„Asconeser Persönlichkeiten“ Begegnung mit Lotar Olias

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Ferien-Journal 78/8 vom 4.10.1963
„ A scon e s e r P er sön lichkeit e n “ Begegnu ng mit Lotar Olias
von Anna J. Riedel
Still und unbeachtet von der schwatzenden Menge der Feriengäste, vor einem Glas Coca-Cola sitzend, - so finde ich
Lotar Olias, den Komponisten weltweit bekannter Melodien, den Meister guter Unterhaltungsmusik. Vor sieben
Jahren wurde ihm Ascona zur Wahlheimat, wohin er sich nach aufreibender Arbeit für Film und Bühne in sein Haus
– klein, aber fein! – zurückzieht. Hier lebt und arbeitet er, fern von Musik-Box und Lautsprecher, abseits vom
„anderen“ Ascona. Auf stundenlangen einsamen Wanderungen geniesst Olias das Alleinsein mit der noch
unverdorbenen Natur in den Tälern der Maggia und des Centovalli; dort, hoch über Kastanienwäldern und
halbverfallenen Dörfern, sucht und findet er, im Angesicht der schweigenden Bergwelt, unter ziehenden Wolken
Sammlung, Erholung – und Stille. „Das macht mich glücklich“, sagt er, „ich brauche es als Ausgleich. Und ich liebe
das Tessin“, - und in der Tag: Erholung und Ruhe braucht Olias immer wieder, denn seitdem er vor etwa 10 Jahren
berühmt wurde, lässt es ihn nicht mehr los. Eine ungeheure Arbeitsleistung liegt schon hinter ihm und hält ihn
seitdem in ständiger Anspannung fest. Jahrelang hatte er, nach gründlichem Musikstudium erst in Königsberg,
seiner Heimatstadt, dann in Riga und schliesslich in Berlin bei seinem Lieblingslehrer Prof. Meyer-Mahr – vor rauben
Ohren musiziert und komponiert. Schon als Siebzehnjähriger fing er damit an. Dann aber schlug es ein, sein Lied:
„You, you, you“ als Nummer Eins auf der Liste der „Hit-Parade“ Amerikas. Damit war der Bann gebrochen; die Leute
rissen sich die Platte aus der Hand, binnen kurzem wurden 2/2 Millionen verkauft, - der unbekannte Musiker Lotar
Olias war „Goldener Plattenmillionär“ – wie es in der Fachsprache heisst. Der Reigen der Erfolge setzte nun
unaufhaltsam ein. Die grössten amerikanischen Orchester wie Less Baxter und andere spielten sein „Blue mirage“,
den „Tango in the rain“, den Tango of the drums“, sein „Tipsy piano“. Und immer wieder hört man sein Lied: „So ein
Tag, so wunderschön wie heute“, sein „Junge, komm bald wieder“, „die Gitarre und das Meer“, „Heimatlos“ und
„Unter fremden Sternen“, die sein Freund Freddy Quinn, Sänger und Filmstar, zu Riesenerfolgen brachte. Dies sind
nur einige wenige Titel aus der Fülle der Melodien, durch die Olias in Europa und Amerika bekannt wurde. Er macht
es sich mit der „leichten Muse“ durchaus nicht leicht; seine Musik ist nicht so schwer, dass sie belastet, dafür aber
auch nicht so leicht, dass sie – bei aller Volkstümlichkeit – ins Banale abgleitet. Ein sicherer Instinkt bewahrt ihn
davor. Der heitere Grundton seines Wesens bewahrt ihn absolut vor dem blutleeren, zynischunfrohen „Schlager“,
wie er uns heutzutage oft genug als so genannte Unterhaltungsmusik aufgetischt wird. Massgefühl, Intuition und
die musikantische Spielfreudigkeit seines Wesens – Erbeteil seiner spanischen Vorfahren- kennzeichnen seine leicht
ins Ohr gehenden sangbaren Melodien; als echtem Romanen liegt ihm Musik und mitreissender Rhythmus im Blut.
Bald konnte er sich grösseren Aufgaben zuwenden. Weltbekannte Orchester spielen seine beiden Suiten, „Alaska“
und „Sahara“, die zum festen Schallplattenbestand ungezählter Rundfunkstationen gehören. Inzwischen hat er nicht
weniger als für 35 grosse Filme die Musik komponiert, worin internationale Stars seine Melodien sangen, zu seinen
Rhythmen tanzten. Ganz abgesehen von der schöpferischen Gestaltungskraft und handwerklichem Können,
bedeutet dies an sich schon eine ungeheure Arbeitsleistung, wenn man bedenkt, dass einen einzigen Film
musikalisch zu gestalten, ebenso anspruchsvoll und zeitraubend ist wie etwas die Komposition einer „Lustigen
Witwe“. – Schliesslich wandte Olias dem „Musical“ zu, abendfüllenden Bühnenstücken mit Musik. Um nur einige
davon zu nennen: „Prairie-Saloon“, (einer Parodie auf die amerikanischen Wildwester), „Geldschrankenballade“ und
„Heimweh nach St. Pauli“. Letzteres ging im vergangenen Winter mit monatelang ausverkauftem Hause, mit Freddy
(Quinn) in der Hauptrolle über die Bühne, der auch im gleichnamigen Film der Star ist. Seine Partnerin kam aus
Hollywood, - Jayne Mansfield. – „Und woran arbeiten Sie jetzt, Herr Olias?“ – „an der französischen Komödie
„Occupe-toi d’Amelie“ von Jaques Feydeau, die unter dem Titel „Gib acht auf Amelie“ herauskommen wird.“ – Mir
schwindelt leicht nach all den Namen, Werken, Refrains, - und wage schliesslich die Frage: „Und wann kommen Sie
eigentlich zum Schlafen?“ – Olias lacht und sagt: „Wenn mir nichts mehr einfallen will, gehe ich schlafen. Da aber die
Nacht meine bessere Arbeitszeit ist, bleiben mir oft nur wenige Stunden. Doch – meine Mittagsruhe lasse ich mir
nicht rauben, - und auch nicht mein Ascona! Reisen ist sonst nicht mein Fall. Im Jahre 1961 flog ich mit meinem
Freunde Freddy zu den Dreharbeiten unseres Films „Weit ist der Weg“ nach Brasilien. Es war furchtbar, - weit war
der Weg, auch per Flugzeug. 32 Stunden in der Luft! Nie wieder!“ – Nicht einmal bis nach „Olias del Rey“, dem
Dörfchen nahe bei Toledo, wo sein Urgrossvater Kunstschmied war, ist er bis heute gekommen. Keine Zeit.... „Nein,
Ascona ist mein Reiseziel, hier bin ich gern.“ Und so schlisst die hochinteressante Unterhaltung mit diesem Zauberer
der leichten Musik, dem sympathischen Menschen und Künstler Lotar Olias, einem wahren Freunde des Tessins, auf
den Ascona stolz sein darf. Auf meinen Einwurf, dass er gewiss auch viel Glück gehabt habe, antwortete er
nachdenklich: „Gewiss, auch Glück gehört dazu. Aber nur der kann von Glück sagen, der sein Glück nicht nur dem
Glück verdankt.“
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