Re/Presenting Music #2 Gruppenasstellung 12 September – 17 October 2015 opening friday, September 11, at 7 pm Sylvano Bussotti, Rara Eco Sierologico,1964, Tusche auf Papier Die Galerie Mario Mazzoli freut sich, die Gruppenausstellung Re/Presenting Music #2 zu präsentieren. In der Ausstellung werden Werke von Sylvano Bussotti, Yannis Xenakis, Adriano Guarnieri, Enore Zaffiri, Christina Kubisch, Agostino Di Scipio, Giuseppe Chiari, Roberto Pugliese, Stefano Trevisi, Martin Daske, Franco Donatoni, Marianthi Papalexandri-Alexandri, Marco Visconti-Prasca, Roberto Paci-Dalò ausgestellt. Gerüchten zufolge versuchte Franco Donatoni sich nach der Premiere seines Stückes Per Orchestra umzubringen. Er tat dies weil er von der Aufführung so enttäuscht war, dass er die Scham eines solchen öffentlichen Scheiterns nicht ertragen konnte. Die Idee für die bevorstehende Show der GMM "Re/presenting Music #2" entspringt dieser Anekdote. Um genauer zu sein, löste die Geschichte eine Auseinandersetzung mit dem Bruch aus, der zwischen der Schöpfung des Künstlers wie sie in seinem Kopf existiert und der Art wie diese übertragen und von anderen Leuten wahrgenommen wird, entsteht. Ich möchte hier nicht in eine tiefere Analyse hermeneutischer Fragen zur Textinterpretation einsteigen, jedoch finde ich die Frage besonders in Bezug auf die Aufführung, und insbesondere die Aufführung musikalischer Stücke wie im Fall Donatonis, interessant. Ich interessiere mich für die eigenartigen Lösungen die Menschen (er-)finden, um ihre musikalischen Gedanken in visuelle Objekte zu übersetzen, in der Hoffnung, dass die Musiker in der Lage sein werden, diese Gedanken genau wiederzugeben. Geschichtlich gesehen dienten Verbesserungen der Notenschrift genau diesem Zweck, der Einführung von Tempobezeichnungen, Ausdrucksbezeichnungen und dynamischen Bezeichnungen, ausgewählt, um den Künstler auf der unendlichen Reise der Interpretation des musikalischen Textes zu begleiten. Nichtsdestotrotz bestand der oben erwähnte Bruch schon immer, selbst nach der Erfindung solcher Zeichen. Zu Beginn des zweiten Satzes seines Opus Nr. 90 schreibt Beethoven zum Beispiel „Nicht zu geschwind und sehr singbar vorzutragen“. Es ist anzunehmen, dass Beethoven etwas sehr Konkretes im Sinne hatte, das einen gewissen Spielraum für Abweichungen ließ. Dennoch hört man nicht selten Konzertbesucher aggressiv darüber streiten, ob die Interpretation des Pianisten zu geschwind war oder nicht und Musikwissenschaftler diskutieren intensiv darüber, was der Komponist mit dieser Kennzeichnung beabsichtigte. Selbst in einem klassischen Stück wie Opus Nr. 90 ist die Auslegung keineswegs eindeutig. Zumindest was klassische Musikstücke anbelangt, besteht wenig Spielraum bezüglich der Tonhöhe. Letzterer besteht vorwiegend bei Musikstücken die nicht genau kodifiziert, oder aber sehr komplex sind: antike Stücke, nicht-westliche Musikstücke und ganz sicherlich Musikstücke der Gegenwart. Man kann sich vorstellen wie sich das Problem des Partiturlesens mit der zunehmenden Komplexität der musikalischen Oberfläche die für das letzte Jahrhundert kennzeichnend war, vervielfacht hat. Mit Bezug auf die Gegenwartsmusik ist das Problem oft nichts weniger als die reine Hölle. Wie sich die Nachfrage nach Tönen die nicht mit Standardtechniken produziert werden können erhöht hat, so ist auch die Zahl eigenwilliger Kompositionen die alle Arten verschiedener Zeichen und Symbole aufweisen in der Hoffnung, sie mögen in der Aufführung einen gewissen Klangeffekt erreichen, gestiegen. Da ein Teil der musikalischen Forschung vieler Komponisten die Schöpfung neuer Klangdimensionen zum Hauptziel hatte, tendierte jeder Künstler dazu, zur Notation seiner Musik seine eigenen Zeichen zu entwickeln. In den letzten Jahrzehnten gab es zahllose Versuche von Komponisten, eine Art grafischer Kommunikation zu schaffen die dabei helfen sollte, ihre musikalische Vision in ein fassbares, verständliches Medium zu übersetzen. Manche dieser Versuche sind erstaunlich durchdacht und einige davon weisen sogar über die Notwendigkeit der 'Kommunikation' mit dem aufführenden Künstler hinaus: Sie sind als eine Art visueller Führer für verschiedene Zwecke des Hörers gemacht (sie werden i.d.R. "Hörstücke" genannt). Da diese Art grafischer 'Übersetzungen', zumindest aus visueller Perspektive, oft sehr eigenwillig sind ist es nicht ungewöhnlich, sie in einem Ausstellungssetting gesammelt vorzufinden. Beginnend mit John Cages berühmten Buch Notations werden wir von Zeit zu Zeit mit dieser Art von Darstellung die alle Arten verschiedener musikalischer Visualisierungen vereint, konfrontiert. Auf gewisse Art war das auch der Fall bei der GMM Show Re / Presenting Music # 1. Da Re / Presenting Music # 2 das spezifische Problem der KomponistenMusiker Beziehung fokussiert, ist sie ein wenig anders als typische Musikstück-Ausstellungen, oder ich sollte sagen, spezifischer in ihrer Ausrichtung. Alles in der Ausstellung Gezeigte soll gespielt werden und anstatt einfach das grafische Können des Künstlers zu bewundern, wird der Besucher aufgerufen darüber nachzudenken, wie nah oder fern das Klangergebnis dem grafischen Ergebnis liegt. In der Tat werden die ausgestellten Stücke in der Galerie auch gespielt, und in manchen Fällen sogar live. Stilistisch greift die Ausstellung viele Musikstile des letzten Jahrhunderts auf: Beispiele strukturalistischer, spektraler, minimalistischer, improvisierter, konkreter, aleatorischer und postmoderner Musik werden gezeigt. Die Auswahl der Werke ist umfassend genug, um eine Reihe von Wegen aufzuzeigen, auf denen sich die Komponisten ihrer Beziehung zum Musiker stellen: Während einige den mühsamen Prozess durchmachen, jedes denkbare Detail einzufügen in der Hoffnung, der Performer werde den Hinweisen untadelig Folge leisten, akzeptieren andere die Tatsache, dass der Übersetzungsverlust unausweichlich ist und nehmen es - unter der Annahme die Performance umfasse eine gewisse Improvisation - als Teil ihrer Ästhetik an. Während einige Stücke streng normativ sind, sind andere eher Richtlinien an den Musiker. Von den handgeschriebenen Notenzeilen Adriano Guarnieris zu den skulpturalen Folianten von Martin Daske, von den schlafwandlerischen Stücken Sylvano Bussottis zu den mathematisch inspirierten Werken von Yannis Xenakis und natürlich auch Donatonis Per Orchestra werden die ausgestellten Werke eine Reflektion über den kreativen musikalischen Prozess inspirieren - vom Ansetzen des Stifts auf dem Papier bis zum klanglichen Output - und über den Bruch der ihm inhärent ist. text by Mario Mazzoli / translation by Anna Maria Reimer