Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts Das Fundamentalgesetz der Philosophie Es ist ausnahmslos verboten: dem Denken bzw. dem Argumentieren bzw. dem Begründen ein Seiendes, egal welcher Seinsweise (Entität), das in seiner Existenz, seinem Sosein, seiner Werthaftigkeit oder seinem Sollensgehalt bzw. seiner Legitimation nicht letztbegründet (absolut begründet) bewiesen bzw. aufgewiesen ist, zugrunde zu legen. -1- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts Übung: Fragen an § 212 StGB § 212 StGB (1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen. § 212 StGB – gekürzte Fassung: (1) Wer einen Menschen tötet …, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) … -2- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts 1. Welche Hauptkomponenten hat diese Norm? Voraussetzungen Rechtsfolge 2. Aufgabe: Bilden Sie ein Beispiel zu a) den Voraussetzungen und b) der Rechtsfolge § 212 StGB. 3. Wie kann die Norm mit einem Sachverhalt in Verbindung gebracht werden? Bzw.: Wie ist eine Subsumtion möglich? Norm (§ 212 StGB) Textebene Sachverhalt Objektebene -3- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts 4. Wen umfasst „Wer“? a) Sind alle Menschen gemeint (Allgemeindelikt)? b) Sind nur bestimmte Menschen gemeint (Sonderdelikt)? 5. Was ist mit „Menschen“ gemeint? a) Was ist ein Mensch? b) Wann beginnt das Menschsein? c) Wann endet das Menschsein? 6. Was bedeutet „einen“? a) Sind alle Menschen als potentielle Opfer erfasst? b) Ist auch der Täter als potentielles Opfer erfasst? In welcher Fallkonstellation wird diese Frage relevant? (Autonomieproblematik) -4- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts 7. Was bedeutet „töten“? a) ein Tötungsverhalten b) einen Todeseintritt (sog. tatbestandsmäßiger „Erfolg“) c) Zusammenhang zwischen Verhalten und Erfolg (= Kausalität) Was ist Kausalität genau? (i) Ein bloßes zeitliches Nacheinander? oder (ii) ein anderer Zusammenhang? 8. Was „schützt“ § 212 StGB? Das menschliche Leben. a) Wieso hat das menschliche Leben einen Wert? b) Was ist ein „Wert“? c) Wie kann man die „Werthaftigkeit“ eines Gegenstandes begründen? 9. Sollen Strafnormen überhaupt Güter „schützen“ oder nur Rechtsfolgen für den Fall der Verletzung der Güter ermöglichen? 10. Wer darf eine „Freiheitsstrafe“ verhängen? -5- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts 11. Wie kann das Rechtsinstitut der Strafe begründet werden? 12. Welche Hauptadressatengruppen hat die Norm? a) Potentielle Täter b) Personen des Rechtsstabes 13. Sagt die Norm: „Du sollst nicht töten“? „Sollen“ (hier) Gebot Zusatz: Grundbegriffe und –zusammenhänge der deontischen Logik Geboten Erlaubt Verboten Geboten (geboten) nicht geboten nicht geboten Erlaubt erlaubt (erlaubt) nicht erlaubt nicht verboten nicht verboten (verboten) Verboten - Wäre eine solche Formulierung richtig? (Autonomie-Problematik) -6- Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts 14. Wieso „gilt“ die Norm für den Einzelnen – bzw. was bedeutet „Normgeltung“? a) Beruht diese Geltung nur auf einer Art Macht? b) Gilt diese Norm aufgrund eines Gesetzgebungsverfahrens? aa) Zuständigkeit: Art. 70, 72, 74 I Nr. 1 GG bb) Verfahren: Art. 76 ff. GG cc) Staatsform: Art. 20 GG: Demokratie Kurz: § 212 StGB besteht im Rahmen eines demokratisch organisierten Gemeinwesens. 15. Können demokratische Mehrheitsentscheidungen Normen legitimieren? a) Wieso kann die Norm auch für die überstimmte Minderheit gelten, die Tötungen befürwortet? b) Wie kann aus einem bloßen Faktum – Gesetzgebungsverfahren – Normativität resultieren? Faktum ??? -7- Normativität Wert Sollen Legitimation Prof. Dr. Jürgen Rath Philosophie des Rechts Die Geltung des Fundamentalgesetzes der Philosophie Wieso gilt das Fundamentalgesetz der Philosophie? Die Frage nach dessen Geltung vollzieht dessen Geltung! Elemente des vorherigen Frage-Satzes Propositionaler Gehalt Gilt das Fundamentalgesetz der Philosophie, wonach alles in Frage gestellt werden soll? Performativer Gehalt Es wird das Fundamentalgesetz gerade wieder in Frage gestellt - damit wird dessen Geltung (affirmativ) vollzogen? Noch ein Beispiel für diesen Zusammenhang: „Es gibt keine Worte.“ Erläutern Sie den „performativen Widerspruch“! -8-