Was der Buddha lehrte

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Buddha BEA-Yoga Institut Hoffnungsthal 08.07.2016
Was der Buddha lehrte
Liebe Freunde des BEA-Yoga-Instituts in Hoffnungsthal,
vor etwa acht Wochen haben wir diese Vortragsreihe begonnen mit einem
Einblick in die praktische Lebensphilosophie des Kaisers Marc Aurel, dem es um
die Kontrolle der Gefühle und um die Einsichtsfähigkeit in unabänderliche
Einbrüche in das Lebensschicksal ging; vor vier Wochen hieß es dann, und das
war ja auch ein Thema dieses außergewöhnlichen Mannes, Geduld zu haben,
gelassen zu sein, abwarten zu können, den richtigen Augenblick nicht zu
verpassen.
Heute will ich auf einen anderen Menschen verweisen, dessen Lehre und Leben
über zwei Jahrtausende unübersehbar viele Menschen in ihren
Lebensauffassungen und Lebensweisen bestimmt hat. Er gehört zu den
maßgebenden Persönlichkeiten, die immer wieder über Jahrhunderte und
Generationen hinweg versuchten, die Fundamente für ein glückendes Leben zu
legen. Sehr verschieden sind diese Entwürfe: allumfassende Liebe,
Gottgefälligkeit, Beachtung heiliger Gesetze, kriegerische Eroberungen,
Anleitungen zum Beten, Glaube an einen persönlichen Gott, der Erlösung
bringen könnte aus der irrig verstandenen Lebensweise des Einzelnen.
„Erlösung“ - : Das ist der Schlüsselbegriff, der sich in irgendeiner Form in allen
Religionen findet: Befreiung aus Täuschung, aus Leid, aus der Umklammerung
durch das Böse, Erreichen von Freiheit, Liebe, Gerechtigkeit, ewiges Leben. Es
ist schon merkwürdig, dass so viele Menschen ein Grundbedürfnis nach
Erlösung haben; offensichtlich spüren wir immer wieder, dass uns etwas fehlt
zur vollkommenen Glückseligkeit; offensichtlich gibt es eine Menge Leute, die
spüren, dass das gelebte Leben nun doch nicht alles sein kann. Wie auch immer
die Fragen lauten, die mit solchen Unzulänglichkeiten hervortreten, - eine der
ganz großen und nicht abweisbaren Fragen ist die eine nach dem persönlichen
Leid, die nach dem Schmerz, die nach der unaufhebbaren Endlichkeit unser
aller Leben.
Und schließlich die eine Frage: Gibt es denn einen einsehbaren Grund für das
Leiden, dem wir ausgesetzt sind? Kann ich diesen Grund verstehen? Die
christliche Glaubenslehrer sieht den Grund in der Sündhaftigkeit des einzelnen
Menschen, Sein Vergehen besteht darin, dass er Gottes Geboten nicht folgt.
Einsehen schließlich muss er, dass er seiner Sündhaftigkeit gar nicht entgehen
kann, sondern einerseits auf das Bemühen um gute Werke und schließlich auf
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Gottes Gnade angewiesen ist.
Lassen Sie uns aber heute auf eine andere Art das menschliche Leben
betrachten. Und ich möchte diese Betrachtung einleiten mit drei kleinen
Anekdoten, die sich im Legendenkranz um den Mann gebildet haben, der der
Gegenstand unseres heutigen Abends sein soll.
Ein Haus brennt; das Dach aus Stroh in vollen Flammen, die sich nun schon
gierig auf das Erdgeschoss ausstrecken. Zwei Männer stehen vor dem Haus; sie
sind Brüder, sie gehören der Freiwilligen Feuerwehr an; das Haus ist ihr
Elternhaus. In ihren Händen halten sie den schweren Wasserschlauch –bereit
zum Löschen. Doch sie drehen den Hahn nicht auf. Sie reden laut aufeinander
ein; jeder gibt dem anderen die Schuld an dem Brand; man habe am Abend
eine Kerze nicht gelöscht. Sie reden und reden; und das Haus wird vollkommen
niedergebrannt. Die Schuld können sie nicht klären; das Elternhaus ist
vernichtet.
Ein Krieger wird von einer Kugel, von einem Pfeil getroffen; er sinkt nieder;
Sanitäter wollen ihn retten und die Kugel, den giftigen Pfeil entfernen. Doch er
will das nicht; er will zunächst einmal wissen, wer den Schuss abgegeben hat.
Er verwickelt seine Helfer in ein Gespräch, denen es nicht gelingen kann, das
Leben des Mannes zu retten. Er stirbt – mit der Kugel, mit dem Pfeil im Leib;
und er erfährt auch nicht, wer der Schütze war.
Ein Mensch steht am Ufer eines Flusses. Er muss die andere Seite erreichen, wo
sein Ziel ist. Er muss dieses Ziel bald, schnell erreichen. Der Fluss ist reißend,
schon tritt er über das Ufer; beeilen muss sich der Mensch, um noch hinüber
gelangen zu können. So sucht er eiligst Bretter, Balken, Zweige, Äste, Blätter
zusammen, baut zügig ein Floß. Es gelingt ihm, das andere Ufer zu erreichen,
erschöpft zieht er sein Floß ans Land und sinkt nieder. Er erwacht wieder und
denkt sich: Ein solches Floß kann ich immer wieder einsetzen, packt es, hievt es
sich auf die Schultern und schleppt es keuchend davon – auf seinem Weg zu
seinem Ziel.
Nun es ist klar:
Zu allererst muss der Brand gelöscht werden. Ursachen und Gründe sind
zweitrangig.
Zu allererst muss die Kugel, muss der Pfeil entfernt werden; Ursachen und
Gründe sind zweitrangig.
Das Floß hat seine Aufgabe erfüllt. Wird es noch einen Fluß geben? Wann?
Wo? Sich mit unnötigem Ballast zu beladen … Wozu?
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Kleine Geschichten, ein wenig gewollt … Und doch treffen sie ins Zentrum
unserer Lebens- und Denkgewohnheiten.
Wie sollen wir leben und denken, ohne dass wir immer wieder in quälende
Verrücktheiten geraten, ohne dass wir zwanghaft immer wieder neue
Belastungen, neue Leiden uns und den anderen aufbürden, ohne dass wir
beständig an Begierden kleben?
Und nun komme ich zu dem Mann, der eine Antwort auf die Grundfragen
* nach dem Leiden,
* nach der Ursache des Leidens und
* nach der Aufhebung des Leidens
gegeben hat.
Wir wissen – wie es auch bei Jesus und Mohammed der Fall ist – über den
„Buddha“ nur als schriftlichen Aufzeichnungen, die nicht von ihm selbst
stammen. Nimm t man aber alle vorliegenden Texte zusammen und vergleicht
sie, dann hat man schon ein zusammenhängendes Wissen über den Mann, der
später der Buddha genannt werden sollte.
Sei Name war Siddhattha, sein Familienname Gotama. Er lebte im 6.
Jahrhundert v.Chr. in Nordindien. Sein Vater war Herrsche eines kleinen
Königreichs, das in Abhängigkeit zu einem umfassenderen Reich war. Wir
können vermuten, dass dieses kleine Königreich irgendwo im heutigen Nepal zu
finden war. Mit 16 heiratete er, zeugte einen Sohn, lebte in beneidenswertem
Luxus, kurz: er war ein glücklicher Prinz. Mit 29 verließ er seine Familie, um ein
Leben als Asket – sozusagen auf der Straße – zu führen. Er war auf der Suche
nach Erlösung von den irdischen Leiden, von denen er ja eigentlich noch nicht
sehr viel mitbekommen hatte. Aber: Er hatte – ohne dass er dies erzwungen
hätte – eine Einsicht erlangt, die ihn zu seiner Entscheidung, dem Luxus und
dem schönen Leben zu entsagen, drängte. Der Legende nach machte er
irgendwann einmal Ausflüge in die Umgebung des Palastes. Diese vier
Ausfahrten zeigten ihm, wie vergänglich alles Leben ist:
* Er sah einen hilflosen Greis;
* er begegnete einem unheilbaren, schwer Erkrankten;
* ein Toter wurde auf einer Bahre an ihm vorübergetragen;
* und schließlich begegnete ihm ein Einsiedler, der durch seinen stillen Frieden,
den er in sich trug, einen so tiefen Eindruck auf Gotama machte, dass er sich
entschloss, den Weg der Entsagung und der Weltabgeschiedenheit zu gehen.
Die überlieferte Begründung wirkt fremd auf uns; er soll gesagt haben:
„Während ich in Reichtum und Pracht lebte, kam mir der Gedanke: ‚Wenn ein
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unkundiger Mensch, der ganz in der normalen Welt lebt, der doch selbst dem
Altern, der Krankheit und dem Sterben ausgesetzt ist, wenn also ein solcher
Mensch einen Greis, einen Kranken oder einen Toten sieht, so empfindet er
Unbehagen und Abscheu. Empfände auch ich, der ich doch auch dem Altern,
der Krankheit und dem Sterben ausgesetzt bin, beim Anblick eines Greises,
eines Kranken oder eines Toten Unbehagen oder Abscheu, so wäre dies nicht
recht von mir.‘ Bei diesem Gedanken entschwand mir aller Jugenddünkel, aller
Gesundheitsdünkel und aller Lebensdünkel.“
So wurde Gotama Bettelmönch, dessen Wanderungen in einem Gebiet von 400
mal 250 Km stattfanden. Zunächst wandte er sich den Lehren und den
Übungen der Yoga-Schule zu, aus der das uns bekannte Yoga erwachsen ist. Die
Yoga-Praxis war in allen Meditationsschulen der Zeit ähnlich. Das unbewegliche
Sitzen im „Yoga“- Sitz, das ruhige Atmen, die Konzentration auf ein Objekt
(„Herz“, eine Farbe, der Atem) sollte zum Ausschließen aller Empfindungen
führen, zur Loslösung von der Umwelt – und von den eigenen Sorgen. Es gibt
eine Stufenleiter, die der Meditierende – übrigens später auch von der
buddhistischen Praxis übernommen – erreichen soll:
* Loslösung von allem, was einen umgibt;
* der Meditierende hört mit dem Denken aus;
* der Meditierende versenkt sich in das Objekt seiner inneren Betrachtung;
* jenseits von Schmerz und Freude ist der Meditierende ganz und gar eins mit
dem Objekt seiner inneren Betrachtung.
Dabei stellt sich die Atmung fast vollständig ein, der Schlag des Herzens
verlangsamt sich, körperliche Funktionen gehen auf ein Minimum zurück.
Gotama genügte diese Praxis nicht. Er befand, dass hierbei nur „Orte der
Besinnung“ aufgesucht würden, nur „beschauliche Wohnstätten im Hier und
Jetzt“. Was wollte er? Sein Ziel war – man erinnere sich an Alter, Krankheit, Tod
– die völlige Erlösung von de Leiden der Geburt und des Todes. Und dazu sind
die vorübergehenden Zustände der Meditation nicht geeignet. So beschritt er
seinen eigenen Weg und erfuhr, als er das 35. Lebensjahr erreicht hatte, unter
einem Baum sitzend die „Erleuchtung“. Nun war er der „Buddha“, der
Erleuchtete, nun trat seine Lehre ihren Weg über die ganze Erde an. 45 Jahre
hat er gelehrt: Könige, Bauern, Brahmanen, Ausgestoßene, Geldverleiher,
Bettler, Heilige, Räuber (wie Walpula Rahula so schön aufzählt).
Standesunterschiede, Kasten – sie bedeuteten ihm nichts. Für sich selbst
beanspruchte er keinen Titel, keinen Ehrenplatz, keine göttlichen Inspirationen;
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er hielt sich für einen Menschen unter Menschen. Und so lebte er auch. Mit 80
Jahren ist Siddhattha Gotama, der „Buddha“, verschieden. Ausgelöscht war
sein Leben, aber das Licht seiner Lehre leuchtet bis in die Gegenwart hinein.
Nun lassen Sie uns ein wenig die Buddha-Lehre, den Buddhismus, betrachten.
Der Buddhismus sieht den Menschen als das am höchsten entwickelte Wesen
an und gibt diesem Wesen zugleich eine besondere Verantwortung: Jeder
einzelne Mensch ist für sich verantwortlich; jeder Einzelne hat es in der Hand,
seine Geschicke zu bestimmen. Der Buddhismus kennt keine Geheimlehren,
keine Esoterik; er betrachtet den Menschen in seinem gewöhnlichen Leben und
lehrt ihn, wie sich durch Einsicht und Übung von Sorge, Not, Kummer, Leiden
befreien kann. Es gibt also für den Buddhisten kein höheres Wesen, das um
Gnade, Barmherzigkeit u d Entlastung gebeten werden kann. Der Buddha selbst
lehrt, man solle alle religiösen Traditionen kritisch prüfen, also sich seines
Verstandes bedienen. Es ist keine „Sünde“, das man zweifelt. Im Gegenteil
meint der Buddha, dass der Zweifel nur eine Hemmung der Einsicht ist.
Darüber hinaus kennt der Buddhismus das Phänomen der Sünde nicht. Denn
die Quelle als Bösen, aller Leiden ist Unwissenheit, ist falsche Ansicht über das
Wesen der Wirklichkeit. Darum können wir den Buddhismus nicht als Religion
im strengen Sinne, im Sinne westlichen Denkens bezeichnen; er ist weder ein
philosophisches System noch eine durch Dogmen strukturierte Religion.
Buddha verwirft auch die Beschäftigung mit Fragen, die manche unter uns von
großer Bedeutung finden: Ist die Welt ewig? Existiert eine Seele? Was
geschieht mit uns, wenn wir gestorben sein werden?
Buddha ist auf das praktische Leben ausgerichtet. Und wenn bei ihm so sehr
vom „Leiden“ die Rede ist: man macht wohl eine Fehler, wenn man seine Lehre
als Pessimismus kennzeichnet; sie ist weder optimistisch, noch pessimistisch, wenn man so will: realistisch.
Der Schlüsselbegriff für die Lehre des Buddha ist „DUKKHA“. Wenn wir dieses
Wort aus der Pali-Sprache oberflächlich übersetzen, so können wir den
deutschen Begriff „Leiden“ setzen – in Entgegensetzung zu „SUKHA“, was so
viel zu „Glück“ bedeuten mag. Doch DUKKHA umfasst weit mehr:
Unbeständigkeit, Nichtigkeit, Unwirklichkeit, Vergänglichkeit. Mit diesem
Bedeutungsfeld ist alles erfasst, was vergehen muss, nicht bleiben kann,
flüchtig ist. Aber was ist denn nicht flüchtig, unbeständig, vergänglich? Alles
Seiende ist dies. Nichts bleibt, wie es zu sein scheint. Nur für einen kleinen
Moment ist das, was ist, beständig. Nun dann ist also „Leiden“ die
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Grundtatsache, die Grundbefindlichkeit, der Grundcharakter alles Seienden.
Nichts ist ausgeschlossen. Auch die so überzeugenden Zustände, die durch den
YOGA erzeugt werden, alle Phänomene der Meditation sind vergänglich –
gehören in den Bereich des Leidens. Drei Perspektiven sind es:
* Leiden in der uns bekannten Form: Geburt, Alter, Krankheit, Tod;
* Leiden, das durch Veränderung verursacht wird: Glücksgefühle, glückliche
Lebensbedingungen vergehen;
* Leiden durch das Anhaften am Dasein, das nicht anders als eine
Energiekonzentration – bestehend aus:
- Körperlichkeit (Festes, Flüssiges, Wärme, Bewegung);
- Bereich der Gefühle (z.B. das Auge berührt die sichtbaren Formen; Berührung
des Geistes mit unsichtbaren Objekten);
- die Bereiche der Wahrnehmung;
- Bereich des Geistes (nicht in Entgegensetzung zu „Materie“: alle
Willenstätigkeiten, die das eigentliche „berühmte“ „KARMA“ bestimmen;
Wollen ist geistiges Bauen, geistige Tätigkeit (Rahula).);
- die Bewusstseinsgruppe (etwa: Denkbewußtsein: der Geist ist die Grundlage,
das Geistobjekt etwa ein Gedanke).
In dieser Konstruktion gibt es keinen beständigen, unveränderlichen „Geist“
oder eine unveränderliche „Materie“. Auch „Bewusstsein“ ist keine feste Form;
es entsteht und vergeht beständig.
Buddha lehrt: Ein Feuer erhält seinen Namen durch das Brennmaterial:
Holzfeuer brennt durch Holz, Strohfeuer berennt durch Stroh, Ölfeuer brennt
durch Öl; ist das Material verbraucht, ist ein Feuer nicht mehr. So ist es mit
dem Bewußtsein“: es erhält seinen Namen durch das, woraus es entsteht. Alles
erscheint und vergeht und bedingt wieder anderes – in einer Kette von
Ursachen und Wirkungen. Einen unveränderlichen Kernbestand gibt es nicht.
Ein „Ich“, ein „Selbst“, ein „Individuum“ – das alles ist Täuschung. Im Strom des
Werdens und Vergehens und Werdens und Vergehens und Werdens gibt es
weder Anfang noch Ende, weder Sein noch Nicht-Sein.
Das ist die Erste der Vier Edlen Wahrheiten.
Die Zweite der Vier Edlen Wahrheiten beantwortet die Frage, wie es denn zum
„Leiden“ kommen kann. Warum gibt es diese Bewegung aus Entstehen,
Werden, Vergehen? Warum gibt es diese Kette des immer wiederkehrenden
Seienden, - unaufhörlich? Es ist der DURST („TANHA“). Es ist der Drang danach,
ins Sein treten zu wollen, doch ist das kein Ich, kein Subjekt. Es ist der
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allgemeine WILLE zum Sein, der in allem verborgen und doch wirksam ist. Es ist
nicht nur das Verlangen nach Reichtum, Macht, Glück; es ist auch das Hängen
an Vorstellungen, Visionen, Idealen, Begriffen, Glaubensvorstellungen. Alle
Unruhe, aller Streit in der Welt rühren daher, dass die Wesen in dieser Welt
eine Gier haben, die an diesem Verlangen, an diesem Anhaften bleiben will.
Doch die Überlegungen des Buddha werden immer schwieriger: TANHA – der
Durst – steht nicht allein, er ist identisch mit dem LEIDEN – DUKKHA – selbst. In
der Quelle des Leidens ist auch das verborgen, was wir auch im Westen das
Karma („KAMMA“ – sk.) nennen: Gute Taten erzeugen gute Taten, schlechte
Taten erzeugen schlechte Taten.
Löst der Tod dieses unendliche weiterwebende Leiden – dieses Karma auf?
Nein: Der Wille zu sein ist so stark, dass er sich immer wieder neue Formen der
Existenz sucht; ein neues Dasein wird geboren; das ist unter dem Titel der
Wiedergeburt im Westen bei uns bekannt. Die Kräfte und Energien, die wir als
lebendige Menschen in uns tragen und die uns ausmachen, verschwinden nicht
einfach mit dem physischen Tod. Sie wirken weiter und finden neue Formen
der materiellen Existenz.
Das ist die Zweite Edle Wahrheit, die der Buddha lehrte.
Die Dritte der Vier Edlen Wahrheiten gibt uns die Hoffnung – wenn man denn
den Vorstellungen des Buddhismus folgt - , dass eine Auflösung der
Abhängigkeit vom „Durst nach Sein“ möglich ist. Der damit verbundene
Zustand ist das NIBBANA, bei uns als das NIRVANA bekannt. Das ist wohl der
schwierigste Teil der Lehre. Denn der Übergang in das NIBBANA findet nicht
einfach durch Auslöschung der physischen Existenz statt. Es ist ein anderer
Zustand, der nicht mit „Sein oder Nichtsein“ beschrieben werden kann. In
einem überlieferten Text steht: „Das Aufhören der Fortdauer und des Werdens
ist NIBBANA.“ Das bedeutet nicht „Selbstvernichtung“, sondern: Das Wirken
der Elemente, die einen Menschen, ein Wesen, ausmachen, erlöscht: kein
Klammern mehr an die Welt, daher keine Angst, daher vollkommene Ruhe,
daher das Erlöschen der Gier, des Durstes nach Sein. Schwer zu verstehen ist,
dass dieses NIBBANA nicht ein Ergebnis von Abläufen ist. NIBBANA ist (!), und
man kann es nur erleben und erfahren. Hierzu noch einmal Walpola Rahula:
„Wer die Wahrheit, Nibbana, erfahren hat, ist das glücklichste Wesen in der
Welt. Er ist frei von Verwicklungen, Heimsuchungen, Schwierigkeiten und
Sorgen, die andere quälen. Sein geistiger Gesundheitszustand ist vollkommen.
Die Vergangenheit bereut er nicht. Um die Zukunft sorgt er sich nicht. Er lebt
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ganz in der Gegenwart. … Er gewinnt nichts, sammelt nichts an, nicht einmal
geistige Güter, weil er frei ist von Selbst-Wahn und von dem ‚Durst‘ nach
Werden.“
Nun zu der Vierten der Vier Edlen Wahrheiten. Sie werden vielleicht schon
gefragt haben, wie man denn dazu gelangt, frei von Sorgen, Schwierigkeiten,
Selbst-Wahn sein kann. Das erklärt uns der Buddha mit seiner 4. Wahrheit.
Das Leben eines Buddhisten soll durch drei Anstrengungen gekennzeichnet
sein:
1. Sittliches Verhalten
2. Geistesschulung
3. Weisheit.
Das sittliche Verhalten gründet sich auf Liebe und Mitleid mit allen lebenden
Wesen. Dieses sittliche Verhalten im Alltag umfasst:
* die rechte Rede
* das rechte Tun
* den rechten Lebensunterhalt.
Im Grunde umfassen diese drei Normen einfache Verhaltensweisen:
- die rechte Rede: sich der Lüge enthalten, niemanden verleumden, Gerede
vermeiden, das von Haß, Feindschaft und Uneinigkeit geprägt ist, sich der
groben Rede enthalten, nicht unnütz plappern und plaudern; wer nichts
Nützliches zu sagen hat, sollte schweigen.
- das rechte Tun: nicht töten, nicht stehlen, nicht betrügen, keinen unrechten
Verkehr mit anderen Männern oder Frauen haben.
- der rechte Lebensunterhalt: keinen Beruf ergreifen, mit dem anderen
Lebewesen geschadet werden kann, also kein Handel mit Waffen; kein
Lebensunterhalt, der durch Drogen, Gifte gesichert wird; auch keine
Beschäftigung, die das Töten von Tieren beinhaltet. So viel zum sittlichen
Verhalten.
Die Geistesschulung soll aufgegliedert sein in drei Bereiche:
* rechte Anstrengung
* rechte Achtsamkeit
* rechte Sammlung.
- die rechte Anstrengung: Es ist wohl nachvollziehbar, dass jemand, der dem
Buddha folgen will, sich anstrengen muss; der Übende soll unheilsame
Geisteshaltungen abwehren, nicht aufkommen lassen; alles Bösartige, der
Neid, das Übelwollen, Abwehren von Liebe und Mitgefühl – das sind
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unheilsame Geisteshaltungen.
- die rechte Achtsamkeit: man soll aufmerksam, besonnen und gegenwärtig
sein Tun betrachten: Gefühle, Vorstellungen, Gedanken, praktische Arbeiten –
eben: nichts gedankenlos tun und denken und nicht dem ersten Impuls folgen.
Das erinnert an die Theorie der Geduld: impulsives Handeln abwehren;
abwarten und den rechten Augenblick nutzen. Man soll sich beständig darüber
bewusst sein, woher Gedanken kommen, wie die unmittelbaren Impulse zum
Handeln oder Nicht-Handeln kommen.
- die rechte Sammlung: Sich in Gleichmut üben; das Verschwinden von
Gedanken und Gefühlen erstreben. Gleichmut und Achtsamkeit bleiben
Weisheit setzt sich zusammen aus:
* rechter Gesinnung
* rechter Erkenntnis.
- Die rechte Erkenntnis besteht im Erkennen der Dinge, wie sie sind – ohne das
Beiwerk unserer Werte und Beurteilungen, unserer Gefühle. Das bedeutet ein
radikales Durchdringen der Wirklichkeit und des eigenen Lebens, also auch das
Eindringen in die Gesetze von Entstehen und Vergehen und der
Substanzlosigkeit allen Seins.
- Die rechte Gesinnung: selbstsüchtiges Handeln und Begehren sollen
ausgeschaltet sein; Gedanken der Liebe und der Gewaltlosigkeit sollen alle
Gefühle und alles Handeln bestimmen. Eine ethisch echte Haltung ist fern von
Hass und Übelwollen.
Wenn Sie mitgezählt haben – es sind insgesamt 8 Stationen, die den Weg der
Buddhisten prägen, zusammengefasst in dem berühmten edlen achtgliedrigen
Pfad:
1. Rechte Erkenntnis
„die wahre Beschaffenheit der Dinge“
2. Rechte Gesinnung
„… in Liebe und Gewaltlosigkeit“
3. Rechte Rede
„rechte Zeit, rechter Platz, ‚Schweigen‘“
4. Rechtes Tun
„…friedlich, ehrenwert leben“
5. Rechter Lebensunterhalt
„… ehrbare Arbeit“
6. Rechte Anstrengung
„üble Geisteshaltung dringt nicht ein“
7. Rechte Achtsamkeit
„besonnen, aufmerksam…“
8. Rechte Sammlung
„z.B.: Übung des richtigen Atmens“
Wenn wir diese Aufforderungen lesen, die zu einem heilsamen Leben führen
sollen, dann können wir wohl feststellen, dass keines von den 8 Elementen des
achtfachen Pfades unvernünftig ist. Ich meine, dass wir alle bestätigen können,
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dass ihre Erfüllung unsere seelische Gesundheit fördern kann. Aber an dieser
Stelle kommt ins Spiel, dass wir als „echte“ Buddhisten so gar nicht sprechen
können; denn wir setzen ein handelndes Ich, ein geschlossenes,
entscheidungsfähiges Individuum voraus, das über eine gewisse Dauer
beständig ist und nicht etwa ein NICHTS ist. In den großen Religionen wird ein
solches Selbst vorausgesetzt:
* Wanderung der Seele durch viele Leben mit dem Ziel der Reinigung
* geschaffen durch Gott wird sie vor ihm stehen und für das, was sie getan hat,
gerichtet.
Buddha lehrt, dass dies eingebildet, eine Täuschung, falscher Glaube ist. Ein Ich,
ein Selbst gibt es nicht. Und alle Übel der Welt hängen an dieser großen
Täuschung. Unsere Vorstellung von „Gott“ und von „Seele“ (Atman, sk.) ist leer.
Die Täuschung ist der Motor des ewigen Wiederkehrens von Werden und
Vergehen und Vergehen und Werden. Was wir als Ich – Selbst kennen, ist die
Erscheinungsweise der sich zusammenballenden Energien
„Es ist das wage Gefühl eines ‚Ich bin‘, das die Vorstellung eines selbst
verursacht, dem keine Wirklichkeit entspricht. Diese Wahrheit zu erkennen,
heißt das NIRVANA erfahren.“ (Rahula) Aber dem Buddha reicht das nicht;
denn auch die Meinung „Ich habe kein selbst“ ist falsch. Worauf läuft dieser
Widersinn hinaus? Einfach und bizarr ist die Antwort: Wir sollen uns überhaupt
von Meinungen, Unterscheidungen fernhalten.
Daher dieser merkwürdige Lehrsatz über den Menschen:
„Der Mensch, der sich einem anderen für überlegen, unterlegen oder selbst für
gleichwertig hält, begreift die Wirklichkeit nicht.“ (aus einem Sutta)
Die beiden ersten Halbsätze sind ja sogleich verständlich, aber der dritte: sich
auch nicht mit anderen für gleichwertig zu halten? Das klingt doch gut,
vernünftig. Die Falle besteht darin, dass auch das „für gleichwertig halten“ eine
Unterscheidung ist. Unterscheiden bedeutet Anhaften, Anhaften bedeutet
Leiden, leiden bedeutet Fortwirken der Täuschung.
Und die ganze Kette der bedingten/bedingenden Erscheinungen setzt sich fort.
Das ist die Gier nach Leben, das ist die für uns reale Form des DUKKHA.
Muss man so leben? Auch wenn nicht: Gibt es Wertvolles in der Buddha-Lehre?
Ich meine, dass das der Fall ist. Siddhattha Gaotama hat tiefe Einsicht in das
Leben der Menschen gewonnen; diese Einsichten sind von universeller
Bedeutung. Schon die Haltung der Achtsamkeit ist so kostbar, dass sie es wert
ist, in eine lebenslange Übung verwandelt zu werden.
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Der Westen hat verstanden, dass der Yoga-Weg und der Buddha-Weg
Elemente enthalten, die jeder Mensch auch ohne religiöse Bindung in sein
Leben aufnehmen kann.
Sri Aurobindo hat mit seinem Entwurf eines Integralen Yoga der westlichen
Welt wertvolle Hinweise gegeben:
„Aller Yoga ist seiner Natur nach eine neue Geburt. Er ist die Geburt aus dem
gewöhnlichen, dem intellektualisierten, materiellen Leben des Menschen in ein
höheres spirituelles Bewusstsein und in ein größeres und göttlicheres Sein. …“
Nach dem, was ich heute vorgetragen habe, ist dies natürlich nicht vereinbar
mit der Lehre des Buddha, denn auch göttliches Sein ist Sein. Aber immerhin:
Yoga als körperliche Übung zur Freisetzung unserer positiven Lebensenergien,
Yoga als Meditation und Atemübung – das alles ist wertvoll für die
Bereicherung unserer alltäglichen und manchmal leidvollen Existenz. Und um
diese leidvolle Existenz geht es dem Buddha: „Wer nach Weisheit strebt, das
Gute wünscht und den Frieden sucht, der sei kraftvoll und aufrecht, sanft und
bescheiden, zufrieden und bedürfnislos. Er lasse sich von weltlichen Dingen
nicht überwältigen, belaste sich nicht mit der Bürde des Reichtums, er sei Herr
seiner Sinne, klug und ohne Stolz … Der tue nichts Niedriges … „
Wer sein Wissen (und seine Weisheit) vertiefen will:
* Michael Carrithers: Der Buddha. Stuttgart, Reclam, 1996. 173 S. Kleines, gut
zu lesendes Taschenbuch. Aus dem Englischen.
* Walpola Rahula: Was der Buddha lehrt. Bern, Origo, 1997. 220 S.
Anspruchsvolle Einführung mit Texten aus verschiedenen Lehrreden und
Suttras, einem Begriffsverzeichnis. Aus dem Englischen.
* Kurt Schmidt: Buddhas Lehre. Konstanz, Weller, 1947. 175 S. Ein sehr schön
geschriebenes Buch, das ein buddhistisch erfahrener Kenner geschrieben hat.
Leider vergriffen.
Da „Verursachung“ eine große Bedeutung im buddhistischen Denken hat,
empfehle ich, noch zu lesen:
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* Hans Sachsse: Kausalität – Gesetzlichkeit – Wahrscheinlichkeit. Darmstadt,
WBG, 1987. 203 S.
* Jack Kornfield: Frag den Buddha und geh den Weg des Herzens. München,
Kösel, 1995. 405 S. Leicht zu lesen, eine Anregung für die Meditation.
Was soll unser nächstes Thema sein – Meldung an Beatrice Wollny
Buddhistische Übungen
1. Rechte Erkenntnis
1.
Tag
Aufbau der Dinge
2. Rechte Besinnung
3.
Tag
Liebe und Gewaltlosigkeit
3. Rechte Rede
5.
Tag
Zur rechten Zeit reden
4. Rechtes Tun
7.
Tag
friedlich – ehrenwert
Ehrbare Arbeit
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5. Rechter
Lebensunterhalt
6. Rechte Anstrengung
13
9.
Tag
11.
Tag
Übles abwehren
7. Rechte Achtsamkeit
13.
Tag
Besonnenheit
8. Rechte Sammlung
15.
Tag
Übungen „Atmen“
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