythischen Assoziationen an. Wie bekannt, hatte Kronos, der spätere Herrscher des Goldenen Zeitalters, seinen Vater Uranus entmannt, um seiner Mutter
Gaia allzu viele Schwangerschaften zu ersparen. Kronos seinerseits verschlang danach
seine eigenen Kinder, da er Angst um seine Herrschaft hatte. Das jüngste Kind aber,
Zeus, wurde von Kronos‘ Frau mit einem, mit Windeln umwickelten, Stein vertauscht,
den Kronos gierig verspeiste. Dieser Stein verursachte ihm aber solche Schmerzen, dass
er ihn schließlich wieder ausspie. Wie die Sage berichtet, entstand daraus Wittgenstein,
der später von Kafka erfuhr, dass das einzige Reale der Welt der Schmerz sei. Da das
Reale aber etwas ist, was sich nicht sagen lässt, schwieg sich Wittgenstein in der Folge
über die Erfahrung des Schmerzes aus.
Wenn er aber Bauchschmerzen hatte, pflegte er sich einfach über eine offene Tür zu
hängen und begründete dies gegenüber einem Schüler einmal mit den Worten: „Wovon
man nicht sprechen kann, das muss man einfach zeigen“.
E. Samsonow:
Das ist natürlich ein sehr komplizierter Hintergrund. Wittgenstein ist ein sehr schwieriger Philosoph, wie Sie sicher wissen. Die meisten von Ihnen werden aus diesem Grund
vielleicht auch einen Bogen um ihn herum machen. Eben diesen Bogen, der auch hier
Thema ist, weil bestimmte Dinge sich in der Entfernung krümmen, wie z.B. der Raum,
insofern als er unendlich wird, also auch Schwierigkeiten, wenn sie von weiten gesehen
werden, erscheinen in Gestalt einer Krümmung, die erschwert so einzunehmen ist. Hier
ist eigentlich diese Krümmung, die so spielerisch dargestellt wird, ein Manifest für die
Selbsttätigkeit, für den Anspruch auf eine eigene Dynamik, auf den einen Anspruch auf
Zuständigkeit formulierenden Urschlauch, von dem wir schon geredet hatten.
27
Artaud’sches Morgengebet
A. Ruhs:
Bei der Frage nach den Normalvorbildern seelischer Störungen hatte Freud postuliert,
dass das normale Gegenbild zur Hysterie die Kunst sei. Die Philosophie hingegen finde
ihr pathologisches Gegenstück in der Paranoia und die Religion schließlich sei eine
nicht krankheitswertige Zwangsneurose. Insbesondere in seiner Arbeit „Zwangshandlungen und Religionsübungen“ stellte der Schöpfer der Psychoanalyse die vielfachen
Bezüge zwischen diesen beiden Phänomenen dar, immer wieder auch darauf hinweisend, wie das Ritual das Subjekt vor dem Sturz in das Chaos, vor der Raserei des reinen
Triebes und vor dem Ausbruch der Psychose schützt. In diesem Sinn ist jedes Gebet
auch eine Zwangsjacke, eine Erfahrung, von welcher Antonin Artaud mehr als ein Lied
singen konnte.
E. Samsonow:
Also das darf man jetzt auch als Anregung verstehen. Diejenigen von Ihnen, die ein
Morgengebet abhalten, damit ist natürlich eine Sequenz von Jogaübungen gemeint, d.h.
eine physische Betätigung, eine Performance, und hier haben wir einen Vorschlag des
Künstlers, ein artaud’sches Morgengebet zu verrichten. Diese Verrichtung unterscheidet
sich von anderen Jogaformen darin, dass sie zunächst einmal Einblick nimmt in die
unteren Teile des Körpers, die gewöhnlich eben einer solchen Einsichtnahme verschlossen bleiben und die dann auf unangenehme Weise von selbst in den lichten Raum des
Bewusstseins drängend, Unheil und Unruhe stiften während des Tages.
Also so wie eben auch Artaud, das wissen Sie ja auch sicher, sehr darüber beunruhigt
war, dass er Organbesitzer war – unfreiwillig - niemand hat ihn gefragt, ob er nun Geschlechtsorgane haben möchte oder einen Darm, den er als unangenehmen Gaslieferanten empfand. Er wollte das nicht und er wollte vor allem zwei Sachen nicht, die mit
diesem Besitz verbunden waren, nämlich gestraft und sozusagen abgewertet werden,
also insofern ist das Morgengebet, so wie das hier eben in die Debatte geworfen wird,
eine sehr schöne Gegenposition, eine gesundheitsfördernde Position, die unbedingt der
Nachahmung anzuempfehlen ist.
29
Freudsche Rektifizierung
A. Ruhs:
Mit dieser Rektifizierung, dh. Berichtigung, weist der Künstler Erwin Wurm nachhaltig
darauf hin, wie sehr das Rechtmäßige, das Ordentliche und das Gerade in der Analerotik verhaftet ist. Er zeigt aber auch mit Nachdruck, dass das Kothäufchen nur eine
sekundäre Armseligkeit einer ursprünglich stolzen Kotstange ist, deren Geradlinigkeit
dem geradlinigen Charakter seines Behälters geschuldet ist, was auch im lateinischen
Begriff des Rektums als letztem Darmabschnitt seinen Ausdruck findet.
Es wird allerdings immer wieder vergessen, dass sich diese Eigenschaft auch im Deutschen erhalten hat, wobei der etwas gebläht erscheinende Ausdruck „Mastdarm“ der
Schifffahrt und dem Segelwesen entnommen ist. Die Verbindung von Analerotik mit
den Charakterzügen Eigensinn, Geiz und Pedanterie als sogenannte anale Trias ist Ihnen
geläufig. Indem darüber hinaus der Kot das erste Geschenk des Menschen ist, wodurch
er gleichzeitig in die Welt des Tauschhandels eintritt, ergibt sich auch die bekannte Gleichung „Kot ist Geld“. Die Ähnlichkeit oder die Entsprechung von Kot und Geld – beide
haben ja keinen Gebrauchswert, sondern nur symbolischen Tauschwert – spiegelt sich
auch in den umgangssprachlichen Bezeichnungen für Geld und Gold wieder; darunter
fällt auch der Begriff der Kohle, wobei man zwischen positiven und negativen Kohlen,
zwischen Dyscarbonen und Eucarbonen unterscheiden muss. Die Eucarbone sind gute
Kohlen.
E. Samsonow:
Also hier ist der Analytiker zu seiner Hochform aufgelaufen.
Da kann die Philosophie sich nur so ganz klein halten und eigentlich nur die Frage
stellen, wieso hier jetzt ausgerechnet ein Bild wie dieses der Darstellung einer solchen
Analtheorie dient. Also eben die große Kotstange haben wir gesehen und dann dieses
Mädchen, das an der Wand klebt. Man wird sich natürlich fragen, ob damit sozusagen
eine Art von Verklärung des Analen gemeint ist. Das scheint mir also der Fall – eine
positive, weniger aggressive, weniger neurotische Version des Analen, die hier vorschlagen wird.
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