Messgeraete

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Institut für Elektrotechnik
Übungen zu Elektrotechnik I
Laborunterlagen
Version 3.0, 02/2002
4 Messgeräte
4.1 Allgemeines
Definitionen
Absoluter Fehler Fa:
Fa = X A − X W
(4.1)
Relativer Fehler Fr:
Fr =
XA − XW
⋅ 100
XW
XA
XW
(4.2)
... angezeigter Wert („Istwert“)
... wahrer Wert („Sollwert“)
Klassengenauigkeit („Fehlerklasse“) bei analogen Messgeräten
Diese gibt den maximal auftretenden Fehler in [%] des Messbereichs-Endwertes des
Messgerätes bei Nennbedingungen (Temperatur, Frequenz, Kurvenform, ...) an. Die
Genauigkeitsklasse ist in der Anzeigeskala des analogen Messgerätes angegeben.
Da sich die Klasse auf den Messbereichs-Endwert bezieht, bedeutet dies bei kleinen
Zeigerausschlägen zwangsläufig einen höheren relativen Fehler (in [%]), während der
absolute Fehler (in [A]) gleich bleibt!
Dies soll folgendes Beispiel verdeutlichen (wobei der Messgeräte-Typ nicht untersucht wird).
100
90
80
70
60
110 120
Beispiel (Abb. 4.1):
Genauigkeitsklasse Kl. = 1.0 (entspricht 1.1 A),
Messbereichs-Endwert = 110 A
Messbereich: 20 A ... 110 A
Anzeigebereich: 0 A ... 120 A
50
40
30
A
à nichtlinearer Anfangsbereich: 0 ... 20 A
nichtlinearer Überlastbereich: 110 A ... 120 A
20
0
1,0
Abb. 4.1
Seite 4.1 (von 24)
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Fehlerbetrachtung:
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Bei Messstrom = 110 A:
X A,max,min = X W ± 1.1 = 111.1 A; bzw.108.9 A
Fa,max = (X W ± 1.1) − X W = ±1.1 A
Fr,max =
(X W
± 1.1) − X W
⋅ 100 = ± 1.1%
XW
Bei Messstrom = 50 A:
X A,max,min = X W ± 1.1 = 51.1A; bzw.48.9 A
Fa,max = (X W ± 1.1) − X W = ±1.1A
Fr,max =
(X W
± 1.1) − X W
⋅ 100 = ± 2.2%
XW
Bei Messstrom = 25 A:
X A,max,min = X W ± 1.1 = 26.1A; bzw.23.9 A
Fa,max = (X W ± 1.1) − X W = ±1.1A
Fr,max =
Fr
Fr
10
[%]
100
(X W
± 1.1) − X W
⋅ 100 = ± 4.4%
XW
[%]
8
6
10
4
2
XA / ME
XA / ME
1
1
10
100
[%]
20
Abb. 4.2
40
60
80
100
[%]
Abb. 4.3
Zur Veranschaulichung ist für ein Messgerät der Klasse 1.0 in Abb. 4.2 die starke Zunahme
des relativen Messfehlers Fr bei kleinen Messwerten in logarithmischer Skalierung und in
Abb. 4.3 in linearer Skalierung dargestellt. Auf der Abszisse ist der angezeigte Messwert XA
bezogen auf den Messbereichs-Endwert ME in [%] angegeben. Für unser Beispiel ist 100 %
also mit 110 A als Messbereichs-Endwert gleichzusetzen, bei welchem der angenommene
Klassenfehler von 1 % Gültigkeit besitzt.
Aus dieser Überlegung folgt die Forderung nach überlegter Auswahl der Messgeräte:
Der Messbereich des verwendeten Messgerätes sollte zur Vermeidung großer Messfehler so
eingestellt werden, dass die zu messende Größe größer als 1/3 des Messbereichsendwertes
ist.
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Fehlerangabe bei digitalen Messgeräten
Bei digitalen Messgeräten ist der Bezug der Fehlerangabe nicht genormt, so dass auf den
Messgeräten angegeben wird, ob sich der Gerätefehler in [%] auf den MessbereichsEndwert oder auf den aktuellen Messwert bezieht.
Einstellzeit
Die Zeit, die der Zeiger benötigt, bis er nach einer sprungartigen Änderung der Messgröße in
den Toleranzbereich der Klassenungenauigkeit eingeschwungen ist. Ursache sind bei
analogen Messgeräten die mechanische Zeigerträgheit und bei digitalen Messgeräten die
notwendigen internen Signalumsetzungen.
Empfindlichkeit
Diese definiert die Änderung des Messgeräte-Zeigerausschlages bezogen auf die Änderung
der Messgröße.
S=
∆α Zeigerausschlag − Änderung
=
∆x
Meßgrößen − Änderung
(S ... Sensitivity)
(4.3)
4.2 Analoge Messgeräte
4.2.1 Drehspul-Messgerät
Abb. 4.5:
Symbol für
Drehspulmesswerk
Abb. 4.6
Abb. 4.4
Seite 4.3 (von 24)
Symbol für
Drehspulmesswerk
mit Gleichrichter
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Abb. 4.7
Bildung des Zeigerausschlags
Der Aufbau des Messgerätes ist in zwei verschiedenen Abbildungen (Abb. 4.4, Abb. 4.7)
gezeigt. Eine drehbar gelagerte Spule befindet sich im radial homogenen Magnetfeld eines
Permanentmagneten. Wenn nun die Spule von einem Strom durchflossen wird (in diesem
Fall ist es der zu messende Strom) dann erfährt jeder Leiter der Spule eine Kraft gemäß
(
r
r r
F = I⋅ l ×B
)
(4.4)
Wenn B und l normal aufeinander stehen, gilt
F = I⋅l ⋅B
(4.5)
Gesamtkraft aller w Windungen der Spule
Fges = w ⋅ I ⋅ l ⋅ B
(4.6)
Jede Windung (zwei Leiter) bildet einen Hebelarm um die Drehachse des Zeigers, wodurch
sich ein stromproportionales, elektrisches Moment Me auf die Spule ergibt:
Me = 2 ⋅ r ⋅ w ⋅ I ⋅ l ⋅ B = k ⋅ I
(4.7)
Die Spule ist über eine Spiralfeder - welche sowohl der Stromzuführung als auch als
mechanisches Gegenmoment dient - drehbar gelagert, wodurch die Spule ein
drehwinkelproportionales Gegendrehmoment Mmech erfährt
Mmech = D ⋅ α
(4.8)
(... D: Drehfeder-Konstante, α: Drehwinkel)
Seite 4.4 (von 24)
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Die Spule wird durch den fließenden Strom I so weit verdreht, bis das elektrische,
auslenkende Moment Me gleich dem rückstellenden Drehmoment Mmech wird.
Mmech = M e
(4.9)
2 ⋅ r ⋅ w ⋅I⋅ l ⋅B = D ⋅ α
(4.10)
Somit ergibt sich ein Zeigerausschlagwinkel α, welcher proportional zum Messstrom I ist:
α=
2 ⋅ r ⋅ w ⋅I⋅ l ⋅B
= k1 ⋅ I
D
(4.11)
α ≈ i( t )
(4.12)
Dämpfung:
Nachdem jedes Masse-Feder-System (in diesem Fall aus drehbar beweglicher Spulenmasse
und Drehfeder bestehend) mechanische Schwingungen ausführt, bevor es den stationären
Ruhezustand annimmt, wird auch der Zeiger des Messgerätes erst nach Ablauf dieser
mechanischen Einstellzeit eine ruhende Anzeige des Messwerts ermöglichen. Die
Gleichungen (4.9) und (4.10) stellen somit das statische Gleichgewicht der wirkenden
Momente dar, welches sich erst nach Abklingen der Einschwingvorgänge einstellt.
Zur Verkürzung dieser Einstellzeit wird die drehbare Spule auf einem Aluminiumrahmen
gewickelt. Bei jeder zeitlichen Änderung des Magnetfeldes, welches ein magnetisch
leitfähiges Material durchsetzt, werden in diesem Material Spannungen induziert, welche
aufgrund des geringen magnetischen Widerstandes von Aluminium in diesem Ströme
hervorrufen („induzieren“). Diese sogenannten „Wirbelströme“ erzeugen ein Magnetfeld,
welches ihre Ursache (i.e. die Bewegung der stromdurchflossenen Spule) zu hemmen
versucht, also dämpft.
Diese dämpfende Wirkung ist proportional zur Änderungsgeschwindigkeit des Magnetfeldes
und somit proportional zur Winkelgeschwindigkeit des Zeigers, wodurch ja eine
Dämpfungseinrichtung charakterisiert ist.
Abb. 4.8
Seite 4.5 (von 24)
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In Abb. 4.8 sind drei typische Fälle gezeigt:
• Kriechende Einstellung des Anzeigewertes (starke Dämpfung)
• Aperiodischer Grenzfall (ideale Dämpfung)
• Überschwingen (geringe Dämpfung)
Es gilt also, einen Kompromiss zwischen hoher Empfindlichkeit (große Einstellzeit, geringe
Dämpfung) und geringer Einstellzeit (geringe Empfindlichkeit, große Dämpfung) zu finden.
Strommessung, Spannungsmessung
Das Drehspulmessgerät ist prinzipiell ein Strom-Messgerät, wird jedoch weitverbreitet als
Spannungsmesser verwendet, indem intern der Strom über einen definierten
Messwerkwiderstand geführt wird, an welchem die Messspannung abfällt.
Wechselgrößen
Bei Wechselströmen sehr kleiner Frequenz folgt der Zeiger dem Momentanwert des
Stromes, während bei genügend hohen Frequenzen (z.B. auch 50 Hz) der Zeiger aufgrund
seiner mechanischen Trägheit nicht mehr folgen kann und den zeitlichen Mittelwert anzeigt,
welcher bei sinusförmigen Wechselgrößen Null ist.
Um dennoch den Effektivwert von sinusförmigen Wechselgrößen zu messen, wird im
beschriebenen Messwerk ein Gleichrichter vorgeschaltet, so dass das Messwerk den
zeitlichen Mittelwert der gleichgerichteten Stromes i( t ) erfasst.
|i(t)|
t
T
Abb. 4.9
Der zeitliche Mittelwert i( t ) des von einem Vollweg-Gleichrichter gelieferten, pulsierenden
Gleichstromes i(t) ( = Gleichrichtwert) lautet:
i( t ) =
1 T
⋅ ∫ i( t ) ⋅ dt
T 0
(4.13)
Daraus folgt für den Gleichrichtwert einer pulsierenden Gleichspannung (Abb. 4.9):
i( t ) =
1 T/2
2
2
⋅ ∫ î ( t ) sin(ωt ) ⋅ dt = ..... = ⋅ i = ⋅ 2 ⋅Ieff = 0.9 ⋅ Ieff
T 0
π
π
Seite 4.6 (von 24)
(4.14)
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Damit ergibt sich für den Formfaktor F einer sinusförmigen Wechselgröße, welcher als
Verhältnis von Effektivwert zu Gleichrichtwert definiert ist:
F=
Ieff
= 1.11
i( t )
(4.15)
Die Skala des Messgerätes ist nun so eingeteilt, dass dieser Formfaktor F = 1.11
berücksichtigt wird. Somit wird der vom Zeiger gemessene Mittelwert des pulsierenden,
gleichgerichteten Stromes aufgrund der Skaleneinteilung mit dem Formfaktor für
sinusförmige Größen multipliziert.
Das Drehspulmessgerät mit eingebautem Gleichrichter zeigt ausschließlich für sinusförmige
Wechselgrößen den korrekten Effektivwert an, da der Formfaktor für andere Wechselgrößen
(z.B. Dreieckspannung, Rechteckspannung) nicht 1.11 beträgt (... andere Kurvenform für die
Integral-Berechnung gemäß Gleichung (4.12)).
4.2.2 Drehspul-Galvanometer
Galvanometer werden zur Messung sehr kleiner Spannungen und Ströme vor allem als NullAnzeigegeräte in Messbrücken (vgl. Kap. 3) verwendet.
Für die geforderte Messung sehr kleiner Messgrößen ist eine große Empfindlichkeit
notwendig, welche im Galvanometer durch ein schwache Dämpfung des Zeiger-FederSystems und eine Spule mit hoher Windungszahl (größere Ablenkkraft bei gleichem
Messstrom; siehe Gleichung (4.6)) erreicht wird. Dafür muss jedoch eine größere Einstellzeit
in Kauf genommen werden.
4.2.3 Dreheisen- Messgerät
Abb. 4.11
Symbol für
Dreheisenmessgerät
Seite 4.7 (von 24)
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Abb. 4.10
Abb. 4.12
Bildung des Zeigerausschlags
Im Magnetfeld der vom Messstrom durchflossenen Spule befinden sich ein festes und ein
bewegliches Blechplättchen, wodurch beide Plättchen vom selben Magnetfeld erfasst und
magnetisiert werden. Folglich stoßen sich die Plättchen gegenseitig ab, wodurch das
bewegliche, drehbar gelagerte Plättchen entsprechend der Größe des Messstromes
ausgelenkt wird.
Herleitung über Energiebilanz:
Von der Spule aufgenommene magnetische Energie:
Wmagn =
1
⋅ L ⋅ I2
2
(4.16)
Moment des bewegten Plättchens:
Me =
dW 1 dL(α ) 2
= ⋅
⋅I
dα 2 dα
(4.17)
Rückstellendes, mechanisches Gegenmoment:
Mmech = D ⋅ α
(4.18)
Gleichsetzen des elektrischen, auslenkenden Moments Me mit dem rückstellenden
mechanischen Moment Mmech liefert den Zeigerausschlagwinkel
α=
1 dL(α ) 2
⋅
⋅ I = f ( α ) ⋅ I2
2 ⋅ D dα
(4.18)
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α ≈ i( t )2
(4.19)
Der Zeigerausschlag ist direkt proportional zum Quadrat des Momentanwerts i(t).
Wechselgrößen
Die gewünschte Anzeigegröße ist der Effektivwert des gemessenen Stromes
( = Wurzel des quadratischen Mittelwerts):
Ieff =
1 T 2
⋅ ∫ i( t ) ⋅ dt
T 0
(4.20)
Es gilt nun, aus der Zeigerausschlag-Proportionalität zum quadratischen Mittelwert eine
Proportionalität zum Effektivwert herzustellen, was durch folgende zwei Maßnahmen erreicht
wird:
a.) Aufgrund der mechanischen Trägheit des Messwerk-Zeigers folgt der Zeiger nicht dem
schnell pulsierenden Quadrat i(t)2 des Momentanwerts des Messstromes (z.B. 50 mal pro
Sekunde bei einer Frequenz von 50 Hz), sondern folgt dem zeitlichen Mittelwert des
quadratischen Momentanwerts:
i( t ) =
1 T 2
⋅ ∫ i( t ) ⋅ dt
T 0
(4.21)
b.) Die Skala des Messgerätes wird nun nicht proportional zu diesem Mittelwert eingeteilt,
sondern durch spezielle Formgebung der Blechplättchen wird eine Wurzelabhängigkeit vom
Mittelwert ( = Effektivwert; Gl. 4.16) erreicht.
Das Dreheisen-Messgerät misst also ohne Umweg über Gleichrichter den echten
Effektivwert von Wechselgrößen jeder Art (z.B. Sinus-, Dreieck-, Rechtecksignale).
Das Dreheisen-Messwerk ist robust gegen Überlast, da es keine stromdurchflossenen
bewegten Teile enthält, und weist gegenüber dem Drehspul-Messwerk einen wesentlich
höheren Eigenverbrauch auf, da das magnetische Feld für die Zeigerauslenkung erst durch
den durch die Spule fließenden Messstrom aufgebaut werden muss (bei
Drehspulinstrumenten: Permanentmagnet).
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4.2.4 Elektrodynamisches Messgerät
Abb. 4.14
Symbol für
elektrodynamisches
Messgerät
Abb. 4.13
Abb. 4.15
Bildung des Zeigerausschlags
Dieses Messwerk kann als Sonderfall eines Drehspul-Messwerks angesehen werden,
dessen feststehender Permanentmagnet durch eine von einem zweiten Messstrom
durchflossene Spule ersetzt ist. Es fließt also ein Messstrom I2 durch die bewegliche Spule
und ein Messstrom I1 durch die feststehende Spule.
Seite 4.10 (von 24)
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Die Herleitung der Gleichung für den Zeigerausschlag ist analog zu jener des DrehspulMesswerks (siehe Gleichung (4.11)), so dass für den Zeigerausschlagwinkel gilt:
α=
2 ⋅ r2 ⋅ w 2 ⋅ I2 ⋅ l ⋅ B1
D
(4.22)
(Index 1: feststehende Spule, Index 2: bewegliche Spule)
Für die magnetische Flussdichte B1 der feststehenden, von I1 durchflossenen Spule gilt
(siehe Kap. 7)
B1 =
µ ⋅ w 1 ⋅ I1
= k 1 ⋅ w 1 ⋅ I1
l
(4.23)
Daraus folgt für den Zeigerausschlag:
α=
K1
⋅ I1 ⋅ I2
D
(4.24)
Der Zeigerausschlag ist proportional zum Produkt der beiden Messströme I1, I2 (zwei
Strompfade). Wenn einer der beiden Messströme zwischen die Spannungsanschlüsse eines
Verbrauchers geschalten wird, ist dessen Stromfluss direkt proportional zur Spannung U am
Verbraucher.
I2 ≈ U1
(4.25)
Wenn nun u1(t) und i1(t) sinusförmige Wechselsignale mit einer Phasenverschiebung ϕ
zueinander sind, dann gilt
α=
K1
1
1
⋅ u1( t ) ⋅ i1 ( t ) = ... = K ⋅ û ⋅ î ⋅ cos ϕ − K ⋅ û ⋅ î ⋅ cos(2 ⋅ ω ⋅ t + ϕ)
D
2
2
(4.26)
Aufgrund der mechanischen Trägheit kann der Zeiger dem zweiten - mit doppelter
Kreisfrequenz pulsierenden - Term nicht folgen, so dass lediglich der zeitlich konstante,
erste Term relevant ist.
α = K ⋅ Ueff ⋅ Ieff ⋅ cos ϕ = K 1 ⋅ P
(4.27)
α ≈P
(4.28)
Der Zeigerausschlag ist proportional zur Wirkleistung P.
Wattmeter-Konstante
Die Skala von analogen Wattmetern weist eine dimensionslose Skalierung in „Skalenteilen“
[Skte.] auf. Für die Anpassung an den Maximalwert der Messgröße sind verschiedene
Messbereichsendwerte für Spannungspfad und für Strompfad einstellbar.
Die Umwandlung der Anzeige in [Skte.] in die Einheit [W] erfolgt mit Hilfe der „WattmeterKonstante“ cW .
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cW =
mit:
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UME ⋅ IME
in [W/Skte.]
α ges
(4.29)
UME - Messbereichs-Endwert des Wattmeter-Spannungspfades [V]
IME - Messbereichs-Endwert des Wattmeter-Strompfades
[A]
αges - Gesamt-Skalenteile der Wattmeterskala
[Skt.]
Die Wattmeter-Konstante hängt also vom gewählten Messbereich am Wattmeter ab.
P = cW ⋅α
 W 
Einheiten: [W ] = 
 ⋅ [Skte.]
 Skte. 
(4.30)
Die am Wattmeter abgelesene Leistung in [Skte.] wird mit der aus den Wattmeterdaten
berechneten Wattmeter-Konstante cW multipliziert und ergibt die Wirkleistung in [W].
Beachte:
Aus der Anzeige der Wirkleistung alleine erkennt man nicht, wie groß die anliegende
Spannung oder der durch das Messgerät fließende Strom ist (ob also das Wattmeter
spannungsmäßig oder strommäßig bereits überlastet ist).
Folglich ist auf eine sorgfältige Wahl der Spannungs- und Strom-Messbereiche des
Wattmeters bezüglich der maximal auftretenden Messwerte zu achten.
4.3 Digitale Messgeräte
4.3.1 Digital-Multimeter (DMM)
U-Eingang
I-Eingang
ADU
_
Verarbeitung
Digitalanzeige
+
R-Eingang
Abb. 4.16
Abb. 4.16 zeigt stark vereinfacht das Schema eines Digital-Multimeters (DMM) zur Messung
von elektrischen Größen (z.B. Spannung, Strom, Widerstand).
Seite 4.12 (von 24)
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Die Eingangsschaltung wirkt als Spannungsteiler, um die Eingangsspannung auf ein
verarbeitbares Niveau zu senken. Hier erfolgt auch die (automatische oder manuelle)
Umschaltung der Messbereiche des DMM entsprechend der Höhe der Messgröße. Der
Analog-Digital-Umsetzer (ADU) erzeugt aus der analogen Messgröße ein digitales Signal zur
Anzeige am LCD-Display.
Man unterscheidet grundsätzlich:
• DMM mit eingebautem Gleichrichter („Effektivwertgleichrichter“), welche wie bei
Drehspulinstrumenten bei Wechselsignalen nur für sinusförmigen Verlauf den korrekten
Effektivwert anzeigen à Aufschrift „RMS“ (root-mean-square, Wurzel des quadratischen
Mittelwerts = Effektivwert; vgl. Gl. 4.16).
• DMM mit eingebautem Effektivwert-Umformer, welche den „echten“ Effektivwert
unabhängig von der Kurvenform, also auch von nichtsinusförmigen Größen anzeigen à
Aufschrift „True RMS“- oder „TRMS“ („Echt-Effektivwert-Messgeräte“).
4.3.2 Digitales Wattmeter
Dieses ermöglicht neben der eigentlichen Messung der Wirkleistung (direkt in [W]
angezeigt) auch die direkte Messung von Spannung, Strom und Leistungsfaktor cosϕ, wobei
bei letzterem zusätzlich eine Anzeige erfolgt, ob der zugehörige Phasenwinkel ϕ positiv oder
negativ (also induktiv oder kapazitiv) ist.
Für die Wahl der Strom- und Spannungsmessbereiche gilt das in Kap. 4.2.4 Gesagte.
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4.4 Oszilloskope
Das Oszilloskop dient zur Darstellung zeitabhängiger Signale, nachdem mit - analogen und
digitalen - Messinstrumenten lediglich ein konstanter Wert - in der Regel der Effektivwert jedoch nicht der zeitliche Verlauf der Messgröße erfasst werden kann.
4.4.1 Analog- Oszilloskope
Die Analog- Oszilloskope beruhen auf dem Prinzip der Elektronenstrahl – Ablenkung in einer
evakuierten Röhre. Das Mess – Signal wird auf Ablenkplatten geführt, der Elektronenstrahl
erfährt eine proportionale Ablenkung in y – Richtung. Der fluoreszierend wirkende Schirm
macht den Strahl sichtbar. Prinzipbedingt haben die Analog - Oszilloskope eine große
Bauform und niedrige Grenzfrequenzen. Diese entsprechen daher nicht mehr dem Stand
der modernen Messtechnik.
4.4.2 Digital- Oszilloskope
Bei Digital- Oszilloskope werden die Messwerte mit Hilfe von schnellen Analog – Digital
Umsetzer (ADU) zeitlich und amplitudenmäßig diskretisiert. Die Messwerte können
abgespeichert und weiterverarbeitet werden. Man spricht daher auch von
Digitalspeicheroszilloskope (DSO).
Vertikaleinstellung, Vertikalmenü
Die Abb. 4.17 zeigt das grundsätzliche Schema eines Digitaloszilloskops. Die Messwerte der
einzelnen Kanäle werden je nach der gewünschten Dehnung in Vertikalrichtung
[VOLTS/DIV, Spannung pro Skalenteilung] verstärkt und dem ADU zugeführt.
Datenerfassung:
Modus und
Zeitbasis
Vertikal:
Verstärkung
und position
Kanäle
Signalaufzeichnung
Anzeige
Schnittstelle
Ext.
Trigger
Netz
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Abb. 4.17
Kopplung
In Zusammenhang mit den Einstellungen zur Vertikalablenkung des Messsignals ist ein
Wahlschalter für die Kopplung des Eingangssignals vorgesehen:
GND In Position GND wird intern im Oszilloskop Null Volt als Eingangsspannung angelegt,
wodurch am Bildschirm die Nulllinie dargestellt wird und somit die Lage der Nulllinie
am Bildschirm entsprechend der gewünschten Darstellung gewählt werden kann.
AC
In Position AC wird das Eingangssignal über eine interne „Hochpass“-Schaltung
eingekoppelt, welche die hochfrequenten Anteile des Eingangssignals „passieren“
lässt („Hochpass“), die niederfrequenten Anteile bzw. einen eventuellen Gleichanteil
des Eingangssignals sperrt. Wenn das Messsignal z.B. aus einem Sinusverlauf mit
einem Gleichanteil besteht, dann gelangt in der Position AC lediglich der
Wechselanteil zur Bildschirmanzeige, nicht jedoch der Gleichanteil.
DC
In Position DC wird das Eingangssignal direkt eingekoppelt, d.h. das Signal wird
vollständig (inklusive Gleichanteil) dargestellt.
Datenerfassung
Die Messdaten können mit verschiedenen Methoden erfasst werden.
Normaler Abtastmodus (Standard)
Die Messsignale werden in gleich großen Intervallen ab. Dieser Modus erfasst jedoch keine
schnellen Änderungen im analogen Signal, die möglicherweise zwischen den Abtastwerten
auftreten.
Spitzenwert
Das Oszilloskop sucht die höchsten und niedrigsten Werte des Eingangssignals innerhalb
eines Abtastintervalls. Auf diese Weise können kurze Impulse erfasst werden, die im
normalen Abtastmodus nicht erfasst worden wären. Es tritt aber erhöhtes Rauschen auf.
Mittelwert
Die Messwerte werden über mehrere Signalwerte gemittelt, das Rauschen wird unterdrückt,
ührt aber dadurch zu einem Informationsverlust bei z.B. kurzen Signalen.
Zeitbasis
Mit der Zeitbasis ist die zeitliche Abtastung mit der Auswahl SEC/DIV einstellbar.
Beispiel:
Digitales Echtzeit- Oszilloskop Tektronix TDS 210
Horizontaleinstellung 5 ns/DIV – 5 s/DIV
Triggerung
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Zur Erzeugung eines stehenden Bildes auf dem Bildschirm ist es erforderlich, dass die
Ablenkung in X- und in Y- Richtung in einer festen Beziehung zueinander stehen. Dies wird
durch die Triggerung ( = engl. Auslösung) erreicht.
Die Funktion des Triggers entspricht somit grundsätzlich der des Analog – Oszilloskop.
Während jedoch beim Analog – Oszilloskop vom Trigger ein Sägezahngenerator ausgelöst
wird, der die X- Ablenkung steuert, wird beim Digital Oszilloskop die Speicherung gesteuert.
Die Triggerung kann sowohl intern über die Messsignale der Kanäle (üblich) oder über
externe Signale ausgelöst werden. Als weiterer Triggersignaleingang steht nochein Signal
zur Verfügung, das einen Bezug zur Frequenz der Versorgungsspannung des Oszilloskops
hat (siehe Abb. 4.17).
Beispiel:
Digitales Echtzeit- Oszilloskop Tektronix TDS 210
Max. Abtastrate:
1GS/s (1 Gigasample/s = 109 Abtastungen/s)
Aufzeichnungslänge: 2500 Abtastungen/ Kanal
Der Triggerzeitpunkt wird über den Trigger – Level (einstellbarer Amplitudenwert) festgelegt.
Weiters ist anzugeben, ob die Triggerung bei steigender oder bei fallender Flanke erfolgen
soll. Mit dem Pretrigger kann die „Vorgeschichte“ vor dem Triggerereignis aufgezeichnet
werden. Weiters können mit Hilfe des Posttriggers Signalverläufe dargestellt werden, die
nach dem Triggerereignis auftreten. Je nach Speichertiefe ist aber nur eine bestimmte
Aufzeichnungsdauer möglich.
Aliasing
Dieser Effekt tritt auf, wenn das Oszillokop die Signale nicht schnell genug abtastet, um eine
präzise Signalaufzeichung zu ermöglichen. Beim Aliasing wird ein Signal angezeigt, das eine
niedrigere Frequenz als das eigentliche Eingangssignal aufweist. Um das Aliasing zu
vermeiden, muss das Signal mit einer Frequenz abgetastet werden, die mehr als doppelt so
hoch ist, wie die höchste Frequenz der Komponenten des Eingangssignals.
Beispiel: Ein Eingangssignal mit Frequenzkomponenten von 5 MHz muss mit mindestens
10 Millionen Abtastungen pro Sekunde abgetastet werden.
Mit Hilfe der Zeitbasis kann die entsprechende Einstellung getätigt werden, um den Aliasing
– Effekt zu vermeiden. Je kleiner die Zeitbasis eingestellt ist, umso höher muss die
Abtastrate gewählt werden.
Beispiel:
Digitales Echtzeit- Oszilloskop Tektronix TDS 210
Zeitbasis
Abtastungen/s
Maximale Signalfrequenz
1µs
10 µs
5 ms
5s
250.0 MS/s
25.0 MS/s
50.0 kS/s
50.0 S/s
125.0 MHz
12.5 MHz
25.0 kHz
25.0 Hz
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Beispiel eines Oszilloskop- Bildes:
Abb. 4.18
Abb. 4.18 zeigt den Ausdruck eines digitalen Speicheroszilloskops (DSO), wobei folgende
Informationen abgelesen werden können:
Zeitablenkung:
Signal-Ablenkung:
Trigger-Level:
Trigger-Flanke:
Abtastrate:
M5.00ms, d.h. 5 ms/DIV → 5 ms pro Rastereinheit
→ Abmessen der Periodendauer: T = 4 Einheiten = 20 ms
→ Frequenz (f = 1/T) = 50 Hz
Die Frequenz des Signals kann auch vom Oszilloskop errechnet
werden. Die erforderliche Einstellung ist über die Mathematik – Menüs
zu tätigen.
1.00 V, d.h. 1 V/DIV → 1 V pro Rastereinheit
→ Scheitelwert (= Amplitude): û = 3 Einheiten = 3 V
- 0.58 V
fallend
50.0 kS/s. Der dargestellte Signalverlauf hat eine Frequenz f = 50 Hz,
die deutlich unter der maximalen theoretischen Frequenz von 25 kHz
liegt (Vermeidung des Aliasing Effekts)
Schnittstelle
Die vorhandene Schnittstelle ermöglicht die Bedienung des Oszilloskops über den PC, die
Abspeicherung der Messdaten, sowie die bequeme Einbindung in ein automatisiertes
Messsystem. Auf Grund der vorliegenden, intern gespeicherten Daten können auch
Mathematikfunktionen aufgerufen, die von einfachen Funktionen wie z.B. Additionen, MinMax Auswertungen, Mittelwertbildung, Invertierungen bis zur Fourieranalyse von Signalen
reichen.
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Die Darstellung der Messsignale erfolgt im auf elektronische Weise auf einem
Flüssigkristallschirm. Somit gibt es keine Störeinflüsse durch magnetisch verseuchte
Messumgebungen (im Gegensatz zu Analog – Oszilloskope).
4.4.3 Tastkopf, Tastteiler
Durch diese Frequenzkompensation werden außerdem die durch lange Messkabel oder
hohe Messfrequenzen möglichen kapazitiven Einstreuungen beseitigt.
Um kapazitive Einstreuungen bei langen Messkabeln oder hohen Messfrequenzen zu
vermeiden, werden sogenannte Tastköpfe eingesetzt.
Wenn der Tastkopf zusätzlich einen Spannungsteiler aufweist, welcher hohe
Messspannungen auf einen für das Oszilloskop verarbeitbaren Wert teilt, spricht man von
einem Tastteiler. Dazu wird das Prinzip des Spannungsteilers angewendet (vgl. Kap. 1),
indem der Tastkopf mit dem eingebauten Widerstand RT vor das Oszilloskop geschaltet
wird.
Würde das Oszilloskop lediglich einen Ohm’schen Eingangswiderstand RO aufweisen, dann
würde der Tastkopf nur einen Widerstand RT enthalten müssen, d.h. der Spannungsteiler in
Abb. 4.19 wäre rein Ohm’sch mit RT und RO. Für diesen Fall würde die Formel des
Ohm’schen Spannungsteilers wie folgt lauten:
U1
U
= 2
RT + RO RO
(4. 31)
Die am Oszilloskop anliegende Spannung U2 würde damit gemäß folgender Formel reduziert
werden:
U2 = R O ⋅
U1
RT + RO
(4.32)
Da das Oszilloskop jedoch - wie in Abb. 4.23 und Abb. 4.24 gezeigt - zusätzlich zu RO eine
Eingangskapazität CO aufweist, muss im Tastkopf parallel zu RT eine Kapazität CT
geschaltet sein, damit der Spannungsteiler für alle Frequenzen dasselbe Teilerverhältnis
zwischen U1 und U2 aufweist. Damit dies erfüllt wird, ist folgende Bedingung einzuhalten:
R T ⋅ CT = R O ⋅ CO
(4.33)
„frequenzkompensierter, kapazitiver Spannungsteiler“
Abb. 4.19 zeigt das Prinzip eines Tastkopfes mit den internen Elementen RT und CT, wobei
CT mittels Drehknopf veränderlich ausgeführt ist, und die Eingangsschaltung eines
Oszilloskops mit RO und CO.
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Abb. 4.20 zeigt nochmals das elektrische Schaltbild des entstehenden kapazitiven
Spannungsteilers anschaulich herausgezeichnet.
Tastkopf
Signal
Oszilloskop
RT
CT
Signal
U1
RO
RT
CT
RO
CO
CO
Masse
U2
Masse
Abb. 4.19
Abb. 4.20
Wenn der Tastkopf verschiedene Stufen bietet (z.B. 10:1, 100:1), dann ist auch die in ihm
enthaltene Kapazität CT für jede Einstellung so zu verändern, dass Gleichung (4.33) erfüllt
ist. Dazu weist der Tastkopf einen Drehknopf zur Verstellung von CT auf.
Vor Verwendung eines Tastkopfes sollte stets ein Abgleich zur Überprüfung der korrekten
Einstellung von CT durchgeführt werden.
Durchführung des Tastkopf-Abgleichs:
Am Oszilloskop befindet sich ein Anschluss, welcher eine Rechteckspannung zu
Testzwecken liefert (meist mit „Cal“ bezeichnet - Kalibrierknopf). Der Tastkopf wird mit
seinem Koaxial-Kabelende an einen Signaleingang des Oszilloskops angeschlossen, und
die Tastkopf-Spitze wird mit dem Kalibrieranschluss verbunden. Dadurch wird am
Oszilloskop das Rechtecksignal dargestellt.
Der Drehknopf des Tastkopfes wird nun so lange verstellt, bis das Rechtecksignal am
Leuchtschirm als exaktes Rechteck auftritt (also keine gekrümmten Ecken zeigt). Wenn dies
erreicht ist, dann liegt Frequenzkompensation vor, d.h. es werden alle Frequenzen ohne
Verzerrungen am Oszilloskop dargestellt.
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4.4.4 Erdungsproblematik bei Oszilloskopen
1. Sicherheitsproblematik
Beispiel:
Darstellung der Wechselspannung einer 230 V-Steckdose mittels Oszilloskop.
Zwischen dem Phasenleiter (z.B. L1) und dem Nulleiter (N-Leiter) liegt die Phasenspannung
230 V. Das Oszilloskop- Messkabel ist zur besseren elektrischen Abschirmung (Schutz vor
Einkopplung von Störspannungen) als Koaxial-Kabel ausgeführt, d.h. ein Anschluss ist als
Innenleiter ausgeführt, welcher vom zweiten, als Außenleiter ausgeführten Anschluss
umgeben ist. Der Außenleiter ist der Masseleiter, da er im Oszilloskop mit dem metallischen
Gehäuse des Oszilloskops verbunden ist. Das Gehäuse seinerseits ist über den Schutzleiter
(PE-Leiter, „Protection Earth“; siehe Kap. 6) mit dem Nullpunkt des speisenden Dreiphasentransformators (dessen Sekundärseite in den Abbildungen dargestellt ist) verbunden.
Es ist also darauf zu achten, dass lediglich am Innenleiter die zu messende Spannung
anliegen darf, während am Masseleiter immer Nullpunktsspannung als Bezugsspannung
anliegen muss. Die folgenden Erläuterungen beziehen sich auf die Problematik, wenn der
Masseleiter an die zu messende Spannung (hier: Phase L1) und nicht an die Nullspannung
angeschlossen wird.
Prinzipiell ist anzumerken, dass für den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb von
elektrischen Geräten ein vorhandener PE-Leiter (gelb-grüner Schutzleiter) nicht
unterbrochen werden darf !
230 V
L1
Koaxial-Kabel
L2
Oszilloskop
L3
N
PE
Abb. 4.21
Wenn der Masseleiter des Oszilloskop- Kabels mit dem 230 V - Phasenleiter verbunden
wird, wird somit die 230 V - Spannung über Masseleiter, Oszilloskop- Gehäuse und PELeiter mit dem Nullpunkt des speisenden Trafos verbunden. Dadurch fließt ein hoher
Kurzschlussstrom über den PE-Leiter, wodurch der Fehlerstrom-Schutzschalter (FISchalter) den Stromkreis unterbricht, um bei Berühren des Gehäuses einen gefährlich
hohen Strom über den Körper zu verhindern.
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230 V
L1
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Koaxial-Kabel
L2
Oszilloskop
L3
N
PE
Abb. 4.22
Eine gefährliche und daher unzulässige Möglichkeit stellt die Unterbrechung des PE-Leiters
dar.
Das Gehäuse des Oszilloskops liegt auf dem selben Potenzial wie die gerade gemessene
Spannung, so dass bei Berührung des Gehäuses abhängig von der Höhe der gemessenen
Spannung (sowie vom Körper- und Bodenwiderstand) ein gefährlich hoher Strom über den
Körper fließen kann (nachdem der vorgesehene Fehler-Stromweg über den PE-Leiter
unterbrochen ist).
Und selbst wenn lediglich ungefährlich kleine Ströme über den Körper fließen (aufgrund
kleiner Messspannung oder großen Bodenwiderstandes), kann das Messergebnis durch den
abfließenden Strom verfälscht werden (Einkopplung eines Magnetfeldes in den
geschlossenen Stromkreis).
230 V
Koaxial-Kabel
L1
L2
L3
Oszilloskop
Trenntrafo
N
PE
Abb. 4.23
Ebenso unzulässig ist die Verwendung eines Trenntrafos in der Versorgungsleitung des
Oszilloskops, da dieser auch eine Unterbrechung des PE-Leiters bewirkt und wiederum die
im vorigen Beispiel angeführten Probleme auftreten können.
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Koaxial-Kabel
L1
L2
Oszilloskop
L3
N
PE
Abb. 4.24
Eine mögliche und sichere Abhilfe für obige Problematik stellt die Verwendung eines
zusätzlichen, isolierten Gehäuses dar (Prinzip der Schutzisolierung), wodurch die am
Oszilloskop -Gehäuse anliegende Spannung keinen Stromfluss über den Körper hervorrufen
kann, nachdem kein geschlossener Stromkreis vorliegt.
In diesem Zusammenhang ist die neueste Generation von tragbaren Oszilloskopen zu
erwähnen, welche keinen Masse-Bezug mehr aufweisen, über Batterie oder Akku versorgt
werden und mit einem schutzisolierten Gehäuse versehen sind. Dadurch sind keine
Probleme hinsichtlich Erdung und Spannungsverschleppung zu erwarten.
230 V
L1
Koaxial-Kabel
Spannungswandler
L2
Oszilloskop
L3
N
PE
Abb. 4.25
Die sicherste und somit empfehlenswerte Möglichkeit ist die Verwendung eines
Spannungswandlers (oder eines elektronischen Trennverstärkers) im Messkreis,
wodurch eine Potenzialtrennung erfolgt. Es kann über den Trafo, bzw. über den
Trennverstärker kein Strom von der Primärseite auf die Sekundärseite fließen. Es wird also
ein geschlossener Stromkreis verhindert, so dass die Spannung am Masseleiter keinen
Stromfluss über den PE-Leiter oder über den Körper hervorrufen kann.
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2. Messproblematik
Selbst wenn, wie oben empfohlen, die Messschaltung galvanisch vom versorgenden
Spannungsnetz getrennt ist, können bei der gleichzeitigen Darstellung mehrerer Signale
aufgrund der Oszilloskop- internen Masseverbindung Messprobleme auftreten, welche im
folgenden erklärt werden sollen.
Mehrkanal- Oszilloskope ermöglichen die gleichzeitige Darstellung mehrerer Signale (z.B.
Zweikanal- oder Vierkanal- Oszilloskop). Für den Aufbau einer Messschaltung mit mehreren
Signalen ist jedoch zu beachten, dass - wie oben angeführt - jeder Signaleingang des
Oszilloskops mit einem Koaxial-Anschluss versehen ist, dessen Außenleiter intern im
Oszilloskop mit dem Gehäuse verbunden ist („Masse-Punkt“). Das bedeutet also, dass
jeweils alle am Außenleiter angeschlossenen Punkte eines Messsignals intern am
gemeinsamen Massepunkt verbunden sind.
Die dabei auftretende Problematik zeigen Abb. 4.26 und Abb. 4.27. Hierbei sollen als
Messaufgabe die beiden Spannungen U1 über R1 und U2 über R2 auf zwei vertikalen
Kanälen eines Zweikanal- Oszilloskops gleichzeitig dargestellt werden.
Koaxial-Kabel
U1
R1
Ch1 Ch2
U2
Masse
R2
Koaxial-Kabel
Abb. 4.26
In Abb. 4.26 sind die beiden Messspannungen so an das Oszilloskop angeschlossen, dass
das jeweils im Schaltbild „obere“ Potenzial an den Innenleiter und das jeweils „untere“
Potenzial an den Außenleiter („Masseleiter“) des Koaxial-Kabels angeschlossen wird.
Man erkennt, dass aufgrund der internen Verbindung der Außenleiter jedes Koaxial-Kabels
mit dem gemeinsamen Masse-Anschluss auf diese Weise der Widerstand R2 widerstandslos
überbrückt (kurzgeschlossen) wird. In diesem Fall wird somit als Signal des Kanals 2 (Ch 2)
Null Volt anstatt der Messspannung U2 dargestellt.
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Koaxial-Kabel
U1
"invertiert"
R1
Ch1 Ch2
U2
Masse
R2
Koaxial-Kabel
Abb. 4.27
Die beschriebene Problematik wird bei Anwendung einer Messschaltung nach Abb. 4.27
vermieden. Die Messung der Spannung U1 erfolgt auf die selbe Weise wie in Abb. 4.26. Die
Messspannung U2 wird nun jedoch in umgekehrter Art so an das Oszilloskop
angeschlossen, dass das im Schaltbild „obere“ Potenzial an den Außenleiter („Masseleiter“)
und das „untere“ Potenzial an den Innenleiter des Koaxial-Kabels angeschlossen wird.
Auf diese Weise bleibt die Oszilloskop - bedingte Verbindung der Außenleiter beider KoaxialKabel mit dem gemeinsamen Massepunkt ohne Auswirkung, da nun zwei Punkte der
Schaltung über die Oszilloskop- Masse kurzgeschlossen werden, welche auch in der
Schaltung selbst ohnedies direkt verbunden sind, sich also auf gleichem Potenzial befinden
(„unterer“ Punkt von R1 und oberer“ Punkt von R2).
Da bei dieser Anschlussart die Messspannung U2 negativ (bei Gleichspannung), bzw. mit
180° Phasenverschiebung (bei Wechselspannung) am Bildschirm dargestellt werden würde,
muss zur Vorzeichenumkehr der INV – Modus (Invertierung) am Oszilloskop eingestellt
werden.
Bei der Darstellung mehrerer Signale ist also zu berücksichtigen, dass alle MasseAnschlüsse (Außenleiter) der koaxialen Signaleingänge am Oszilloskop intern mit dem
gemeinsamen Massepunkt verbunden sind. Eventuell ist aus diesem Grund ein Signal
invertiert am Oszilloskop darzustellen.
Grundsätzlich sollte man die Koaxial – Messleitungen so kurz als möglich halten, um
Einstreuungen (kapazitive und induktive Beeinflussung) auf diese Messleitungen weitgehend
zu vermeiden.
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