Effizienz in der Werbung | 57 handelszeitung | Nr. 21 | 25. Mai 2016 Waren gegen Werbung Limmatkontor Eine Zürcher ­Spezialagentur will das Modell «media4goods» in der Schweiz etablieren. Gründungspartner war das deutsche Rheinkontor. W Denise Weisflog as macht ein Hersteller von Babynahrung, wenn er auf einem Bestand von beschränkt haltbaren Produkten sitzen bleibt? In der Regel vernichtet er ihn, denn zusätzliche Rabatte würden der hochwertigen Marke schaden. Ein neues Geschäftsmodell kann hier Abhilfe schaffen. Die Zürcher Agentur Limmatkontor tauscht Mediendienstleistungen gegen Waren. «Kunden können über uns bestimmte Ausgaben mit eigenen Produkten bezahlen», sagt Christoph Schneider, Geschäftsführer von Limmatkontor. Das Startup kauft Waren oder Dienstleistungen auf eigene Rechnung und vertreibt sie weiter. «Typischerweise übernehmen wir abschreibungsbedrohte Produkte und bieten im Gegenzug ein bis zu zwei Jahre gültiges Guthaben, das für die Bezahlung von Werbung oder Druck eingesetzt wird», erklärt Schneider. Innovative Schweiz, seriöse Kaufleute Im Falle des Babynahrungsherstellers erwarb Limmatkontor die Ware zu Konditionen, als wäre sie gerade aus der Produktion gekommen und vermittelte sie an eine humanitäre Organisation, die Babynahrung für Kinder in Syrien brauchte. Das Guthaben, das der Kunde für den Kaufpreis erhielt, wurde eingesetzt, um via Limmatkontor anteilige Werbung in ­unterschiedlichen Schweizer Print- und anzeige Online-Medien zu bezahlen. «Eine WinWin-win-Situation», meint Schneider. Die Idee für das Tauschmarktsystem kam dem Wahl-Herrliberger vor mehr als zehn Jahren. Damals arbeitete er beim Axel Springer Verlag in Berlin und hatte erstmals Kontakt zu einem Unternehmen, das auf das Modell «media4goods» setzte. «Das Konzept stammt aus den USA. Es beruht auf der engen Verknüpfung von Handel und Medien – zwei ganz verschiedene Bereiche, die mich schon immer fasziniert haben», sagt Schneider. Nach intensiven Marktrecherchen gründete er 2013 mit zwei Partnern Limmatkontor. «Limmat» steht für die innovative Schweiz, «Kontor» für ein Büro seriöser Kaufleute. Das Konzept «media4goods» stammt aus den USA. Es beruht auf der Verknüpfung von Handel und Medien. Die Kunden der Agentur sind in der ­ egel mittelgrosse Firmen, darunter viele R Konsumgüterhersteller aus den Bereichen Uhren, Schmuck, Kosmetik, Nahrungsmittel, Elektrogeräte, Spielwaren, Textilien und Haushaltsprodukte. Daneben arbeitet Limmatkontor auch mit Dienstleistungsunternehmen zusammen. Als Gegenleistung für die Services aus den Bereichen TV, Print, Plakate, Kino, Radio, Online, ­Social Media und Mobile werden alle üblichen Handelswaren akzeptiert. Schwierig seien dagegen Nahrungsmittel mit einer Restlaufzeit von wenigen Tagen. «Wenn wir uns jedoch frühzeitig mit dem Kunden zusammensetzen, können selbst solche Produkte in Werbeleistungen umgewandelt werden», sagt Schneider. Die erworbenen Waren verkauft Limmatkontor in Absprache mit dem Kunden. «Wenn uns ein Unternehmen Vorgaben macht oder wir uns an Restriktionen für den Weiterverkauf halten müssen – etwa im Falle eines Ausschlusses bestimmter Länder oder Vertriebskanäle – halten wir uns selbstverständlich daran.» Man ver­ füge über ein internationales Vertriebsnetz und suche Käufer, die das Vertriebsnetz des Kunden nicht tangierten. Dabei profitiert die Spezialagentur vom Netzwerk und Know-how des Kölner Gründungspartners Rheinkontor, der seit über zwölf Jahren aktiv im Bereich «media4goods» tätig ist. Das Warenrisiko liegt ­immer bei Limmatkontor. «In der Regel sondieren wir die Vertriebsmöglichkeiten vor dem Vertragsabschluss. Aber wir müssen die Ware verkaufen, das ist sehr wichtig», erklärt Schneider. Laut dem Agenturgründer eignet sich das Modell «media4goods» für fast alle Firmen. Insbesondere für solche, die vor dem Problem stünden, immer wieder Warenposten mit hohen Rabatten verkaufen zu müssen. «Diese Produkte landen dann auf den einschlägigen Wühltischen oder beim Restpostenverwerter. Sie schädigen die Marke und somit das Unternehmen.» Lösung für gekürzte Mediabudgets Mit seiner Dienstleistung spreche Limmatkontor zudem Firmen an, die einen anderen Weg gehen und versuchen würden, abschreibungsbedrohte Waren im europäischen Ausland oder einem anderen Kontinent zu verkaufen. Dadurch erziele man selbst für hochwertige Produkte extrem schlechte Preise. «Über uns erhält der Produzent oder Händler einen höheren Preis, der dem ursprünglich regulären Verkaufspreis nahekommt oder voll entspricht. Auf diese Weise werden Abschreibungen vermieden», sagt Schneider. Auch die Preise für die Mediendienstleistungen entsprechen ihm zufolge den Swiss Effie 2016 – Silber: Wirz mit «Migros – A vs. B – The Battle of Tastes» für Migros. üblichen Marktpreisen. «Wir vergleichen immer zwischen Brutto-Media und Brutto-Ware», sagt Schneider. Er betont, dass Limmatkontor kein Restplatzverwerter ist. Gemeinsam mit dem Kunden würde die erforderliche Mediendienstleistung definiert, wobei man so weit wie möglich Wünsche berücksichtige. Wie auch bei der klassischen Medienplanung sei die Agentur von unterschiedlichen Faktoren wie Verfügbarkeiten und Vorgaben der Vermarkter oder Produzenten abhängig. Schneider, der «media4goods» in der Schweiz etablieren will, ist der Meinung, dass das System die Lösung für gekürzte Medienbudgets ist. Man bediene jedoch auch Firmen, die so ihren Werbeetat signifikant erweitern und die zu buchenden Medialeistungen mit Ware bezahlen würden. Ob das Modell hierzulande Schule machen wird, ist noch unklar. Zurzeit arbeitet Limmatkontor daran, seine Dienstleistung bekannter zu machen. «Unser Ziel ist es, als Alternative zum Restpostenhändler wahrgenommen zu werden», sagt Schneider. Die Agentur plane, weiteres Personal einzustellen und Büros in der Romandie und dem Tessin zu eröffnen.