TIMOTHY AULD The rebirth of nett Verschmitztes Lächeln, breites Grinsen, lautes Lachen – verbringt man Zeit mit Timothy Auld, fällt einem dessen freundliche, unkomplizierte und ungekünstelte Positivität sofort ins Auge. Sie ist ansteckend, nicht nur für die engste Umgebung, sondern auch von der Bühne herunter oder durch seine Songs. So sprudelt es aus einer jungen Konzertbesucherin in der Wiener Marx Halle nach einem Konzert heraus: „Ich musste die ganze Zeit grinsen.“ Timothy – oder Timmy, wie die meisten sagen – ist ein Netter. Ein wahnsinnig Netter. Es mag Menschen geben, die Nettigkeit mit Oberflächlichkeit, einem gewissen Grad von Langeweile, vielleicht auch Doofheit gleichsetzen. Nett ist uninteressant. Nett ist – machen wir uns nichts vor – inzwischen ein Schimpfwort, zumindest wenn es um Musik, Kunst, Film oder einen potentiellen next boyfriend geht. Aber, und das ist jetzt ein echter Schocker, Timothy Auld, dieser Timmy aus München, hat das Potential, „nett“ zum nächsten großen Ding zu machen. The rebirth of nett, sozusagen. Denn er ist alles andere als NUR nett. Sondern: ein fantastischer Musiker. Ein Entertainer. Ein grandioser Songwriter mit einer unverwechselbaren Stimme. Ein spargeldünnes Weißbrot mit dem lässigen Swag in der jungen oder vielleicht auch ganz alten Seele, einer, der es einfach faustdick hinter den Ohren hat. Wenn´s drauf ankommt, auch mal ein britischer Gentleman . Ein geiler Typ, eigentlich irgendwie schon ein Superstar. Bevor wir die Musik des Timothy Auld unter die Lupe nehmen ein kleiner, biographischer Kurzabriss: Kind einer Musikerfamilie, geboren 1990 in London, Umzug 1992 ins bayerische Weilheim, erstes Instrument (Klarinette) mit neun. Eigentlich ist sein großer Bruder der Sänger unter den vier Geschwistern, aber egal, Timmy singt auch. Und spielt Gitarre, fuchst sich in die Studiotechnik ein, bringt das Gymnasium hinter sich, schreibt und produziert bald für sich und andere. Kommt in Kontakt mit Filmproduzenten und –komponisten, beginnt Songs für Filme zu schreiben, zu produzieren und zum Teil auch zu singen, darunter „Hooked on you“ zusammen mit Parov Stelar, der in dem 2015er Kassenschlager „Traumfrauen“ landet. Und dann schreibt er eben auch noch Songs für sich selbst, für sein Debüt-Album, das irgendwann erscheinen soll. Eigentlich macht er überhaupt nichts anderes mehr als Songs schreiben, produzieren und singen – das geht so weit, dass er in das Tonstudio zieht, in dem er arbeitet. Abends klappt er einfach das Schrankbett auf. Gute Nacht, Timmy. Natürlich gibt es aber auch die frustrierenden Momente, all die Umwege, Verzögerungen, Enttäuschungen, die jeder erlebt, der den waghalsigen Plan hat, Musik zu seinem Beruf zu machen. Aber er hat Glück, umgibt sich mit den richtigen Leuten und siehe da, kaum vier Jahre später als erhofft ist es da, das Album. Timmy flowt, reißt mit, macht Spaß. Es gibt den einen oder anderen Jamiroquai-Moment (lustig übrigens, Jamiroquai sind schon so lange so out, dass der Biograph sie ohne Google gar nicht mehr buchstabieren kann), Bruno-Mars-Momente, durchaus auch Ed-Sheeran-Augenblicke. Uptempo-Swing und Melancholie – beides ist VERY Timothy Auld. Mit „Waste Some Time“ sticht ein Song heraus, der entspannt am aktuellen Radiosound entlangschlendert, sich im Grunde aber ebenso wenig um den neuesten Schrei schert wie der Rest des Albums. Und: Das ist alles genau richtig, so wie es ist. Timothys Stimme, Charme und Charisma benötigen kein hypermodisch konstruiertes Soundgewand – warum auch, wenn´s Hits im Dutzend gibt und Groove und gute Laune. Toller Typ, super Album. Ach ja, und wer wirklich alles richtig machen will, der guckt sich Timothy Auld live an. Mit seiner extrem gut eingespielten Band inklusive Questlove-Double an den Drums (nein, nicht vom Aussehen her , aber sonst eigentlich in allem...). Nett! Aber nicht das alte, uncoole nett, sondern das angesagte, neue Timothy-nett.