RECHT & RAT DONNERSTAG, 27. APRIL 2006 DAS RECHT AUF IHRER SEITE – NR. 10 § Rechts-Tipp Erhöhte Haftung bei Direktmarketing irektmarketing wird in immer mehr Branchen zu einem bedeutenden Werbefaktor. Damit es auch erfolgreich eingesetzt werden kann, sind einige rechtliche Spielregeln zu beachten. Andernfalls kann die viel versprechende Werbestrategie schnell zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führen. Nach einer Studie der Prognos AG lag das Verhältnis von klassischer Werbung zu Direktmarketing im Jahre 2004 bei 78 zu 22 Prozent. Nach Schätzungen des Direkt Marketing Verbands Österreich (DMVÖ) erreichte das Volumen damals 2,4 Milliarden €, die Tendenz ist steigend. Neben klassischen Haustürgeschäften gewinnen mit Hilfe technischer Entwicklungen auch die telefonische Werbung sowie Werbung per E-Mail oder SMS zunehmend an Bedeutung. Neben dem Konsumenten- und Datenschutz sind vor allem wettbewerbsrechtliche Aspekte zu beachten. D Seit 1. März 2006 ist nicht nur für Werbeanrufe, sondern auch für die Zusendung von Werbe-Fax, SMS oder E-Mail eine vorherige Zustimmung der kontaktierten Person erforderlich. Und zwar unabhängig davon, ob es sich bei dieser um einen Verbraucher oder einen Unternehmer handelt. Schon bei der Einholung dieser Zustimmung ist auf eine Formulierung zu achten, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Ein Beispiel dafür ist der notwendige Hinweis auf die Widerrufbarkeit der Zustimmung. Erhöhte Vorsicht ist dann geboten, wenn die Adressdaten der Beworbenen von einer Agentur bereitgestellt oder von Adressverlagen zugekauft werden. Auch in diesen Fällen trägt nämlich der Werbende die alleinige Verantwortung dafür, dass der Beworbene die notwendigen Zustimmungen erteilt und nicht etwa widerrufen hat. Auch darf einer Werbung keine Eintragung in der so genannten Robinson-Liste entgegenstehen. In diese Liste kann sich jeder eintragen lassen, der die Zusendung von Werbe E-Mails von vornherein ablehnt. Die aufrechte Zustimmung muss der Werbende gegebenenfalls für jede einzelne kontaktierte Person nachweisen können. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat dazu vor kurzem festgestellt, dass sich der Werbende bei einem Zukauf von Adressdateien eines Adressverlages nicht einfach darauf verlassen darf, dass für sämtliche der gelieferten Adressdaten auch tatsächlich eine Zustimmung zur Telefonwerbung vorliegt. Das gilt selbst dann, wenn der Unternehmer vom Adressverlag explizit und ausschliesslich solche Adressdaten gekauft hat. Als allein massgeblich hat der OGH in seiner Entscheidung erachtet, „dass im Auftrag des Unternehmers Personen zu Werbezwecken angerufen wurden, die keine derartige Einwilligung erteilt hatten“ (OGH 4 Ob 192/05x). Damit behält der OGH seine Rechtsprechung zur Haftung für Direktmarketing -Agenturen konsequent bei. Grundsätzlich trifft den Werbenden wettbewerbsrechtlich die volle Haftung für die Handlungen und Aussagen der Mitarbeiter der von ihm beauftragten Direktmarketing-Agentur. Er haftet auch, wenn es sich dabei um einzelne Verstösse eines einzigen Mitarbeiters handelt. Damit ist neben einer entsprechenden vertraglichen Absicherung die Auswahl der Agentur wesentlich. Unter dem Blickwinkel der Haftung werden die wichtigsten Entscheidungskriterien die Standards, die Strukturen zur Qualitätssicherung und die Schulungen der Mitarbeiter darstellen. Auch der DMVÖ hat Anfang des Jahres reagiert: Eine Zertifizierung von Direktmarketing-Agenturen wurde ins Leben gerufen, die Qualitätsstandards und Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter sicherstellen soll. Ivo Rungg verfasste den aktuellen Rechts-Tipp zum Thema Direktmarketing. Er ist Anwalt bei Binder Grösswang Rechtsanwälte OEG in Innsbruck und auf Wettbewerbsrecht und Intellectual Property spezialisiert. 21