Artikel aus ”Wohnung + Gesundheit” Nr. 157/2015 IBN - Institut für Baubiologie + Nachhaltigkeit, D-83022 Rosenheim • www.baubiologie.de Bauen mit HarKun Innovatives Holzfachwerk Viele Jahre hat der Autor dieses Beitrages, Benno Hartmann-Walk, getüftelt, um ein mit einfachen Mitteln frei gestaltbares und demontierbares Holzfachwerk zu entwickeln, das zudem mit Naturmaterialien ausgebaut werden kann. Wie das funktioniert, wird hier anhand eines Musterhauses dargestellt. Jeder ist eingeladen, mit Hilfe dieser Informationen selbst ein kleines oder auch großes HarKun-Haus zu bauen. Einheben des vormontierten Dachtragwerks Die Erstellung des Gebäudes erfolgte ohne Bauzeichnung und Planung, jedoch unter Beachtung folgender Ziele: Intuitives Gestalten der Gebäudehülle / Verwendung natürlicher Baumaterialien / diffusionsoffene Bauweise / einfache Demontier- und Transportierbarkeit / Minimierung des Energieverbrauchs / Nutzung intuitiv und eigenständig, ohne komplizierte Technik / kostengünstige und nachhaltige Bauweise / flexible und dennoch industrielle und / oder handwerkliche Erstellung. Baubeschreibung Es handelt sich um ein leichtes und querversteiftes Holzfachwerk. Mehrere Ebenen werden durch Verschrauben der Holzlatten in senkrechter und diagonaler Richtung erzeugt. Prinzip: Die Abstände der Hölzer bestimmen die Festigkeit und Dicke der Konstruktion. Ein Wohnung + Gesundheit 12/15 - Nr. 157 umlaufender verschraubter Rahmen verbindet die Steher und erzeugt eine Flächenbegrenzung. Bei den Prüfungen an der Fachhochschule Köln wurden bzgl. Belastbarkeit alle Erwartungen weit übertroffen. Acht Wandelemente aus Konstruktionsvollholz (KVH) 40/60 mm stehen auf vier 30 cm starken Holz­ elementen. Ausgesteift wird das Fachwerk nicht mit Platten, sondern mit diagonal angebrachten Brettern. Sowohl die 24 cm tiefen Hohlräume der Elemente, als auch die Fundamentelemente sind mit Holzleichtlehm 300 kg/cbm verfüllt. In die Holzrahmen sind vier gebrauchte 60 Jahre alte Kiefernfenster montiert. Das Gebäude ist über eine Veranda durch eine zweiflügelige Werkstatt-Tür zu betreten. Es besteht aus einem Raum mit ca. 40 m² Grundfläche. Das gewölbte Dach ist aus vier Holz­elementen zusammengesetzt, die durch einen Ringanker mit den Außenwänden verbunden sind. Es ist erstellt mittels eines Geflechtes aus gekämmten KVH-Hölzern 40/60 mm im 30 x 30 cm Raster. Eine kreuzweise verschraubte Dachschalung aus Glattkantbrettern 18/95 mm gibt der Dachkonstruktion die nötige Festigkeit. Eine zweite unterlüftete Holzschalung mit einer Abdichtung aus Bitumenbahnen schützt die Dämmschicht vor der Witterung. Alle Außenseiten des Gebäudes sind diffusionsoffen und gewähren einen allseitigen Luft- und Feuchteaustausch. Die Baumaterialien sind Holz, Lehm und Hanf. Metalle sind lediglich als Schrauben und Scharniere verwendet worden. Die Wandgestaltung innen ist flexibel. Selbst diffusionsdichte Materialien wie Glas oder Metalle können verwendet werden, soweit sie hinterlüftet werden. Lasttragendes Wandelementfachwerk aus Konstruktionsvollholz KVH 40/60mm-Holzlatten 41 Energie und Haustechnik Die Innovation Die innovative HarKun-Holzbauweise hat gegenüber dem derzeit üblichen Holzrahmenbau erhebliche Vorteile. Wie aus Abb. 3-5 ersichtlich, ermöglicht die Verwendung von kleinen Holzquerschnitten und die einfache Verschraubung oder Vernagelung gerade und gebogene Formen bei geringem Holzverbrauch und Verschnitt. Statische Prüfungen der HarKun-Elemente an der FH-Köln erlauben die Aussage, dass auch die Herstellung eines mehrgeschossigen Gebäudes mit diesen Wandelementen möglich ist. Durch Veränderung der Holzquerschnitte oder der Anzahl der Steher kann die Tragfähigkeit der Konstruktion um ein Mehrfaches gesteigert werden. Bauphysik Durch den Versatz der einzelnen Ebenen ist die Wärmedämmung nicht durch durchgehende Balkenlagen geschwächt. Die Stützen sind i.d.R. in Wärmedämmmaterialien eingebettet. Es besteht die Möglichkeit, je nach Anforderungen unterschiedliche Dämm- und Massespeicherschichten anzuordnen. Auf diese Weise kann ohne Lüftungsanlagen und Dreifachverglasungen Passivhausstandard erreicht werden. Die Schalung kann mit dünnen Vliesen, Schilfrohrmatten, Weidengeflecht, Putzträgergewebe, Lehmoder Holzwolleleichtbauplatten oder Strohmatten versehen werden, die gleichzeitig als Putzträger Verwendung finden. Selbst der Einbau von erdfeuchtem Material wäre wegen fehlender Dampfbremsen und Sperrschichten möglich. Die Winddichtigkeit wird durch die Verdichtung der Dämmfüllung und – wie auch z.B. beim Strohballenbau – durch die Putzschichten erreicht. Anders als im Strohballenbau, ist die HarKun-Konstruktionsweise sehr 42 Dachkonstruktion mit Holzschalung Ökologisch orientierte Baustoffwahl Wie oben beschrieben, ist eine offene Konstruktion mit Naturbaustoffen langfristig unempfindlicher, robuster und zukunftssicherer. Die in der Beschreibung genannte Grundkonstruktion einer Gebäudehülle bietet die Möglichkeit, eine unspektakuläre Verschiebung der Baustoffauswahl zugunsten der natürlichen, nachwachsenden, wiederverwendbaren und später kompostierbaren Materialien zu erreichen, ohne an der Modernität zu rütteln. Besonders vorteilhaft: das für HarKun-Wandelemente geeignete Material kann ohne aufwändige Vorfertigung als kaum veränderter Rohstoff direkt benutzt und kombiniert werden. Als Beispiele seien genannt: Pflanzenfasern verschiedener Länge und Güte aus Stroh, Holz, Hanf, Gräsern, Laub, Flachs, Kork, Schilf, Baumwolle, Seegras, Chinagras, Mais, Getreidespelzen, Torf, Moose, Lupinen, Wurzeln, Algen, Rinde, Bambus, Jute, Sisal, Kokos, Kirschkerne, Weidenruten, Haselnusssträucher, Sonstige und Pflanzenmischungen oder Erzeugnisse wie Schilfrohrmatten, Strohmatten, Strohballen, Bastmatten, Jutematten oder Gewebe, Kleiderreste, Wäsche, Stoffe, Säcke aus Naturfasern, Furniere, Sperrholz, Bretter, Bohlen, Latten, Paletten, Holzweichfaserplatten, Hanfdämmmatten, Papierzellulose, Seile, ect. Pflanzlich erzeugte Stoffe wie Stärke, Gluten, Baumharze, Lignin, Pflanzenöle, Kokosfett, Carnaubawachs, ect. Tierische oder tierisch erzeugte Materialien wie Tierhaare, Leder, Wolle, Därme, Milch, Kasein, Molke, Horn, Knochen, Dung, Fischknochen, Schellack, Bienenwachs, Wollfett, ect. Mineralische Stoffe wie Ton, Lehm, Kalk, Gips, Betonit, Kieselgur, Muschelkalk, Asche, Erdpigmente, Eisenoxide, Schiefer, Sandstein, Granit, Bims, Marmor, Flusskies, Sand, Silikate, Feldsteine, Trass, Lava, etc. Wohnung + Gesundheit 12/15 - Nr. 157 Baustoffe und Bauphysik Benno Hartmann-Walk Innenansicht der Fachwerkkonstruktion und des Unterdaches flexibel und nicht von vornherein an ein bestimmtes Raster gebunden. Raumklima Die hinterlüftete Verschalung ermöglicht einen geringen Dampfdiffusionswiderstand (sd-Wert) und eine hervorragende Kapillarität, einen geringen Lüftungsbedarf und somit weniger Energiebedarf zur Wärmeerzeugung. Das Raumklima wird nicht nur durch die Luftfeuchtigkeit bestimmt. Die Reinigung der Luft von Staub und Gerüchen wird durch die Filterwirkung der Naturmaterialien erreicht. Nachweislich bindet Lehm effektiv Gerüche, während Pflanzen ätherische Öle, Harze und Wachse enthalten und eine Keimbelastung minimieren. Die Inhaltsstoffe dieser Materialien sind zugleich ein natürlicher, stoffeigener Schutz zur Erhaltung der Substanz. Ökobilanz - Kostenbilanz Diese Art des ressourcen- und umweltbewussten Bauens minimiert nicht nur den „ökologischen Fußabdruck“, sondern macht die HerWohnung + Gesundheit 12/15 - Nr. 157 stellung eines Gebäudes deutlich preiswerter als ein Bauen ohne Verwendung nachwachsender Rohstoffe. Die günstige Ökobilanz ergibt sich im Wesentlichen aus: • Verwendung von Naturmaterialien • Materialbeschaffung und Transport aus dem regionalen Umfeld • Verarbeitung der Materialien im regionalen Umfeld • Kaum Abfälle und Verschnitt bei der Herstellung der Wandelemente • Trocknen der Hölzer an der Luft (keine technische Trocknung) • Einsparung elektrischer Energie durch Verwendung einfacher Maschinen zum Sägen, Schrauben, Heben usw. Bei Bedarf können die HarKun-Wandelemente auch zeitsparend und kostengünstig in industrieller Fertigung hergestellt und als vormontierte Fertigteile an die Baustelle geliefert werden. Benno Hartmann-Walk 48231 Warendorf www.harkun.de lebt nach Lehr- und Wanderjahren als Tischlergeselle seit 1988 wieder in seiner Heimatstadt Warendorf im Münsterland. 1993 begann er mit dem Fernlehrgang Baubiologie IBN. Das Schulungswissen wurde direkt in der Praxis umgesetzt. Zusammen mit seiner Frau eröffnete er 1994 den Warendorfer Biomarkt. Zehn Jahre lang war er auf verschiedensten Baustellen auch handwerklich tätig und sammelte Kenntnisse in Alt- und Neubauten. Neben vielen Baubiologie-Beratungen und Kursen für angehende Bauherren in ökologisch orientiertem Bauen entwickelt er seit Jahren neue Studien rund ums Thema Baubiologie. Sein besonderes Interesse gilt Produkten wie das HarKun-Wandelement oder die Entwicklung von Rotorblättern für Windkraftanlagen aus dem Material Holz; außerdem interessieren ihn z.B. auch neue umweltbewusste und nachhaltige Möglichkeiten im Bereich Werkstoff-Verbindungen mit und aus Holz ... www.baubiologie.de IBN-Webcode 15741 Hier finden Sie den Originalartikel mit weiteren Bildern und Hinweisen unter anderem zu Wärmedämmung, Diffusion und Ökobilanz sowie Literaturangaben 43