Themen der Ausstellung - Linden

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Themen der Ausstellung
15. Oktober 2014
Modul 1: Myanmar – Das Goldene Land
Es wird berichtet, dass der indische Kaiser Asoka im 3. Jh. vor unserer Zeit Mönche aussandte,
um die Lehren des Buddha in aller Welt zu verbreiten. So kam es, dass die beiden Mönche
Sona und Uttara in die als Suvarnabhumi, „Goldland“, bekannte Region geschickt wurden, um
den Menschen dort den Buddhismus zu bringen. Mit Stolz erzählen viele Menschen in
Myanmar, dass jenes Land kein anderes als das heutige Myanmar gewesen sei.
Geschichte und Gegenwart dieses im 20. Jh. von Kolonialismus, Bürgerkrieg und Diktaturen
gebeutelten Landes sind auf einzigartige Weise durch den Buddhismus geprägt. Unzählige
Pagoden, Tempel, Klöster und die Existenz rund einer halben Million buddhistischer Mönche
sind Ausdruck einer Religiosität, die alle Bereiche des Lebens durchdringt.
„Das Lieblingsvolk Buddhas“…
… so der Titel eines Buches des Kolonialbeamten Harold Fielding-Hall über die Menschen der
damaligen Kolonie „British Burma“. Kultur und Gesellschaft, Geschichte und Gegenwart
dieses im 20. Jh. von Kolonialismus, Bürgerkrieg und Diktaturen gebeutelten Landes sind auf
einzigartige Weise durch den Buddhismus geprägt. Unzählige Pagoden, Tempel, Klöster und
die Existenz rund einer halbe Million buddhistischer Mönche sind Ausdruck einer intensiven
Religiosität, die alle Bereiche des Lebens und der Kultur durchdringt.
Die Ausstellung spürt den vielfältigen Ausdrucksformen der gelebten Religion in Myanmar
nach. Sie beginnt dabei auf der Ebene des Alltags um dann Raum für Raum anzusteigen bis zu
den heiligsten Höhepunkten buddhistischer Kunst. Stationen auf dem Weg dorthin sind die
Themen Kleidung und Körperkunst als Ausdruck von Glaube und Identität, Musik und
Theater, die die Menschen mit der Inszenierung religiöser Stoffe unterhalten und die Welt der
Geister und Götter, mit denen man sich Tag für Tag arrangieren muss. Die Betrachtung des
Lebenswerkes des als weiser buddhistischer Herrscher verehrten Königs Dhammazedi
verdeutlicht, dass traditionelle Modelle religiöser Herrschaft auch in der heutigen Politik eine
entscheidende Rolle spielen.
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Staatliches Museum für Völkerkunde
Hegelplatz 1
70174 Stuttgart / Germany
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Fax +49.711.2022-590
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Martin Otto-Hörbrand
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Hausschrein
Myanmarische Buddhisten richten zu Hause und an ihren Arbeitsplätzen Schreine zur
Verehrung des Buddha ein. Sie beginnen den Tag damit, Votivgaben aus Speisen, Wasser,
Räucherstäbchen und Blumen dort niederzulegen und buddhistische Verse zu rezitieren.
Auch abends endet der Tag mit der Verehrung des Buddha im Hausschrein, die durch das
dreimalige Anschlagen eines Gongs eingeleitet und mit den Meditationsperlen unterstützt
werden kann. Da es keine regelmäßigen gemeinschaftlichen Gottesdienste gibt, bildet der
Hausschrein im Alltag das Zentrum religiöser Praxis. Am Hausschrein niedergelegte
Opfergaben bedeuten heilvolles Karma, das, je nach Art der Gaben, Reinheit, langes Leben,
Kraft und Weisheit in dieser und späteren Existenzen nach sich zieht.
Der Schrein befindet sich stets auf einer hoch im Raum gelegenen Stelle an der „Kopfseite“
des Hauses und darf nicht an einem niedrigen, unreinen Platz eingerichtet werden.
Wasserspenden am Weg
In Myanmar sieht man häufig entlang der Wege aufgestellte Trinkwassergefäße. Sie dienen
nicht nur in den Häusern zur Lagerung von Wasser, sondern werden auch oft für den
Gemeingebrauch aufgestellt. Dies stellt eine Opfergabe dar, die positiven Einfluss auf die
Zukunft des Spenders haben wird, denn man glaubt, dass eine Wassergabe für den Spender
zehn karmische Früchte trägt: Aufmerksamkeit, Reinheit, Ruhm, Freiheit von Hunger,
Freundschaften, Langlebigkeit, Schönheit, Gesundheit, Stärke und Weisheit.
Diese durch Verdunstung kühlenden Gefäße sind oft mit Tierfiguren verziert. Der HinthaVogel wird geschätzt, weil ihm in den buddhistischen Schriften ein liebenswerter, edler
Charakter zugeschrieben wird. Künstler verwenden sein Bild gerne als Motiv in vielen
Kontexten und selbst die Könige Myanmars verwendeten Insignien und
Einrichtungsgegenstände in Hintha-Form.
Betel
Das Kauen von Betelbissen, die aus den Früchten der Betelpalme, Betelpfefferblättern und
weiteren Gewürzzutaten hergestellt werden, ist ein weitverbreiteter Brauch in Myanmar. Der
Genuss dieser Droge erfüllt neben dem persönlichen Vergnügen auch wichtige soziale und
rituelle Funktionen: Die Menschen halten mit Glück verheißenden Symbolen oder
buddhistischen Motiven verzierte Behälter aus Lack oder Silber mit den Zutaten in ihren
Wohnstuben bereit, um damit ihre Gäste willkommen zu heißen. Kunstvoll gefertigte
Beteldosen gehörten zu bedeutenden Insignien myanmarischer Könige, aber sie waren auch
als Gaben an buddhistische Klöster beliebt: Betel wird als zu jeder Zeit erlaubte Medizin
betrachtet und hilft den Mönchen ihr Fasten zu halten.
Das obere Fach der kostbaren Behälter besitzt kleine Schalen für Gewürznelken, Süßholz,
Fenchelsamen, kandierte Früchte und Kalk. Wird es herausgenommen, kommen Betelblätter
und Betelnüsse zum Vorschein.
Modul 2: Körperkunst, Kleidung und Schmuck in Myanmar
Kleidung, Schmuck, Kosmetika und Tätowierungen erfüllen viele Funktionen: Sie teilen der
Gesellschaft etwas über das Individuum mit, kommunizieren die Beanspruchung einer
bestimmten sozialen Rolle und bringen religiöse und ethnische Identifikation zum Ausdruck.
Vor allem aber: Sie wirken – auf Mitmenschen oder gegen Gefahren; sie bringen Glück,
verleihen Kräfte und Fähigkeiten oder wehren Unheil ab.
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Einen buddhistischen Mönch macht die Robe zum „Sohn Buddhas“, einer Dame verleiht das
Gewand aus edler Acheik-Seide in Glück bringenden Farben ihr Gesicht, während die Karos
auf dem Beinkleid eines Mannes seine Männlichkeit betonen. Tätowierungen machten in alter
Zeit einen Jungen zum Mann und bis heute schützen eintätowierte Symbole vor Geistern und
sogar Gewehrkugeln.
Kunstvolle, handgewebte Textilien und traditionelle Schmuckstücke gehören zu den
wichtigsten kulturellen Ausdrucksformen der ethnischen Minderheiten, die auch heute durch
stolz getragene Trachten ihre von der Tieflandgesellschaft verschiedene Identität zum
Ausdruck bringen – bei religiösen Festen, aber auch z.B. bei politischen Zusammenkünften.
Vom Laien zum Mönch
Viele Jungen in Myanmar durchlaufen eine Shinpyu-Zeremonie: In Nachahmung der
Biographie des Buddha werden sie zunächst wie Prinz Siddhartha gekleidet und gefeiert, dann
zu einem Kloster geleitet, wo ihnen die Haare geschoren werden und sie ihr fürstliches
Gewand gegen die Robe eines Mönches eintauschen, die sie für einige Tage oder Wochen
tragen werden. Ihre Eltern werfen sich ehrfürchtig vor ihnen nieder, denn die Robe hat sie in
ein anderes Wesen verwandelt: Wer die Robe trägt, ist ein heiliger „Sohn des Buddha“ und
wird von Laien als solcher behandelt.
Ein Mönch benötigt acht Requisiten: Nach strengen Vorschriften gefertigte Unter- und
Überroben, ein großes Tuch als Überwurf, einen Gürtel, eine schwarze Lackschale zur
Annahme der Essensgaben, ein Rasiermesser, Nähzeug zum Flicken der Roben, sowie einen
Wasserfilter. Oft kommen noch Schuhe und ein Fächer hinzu, der die geschorenen Köpfe der
Mönche vor der stechenden Sonne schützt.
Zauber unter der Haut: Tätowierungen
Bis ins 20. Jh. waren die meisten Bamar-Herren von der Taille bis zu den Knien tätowiert. Die
Tätowierungen standen für das Erwachsensein, aber verliehen auch besondere Kräfte und
Schutz vor Gefahren. Ein Tätowierer verwendete ein langes, spitz zulaufendes Gerät aus
Bronze, das am oberen Ende mit Gewichten in Form von Tieren oder anderen Wesen
versehen war. Schwarze Tinte wurde aus Ruß hergestellt; sie erhielt eine grünliche Farbe,
wenn sie mit der Gallenblase eines Python vermischt wurde. Rot entstand aus mit Öl
verdünntem Zinnober. Bei den Tätowierungen wurden Symbolfiguren dargestellt, welche
von magischen Buchstaben- und Zahlenkombinationen umringt waren. Vor dem von einem
Astrologen bestimmten Tag der Tätowierung fastete der Tätowiermeister und richtete
Gebete an den Buddha und die Geister.
Bei den Chin tragen viele Frauen beeindruckende Gesichtstätowierungen, über deren
Bedeutung noch wenig bekannt ist.
Ausdruck ethnischer Identitäten: Trachten
In Myanmar leben zahlreiche ethnische Gruppen, die je eigene Formen von Kleidung und
Körperschmuck besitzen. Schmuck und handgewebte Textilien werden mit Mustern
dekoriert, die lokalen Glaubensformen und ethnische Identitäten Ausdruck verleihen.
Weberinnen vieler ethnischer Minderheiten verwenden für die Herstellung ihrer Textilien
Bandwebstühle, die mit dem Körper in Spannung gehalten werden; im Tiefland wird
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hingegen meist auf festinstallierten Webstühlen gewebt. Zu den meisten Trachten gehört ein
Wickelrock, myanmarisch Paso (für Männer) oder Htamein (für Frauen); Schultertaschen in
unterschiedlichen Ausführungen sind ebenfalls weit verbreitet.
Im Alltag wird eher einfache Kleidung getragen, aufwendigere Trachten werden bei religiösen
Festen und anderen formellen Anlässen angelegt. Heute existieren standardisierte Trachten,
die mit Stolz von Repräsentanten der ethnischen Gruppen getragen werden – zum Beispiel im
Parlament.
Zum Beeindrucken: Acheik-Seide
Seide wird in Myanmar seit vielen Jahrhunderten geschätzt. Weil die Produktion von Seide das
Buddhisten verbotene Töten von Tieren beinhaltet, wird Seidengarn meist importiert und in
Myanmar gefärbt und verarbeitet. Die hochwertigsten Gewebe sind die aufwendig
gemusterten Acheik-Stoffe, die auch Lun-taya Acheik, also „einhundert-WebschiffchenMuster“, genannt werden. Heute bekommt man Seide, die tatsächlich mit einhundert
Webschiffchen gefertigt wurde, nur noch selten zu sehen – dennoch wird für Acheik-Weberei
eine große Anzahl Webschiffchen benötigt.
Jedes Acheik-Muster hat einen traditionellen Namen, wie „Orchideenband“,
„Prinzessinnenlocke“ oder „Quelle des Smaragdpalastes“. Die Kosten für ein AcheikKleidungsstück können sich auf mehr als ein Jahresgehalt belaufen und zeugen von hohem
sozialem Status – so erfüllt es Frauen mit großem Stolz, bei förmlichen Anlässen Acheik in
Glück bringenden Farben tragen zu können.
Ethnische Vielfalt und Konflikte
Vielfältige ethnische Gruppen leben in den heutigen Grenzen Myanmars: Die Regierung zählt
offiziell 135; diese Zahl ist jedoch sehr umstritten und dient vorwiegend politischen Zwecken.
Die größte Gruppe sind die Bamar, die seit der Zeit von Bagan das Tiefland dominieren und
rund 68% der Bevölkerung stellen. Die Mon, wie die Bamar fast vollständig Buddhisten, haben
viel von ihrem historischen Einfluss im Süden des Landes eingebüßt und machen heute
gerade noch 2% der Bevölkerung aus. Minderheiten wie die Shan (9%), die Karen (7%), die
Kachin (1,5%) und die Chin (1%) leben überwiegend in den Gebirgsregionen und wurden mit
dem Ende der Kolonialzeit erstmals der Kontrolle einer Bamar-dominierten Zentralregierung
gestellt, gegen die lokale Eliten Jahrzehntelang einen erbitterten Untergrundkrieg führten
und in einigen Regionen heute noch führen. Mitglieder dieser Gruppen bilden auch zugleich
die größte religiöse Minderheit: Karen, Kachin, Chin und einige andere Minderheiten sind zu
großen Teilen Christen.
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Modul 3: Theater, Tanz und Musik
Die darstellenden Künste Myanmars standen traditionell im Dienst der Religion. Anlässlich
eines Tempelfestes oder einer religiösen Zeremonie heuert ein Stifter auch oft Musiker,
Bühnendarsteller, Tänzer oder Marionettenspieler an. Die Bezahlung dieser Künstler für einen
solchen Anlass beschert dem Auftraggeber religiöse Verdienste – gutes Karma. Dargestellt
wurden traditionell meist Episoden aus Jataka-Erzählungen über die Vorleben des Buddha. Sie
thematisieren jeweils einen anderen Aspekt der buddhistischen Lehre und machen ihn in der
Inszenierung für das Publikum nachempfindbar. Daneben gab es auch andere Stoffe, etwa
das aus Indien stammende Epos Ramayana und lokale Überlieferungen über historische
Helden. Immer aber sollten die Aufführungen die Zuschauer zugleich unterhalten und ihnen
buddhistische Lehren und Moralvorstellungen vermitteln.
Da die belehrende Funktion der darstellenden Künste von den Regierungen des 20. Jh. lange
überstrapaziert wurde, haben sie in den letzten Jahren fast vollständig den unterhaltsamen
Elementen Platz gemacht; akrobatisch anmutende Tänze und komödiantische Darstellungen
erfreuen sich großer Beliebtheit während die traditionellen Stücke zunehmend seltener
aufgeführt werden.
Zu den myanmarischen Saiteninstrumenten gehören die Bogenharfe der Bamar (Saun gauk),
die Krokodil-Zither der Mon sowie die Harfen der Rakhine und der Karen. Sie sind von
geringer Lautstärke und werden zumeist in ruhigen Räumen vor kleinem Publikum oder nur
zum persönlichen Vergnügen gespielt. Die Bogenharfe gehört zu den ältesten
Musikinstrumenten der Bamar und wurde in den Palästen der myanmarischen Könige und
Aristokraten gespielt, von denen einige selbst passionierte Harfenspieler und Komponisten
waren.
Zu einem myanmarischen Orchester gehören der zentrale Trommelkreis, Basstrommeln,
Bronzegongs, schalmeiähnliche Blasinstrumente, Becken, Zimbeln, sowie Holz- und
Bambusklappern. Zu seinen einzigartigen Besonderheiten gehört es, dass der Trommelkreis
das Orchester als wichtigstes Melodieinstrument anführt und zugleich den Rhythmus vorgibt.
Diese Orchester dienten zur Untermalung öffentlicher Zeremonien am Königshof, begleiten
Tanz- und Theateraufführungen sowie Rituale für die Geister. Oft werden die Musiker für
Tempelfeste engagiert, was dem Auftraggeber als Spender religiöse Verdienste einbringt.
Zat Pwe
Zat Pwe ist das klassische Tanztheater Myanmars. „Zat“ steht dabei für die JatakaErzählungen über die früheren Leben des Buddha, die den Hauptstoff der myanmarischen
Theaterstücke darstellen. Sie veranschaulichen buddhistische Werte und das Theater erfüllt
so eine doppelte Funktion: Es unterhält und verankert zugleich buddhistische Werte im
Empfinden der Zuschauer. Die Stücke werden in lyrischer Sprache gesprochen und die Szenen
häufig von Tänzen unterbrochen. Obgleich die Handlung im alten Indien spielt, sind die
Kostüme denen myanmarischer Aristokraten nachempfunden. Das Schauspiel wird von
einem Hsaing-Orchester begleitet und dauert oft die gesamte Nacht. Zat Pwe werden noch
heute aufgeführt, wobei der Unterhaltungsaspekt den religiösen immer stärker überschattet.
Anyeint, die derzeit beliebteste Form des Theaters, kombiniert kunstvolle Tänze mit
komödiantischen Einlagen zu aktuellen Ereignissen.
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Kammermusik auf Harfen und Krokodilen
Zu den myanmarischen Saiteninstrumenten gehören die Bogenharfe der Bamar (Saung
gauk), die Krokodil-Zither der Mon sowie die harfenähnlichen Instrumente der Rakhine und
Karen. Sie sind von geringer Lautstärke und werden zumeist in ruhigen Innenräumen vor
kleinem Publikum oder nur zum persönlichen Vergnügen gespielt. Die Bogenharfe gehört zu
den ältesten Musikinstrumenten der Bamar und Abbildungen von ihr finden sich bereits in
Wandmalereien aus der Baganzeit (10.-14. Jh.). Sie wurde in den Palästen der myanmarischen
Könige und Aristokraten gespielt, von denen nicht wenige selbst passionierte Harfenspieler
und Komponisten gewesen sind.
Die Krokodil-Zither, in Mon-Sprache Kyam genannt, stellt in vielerlei Hinsicht das MonÄquivalent zur Bogenharfe der Bamar dar. Viele Mon sehen das Instrument als bedeutendes
Symbol ihrer Kultur und Identität an.
Das große Hsaing-Orchester
Zu einem myanmarischen Orchester gehören der zentrale Trommelkreis, Basstrommeln,
Bronzegongs, ein Paar schalmeiähnlicher Blasinstrumente, Becken, Zimbeln sowie Holz und
Bambusklappern. Zu seinen weltweit einzigartigen Besonderheiten gehört es, dass der
Trommelkreis, bestehend aus 16 bis 22 gestimmten Trommeln, das Orchester als wichtigstes
Melodieinstrument anführt und zugleich den Rhythmus vorgibt.
Seit dem 15. Jh. sind solche Orchester als Hsaing oder Hsaing Waing bekannt. Sie dienten zur
Untermalung öffentlicher Zeremonien am Königshof, begleiten Tanz- und
Theateraufführungen sowie Rituale für die Geister. Das Orchester wird von wenigstens sieben
Berufsmusikern gespielt, die meist als Ensemble von Auftritt zu Auftritt durch das Land reisen.
Oft werden sie für Tempelfeste engagiert, was dem Auftraggeber als Spender religiöse
Verdienste einbringt.
Reiner als Menschen: Marionetten
Seit der Inwa-Zeit (14.-16. Jh.) spielten Marionetten in Myanmar eine bedeutende Rolle. Das
Marionettentheater war als amyint thabin („hohe Bühnenkunst“) bekannt und für lange Zeit
waren die Jataka-Erzählungen über die früheren Leben des Buddha der alleinige
Kompetenzbereich von Puppen: Menschliche Schauspieler wurden als zu unrein empfunden.
Hölzerne Marionetten können nicht unmoralisch sein und waren daher lange das bevorzugte
Medium für die Inszenierung von Jataka-Stücken, die traditionell über drei ganze aufeinander
folgende Nächte gespielt und von einem Hsaing-Orchester begleitet wurden.
Myanmarische Marionetten-Ensembles bestehen aus 28 bis 36 Puppen und umfassen Könige,
Prinzen, Prinzessinnen, Minister, Sterndeuter, Magier, Eremiten, Hofdamen, Narren, Drachen,
Götter, Geistwesen und Tiere wie Pferde, Affen, Tiger und Papageien.
Modul 4: Sterne, Geister und Götter
Letztes Ziel der Buddhisten ist die Erlösung von den Leiden im Nirvana, das durch langwierige
geistliche Vervollkommnung erreicht wird. Im Alltag spielt dies jedoch nur eine begrenzte
Rolle; hier geht es oft eher darum, die Schwierigkeiten der Gegenwart zu bewältigen und sich
eine angenehmere nächste Existenz zu sichern.
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Gemeinsam mit Mensch und Tier besiedeln auch Gottheiten und Geister die Welt, Nat
genannt. Diese unsichtbaren Nachbarn sind weit mächtiger als Menschen – zwar können sie
dem Menschen nicht bei der Erlangung des Nirvana helfen – um die Probleme des Alltags zu
bewältigen, ist es aber hilfreich, sich mit ihnen gut zu stellen.
Den Nat werden Kokosnüsse, Bananen, eingelegte Teeblätter, Kerzen und Räucherstäbchen
geopfert. Einige Nat lieben duftende Blumen, andere bevorzugen Gaben von Alkohol, rohem
Fleisch oder Bargeld.
Die Befragung von Astrologen und Wahrsagern, die Aussagen über die Voraussetzungen und
möglichen Konsequenzen einer Handlung treffen – z.B. eines Geschäftsabschlusses, einer
Heirat oder einer Reise – ist üblicher Bestandteil der Entscheidungsfindung. Sie warnen vor
Gefahren und bestimmten geeignete Maßnahmen zu ihrer Abwehr. Dahinter steht die
Vorstellung, dass alles im Universum miteinander zusammenhängt: So kann man, mit den
nötigen Kenntnissen, die Konstellation der Voraussetzungen bestimmen, die zu einem
bestimmten Zeitpunkt über Erfolg und Misserfolg entscheiden – und auch, wie diese
Voraussetzungen durch ein genau dosiertes Opfer zur richtigen Zeit am richtigen Ort
verbessert werden können.
Die Nat
Die Nat sind Geistwesen und fester Bestandteil der myanmarischen Kosmologie. Nicht alle
Buddhisten pflegen eine Beziehung zu ihnen; der Kult ist jedoch eng an buddhistische
Vorstellungen, Konzepte und Praktiken geknüpft. Die Nat sind der buddhistischen Gottheit
Thagyamin unterworfen und haben sich so von bösartigen Geistern zu Helfern der
Buddhisten gewandelt. Sie sind mächtig, können aber mit Hilfe von Ritualen besänftigt und
um Unterstützung gebeten werden. Diese Rituale werden von Nat-Kadaw durchgeführt,
„Nat-Gemahlinnen“, die sich mit Hilfe von lauter, schneller Hsaing-Musik in Trance tanzen,
um so zu Sprachrohren der Nat zu werden.
Den Nat werden Kokosnüsse, Bananen, Betel, eingelegte Teeblätter, Kerzen und
Räucherstäbchen geopfert. Einige Nat lieben duftende Blumen, andere bevorzugen Gaben
von Alkohol, rohem Fleisch oder Bargeld.
Modul 5: Buddhas, Bücher und Tempel
Bis ins 20. Jh. hinein wurde Kunst in Myanmar fast ausschließlich geschaffen, um als religiöse
Stiftung zu dienen. Dies schließt Tempelbauten ebenso ein wie Buddhafiguren, Votivgaben
oder Gebrauchsgegenstände für Mönche. Da erhebliche Teile des Staatshaushaltes für solche
Stiftungen aufgewendet wurden und auch die Bevölkerung einen guten Teil ihres
Einkommens dafür ausgab, hatten die traditionellen Künstler ein gutes Auskommen und die
religiöse Kunst blühte auf sehr hohem Niveau. Zu den auch heute sehr lebendigen klassischen
„10 Künsten“ (pan hse myo) Myanmars gehören die Malerei, Bildschnitzerei, Gold- und
Silberschmiedekunst, Bronzegießerei, Steinmetzkunst, Lackkunst, Stuckkunst und Keramik,
Schmiedekunst, Drechslerei und Maurerei.
Auf der Suche nach einer myanmarischen Version der Moderne lassen sich zeitgenössische
Künstler in Myanmar oft in der Wahl der Techniken und der Bildsprache von westlichen
Künstlern inspirieren. Zugleich ist es ihnen wichtig, dass ihre Kunst myanmarische Lebens und
Empfindungswelten reflektiert. So entdeckt man bei der Betrachtung der Werke
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zeitgenössischer Künstler des Landes immer wieder Anleihen aus den klassischen Künsten
oder den Ausdruck traditioneller religiöser Vorstellungen in einer neuen Sprache.
Buddhistische Literatur
Während des vierten buddhistischen Konzils, das 103-77 v. Chr. in Sri Lanka abgehalten
wurde, wurden die Lehren des Buddha erstmals auf Palmblatt niedergeschrieben, um ihre
Übermittlung zu sichern. Diese heiligen Texte füllten zusammen drei ganze Körbe und
wurden deshalb Tipitaka genannt: „Dreikorb“.
Die „drei Körbe“ beinhalten den Vinayapitaka (Ordensregeln), Suttapitaka (Lehrreden des
Buddha) und Abhidhammapitaka (Scholastik). Die Jataka-Erzählungen über die früheren
Leben des Buddha sind Teil des Suttapitaka und wurden häufig mit Hilfe von
Papiermanuskripten, Wandmalereien und anderen Formen buddhistischer Kunst illustriert.
Kammavaca gehören zu den heiligsten Texten in Myanmar und umfassen jene Passagen aus
dem Vinayapitaka, die bei der Ordination von Mönchen rezitiert werden. Kunstvolle
Ausführungen auf Gold- oder Silberfolie, auf Lack oder auf Elfenbeintafeln wurden als
verdienstvolle Stiftungen in Auftrag gegeben und den Klöstern präsentiert, wenn ein Junge in
den Orden eintrat.
Shin Upagupta
Shin Upagupta ist ein buddhistischer Heiliger – wohl der in Myanmar am meisten verehrte. Er
sitzt stets mit überschlagenen Beinen und einer Almosenschale in der Hand in einem von
Wasser umgebenen Schrein und blickt in den Himmel.
Shin Upagupta wird in den frühen Schriften des Theravada-Buddhismus mit keinem Wort
erwähnt - vermutlich war er ein Mönch der späteren Sanskrit-Tradition, die seit König
Anawrahta (1044 - 1077) aus Myanmar verbannt worden war. Dennoch ist die Verehrung von
Shin Upagupta bis heute sehr lebendig: Die Menschen glauben, dass Shin Upagupta in einem
auf dem Ozean treibenden Palast lebt und Reisenden in Not zu Hilfe eilt. Mit einem
besonderen Mantra kann er herbeigerufen werden und schon seine bloße Anwesenheit
verhindert Stürme, Fluten und andere Katastrophen. Es gibt zahlreiche Feste und
Prozessionen zu seinen Ehren.
Das Bild des Buddha
Darstellungen des Buddha gehören zu den wichtigsten Motiven der myanmarischen Kunst.
Für Buddhisten sind sie, nach seinen Reliquien, die heiligsten und wirkmächtigsten Objekte.
Ein Bildnis des Buddha zu verehren, ihm Opfer darzubringen, es zu waschen und zu vergolden
gilt als Quelle großen Verdienstes – noch mehr die Herstellung einer neuen Figur und deren
Spende an einen Tempel.
Künstler in Myanmar haben über 1500 Jahre lang Buddhafiguren aus Holz, Stein und Bronze
gefertigt. Während die frühesten Figuren noch indische Merkmale aufwiesen, entwickelten
sich später lokale Ausdrucksformen. Buddhafiguren aus der Pyu-Zeit (vor 900 n. Chr.), Bagan
(10. - 14. Jh.), Bago (14. - 16. Jh.), Taungoo und Nyaung Yan (16. - 17. Jh.) sowie der
Konbaung-Zeit (18. - 19. Jh.), haben ihren jeweils eigenen Charakter. Neue Darstellungen und
Kopien älterer Figuren werden bis heute Tag für Tag hergestellt, gestiftet und verehrt.
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König Dhammazedis Tempel der sieben Wochen
Dhammazedi (1412 - 1492) regierte das Mon-Königreich von Bago. Er ist den Menschen
Myanmars als ein idealer buddhistischer Herrscher, ein Dhammaraja, in Erinnerung
geblieben, der seinen Untertanen Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit brachte und den
Buddhismus förderte. Vor seiner Thronbesteigung war er viele Jahre Mönch gewesen und
seine Regierungszeit zeichnete sich durch religiöse Großprojekte aus, darunter eine
weitreichende Reform des buddhistischen Mönchtums und eine Reinigung der
myanmarischen Tradition durch einen Vergleich mit der buddhistischen Überlieferung Sri
Lankas.
Ein weiteres seiner Projekte war ein in seiner Hauptstadt Bago errichteter Nachbau des
Mahabodhitempels, der in Bodhgaya (Indien) den Ort der Erleuchtung des Buddha markiert,
umgeben von sechs kleineren Monumenten. Jedes von ihnen stand für eine der sieben
Wochen, die der Buddha in Bodhgaya verbrachte, und jedes erinnerte an ein wichtiges
Ereignis aus dieser Zeit.
Dhammaraja 2015?
König Dhammazedi entsprach für viele dem Ideal eines Dhammaraja. Das Modell, dem er wie
viele Herrscher Südostasiens folgte, war die buddhistische Überlieferung über den indischen
Kaiser Asoka (304 - 232 v.Chr.). Nach seiner Bekehrung zum Buddhismus soll Asoka die
Herrschertugenden Rechtschaffenheit, Großzügigkeit und Selbstaufopferung vollkommen
verkörpert, als Patron die Reinheit und Verbreitung des Buddhismus in allen Gegenden seines
Reiches gefördert und für Recht, Frieden, Wohlstand und religiöse Einigkeit gesorgt haben –
kurzum, er sorgte für die bestmöglichen Voraussetzungen für eine Blüte des Buddhismus.
Er ist auch Modell für viele myanmarische Politiker des 20. und 21. Jh. – für Premierminister U
Nu (1948 - 1962), der ein buddhistisches Weltkonzil zur Stärkung und Reinigung der
buddhistischen Überlieferungen einberief und den Buddhismus zur Staatsreligion erhob, für
die 1962 - 2010 regierenden Generäle, die das Mönchtum reformierten, große buddhistische
Missionskampagnen in von religiösen Minderheiten besiedelten Gebieten initiierten und sich
gegenseitig mit Tempelbauten und öffentlichen Spendenzeremonien zu übertreffen suchten
und auch für die „sich aufopfernde“ Aung San Suu Kyi, zu deren Strategie die öffentliche
Verehrung angesehener buddhistischer Mönche gehört. Auch im kommenden Wahlkampf
des Jahres 2015 werden wohl die Kandidaten versuchen, sich dem Volk als potentieller
Dhammaraja zu präsentieren.
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