sens o r t e ch n i k S PECIA L Die haben den Dreh raus Hochpräzise magnetische Winkelsensoren lösen anspruchsvolle Messaufgaben In vielen industriellen Anwendungen können MR-Sensoren Messaufgaben nicht nur zuverlässig und technisch elegant lösen, sondern gleichzeitig auch Kosten einsparen. Vielleicht eröffnet die MR-Sensorik gerade jetzt in den krisengeschüttelten Zeiten dem Maschinenbau neue Möglichkeiten, sich am Markt neu zu positionieren. Eine merkliche Akzeptanz ist bereits zu ­verzeichnen, seitdem sich magnetoresistive Sensoren in einer Vielzahl von Automotive-Anwendungen etablieren konnten, da insbesondere dieser Anwendungsbereich ein optimales PreisLeistungs-Verhältnis voraussetzt. Rolf Slatter Viele Maschinenbauer können mit magnetbasierten Sensoren nichts rechtes anfangen. Das mag zum einen daran liegen, dass man sich in der Industrie bei innovativer Messund Prüftechnik oft konservativ verhält und zum anderen daran, dass man dem Magnetismus Eigenschaften zuweist, die ihn als schwierig einstufen. Dabei ist das auf dem magnetoresistiven Effekt basierende Messprinzip äußerst robust, praktisch unverwüstlich, und zudem noch universell einsetzbar. Dr. Rolf Slatter, Sensitec GmbH, Lahnau Der Konstrukteur 5/2010 unter schwierigen Umgebungsbedingungen zu erzielen. Die Sensoren basieren auf der anisotropen magnetosresistiven (AMR) Sensortechnologie (siehe Kasten „Geschichte der Entdeckung des MR-Effekts“), die Magnetfelder nutzt, um Messinformationen zwischen dem Sensor und dem physikalischen Wert, d. h. Winkel- oder Linearposition, weiterzuleiten. Das berührungslose Funktionsprinzip erlaubt die Isolation aller rotierenden Komponenten, wodurch das gesamte Gebersystem sehr robust im Hinblick auf Umwelteinflüsse und mechanischen Verschleiß wird. Die AMR Sensoren der Baureihe AA700 erfassen den Winkel eines Magnetfeldes mittels zweier Wheatstone-Brücken. Diese erfassen die Richtung, nicht die Stärke des Magnetfeldes. Daher sind AMR Sensoren im Hinblick auf Veränderungen der Magnetfeldstärke, hervorgerufen durch die Alterung des Magneten, seine Temperaturemp-findlichkeit oder mechanische Veränderungen, sehr tolerant. Wie später erläutert wird, heben sich dadurch AMRSensoren deutlich von den bisher bekannten Magnetsensoren, z. B. Hall-Sensoren, ab. Funktionsprinzip Für Anwendungen, in denen eine äußerst präzise Winkel- oder Längenmessung gefordert ist, bieten sich beispielsweise Sensorchips der Baureihe AA700 des Herstellers Sensitec an. Diese bieten zudem eine kostengünstige und flexible Alternative, um präzise Messergebnisse bei Anwendungen In einem häufigen Einsatzfall wird ein diametral magnetisierter Magnet auf einem drehenden Wellenende angebracht (Bild 2). Der Winkelsensor wird auf der Rotationsachse in einem Abstand von einigen Millimetern vom Magnet befestigt. Das rotierende Magnetfeld erzeugt in der gleichen Ebe- Geschichte der Entdeckung des MR-Effekts 1857 entdeckte der britische Physiker William Thomson, später Lord Kelvin, dass sich der elektrische Widerstand eines stromdurchflossenen Leiters unter dem Einfluss eines Magnetfeldes verändert. Die sensorische Nutzung dieses Effekts konnte jedoch erst vor ca. 30 Jahren mit der Weiterentwicklung der Dünnschichttechnik industriell umgesetzt werden. Durch eine geschickte Anordnung der Strukturen innerhalb des Sensors können die unterschiedlichsten Sensoren konstruiert werden, um Magnetfeldwinkel, stärke oder -gradienten zu erfassen. Der von Thomson entdeckte Effekt wurde als „anisotroper magnetoresistiver Effekt“ (AMR) benannt und wies eine Widerstandsänderung von nur wenigen Prozent auf. Trotzdem konnte er in Schreib-/Leseköpfen für Festplatten millionenfach erfolgreich umgesetzt werden. Ende der 80er Jahre wurde der Giant magnetoresistive Effekt (GMR) von Prof. Grünberg am Forschungszentrum Jülich und Prof. Fert an der Universität Paris entdeckt. Hier wurden Widerstandsänderungen von über 50 % gemessen, die noch weitere Anwendungsbereiche für MRSensoren eröffneten. Diese Entdeckung wurde 2007 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. MR-Sensoren eroberten in den letzten Jahren ständig neue Applikationsfelder in der Magnetfeldmessung, sei es als elektronischer Kompass, als Weg- und Winkelmesssystem oder als kleine, potenzialfreie Stromsensoren. sens o r t e ch n i k S PECIA L Bild 2: Entstehung und Verarbeitung des AMR Sensorsignals ne wie die Wheatstone-Brücke zwei sinusförmige Ausgangssignale, die die doppelte Frequenz des Winkels a zwischen Sensor und Magnetfeldrichtung aufweisen. Ein Ausgangssignal repräsentiert die sin(2a) Funktion, während das andere Signal die cos(2a) Funktion darstellt. Diese Signalform erlaubt die Absolutmessung der Winkel bis 180° und ermöglicht zudem eine Selbst­diagnose in sicherheitskritischen Anwendungen mittel der Gleichung Wurzel (sin2 a + cos2 a) = 1. Eine Verstärkerschaltung wird häufig zur Verstärkung der rohen Sensorsignale eingesetzt. Diese wird entweder als komplette integrierte Schaltung oder über eine Kombination aus einzelnen Komponenten und integrierten Schaltkreisen, wie z. B. Operationsverstärker, implementiert. Diese Signale können dann mittels Interpolations ASIC, ASSP oder Mikrocontroller digitalisiert werden, um das digitale Ausgangsignal bereitzustellen. Mit der Winkelsensor-Familie AA700 lassen sich verschiedene Messanordnungen verwirklichen (Bild 3). Dabei können nicht nur rotatorische, sondern auch lineare ­Bewegungen erfasst werden. Des Weiteren sind sowohl inkrementelle als auch abso­ lute Winkel- und Längenmessaufgaben ­lösbar. Bild 3: Verschiedene Messanordnungen lassen sich umsetzen Optimierung AA700 Sensoren heben sich von anderen MR-Sensoren durch eine Vielzahl von Konstruktionsmerkmalen ab. Durch das FreePitch-Design werden die Sensoren so optimiert, das sie unabhängig von der Pollänge des Maßstabs sind. Dadurch sind die Sensoren besonders kompakt und kommen einem idealen Punktsensor sehr nahe. FreePitch-Sensoren sind eine besonders kostengünstige Lösung. Um die Abmes-sungen so gering wie möglich zu halten, sind die Widerstände der Wheatstone-Brücken ineinander verschachtelt. Um die Sinus-/Kosinus-Signale zu erzeugen, sind die beiden Brücken im Winkel von 45° zueinander angeordnet. Sie können mit Polringen oder Linearmaßstäben mit fast jeder Pollänge sowie mit 2-poligen Magneten benutzt werden. Eine weitere Optimierung erfolgt mittels PerfectWave-Technologie. So werden z. B. Oberwellenfehler im Sensorsignal, die durch die Formanisotropie entstehen, reduziert. Formanisotropie ist das Phänomen der magnetischen Vorzugsrichtung in Längsrichtung bei Körpern, die um ein Vielfaches länger sind als breit. Die MRStreifen, die als Widerstände dienen, haben eine gekrümmte Form, die zur Oberwellen- Merkmale und Vorteile der AA700 Sensoren n Berührungslose absolute Winkelmessung bis 180°, dadurch wartungsfreier und verschleißfreier Betrieb n Hohe Genauigkeit (absolute Winkelgenauigkeit besser als 0,05° möglich bei sorgfäl- tiger Auslegung und Einbindung) n Hohe Empfindlichkeit bietet die Möglichkeit, durch eine Gehäusewand zu messen n Präzise Winkel- und Linearmessung mit hoher Auflösung für eine exakte Messleis- tung bei hoher Positioniergenauigkeit n Hohe Robustheit, Zuverlässigkeit und Sicherheit bei schwierigen Betriebsbedingungen n Breiter zulässigerTemperaturbereich (-40 bis 150° C) n Großer Arbeitsabstand zwischen Sensor und zu messendem Objekt, dadurch reduzierter Konstruk-tions- und Montageaufwand n Geringe Abmessungen und kompaktes Design (verfügbar als Bare Die, in S08 Gehäuse oder als LGA Package) n Hohe Bandbreite, um sehr dynamische Prozesse zu überwachen n Qualifikation für Automotive-Anwendungen Der Konstrukteur 5/2010 filterung bei der Abbildung der Magnetfeldrichtung in ein elektrisches Signal genutzt wird. Diese Filterung wird durch die spezielle Geometrie und Anordnung der MR-Streifen realisiert und verursacht keine zusätzlichen Signal-laufzeiten. PerfectWave wirkt sich besonders bei kleineren Magnetfeldern in verbesserter Linearität, höheren Genauigkeiten und besserer Signalqualität aus. Anwendungsbeispiel Eine typische Anwendung findet sich im Drehmomentsensor für die elektrische Lenkung des VW Golf VI. Der Winkelsensor (Bild 1, oben) wird aus Redundanzgründen in einer doppelten Ausführung hergestellt und misst am Wellenumfang die Bewegung eines magnetischen Polrades (Bild 1, Mitte), das entweder aus kunststoffgebundenem oder keramischem Hartferrit gefertigt wird. Das Polrad ist an der Lenkspindel (Bild 1, unten) befestigt, welches durch einen Drehstab mit dem Lenkritzel verbunden ist. Bringt der Fahrer am Lenkrad ein Drehmoment auf und verdreht damit den Drehstab, stellt sich dadurch ein Winkel von max. 4° zwischen Magnet und Sensor ein. Über den gemessenen Winkel wird das aufgebrachte Drehmoment im Steuergerät berechnet, um die erforderliche Lenkunterstützung mittels eines Servomotors vorzugeben. In dieser Anwendung konnte ein bisher eingesetzter Hall-Sensor ersetzt werden. Der Vorteil des AMR-Winkelsensors lag hauptsächlich in der höheren erreichbaren Winkelgenauigkeit, was wiederum zu einer präziseren Lenkunterstützung beitrug. Neben einer Vielzahl von Anwendungen im Fahrzeug werden Sensoren dieser Familie auch in der Industrieautomatisierung (unter anderem in magnetischen Drehgebern oder in der Motorkommutierung) sowie in Industrierobotern, Werkzeugmaschinen, Medizintechnik und Mess- und Prüftechnik eingesetzt. sensitec 9904620 WWW www.vfv1.de/#9904620