Der geologische Bau des Beilan Bei in Nordsyrien. Von Dr. Franz X. Schaffen Als ich im Herbste 1900 von Antiochia kommend über den Beilanpaß nach Alexandrette zog, war ich der Abfahrt des Dampfers wegen gezwungen so rasch wie möglich den Weg zurückzulegen, so daß ich in der hereinbrechenden Dunkelheit kaum einen flüchtigen Ueberblick über die geologischen Verhältnisse dieses wichtigen Ueberganges über den Giaur Dagh gewinnen konnte. Ich konnte daher nur an der nördlichen Talseite, an der die Straße dahinführt, das Auftreten von flintführenden Kalken und Serpentin feststellen, über die sich gegen Alexandrette das Jungtertiär lagert. Die südliche Talseite war Wir unbekannt geblieben. Ich habe daher den Angaben B l a n c k e n h o r n s folgend, meine geologische Kartenskizze des Landes (1903, Cilicia) ergänzt, obgleich dieser den Paß selbst nicht überschritten hat und sich nur auf ältere Beobachtungen stützte. Nun hatte ich in diesem Sommer Gelegenheit, diese Gegend genauer kennen zu lernen unid wenn auch meine Bewegungsfreiheit durch meine Aufgabe und die damalige Unruhe unter der Bevölkerung beschränkt war, ist es mir doch gelungen, ein Bild über den Bau dieses Gebirgsteiles zu entwerfen. Die Bai von Alexandrette, ringsum: von Land eingeschlossen und im Osten von dem bis über 1800 m jäh ansteigenden Kamme des Arnänus Mons (Giaur Dagh) überragt, gehört zu den schönsten Punkten der Mittelmeerküsten. Das Gebirge zieht als ein Teil des zyprischen Bogens vom Rhosischen Vorgebirge gegen Marasch, wo es an die taurischen Ketten herantritt. An seiner Ostseite ist es von streichenden Brüchen begleitet, an denen das Land zum Graben dee Kara Su-tales abgesunken ist, der als die nördliche Fortsetzung des syrischen Grabens anzusehen ist. Gegen den Golf von Iskanderun und die Ebene von Issus bricht das Gebirge ebenso steil ab und die vielen Ergüsse von basaltischer und trachitischer Lava, die seinen Ostfuß begleiten, finden sich gleicherweise an seiner westlichen Abdachung. Der ganze Gebirgszug gehört zu den unbekannteren Gebieten, da nur über — 513 — seinen^ nördlichsten Teil, di© Gegend des Arslan Boghas, den Beilan Bei und die südlichste Region zum' Teil sehr mangelhafte Berichte vorliegen. Wenn man von Alexandrette auf der über den Beilan Bei nach dem Innern führenden Straße hinzieht, quert man zuerst das alluviale Küstengebiet, das von Sümpfen eingenommen wird, die die ungesunden klimatischen Verhältnisse der Stadt verschulden. Seit 15 Jahren wird an ihrer Trockenlegung durch Ausfüllung gearbeitet und es hat sich schon eine Abnahme der Fiebererkrankungeln gezeigt, die früher den Ort zu einem der ungesundesten der östlichen Mittelmeerküsten gemacht haben. Hinter der hier etwa 2 km breiten Küstenebene erheben sich steil die Vorberge des Gebirges.' An dem als La Fontaine bezeichneten Punkte, wo eine Quelle hervorbricht, treten schmutzigweise oder rötliche Kalkmergel (Fleckenmergel) und Sandsteine wohlgebankt in SN-Streichen auf. Sie besitzen eine stark erodierte Oberfläche, auf der durch einen kalkigen Zement schlecht verkitteter Bergschutt liegt. Die Gesteine dürften der Kreideformation angehören. Dann beginnt die Straße anzusteigen. Den Untergrund bilden Schotter und lehmige Sande der Torrenten, die nur zur Regenzeit Wasser führen, und lößartige Bildungen. Dann gelangt man in den Vorhügeln in mürbe, feinkörnige, dünngebankte, graue oder graubraune Sandsteine, denen Glimmer fast ganz fehlt und die einen ziemlichen Kalkgehalt beisitzenl. Sie fallen flach nach NW ein. Fossilien sind nur als schlechte Steinkerne .und Abdrücke von Bivalven zu erkennen, die ganz unbestimmbar sind, aber ein tertiäres, vermutlich miozänesi Alter der Bildungen anzeigen. Wo die Schichtflächen an der Oberfläche liegen, sieht man sie von Sprüngen so durchsetzt, daß sie ein pflasterförmiges Aussehen besitzen. Sie gleichen völlig den Sandsteinen, die ich nördlich von Sis am Wege zum Kiras Bei und nördlich von Budruin Kaie u. a. a. 0. in Cilicien angetroffen habe. Diese Sandsteine lassen sich bis über 300 m hinan verfolgen und bilden bei dem zweiten Kaffeehause an der Straße eine flache Antiklinale, von der die Schichten nach SO einfallen. An diesem Punkte' hat man den Ausblick auf deutliche Terrassen, die in etwa 300 m Höhe den Saum des Gebirges begleiten. — 514 — Bevor man den Ort Beilan erreicht, beginnt links an der Straße Serpentingestein aufzutauchen, das stark zersetzt, zum Teil schieferig, zum Teil in Blöcken ausgebildet ist und von spiegelnden Gleitflächen ganz durchsetzt wird. Man sieht, daß es aus diallagreichen Peridotiten hervorgegangen ist. Einzelne Partien sind, in Talk'schiefbr umgewandelt. Diese Gesteine setzen sich auf der südlichen Seite des Dere Bagtsche genannten Tales fort. Bei dem Hause der PP Karmeliter am Eingange des Ortes Beilan erheben sich an der nördlichen Talseite hohe, senkrechte Felswände von Kalken, die man deutlich mit scharfer steil gegen Westen einfallender Grenzfläche auf den Serpentinen auflagern sieht. Es sind dies feste, hellgraue und hellgelbe Knollenkal'ke mit Flint, zum Teil brekziöse oder konglomeratartige Kalke, die deutlich gebankt nach Südwesten einfallen. Diese Kalk© bilden die sich weit über 1000 m erhebenden Berge der Umgebung und scheinen auch den mit 1795 m angegebenen Kurtlu Dagh aufzubauen. Sie haben noch keine fossilen Reste geliefert und scheinen der oberen Kreide anzugehören. Sie lassen sich mit fast unverändertem: Habitus bis auf die Ostseite des Giaur Dagh verfolgen. Oberhalb des Missionshauses sind diese Felswände amphitheatralisch ausgebrochen und die gewaltigen Felstrümmer dieses Bergsturzes liegen an der Straß© und in der Tiefe des Tales. Bei Beilan (480 m) sieht man sehr deutlich diese in steilen Wänden gegen die Dere Bagtsche einfallenden Kalke an einer scharfen Linie abschneiden, die den Verlauf dieses Tales beidingt. Es ist dies eine fast О—W verlaufende Verwerfung, an der die Kalke gegen S niedergebrochen sind. Die südliche Talseite zeigt niedere wellige Terrainformen, die von Wasserrissen stark zerschnitten sind. Sie wird aus den gleichen Sandsteinen gebildet, die man an der Straße getroffen hat. Sie Helgen hier mit scharfer Grenze auf den Kalken und erheben sich mehr als 500 m imächtig bis über 800 m. Sie sind auf etwa 6 km längs des Paßüberganges nach SO zu verfolgen und treten nur auf der Paßhöhe in einer breiten Zunge auf die nördliche Tälseite über. In der Tiefe des Tales sieht man sie allmählich in mattgraue, in feuchtem Zustande dunkelgraue, feste, sandige, dünnplattige Mergel übergehen, die zum Teil als Mergelschiefer ausgebildet sind. Bisweilen schalten - 516 — sich dicke, mehr kalkige Bänke ein. Diese Mergel haben nur im frischen Zustande eine gewisse Festigkeit, sobald sie aber der Luft unid Sonne ausgesetzt, die Gebirgsfeuchtigfceit abgegeben haben, werden sie mürb, zerblättern und zerfallen in wenigen Tagen zu einem erdigen Material. Die oberflächlichen Partien dieses Gesteins sind tiefgründig verwittert, so daß es auf den ersten Blick einen lockeren Eindruck macht. Das Auftreten der Mergel im Liegenden scheint ziemlich beständig zu sein. Die Bergrücken, die gegen die Paßhöhe die Straße zur rechten Hand begleiten, sind in den oberen Teilen aus Sandsteinen aufgebaut und zeigen die Mergel stets nur in /dem tiefeingiedssienen Tale. Geralde die höheren Partien sind nicht ganz fossilleer, doch kommen nur große Austern vom Typus der Ostrea crassissima in größerer Zahl, aber schlechter Erhaltung vor. An der nach Antiochia führenden Straße habe ich in der Derindere wenig© schlecht erhaltene Fossilreste gefunden: Turritella cf. cathedralis, Galeodea sp., Pecten cf. Hornensis. Ich zweifle gar nicht, diese Ablagerungen als Aequivalente der ersten Mediterranstufe anzusehen. Das Fallen der Schichten ist im Osten bei der Derindere südwestlich bei einem Neigungswinkel von etwa 20°. Unter dem Kulminationspunkte wird das Einfallen noch flacher, dann wendet es sich gegen Süden mit einem Winkel von 44° und gegen Beilan geht es in (die1 SSO-Richtung über. Am Westendei des Dorfes erkennt man eine steilere Aufrichtung der Schichten bis zu 70° und dann scheint eine steile Antiklinale vorhanden zu sein, von der die Schichten mit zirka 70° nach NNW einfallen. Doch ist der Abhang oberflächlich stark verrutscht und die Lagerung nicht mit Sicherheit zu erkennen. Im Hangenden der Sandsteinbänke des Westflügels liegt ein festes, dickbankiges Konglomerat, zum Teil Brekzie, die nur 15 m Mächtigkeit besitzen. Gegen Osten stoßen daran unmittelbar zersetzte Serpentine, so daß es aussieht, als ob diese im Hangenden aufträten. Dies ist wohl nur durch die Faltungserscheinungen bedingt, die sich aber wegen der oberflächlichen Schuttmassen nicht genug klären lassen. Im allgemeinen ist das Südfallen der Neogenschichten auf dem Beilanpasse zu erkennen. Wenn man über das wildzerissene Bergland, das aus ihnen aufgebaut ist, nach Süden — 516 — zieht, gelangt man * bald in ein nördliches Fallen der Schichten, die also eine übier 2-5 km breite Synklinale bilden. In der Kanly Dere sieht man diese Sandsteine von einem festen Konglomerate, das aus Kalk und Flint besteht, unterlagert, das in einer wohl 200 m hohen Wand am Talende abbricht. Hier befinden wir uns schon nahe der Südseite der Mulde und die aus alten Gesteinen aufgebauten Berge erheben sich in geringer Entfernung im Süden mit schrofferen Formen. Ihr Bau ist aber noch unbekannt. Beim Karamurt Han liegen an der nach Antiochia führenden Straße die tertiären Sandsteine auf grauen, festen Kalken und lassen sich anscheinend nicht weiter gegen das Innere Syriens gegen die Täler des Kara Su und Ifrin verfolgen. Sie dürften dort von der Denudation entfernt worden sein. Das Absinken des Grundgebirges an der Beilanstraße, die muldenförmige Anlage der Tertiärschichten und die morphologischen Verhältnisse an der Südseite dieser Zone lassen erkennen, daß hier eine grabenförmige Querversenkung das Gebirge schneidet, in die Has miozäne Mittelmeer eingedrungen ist. Durch diese nur wenige Kilomieter breite Meeresstraße ist das syrisch-mesopotamische Miozänbecken mit dem Mittelmeere in Verbindung gestanden. Weiter im Süden ist für das Obermiozän eine zweite Verbindung durch das Orontestal .nachgewiesen; ob eine solche auch im Norden bei Bagtsche den Giaur Dagh durchquert, ist eine noch offene Frage. G. Besprechungen. Tektonisches Gut aus dem Schlußbande des »Antlitz der Erde«, von E. Sueß.') Besprochen von V. ü h 1 i g. Von allen besonderen Betrachtungen und Feststellungen, zu denen das „Antlitz der Erde" so reichlich Anlaß gibt, ist vielleicht keine wunderbarer, als daß uns aus dem letzten Bande des unvergleichlichen Werkes dieselbe Jugendfrische, derselbe Ideenreichtum und dieselbe souveräne Beherrschung eines unermeßlichen^ Tatsachenmaterials entgegentreten, wie aus dem ersten. Nicht als Altmeister zieht E. S u e ß im letzten Bande die Schlußrechnung seines großen Wirkens, sondern er greift als Meister in die lebendige Entwicklung der Wissenschaft kraftvoll ein. Diese Feststellung bedingt eingehende Beschäftigung mit dem neuen geistigen Gute, mit dem uns S u e ß beschenkt hat. Dazu erscheint wohl niemand mehr berufen und zugleich mehr verpflichtet, als die Geologen Oesterreichs. Die Dankbarkeit gegen den Schöpfer des großen Werkes wird nicht besser zum Ausdruck gelangen können, als auf diesem Wege. In Erkenntnis dieser Sachlage hat die Geologische Gesellschaft in Wien dem Schlußbande des „Antlitz der Erde" zwei Vortragsabende2) gewidmet, nachdem schon vorher der Meister selbst über den letzten Abschnitt „Das Leben" gesprochen hatte. 8 ) Die Synthese des Vulkanismus, die Tiefen und der Mond wurden von Franz E. S u e ß , die tektonischen Verhältnisse von mir besprochen. Im Anschluß hieran wurde der Wunsch nach Drucklegung der Vorträge in tunlichst erweiterter Form ausgesprochen. Indem ich hiemit diesem Wunsche Rechnung trage, verhehle ich mir nicht die großen Schwierigkeiten dieser Aufgabe. Eine erschöpfende Besprechung und Assimilierung aller tektonischen Gedanken und Neubauten des Schlußbandes kann bei ihrer großen Zahl und Tragweite nicht mit einem Male erfolgen, sondern muß zunächst auf das wichtigste ausgehen. Wird aber nach diesem Gesichtspunkte eine Auswahl vorgenommen, so werden sich vielleicht in der Beurteilung dessen, was das wichtigste ist, Abweichungen ergeben und mancher wird hier vielleicht gerade das vermissen, was ihm besonders wichtig erscheint. In vielen FäUen bringt auch erst die Zeit die Bedeutung einzelner Gedanken zur Reife. Nicht weniger als 14 Abschnitte des Schlußbandes sind tektonischen Inhalts. Von diesen enthält der letzte, mit „Analysen" betitelte Abschnitt eine kurze Uebersicht über die tektonische Gliederung unseres Planeten. Da diese Gliederung das große, glücklich erreichte End- und Hauptziel des ganzen Werkes bildet, so schien mir dieser Abschnitt den geeigneten Rahmen zu bilden, um das wichtigste Material zu umfassen. Nur die Alpen sollen einer gesonderten kurzen Besprechung unterzogen werden und zum Schlüsse möchte ich einige neue tektonische Ableitungen hervorheben. I. Uebersicht der tektonischen Analyse der Erde. Neun geotektonische und geohistorische Einheiten unterscheidet E. S u e ß im Antlitz unserer Erde : 1. Laurentia; 2. die Kaledoniden; 3. der asiatische (oder eurasiatische) Bau; 4 die böhmische Masse; 6. GondwanaLand; 6. die Kapgebirge; 7. Australien und die Ozeaniden; 8. der andine Bau; 9. Antarktis. In mehreren von diesen Einheiten erkennt man unschwer die schon im ersten Bande begründeten Gliederungen; die Aufstellung anderer war durch den Fortschritt des Wissens bedingt. Manche ') Der zweite Teil dieser Besprechung wird im ersten Heft des Bandes 1910 der „Mitteilungen" erscheinen. 3 ) Sitzung vom 4 und vom 18. Dezember 1909. 3 ) Sitzung vom 20. März 1909.