Hepatitis E – eine häufig nicht berücksichtigte Differenzialdiagnose

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84 ÜBERSICHT / REVIEW
Hepatitis E – eine häufig nicht
berücksichtigte Differenzialdiagnose
Hepatitis E – a Frequently Overlooked Differential Diagnosis
Klaus Radecke, Daniel Grandt
Hintergrund: Bei der Abklärung einer akuten Hepatitis
wird die Hepatitis E als mögliche Ursache häufig nicht berücksichtigt. Allerdings ist die Hepatitis-E-positive Seroprävalenz bei Blutspendern in Deutschland relativ hoch, sodass bei Vorliegen einer akuten Hepatitis, auch eine Hepatitis-E-Infektion differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden sollte. Dabei ist insbesondere erwähnenswert, dass in bis zu 13 % der Fälle einer vermuteten, akuten medikamentös-toxischen Hepatitis tatsächlich eine
akute Hepatitis E zugrunde liegt.
Methoden: Pragmatische Literaturrecherche in PubMed.
Ergebnisse: Die durch den Konsum von nicht ausreichend gegartem Schweine- und Wildtierfleisch verursachte Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) Genotyp 3 ist
in Deutschland häufig, zeigt aber überwiegend einen
harmlosen, subklinischen Verlauf mit kompletter Ausheilung. Eine akute Hepatitis-E-Infektion kann jedoch auch
schwere Verläufe bei Patienten mit einer Vorschädigung
der Leber zeigen. Fulminante Verläufe der HEV-Genotyp1-Infektion bei Schwangeren werden in den Entwicklungsländern beobachtet. Bei immunsupprimierten Patienten kann eine Chronifizierung der Infektion auftreten.
Bei bedrohlichen und/oder chronischen Verläufen kann
eine „off label“ Therapie mit Ribavirin zur Ausheilung und
Vermeidung einer Lebertransplantation eingesetzt werden. Ein Impfstoff zur Prävention der Hepatitis-E-Infektion
in Süd-Ost-Asien ist in China zugelassen.
Schlussfolgerungen: Das Hepatitis-E-Virus ist in
Deutschland endemisch; die HEV-Infektion wird in ihrer
Häufigkeit unterschätzt. Insbesondere bei Risikogruppen
für einen schweren oder chronischen Verlauf sollte die Diagnose einer HEV-Infektion frühzeitig in Betracht gezogen
werden, da einige Patienten von der Therapie mit Ribavirin profitieren können.
Schlüsselwörter: Hepatitis E; chronische Hepatitis E;
Übertragung; Therapie; Epidemiologie
Klinikum Saarbrücken gGmbH
Peer reviewed article eingereicht: 12.08.2015, akzeptiert: 12.10.2015
DOI 10.3238/zfa.2015.0084–0088
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© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (2)
Background: Hepatitis-E-infection is often not considered as a differential diagnosis in patients presenting
with acute hepatitis. Since a positive hepatitis-E serology
is relatively frequently found in blood donors in Germany,
the infection should therefore be taken into account as a
possible diagnosis in cases with acute hepatitis. In this
context it has to be considered, that in up to 13 % of patients with a suspected drug induced acute hepatitis, a
hepatitis-E-infection is the real cause of the hepatitis.
Methods: Pragmatic PubMed literature search.
Results: Infection with the hepatitis-E-virus (HEV) genotype 3 by ingestion of insufficiently heated pork or wild
boar is the main mode of transmission of hepatitis E in
Germany. Overall it has a benign subclinical course with
complete healing. On the other hand acute HEV-infection
can take a severe course in patients with preexisting liver
disease. In developing countries HEV-genotype-1-infection can cause fulminant liver failure in pregnant women.
Immunosuppressed patients are at high risk of developing
chronic HEV-infection, progressing to liver cirrhosis. The
„off label” use of ribavirin can be considered both in patients with a severe acute course as well as in chronic
HEV-infection. A vaccine against HEV is available in China.
Conclusions: The hepatitis-E-virus is endemic in Germany; and the frequency of HEV-infection is underestimated. For patients at risk for a severe or chronic course
of the disease ribavirin might be a therapeutic option for
some patients.
Keywords: Hepatitis E; Chronic Hepatitis E; Transmission;
Therapy; Epidemiology
Radecke, Grandt:
Hepatitis E – eine häufig nicht berücksichtigte Differenzialdiagnose
Hepatitis E – a Frequently Overlooked Differential Diagnosis
Hintergrund
Ein 52-jähriger Patient wurde unter dem
Bild einer akuten Hepatitis stationär aufgenommen. Aufgrund der Behandlung
mit Allopurinol, das laut Fachinformation in bis zu 6 % der Patienten eine Hepatitis verursachen kann, war nach Ausschluss anderer Ursachen der Verdacht
auf eine medikamentös-toxische Hepatitis gestellt worden. Die ergänzend
durchgeführte Diagnostik zeigte IgM
Antikörper gegen das Hepatitis-E-Virus
(HEV), sowie eine positive HEV-PCR im
Blut und bestätigte so die Diagnose einer
akuten Hepatitis E. Kein Einzelfall, insbesondere bei älteren, polypharmakotherapierten Patienten mit V.a. medikamentös-toxische Hepatitis wird nur selten an die Möglichkeit einer akuten Hepatitis E gedacht. Schätzungen zufolge
liegt in ca. 3–13 % der Fälle mit vermuteter medikamentös-toxischer Hepatitis
tatsächlich eine Infektion mit dem Hepatitis-E-Virus vor [1].
Im Folgenden möchten wir Antworten auf praxisrelevante Fragestellungen
zur Epidemiologie, Diagnostik, Verlauf
und Therapie der Hepatitis E geben.
Suchmethodik
Der Übersicht zugrunde liegt eine pragmatische Literaturrecherche in der Datenbank PubMed der US National Library of Medicine.
Antworten auf häufige Fragen
1. Wie häufig ist die Hepatitis E
weltweit und in Europa?
Das HEV ist ein 7,2 kb großes, nicht umhülltes Einzel-Plusstrang RNA Virus aus
der Familie der Hepeviridae. Es wurde
erstmals 1983 als fäkal-oral übertragbarer Erreger einer Non-A, Non-B Hepatitis identifiziert [2–4] .
Die HEV-Infektion ist die weltweit
häufigste Ursache einer akuten viralen
Hepatitis und verantwortlich für große
Hepatitis-Ausbrüche in den Entwicklungsländern. Jährlich werden in Afrika,
Asien und Zentralamerika ca. 20 Millionen Menschen infiziert. Sechs von sieben Infektionen verlaufen asymptomatisch. Die Mortalitätsrate beträgt ca.
2 %, entsprechend ca. 70.000 Todesfäl-
len durch Hepatitis E weltweit jedes Jahr
[2–4].
Dass die Hepatitis-E-Infektion auch
in den westlichen Industrieländern prävalent ist und ohne Reiseanamnese, d.h.
autochthon, erworben werden kann, ist
weniger bekannt. Der Südwesten Frankreichs gilt dabei als das HEV-Hyperendemie Gebiet Europas. In der Region um
Toulouse wird die Seroprävalenz von
HEV bei Blutspendern mit 52,5 % angegeben [5]. Die HEV-IgG Seroprävalenz
bei Blutspendern in Deutschland liegt
zwischen 6,8–16,8 %. Übertragen auf
die Gesamtbevölkerung in Deutschland
entspricht dies einer absoluten Zahl von
ca. 5–13 Millionen Menschen mit positiver Hepatitis-E-Serologie. 2014 wurden in Deutschland 670 Fälle einer
symptomatischen Hepatitis E gemeldet,
wobei die Mehrzahl autochthon erworben wurde [4, 6].
2. Wie wird die Hepatitis E
übertragen?
Es sind insgesamt vier humanpathogene
HEV-Genotypen bekannt. In Europa
und den USA herrschen Infektionen
durch den HEV-Genotyp 3 (HEV 3) vor,
in den industrialisierten Regionen SüdOst-Asien kommen sowohl HEV 3 als
auch HEV 4 vor. In Entwicklungsländern Afrikas, Asiens und Zentralamerikas dominieren Infektionen durch das
HEV 1 und 2. Dies ist kein Zufall, sondern Folge eines relevanten Unterschieds zwischen den Genotypen: Für
HEV 1 und HEV 2 ist der Mensch einziges Reservoir. Die Übertragung durch
mit Fäkalien kontaminiertes Wasser
wird durch niedrige Hygienestandards
begünstigt und erfolgt damit vor allem
in Entwicklungsländern. Im Gegensatz
zu HEV 1 und 2 können HEV 3 und 4
neben dem Menschen auch Wildtiere,
Schweine und Nagetiere infizieren.
HEV 3 und 4 sind daher Verursacher von
autochthonen HEV-Infektionen in
Europa und den USA bzw. Süd-Ost
Asien. Die Übertragung vom Tier auf
den Menschen findet hauptsächlich
über den Konsum von nicht ausreichend gegartem Schweine- oder Wildtierfleisch statt. Aufgrund der Unterschiede in der Übertragungsweise wird
die HEV 1- und 2-Infektion auch als die
nicht-zoonotische, die HEV 3- und 4-Infektion als die zoonotische HEV-Infektion bezeichnet [2–4].
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Auch eine Übertragung des HEV
durch Bluttransfusionen, gemeinsam
benutztes Spritzenbesteck bei Drogenabhängigen, eine perinatale- und intrauterine Mutter-Kind Übertragung und
die Übertragung durch Organtransplantationen ist beschrieben [2–4].
3. Wie ist der Verlauf der akuten
HEV-Infektion?
Die überwiegende Zahl der HEV-Infektionen verlaufen klinisch inapparrent
und heilen folgenlos aus. Symptomatische Verläufe manifestieren sich in
5–20 % der Infektionen nach einer Inkubationszeit von zwei bis sechs Wochen. Klinische Symptome sind abdominelle Schmerzen, Hepatomegalie,
Fieber, Arthralgien, Inappetenz und
Abgeschlagenheit. In 40–75 % der
symptomatischen Patienten tritt ein Ikterus auf. Laborchemisch finden sich
typischerweise deutlich erhöhte Transaminasen (GPT 1000–1500 IU/ml), jedoch sind auch Verläufe mit nur moderat erhöhten Transaminasen möglich.
Die klinische und laborchemische Besserung der HEV-Infektion zeigt sich
beim unkomplizierten Verlauf nach
vier bis sechs Wochen. Die meisten
symptomatischen Infektionen bei immunkompetenten Patienten heilen
spontan aus. In 0,5–4 % kommt es jedoch zu einem komplizierten bzw. fulminanten Verlauf mit zunehmendem
Leberversagen. Hiervon sind v.a. Risikogruppen, nämlich Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung und bei
der HEV 1-Infektion v.a. Schwangere
betroffen [2, 3]. Die 1-Jahres-Mortalität
von Patienten mit chronischer Lebererkrankung, deren Leberfunktion unter
einer akuten Hepatitis E dekompensiert, beträgt bis zu 70 % [7, 8]. Während schwere Verläufe bei Patienten
mit vorbestehender Lebererkrankung
unabhängig vom HEV-Genotyp auftreten [9], ist das fulminante Leberversagen bei der HEV-Infektion in der
Schwangerschaft auf HEV 1 und mit
deutlich geringerem Risiko auf HEV 2
beschränkt und damit typischerweise
auf Entwicklungsländer begrenzt. Hier
stellt die akute Hepatitis E die häufigste
Ursache von Schwangerschafts-assoziierten Komplikationen dar. Fulminate
Verläufe bei Schwangeren durch das
HEV 3 oder 4 sind dagegen sehr selten
[2–4].
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Radecke, Grandt:
Hepatitis E – eine häufig nicht berücksichtigte Differenzialdiagnose
Hepatitis E – a Frequently Overlooked Differential Diagnosis
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4. Existiert ein chronischer Verlauf
der Hepatitis E?
5. Gibt es extrahepatische Manifestationen der Hepatitis E?
Galt die Hepatitis E, analog zur Hepatitis
A, früher als ausschließlich akut verlaufende Hepatitis ohne chronisch persistierenden Verlauf, hat sich diesbezüglich die Erkenntnislage in den letzten
Jahren geändert. Seit 2008 werden in
den Industrieländern vermehrt auch
chronische Verläufe der Hepatitis E bei
immunsupprimierten Patienten beobachtet. Eine persistierende HEV-Replikation wurde bei organtransplantierten
Patienten, HIV-infizierten Patienten, Patienten mit hämatologischer Grunderkrankung unter Chemotherapie und
Hämodialyse-Patienten nachgewiesen
[3, 10]. Einzelne chronifizierte Fälle wurden auch bei immunkompetenten Patienten gefunden. Die chronische Hepatitis E kann bei immunsupprimierten
Patienten rasch-progredient verlaufen:
Mit der Entwicklung einer Zirrhose ist in
ca. 10 % der chronisch infizierten Patienten zu rechnen. In der Literatur ist
die Zeitspanne von der Diagnose einer
chronischen Hepatitis E bei immunsupprimierten Patienten bis zur Entwicklung einer Leberzirrhose von einem Jahr
bis zu fünf Jahren angegeben [10–12].
Klinisch ist die chronische Hepatitis E meist asymptomatisch. Laborchemisch finden sich typischerweise moderat erhöhte Transaminasen [2]. Die chronische Hepatitis E ist in den westlichen
Industrienationen auf das HEV 3 zurückzuführen. Chronische Infektionen
durch HEV 1 oder 2 sind bisher nicht beschrieben. Eine Fallbeschreibung aus
China dokumentiert eine chronische
HEV 4-Infektion [2, 3, 13].
Die chronische Hepatitis E wird bei
ca. 1–3 % der organtransplantierten Patienten gefunden, die damit die größte
Gruppe von betroffenen Patienten darstellen. Organtransplantierte Patienten,
die sich mit dem HEV infizieren, entwickeln in ca. 60 % eine chronische Hepatitis E. Bei organtransplantierten Patienten stellen die immunsuppressive Therapie mit Tacrolimus und eine niedrige
Thrombozytenzahl unabhängige Risikofaktoren für die Entwicklung einer
chronischen Hepatitis E dar. Bei HIV-Patienten liegt die Prävalenz der chronischen Hepatitis E zwischen 0–0,5 %.
Sie ist damit deutlich geringer als bei
Immunsuppression anderer Genese [4,
11, 12].
In der Literatur finden sich Berichte
über extrahepatische Krankheitsbilder,
die mit einer Hepatitis E assoziiert sind.
Mit einer neurologischen Begleitsymptomatik (z.B. Guillan-Barre Syndrom,
Meningoencephalitis oder neuralgischen Amyotrophie) ist in ca. 5 % der
Fälle einer symptomatischen Hepatitis
E zu rechnen. Vereinzelt gelingt dabei
ein HEV-RNA Nachweis im Liquor.
Häufig wurde eine Besserung der neurologischen Symptome beobachtet, wenn
sich die initial positive HEV-RNA nicht
mehr nachweisen lässt [14]. Als weitere
extrahepatische Manifestationen der
HEV-Infektion sind das Auftreten einer
Kryoglobulinämie, eine Glomerulonephritis und eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS)
beschrieben [2–4].
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6. Wann ist eine Diagnostik auf
Hepatitis E indiziert?
In folgenden Situationen sollte eine Diagnostik auf das Vorliegen einer Hepatitis E erfolgen:
1. Bei allen immunkompetenten Patienten mit einer akuten, nicht länger als drei Monate bestehenden Hepatitis (Leitsymptom: GPT > 10fach
erhöht, Ikterus), sofern keine andere
Ursache für die Hepatitis vorliegt.
2. Bei immunsupprimierten Patienten
mit unklarer akuter oder chronischer
Hepatitis.
3. Bei Patienten mit einer akuten Hepatitis, die sich kürzlich (< 3 Monate) in
Endemiegebieten mit niedrigen Hygienestandards aufgehalten haben
und somit einem erhöhtem Risiko
für eine fäkal-oral übertragene Virushepatitis (HAV und HEV) ausgesetzt
waren.
7. Wie wird eine Hepatitis E
diagnostiziert ?
Ausschluss einer Hepatitis E:
Der Ausschluss einer akuten oder zurückliegenden Hepatitis E erfolgt bei
immunkompetenten Patienten durch
Antikörpernachweis. Während der
HEV-IgM-Antikörpertiter zwei bis drei
Wochen nach Symptombeginn wieder
abfällt, können HEV-IgG-Antikörpertiter ein bis zwei Wochen nach dem
Auftreten von HEV-IgM-Antikörpern
nachgewiesen werden. HEV-IgG-Antikörper persistieren als Zeichen einer
stattgehabten HEV-Infektion.
Abklärung des Verdachts auf eine akute
Hepatitis E:
Bei einer akuten Hepatitis E zeigt sich in
der Regel ein positiver Nachweis von
HEV-IgM-Antikörpern mittels ELISA
(Suchtest) und Immunoblot (Bestätigungstest).
Ab zwei Wochen vor Auftreten von
Symptomen ist die HEV-RNA in Blut
und Stuhl nachweisbar. Bereits zwei bis
vier Wochen nach dem Auftreten der
ersten Symptome sistiert die im Blut
nachweisbare Virusreplikation (HEVPCR dann negativ). Im Stuhl gelingt der
positive HEV-RNA Nachweis bis ca.
sechs bis acht Wochen nach Auftreten
der Symptomatik. Der alleinige fehlende HEV-RNA Nachweis im Blut schließt
somit in der späteren Phase der akuten
HEV-Infektion diese nicht sicher aus
[2–4, 11].
Abklärung des Verdachts auf eine chronische Hepatitis E:
Zur Diagnose einer chronischen Hepatitis E ist der persistierende Nachweis
von HEV-RNA mittels PCR zwingend.
Bei Nachweis der HEV-RNA im Blut
oder Stuhl über mindestens drei Monate kann von einem chronischen Verlauf ausgegangen werden, bei Nachweis über mehr als sechs Monate gilt
die chronische Hepatitis E als gesichert. Der HEV-Antikörpernachweis
spielt zur Diagnose der chronischen
HEV-Infektion eine untergeordnete
Rolle [2–4].
8. Wie wird die symptomatische
Hepatitis E therapiert?
Therapie bei akuter Hepatitis E mit unkompliziertem Verlauf:
Bei der überwiegenden Mehrzahl der
Patienten mit einer unkomplizierten,
akuten Hepatitis E ist von einem selbstlimitierenden, benignen Verlauf auszugehen. Supportive Maßnahmen und
Kontrollen des klinischen Verlaufs sind
ausreichend [7].
Therapie bei akuter Hepatitis E mit schwerem, kompliziertem Verlauf:
Es gibt keine für die Behandlung der
Hepatitis E zugelassenen Arzneimittel
Radecke, Grandt:
Hepatitis E – eine häufig nicht berücksichtigte Differenzialdiagnose
Hepatitis E – a Frequently Overlooked Differential Diagnosis
Dr. med. Klaus Radecke ...
... Jahrgang 1970, Studium der Humanmedizin in Mainz, 1997
Promotion, 2005 Facharzt für Innere Medizin, 2006 Schwerpunkt Gastroenterologie, seit 2007 Oberarzt in der Medizinischen Klinik I, Klinikum Saarbrücken. Klinische Schwerpunkte:
Gastroenterologie, Hepatologie, Endoskopie
und keine durch kontrollierte, randomisierte Studien abgesicherte Behandlung. Fallberichte beschreiben den erfolgreichen „off-label“ Einsatz des für
die Therapie der Hepatitis C zugelassenen Nukleosidanalogons Ribavirin bei
Patienten mit akuter Hepatitis E und
drohendem Leberversagen [9, 15, 16].
Die eingesetzte Dosis lag zwischen
200–1200 mg Ribavirin p.o. tgl., die
Therapiedauer zwischen drei und
24 Wochen.
Auch für schwere neurologische
Symptome im Rahmen einer akuten Hepatitis E beschreiben Einzelfallberichte
eine Besserung unter einer Therapie mit
Ribavirin. Bei Schwangeren ist Ribavirin
wegen des teratogenen Risikos kontraindiziert. Im Einzelfall wird der Einsatz
wegen der hohen Mortalität der HEV
1-Infektion in der Schwangerschaft
(10–30 %) bei fehlenden therapeutischen Alternativen diskutiert [2, 7].
Therapie der chronischen Hepatitis E:
Erste therapeutische Option bei immunsupprimierten Patienten mit chronischer Hepatitis E ist die Reduktion der
Immunsuppression, insbesondere der
T-Zell-spezifischen Immunsuppressiva
(z.B. Tacrolimus oder Ciclosporin), soweit dies nicht ein unverhältnismäßig
hohes Risiko der Transplantatabstoßung induziert. Hierdurch ist eine Ausheilung der HEV-Infektion in ca. 30 %
der Fälle zu erreichen. Eine Reduktion
der Immunsuppression bei lebertransplantierten Patienten ist dabei mit einem im Vergleich zu nieren-, herz- und
lungentransplantierten Patienten geringeren Risiko einer Abstoßungsreaktion assoziiert. Bei letztgenannten Patienten ist eine Reduktion der Immunsuppression in der Regel nur selten
möglich [7, 17].
Die meisten Daten zur medikamentösen Therapie der chronischen Hepatitis E liegen für Ribavirin bei Patienten
mit Zustand nach Organtransplantati-
on vor. In einer multizentrischen, retrospektiven Fall-Studie zeigten 46 von 59
organtransplantierten Patienten (78 %)
eine Ausheilung der chronischen Hepatitis E durch Behandlung mit Ribavirin.
Die Behandlung erfolgte im Mittel über
drei Monate, die mediane Dosierung
betrug 600 mg Ribavirin p.o. pro Tag.
Die Verlängerung der Therapiedauer
scheint die Wahrscheinlichkeit einer
Ausheilung noch zu erhöhen [7, 18].
Einzelfallberichte beschreiben eine
erfolgreiche Behandlung der chronischen Hepatitis E mit pegyliertem Interferon-α2a/b (Peg-IFN) als Mono- oder
als Kombinationstherapie mit Ribavirin. Allerdings sind weder Ribavirin,
noch pegyliertes Interferon-α2a/b für
die Therapie der Hepatitis E zugelassen.
9. Gibt es eine Impfung gegen
die Hepatitis E?
Zwei effektive Vakzine gegen HEV wurden entwickelt. In zwei großen placebokontrollierten Studien zeigte sich in
95–100 % ein effektiver, präventiver
Schutz in Hochrisikogebieten mit hoher
Prävalenz der HEV 1- und 4-Infektion.
Eine der beiden Vakzine (HEV 239) ist in
China zugelassen [19, 20]. Ein Schutz
dieser Vakzine gegen eine HEV 3-Infektion ist nicht erwiesen. Sowohl eine
Impfung als auch eine ausgeheilte HEVInfektion vermitteln in der Regel einen
Schutz gegen eine symptomatische Hepatitis E; eine Re-Infektion mit abgeschwächtem/asymptomatischen Verlauf kann jedoch trotzdem auftreten.
Weitere Maßnahmen zur Prävention einer HEV-Infektion beinhalten:
Entwicklungsländer:
Wichtigste
Maßnahme stellt die Verbesserung der
sanitären Infrastruktur, insbesondere
die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser dar.
Industrieländer: Einer zoonotischen HEV-Infektion kann durch ausreichendes Garen von Schweine- und
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Wildfleisch vorgebeugt werden. Die
Hepatitis E ist in Deutschland gemäß
Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.
Personen, die an einer Hepatitis E erkrankt sind, dürfen nicht in Küchen
und Gemeinschaftseinrichtungen und
Lebensmittelbetrieben arbeiten.
In Deutschland werden Blutkonserven nicht routinemäßig auf HEV untersucht. Bei acht von 10.000 Blutspenden
kann eine positive HEV-PCR nachgewiesen werden. Eine Übertragung
von HEV durch Blutkonserven ist beschrieben. Ein Screening von Blutkonserven auf HEV wird diskutiert [4].
Empfehlungen für die Praxis
Der HEV-Genotyp 3 ist in Deutschland
endemisch. Wichtigstes Reservoir sind
Schweine- und die Wildtierpopulationen. Autochthone Infektionen erfolgen durch den Genuss ungenügend gegarten, infizierten Fleisches und verlaufen in der Mehrzahl der Fälle klinisch
inapparent. Bei Risikogruppen (leberkranke Patienten, Schwangere, immunsupprimierte Patienten) können schwere Verläufe auftreten. Die Hepatitis E
sollte bei akuter Hepatitis, auch wenn
eine medikamentös-toxische Genese
vermutet wird, differenzialdiagnostisch
in Betracht gezogen werden. Eine Abklärung erfolgt durch Untersuchung
auf HEV-IgM/IgG-Antikörper. Eine negative HEV-PCR im Blut alleine kann eine akute Hepatitis E im späteren Krankheitsverlauf nicht sicher ausschließen.
Chronische Verläufe können v.a. bei
immunsupprimierten Patienten auftreten. Die „off-label“ Behandlung mit Ribavirin kann zur Ausheilung einer
schwer verlaufenden akuten oder chronischen Hepatitis E führen.
Interessenkonflikte: KR hat Vortragshonorare von Falk Foundation,
MSD Sharp Dome und Bristol-Myers
Squibb erhalten. DG hat keine Interessenkonflikte angegeben.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Klaus Radecke,
Klinikum Saarbrücken gGmbH
Klinik für Innere Medizin I
Winterberg 1
66119 Saarbrücken
[email protected]
© Deutscher Ärzte-Verlag | ZFA | Z Allg Med | 2016; 92 (2)
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50. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin
Tradition wahren – Aufbruch gestalten – Hausärzte begeistern
29. September bis 1. Oktober 2016 in Frankfurt am Main
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