Konzert wird Das heutige durch: et aufgezeichn etermins abe des Send Die Bekanntg ww.hn-sinfonie.de w f: erfolgt au HEILBRONNER KOMPONISTEN FESTIVAL Philharmonischer Chor Heilbronn Leitung: Ulrich Walddörfer Sprecher: Lothar Heinle Solisten: Jörge Becker . TROMPETE Thorsten Büttner . TENOR 19:30 Uhr Sonntag, 15. März 2015 Theodor-Heuss-Saal Konzert - und Kongresszentrum Harmonie . Heilbronn Dirigent: Peter Braschkat 1 Mehr vom Leben haben. Voll im Plan! Wir machen den Weg frei. Gönnen Sie sich ruhig die schönen Seiten des Lebens. Unsere ganzheitliche, individuelle Beratung und der VR Lebensplaner® sichern Ihnen mehr finanziellen Spielraum für Ihre Wünsche und Ziele. www.volksbank-heilbronn.de 2 PROGRAMM 15. März 2015 HEILBRONNER KOMPONISTEN FESTIVAL Prof. Dr. Christhard Schrenk und Lothar Heinle . MODERATION Rio Gebhardt (1907 – 1944) Fest der Infantin Märchenouvertüre (1934) Andante sostenuto – Allegro – Allegretto bolero Fritz Werner (1898 – 1977) Suite concertante op. 48 für Trompete, Streicher und Schlagzeug (1969) I. II. III. IV. Allegro giocoso Andante sostenuto – un poco più mosso e espressivo Allegro vivace Lento molto espressivo V. Allegro, quasi presto Jörge Becker . TROMPETE Philipp Rypinski (1884 – 1943) Symphonischer Festprolog (Ouvertüre) für Orchester mit Fernorchester (1912) Mäßig – Lebhaft – Majestätisch, mit größter Kraft PAUSE ........................................................................................................... Robert Edler (1912 – 1986) Sonette an Orpheus op. 59 für Tenor, Sprecher, gemischten Chor und Orchester (1970) 1. Da stieg ein Baum (Chor) 2. Und fast ein Mädchen war‘s (Sprecher) 3. Ein Gott vermag‘s (Chor und Solo) 4. Rühmen, das ist’s! (Solo mit Männersprechchor) 5. Heil dem Geist, der uns verbinden mag (Chor) 6. Voller Apfel (Chor) 7. Wir gehen um mit Blume, Weinblatt, Frucht (Chor) 8. Hörst du das Neue, Herr, dröhnen und beben? (Chor) 9. Alles Erworbne bedroht die Maschine (Solo und Chor) 10. Wolle die Wandlung (Sprecher) 11. Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten (Solo und Chor) 12. Irgendwo wohnt das Gold (Solo und Chor) 13. Zwischen den Sternen, wie weit (Sprecher) 14. Wie ergreift uns der Vogelschrei (Sprecher, Solo und Chor) 15. Gibt es wirklich die Zeit, die zerstörende? (Sprechchor) 16. Stiller Freund der vielen Fernen (Sprecher, Solo und Chor) Thorsten Büttner . TENOR Lothar Heinle . SPRECHER Philharmonischer Chor Heilbronn, Leitung: Ulrich Walddörfer Die Texte der „Orpheus-Sonette“ finden Sie in diesem Heft ab Seite 44 3 ASB Tagespflege: TAGSÜBER GUT VERSORGT – ABENDS WIEDER ZUHAUSE Maßgeschneiderte Hilfen aus einer Hand · ASB Pflegezentrum Sontheim · Kurzeitpflege & Dauerpflege · Tagespflege · Ambulante Pflege · Therapiezentrum · Betreutes Wohnen ASB Pflegezentrum Bottwarbahnstr. 28 74080 Heilbronn-Sontheim Tel. 07131/589 82 603 [email protected] www.asb-heilbronn.de 4 Arbeiter-Samariter-Bund LV Baden-Württemberg e.V. RV Heilbronn-Franken GRUSSWORT Sehr geehrte Konzertbesucherinnen und Konzertbesucher, als Heilbronner Kulturbürgermeisterin freue ich mich sehr über dieses Konzert, das von mehreren bemerkenswerten Aspekten geprägt wird: Aufgeführt werden vier symphonische Werke von vier Komponisten, die etwas mit unserer Stadt zu tun haben. Aufführende sind das Heilbronner Sinfonie Orchester und der Philharmonische Chor mit ihren sehr langen Traditionen. Gerade diese Traditionen verpflichten dazu, das musikalische Erbe des 20. Jahrhundert zu pflegen – und die musikalische Spannbreite dieses Jahrhunderts mit vier Kompositionen aufzuzeigen. Mit diesem Konzert wird an vier Heilbronner Komponisten erinnert, deren Werke es verdient haben, wieder im Konzertsaal gespielt zu werden und sie einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Deshalb wünsche ich diesem herausragenden Heilbronner Komponisten Festival, dass es ein Fest für die Heilbronner Musik wird und viele Musik- und auch historisch Interessierte erreicht. Nutzen Sie diese Chance, einige neue Facetten des musikalischen Lebens unserer Stadt kennenzulernen! Dem Heilbronner Sinfonie Orchester und dem Philharmonischen Chor danke ich herzlich für das bemerkenswerte Engagement. Mit freundlichen Grüßen Agnes Christner Bürgermeisterin 5 Freie Fahrt zum Kulturerlebnis KOMBI-TICKE T Ihre Konzert-Eintrittskarte für das Heilbronner Sinfonie Orchester ist zugleich Fahrschein für Bus, Bahn und Stadtbahn. Hin und zurück! www.h3nv.de Philharmonischer Chor Heilbronn Guiseppe Verdi I Lombardi alla prima crociata Die Lombarden auf dem ersten Kreuzzug. Uraufführung 1843 in direkter Folge von „Nabucco“ Konzertante Opernaufführung 21. Juni 2015 mit Solisten, Musikern des Staatsorchesters Stuttgart und dem Philharmonischen Chor Heilbronn Konzert- und Kongresshalle Harmonie Heilbronn Beginn: 19.00 Uhr http://www.philharmonischer-chor-heilbronn.de 6 MITWIRKENDE CHORLEITER Ulrich Walddörfer Ulrich Walddörfer wurde 1951 in Göppingen geboren. Nach einem Schulmusik- und Kirchenmusikstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart bei Wolfgang Gönnenwein, Hans Grischkat und dem Studium der Musikwissenschaft an der Universität Tübingen schloss sich ein Dirigierstudium an der Hochschule der Künste in Berlin bei Hans-Martin Rabenstein an. Seit 1986 leitet er den Philharmonischen Chor Heilbronn, außerdem unterrichtete er gastweise an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart. Ulrich Walddörfer ist seit April 1993 Dirigent des BoschChors der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, das Bosch-Sinfonieorchester dirigierte er von 1993 bis 2013. Im Juli 1995 übernahm Ulrich Walddörfer die musikalische Leitung des Stuttgarter Liederkranzes. 7 8 MITWIRKENDE CHOR Philharmonischer Chor Heilbronn Der Philharmonische Chor Heilbronn ist ein großer Konzertchor mit über 100 aktiven Mitgliedern, dessen musikalische Zielsetzung die Erarbeitung und Aufführung klassischer Chorliteratur vom 17. bis zum 20. Jahrhundert umfasst. Der Chor wurde 1818 unter dem Namen „Singkranz Heilbronn“ gegründet und gehört damit zu den ältesten Chören im Schwäbischen Sängerbund. In der Regel werden im Jahr zwei große Konzerte mit Orchester und Solisten durchgeführt, davon traditionell eines am 4. Dezember, dem Gedenktag zur Zerstörung Heilbronns im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1944. Mit der Aufführung der „Glagolitische Messe“ von Leoš Janácek, des „Requiems“ von Maurice Duruflé, der „Missa Solemnis“ von Ludwig van Beethoven, des „Requiems“ von Antonín Dvorák, des Oratoriums „Elias“ von Felix Mendelssohn Bartholdy und anderen Werken leistet der Philharmonische Chor wichtige Beiträge zum musikalischen Leben in Heilbronn. 9 Anz_200x138mm_Betz_allgemein.qxd 19.11.2008 14:25 Seite 1 Feuer und Flamme für Betz Brennstoffe Heizöl Diesel Holzpellets Propangas Gasgeräte Technische Gase Öffnungszeiten: in Tauschflaschen und Mietflaschen Mo - Fr: 7-12 h und 13-17 h Sa: 8-12 h Medizinische Gase Kohle und Holz Salze Schmierstoffe Autogas / LPG Brüggemannstraße 25 10 74076 Heilbronn www.betz-brennstoffe.de Telefon 0 71 31/17 50 21 Telefax 0 71 31/17 38 96 SOLIST TROMPETE Jörge Becker Jörge Becker wurde 1980 in Bielefeld geboren und erhielt seine musikalische Ausbildung am Internat des Windsbacher Knabenchores bei Hartmut Kawohl und begann bereits während seiner Schulzeit mit dem Vorstudium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart bei Prof. Wolfgang Bauer. Mehrfach war er Preisträger beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“. Von 2006 bis 2009 war er Solotrompeter an der Staatsoper Stuttgart und ist seit 2009 in gleicher Position im Radiosinfonieorchester Stuttgart des SWR tätig. Als Gast spielte er u. a. mit den Münchner Philharmonikern, an der Bayerischen Staatsoper München, dem Deutschen Sinfonie Orchester Berlin sowie dem Mahler Chamber Orchestra. Seit 2008 hat er an der Musikhochschule Stuttgart einen Lehrauftrag. 11 Die Energiewende geht uns alle an! Unser Beitrag hierzu: Zwei Biogas-Blockheizkraftwerke der HVG werden jährlich ca. 20.000.000 kWh grünen Strom und ca. 18.000.000 kWh grüne Wärme erzeugen. Informationen: Telefon 07131 56-2526 oder www.hnvg.de 12 Anzeige HVG_Energiewende_128x90mm_sw_163 Jahre.indd 1 04.08.2014 14:23:57 SOLIST TENOR Thorsten Büttner Seine musikalische Ausbildung begann Thorsten Büttner mit fünf Jahren im Kinderchor des Staatstheaters Stuttgart als Knabensopran, wo er auch solistisch eingesetzt wurde. Er schloss mit der Rolle des Tamino in der Zauberflöte im Jahr 2009 sein Gesangsstudium an der Universität Mozarteum Salzburg als Bester seines Jahrgangs mit Auszeichnung ab und wurde dafür mit der „Lilli-Lehmann-Medaille“ ausgezeichnet. Im Jahre 2010 erhielt Thorsten Büttner die „Gottlob-Frick-Medaille“ der Gottlob-Frick-Gesellschaft und war einziger deutscher Teilnehmer von weltweit nur 40 Sängern bei „Domingo’s Operalia“ in Beijing, China. Beim internationalen „Paris Opera Competition“ im Januar 2014 war er Finalist. Seit 2011 ist er Mitglied des Ensembles am Staatstheater Mainz. Beim Open Air Konzert des Heilbronner Sinfonie Orchesters im Jahre 2011 gab er in Heilbronn sein sängerisches Debüt. 13 14 MITWIRKENDE SPRECHER Lothar Heinle Lothar Heinle wurde 1965 in Heilbronn geboren und ist seit 1991 als freier Mitarbeiter für die Heilbronner Stimme als Musikkritiker tätig. Während des Studiums der Musikwissenschaft war Lothar Heinle u.a. als Sprecher für Projekte der Medienabteilung an der Universität Tübingen tätig. 2010 und 2011 wirkte er als Rezitator in der WKO-Kammermusikreihe „Unter der Pyramide“ mit. Für das Heilbronner Sinfonie Orchester moderierte er 2011 das OpenAir-Konzert und 2012 das Konzert „Faszination Richard Wagner“. Außerdem übernimmt er regelmäßig die Einführungsvorträge zu den Konzerten des Heilbronner Sinfonie Orchesters. In Vorträgen und Veröffentlichungen befasst sich der Musikwissenschaftler Lothar Heinle u.a. mit der neueren Heilbronner Musikgeschichte. Als Komponist realisiert er elektronische Klangkonzepte, z.B. in der Kunsthalle Vogelmann (2011, 2013, 2014) und in der Ehrenhalle (2014). Seit Januar 2010 ist er Künstlerischer Leiter der „Perspektiven Heilbronn Konzertreihe für Neue Musik“ des Kulturrings Heilbronn. 15 16 ZUR RASCHEN ORIENTIERUNG Rio Gebhardt (* 1907 Heilbronn, † 1944 [gefallen an der Ostfront]) wurde während eines Gastspiels seiner Eltern in Heilbronn geboren. Im Alter von vier Jahren entdeckte man beiläufig sein Talent zum Dirigieren und sein Vater vermarktete ihn europaweit gewinnbringend als Wunderkind. Als junger Erwachsener konnte Gebhardt zunächst nicht an seine Erfolge anknüpfen. Ab 1923 studierte er bei Kurt Weill und verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Pianist in einer Salonkapelle. Während seiner Zeit als Dirigent beim Reichssender Hamburg entstand 1934 seine Märchenouvertüre „Das Fest der Infantin“. Sie gehörte bis in die 1960er Jahre zum ständigen Repertoire zahlreicher Rundfunksender und war in ihrer Ausgabe für Salonorchester allen wichtigen Kapellen vertraut. Fritz Werner (* 1898 Berlin, † 1977 Heilbronn): Der Name Fritz Werner dürfte allen musikinteressierten Heilbronnern ein Begriff sein, schließlich hat er das Heilbronner Musikleben nach dem zweiten Weltkrieg über Jahrzehnte entscheidend geprägt: 1947 gründete er den Heinrich-Schütz-Chor und wirkte bis 1964 als Kirchenmusikdirektor an der Kilianskirche, wo er wichtige Konzertzyklen initiierte („Stunde der Kirchenmusik“, „Heilbronner Kirchenmusiktage“). Auch als Komponist hat er über die Grenzen Deutschlands hinaus Aufsehen erregt. Seine „Suite concertante“ für Trompete, Streichorchester und Schlagzeug entstand 1971 für Maurice André, mit dem er in den 60ern zahlreiche Bach-Kantaten aufgeführt und eingespielt hatte. Werner schrieb André ein Stück auf die Virtuosenlippen, dessen exzessive Anforderungen an das Durchhaltevermögen erklären, warum es nicht gerade häufig zu hören ist. Philipp Rypinski (* 1884 Bamberg, † 1943 New York) war über zehn Jahre als Kapellmeister am Heilbronner Stadttheater tätig, bis er 1933 gewaltsam aus dem Amt entfernt wurde – Rypinski war Jude. Sein „Symphonischer Festprolog“ lässt ein wenig Heilbronner Theatervergangenheit wieder auferstehen. Mit großer Besetzung und unter Beteiligung einer Gruppe von Ferntrompeten mündet das ausgesprochen festliche Stück in eine Apotheose der Kaiserhymne „Heil Dir im Siegerkranz“. Robert Edler (* 1912 Heilbronn, † 1986 Heilbronn): Der Name des gebürtigen Heilbronners Robert Edler ist nicht zuletzt durch den von ihm 1971 gegründeten Madrigalchor Edler heute noch präsent. Seine „Sonette an Orpheus“ bilden einen groß angelegten Zyklus für Tenor, Chor und Orchester und werden heute abend vom Leiter des ebenfalls mitwirkenden Philharmonischen Chors Heilbronn, Ulrich Walddörfer, dirigiert. Das Werk entstand zum Jubiläumsjahr „600 Jahre Selbstverwaltung“, das die Stadt Heilbronn 1971 feierte, und verwendet 16 Gedichte von Rainer Maria Rilke als Textvorlage. Das Thema dieser Sonette – die Bedrohung der menschlichen Existenz durch die „Maschine“ und deren Überwindung, schließlich auch das Entstehen neuen Lebens aus Ruinen und Chaos – hat Edler sicher auch deshalb angesprochen, weil er einen Bezug zur konkreten Situation der Stadt Heilbronn nach 1945 gesehen hat. 17 18 EINFÜHRUNG Liebes Konzertpublikum, ein außergewöhnlicher Konzertabend voller Entdeckungen erwartet Sie heute, bei dem keine Komponisten zu hören sind, die sich auf deutschen oder gar internationalen Konzertbühnen einer großen Präsenz erfreuen dürfen. Und dennoch verdienen es alle vier, dass ihre Kompositionen heute auf der Bühne der Heilbronner „Harmonie“ mit auch zahlenmäßig ganz besonderem Engagement aufgeführt werden, denn sie alle hängen in ganz besonderer Weise mit unserer Stadt Heilbronn zusammen: Sei es, dass sie gebürtige Heilbronner waren, oder dass sie sich im Laufe ihres musikalischen Werdegangs unschätzbare Verdienste um das Heilbronner Musikleben erworben haben. Insbesondere die Namen Fritz Werner und Robert Edler sind den allermeisten Musikinteressierten unserer Stadt ein Begriff. Ihr Wirken ist noch deutlich im kollektiven Bewusstsein, und sicherlich haben viele der heute abend Anwesenden ganz eigene Erinnerungen an persönliche Begegnungen oder gemeinsame Aufführungen mit Werner und Edler. Das Wirken Philipp Rypinskis liegt deutlich länger zurück: Er führte in den 1920er Jahren das junge, erst 1913 eingeweihte Stadttheater zu ersten großen Erfolgen. Die Nachtigallen in den Kilianshallen Rio Gebhardt Wenn hier eben im Vorgriff auf Philipp Rypinski das Gebäude des Heilbronner Stadttheaters erwähnt wurde, dann ist das repräsentative Jugendstilgebäude, das in unmittelbarer Nähe zum heutigen Theater stand, sicher auch noch manchen von Ihnen in Erinnerung; schließlich wurde es erst 1970 gesprengt. Aber natürlich hat es auch schon vor 1913 in Heilbronn Theateraufführungen und Spielstätten gegeben. Das bedeutendste Heilbronner Theater des späten 19. Jahrhunderts war das Aktientheater im Heilbronner Stadtgarten, das 1817 errichtet wurde und bei den Luftangriffen 1944 zerstört wurde. Daneben gab es noch eine Menge kleinerer Spielstätten und Bühnen mit Programmen unterschiedlichster 19 20 EINFÜHRUNG Prägung. In der Fleiner Straße konnte man sich beispielsweise in den „Kilianshallen“ amüsieren, einem „Variete-Theater I. Ranges“. Hier gastierten ab Ende Oktober 1907 der Sänger Julius Gebhardt und seine spätere Frau Marie Anna Haupt mit ihrem Tourneetheater „Tegernseer Nachtigallen“, einem „oberbayrischen Gesang-, Tanz- und Instrumental-Ensemble, 4 Damen, 3 Herren“, wie die Neckar-Zeitung vom 31. Oktober 1907 ankündigte. Und während dieses kurzen Gastspiels brachte Marie Anna Haupt am 1. November ihren Sohn Julius Rigo Gebhardt zur Welt, dessen Vorname bald zu „Rio“ abgekürzt wurde. Damit war Heilbronn nur eine kurze Station im Leben Rio Gebhardts und wurde nur zufällig zu seiner Geburtsstadt. Rasch zog die Gruppe weiter, und das nächste, was wir von ihm hören, stammt aus dem Jahr 1911: Rio hielt sich gerade mit seinen Eltern auf Tournee in Monte Carlo auf, als der Vierjährige plötzlich verschwunden war. Man fand ihn, wie er im Kurgarten „mit erhitztem Köpfchen“ vor einer Zigeunerkapelle stand und diese mit einem Zitronenlöffel dirigierte. Sein geschäftstüchtiger Vater kam sofort auf die Idee, Rio als „Wunderkind“ in seine Programme einzubauen und führte seinen Sohn mit Hilfe eines älteren Kapellmeisters in die Kunst des Dirigierens ein: Weinflaschen wurden in der Gruppierung der Orchesterinstrumente auf dem Boden aufgestellt, und Rio wurde zum Klang eines Grammophons beigebracht, wie Taktarten geschlagen werden, wie man Einsätze gibt, wie Ausdrucksbezeichnungen und Tempowechsel anzugeben sind und vieles mehr. Doch es muss mehr als geschickter Drill gewesen sein, was aus Rios Dirigat sprach. In Hannover wurde sein Onkel, Hofkapellmeister Karl Gille, auf ihn aufmerksam und riet Rios Vater, er möge seinem „Wunderkind“ eine gute Ausbildung angedeihen lassen. Nach Konzertreisen, die Rio bis nach Russland führten, besuchte der Achtjährige dann für eine kurze Zeit das renommierte Stern’sche Konservatorium in Berlin, das ihm unter anderem ein „ziemlich gutes“ Klavierspiel attestierte. 21 Programmzettel 1919 22 EINFÜHRUNG Einige Zeit später kam Rio nun endlich zu dem Mann, der ihm für fünf Jahre ein wichtiger Lehrer werden sollte: Kurt Weill. Bei ihm nahm er von 1923 bis 1928 privaten Kompositionsunterricht und verdiente sich seinen Lebensunterhalt, indem er allnächtlich bis 2 Uhr früh in einer Berliner Salonkapelle Klavier spielte – sicherlich auch eine gute Schule für die Musizierpraxis und fürs Leben. Um 1930 spielte er zusammen mit Günther Rathke und Hans Rhode im „Ri-Ro-Ru“-Ensemble mit drei Klavieren. In einer 1931 verfassten „Lebensskizze“ beschreibt er die Auftritte dieses Trios wie folgt: „Wir jazzten wild, immer die Glieder im Rhythmus des Zeitmaßes schwenkend, auf drei herrlichen Flügeln, im Glanze eines riesigen Scheinwerfers festlich beleuchtet, und ernteten am Schluß mit knalligen Akkorden und Laufkapriolen brausenden Erfolg der begeisterten Menge“. Endlich ein Erfolg Gebhardts „Geburtstag der Infantin“ In seinem äußerst lesenswerten und fachkundigen Aufsatz über Rio Gebhardt im Band „Heilbronner Köpfe VI“ des Stadtarchivs Heilbronn, dem dieser Einführungstext viel verdankt, schreibt Lothar Heinle, einer der besten Experten zum Thema „Rio Gebhardt und sein Werk“: „Leider gibt es keine Zeugnisse darüber, wie Gebhardt allgemein politisch dachte. Immerhin hielt er es nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten für angebracht, spätestens am 1. Mai 1933 in die NSDAP einzutreten – aus Karrieregründen.“ Gebhardt hatte Erfolg und wurde beim Unterhaltungs- und Tanzorchester am Reichssender Hamburg als Dirigent angestellt. In diese Zeit fällt auch die Komposition der heute Abend gespielten Märchenouvertüre „Das Fest der Infantin“. Ihr liegt Oscar Wildes Märchen „Der Geburtstag der Infantin“ zugrunde, das auch schon Alexander von Zemlinsky zu einer kurzen Märchenoper inspiriert hatte. Mit dieser Ouvertüre gelang es Gebhardt nun endlich, häufiger in den Rundfunkprogrammen aufzutauchen, was auch daran lag, dass die Jazz-Einflüsse in seinen Kompositionen ab 1934 merklich zurückgingen. Auch „modern“ nach Art der gleichzeitig wirkenden Komponisten wie Hindemith oder Berg ist seine Musik nie gewesen; sie erschöpfte sich in den Dreißigern in handwerklich gut gearbeitetem, gefällig gesetztem romantischem Operetten- und Salonton. 23 Wir brauchen uns nicht zu verstecken. 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In den 50er und 60er Jahren war seine Musik in Deutschland im Rundfunk häufiger zu hören, aber die Programme mit „gehobener Unterhaltungsmusik“ verschwanden nach und nach von den Sendeplänen. Heute ist kein einziges Werk Gebhardts auf Tonträger erhältlich, und auch auf Konzertprogrammen begegnet man dem Namen Gebhardt so gut wie nie; allerdings hat das Heilbronner Sinfonie Orchester bei seinem Weihnachtskonzert 2004 neben der heute gespielten Märchenouvertüre auch die Suite aus der „Spielzeugschachtel“ von 1937, einer der größten Erfolge Gebhardts, gespielt – vielleicht erinnern sich manche von Ihnen noch daran. 25 Modehaus Heilbronn · Kaiserstraße 34/an der Kilianskirche · Tel.: 0 71 31/99 12 70 Wir sind für Sie da: Mo.–Fr. 9.30–19.00 Uhr, Sa. 9.30–18.00 Uhr · www.peterhahn.de 26 EINFÜHRUNG Berlin und Potsdam als frühe Stationen Fritz Werner Ganz sicher erinnern sich viele Zuhörer des heutigen Abends an Fritz Werner, der sich um das Heilbronner Musikleben der Nachkriegszeit unschätzbare Verdienste erworben hat. Die Gründung des Heinrich-Schütz-Chores ist ihm zu verdanken, viele wichtige kirchenmusikalische Zyklen hat er begründet, und sein Name ist untrennbar mit der 1954 erneut eingeweihten Kilianskirche und der dortigen Orgelweihe 1959 verbunden. Werner wurde 1898 als Sohn eines Klavierbaumeisters in Berlin geboren. Nach seinem Abitur wurde er zum Heer einberufen und geriet Ende des 1. Weltkriegs noch für über ein Jahr in Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung nahm er 1920 ein Studium der Schulmusik an der Musikakademie Berlin-Charlottenburg auf und wirkte ab 1922 als Musiklehrer, Organist und Chorleiter in verschiedenen Schulen, Kirchen und Institutionen in Berlin und Potsdam. Ein chronisches Halsleiden zwang ihn aber bereits 1931, seine Arbeit als Lehrer aufzugeben und sich umzuorientieren: Ein Studium der Kompositionslehre an der Preußischen Akademie der Künste folgte, und als berufliches Betätigungsfeld wählte er sich die Kirchenmusik, was Mitte der 30er Jahre sicher keine ganz leichte Entscheidung war. Dennoch kam seine Karriere in Gang, und 1939 hatte der inzwischen zum Kirchenmusikdirektor ernannte Werner mit der Berufung an die Potsdamer Garnisonskirche eine der bedeutendsten Kirchenmusikerstellen Deutschlands inne. 27 28 EINFÜHRUNG Von der Westfront ins zerstörte Heilbronn Neubeginn 1946 Auch Werner wurde zum Militärdienst eingezogen, aber im Unterschied zu Gebhardt bereits 1939. Nach der Teilnahme am Polenfeldzug wurde er an die Westfront verlegt und wurde Musikdirektor bei Radio Paris und offizieller Armee-Organist im besetzten Frankreich. In gefeierten Auftritten in vielen wichtigen Kathedralen und Kirchen konnte er sein Talent voll entfalten, allerdings dachte er, wie Prof. Christhard Schrenk in seinem kenntnisreich verfassten Beitrag der Reihe „Heilbronner Köpfe“ (Band 2) schreibt, „keineswegs nur an sich, sondern er erwirkte auch die Freilassung zahlreicher französischer Musiker aus deutscher Kriegsgefangenschaft, die er z.B. in deutschen Orchestern unterbrachte. Dies trug ihm vielfache Freundschaften ein [...]. Zu der historischen Völkerverständigung zwischen den beiden Nachbarstaaten hat also auch Fritz Werner seinen Teil beigetragen.“ 1944 geriet Werner dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft und verbrachte eineinhalb Jahre in Kansas / USA. Auch in diesem Lager arbeitete er kirchenmusikalisch, gründete einen Singkreis, komponierte und unterrichtete. 1946 wurde er ins Kriegsgefangenenlager Heilbronn-Böckingen überstellt und dort schließlich im März entlassen. In Heilbronn stand Werner, ein Mann von 47 Jahren, zunächst einmal vor dem Nichts. Eher zufällig war er in dieser Stadt gelandet, die in Schutt und Asche lag, und ebenso wie viele Heilbronner dieser Jahre fragte auch er sich fassungslos, ob hier in dieser Ruinenlandschaft ein Neuanfang überhaupt möglich sein könnte. 29 30 EINFÜHRUNG Altstadt und Kilianskirche, 1949 (Stadtarchiv Heilbronn) Fritz Werner packte an. Bereits im September 1946 wurde er zum Kantor der Kilianskirche ernannt, die allerdings zu diesem Zeitpunkt noch zerstört war, so dass er in die Südkirche ausweichen musste. Dass die dortige Orgel nicht einmal durchschnittlichen Ansprüchen genügte, hemmte seine Tatkraft keineswegs. Er gründete sofort einen Kirchenchor und 1947 den Heinrich-Schütz-Chor; schon im Herbst 1946 etablierte er Konzertreihen, die noch heute bestehen, etwa die „Stunde der Kirchenmusik“ (ab 1948) und die „Heilbronner Kirchenmusiktage“ (ab 1949). Weitere Stationen für Werner wurden 1951 die wiederaufgebaute Nikolaikirche und 1954 nach ihrer Wiedereinweihung die Kilianskirche. Allerdings sollte es noch bis 1959 dauern, bis dort die neue Orgel eingeweiht wurde, so dass Werner nur noch viereinhalb Jahre in ihren Genuss kam: 1964 musste der inzwischen 65jährige aus dem kirchenmusikalischen Dienst ausscheiden. Den Schütz-Chor leitete er noch bis 1973 und widmete sich in seinem Ruhestand auch wieder intensiver seiner Komponiertätigkeit. Am 23. Dezember 1977 verstarb Werner bei einem tragischen Unfall. 31 EINFÜHRUNGSVORTRÄGE 18:45 Uhr - 19:15 Uhr im Theodor-Heuss-Saal der Harmonie 32 Andreas Benz oder Lothar Heinle werden Sie sachverständig mit Erläuterungen und Klangbeispielen in das Programm einführen. Wir freuen uns auf Ihr Kommen! EINFÜHRUNG Deutsch-französische Freundschaft Ein Trompetenkonzert für Maurice André Bereits 1956 unternahm der inzwischen zum Professor ernannte Werner seine erste Konzertreise mit dem Heinrich-Schütz-Chor nach Paris und knüpfte dort an alte Kontakte an. Dies führte schließlich zu der legendären Zusammenarbeit mit dem französischen Schallplattenlabel ERATO, mit dem zusammen in den Jahren 1959 bis 1974 etwa 60 Bach-Kantaten eingespielt wurden. Als Instrumentalsolisten wählte Werner auch immer wieder französische Musiker, so begegnet man häufig dem Oboisten Pierre Pierlot oder dem berühmten Trompeter Maurice André. Besonders mit ihm verband Werner eine jahrelange Freundschaft, und sehr häufig war André auch bei Konzerten des HeinrichSchütz-Chores in der Kilianskirche zu hören. Dieser Freundschaft wollte Werner 1969 ein Denkmal setzen und schrieb ein Trompetenkonzert für den 36jährigen: die heute Abend zu hörende „Suite concertante“ für Solotrompete, Streichorchester und Schlagzeug. Laut Werner sollte die Suite so schwierig sein, dass sie keiner außer André spielen könne. Die Uraufführung fand im Juli 1970 in Paris statt, eine Aufnahme für ERATO war für 1971 in Heilbronn geplant, nämlich im Zusammenhang mit einem Konzert am 23. September in der „Harmonie“. Bei diesem Abend, der als besondere Ehrung für den Komponisten Werner gedacht war, standen ausschließlich seine Werke auf dem Programm – das hatte es zuvor nicht gegeben. Das Konzert kam beim Publikum gut an, zumal Werner bei den aufgeführten Werken „nicht so furchtbar dissonant, so „bürgerschröcklich“ komponierte“, wie die Heilbronner Stimme erleichtert feststellte. 33 34 EINFÜHRUNG Die Suite besteht aus fünf nicht allzu langen Sätzen. Schon das einleitende „Allegro giocoso“ zeigt Werners an der Barockmusik geschulten Komponierstil beispielhaft: Unisono-Blöcke der Streicher wechseln mit polyphonen, bisweilen imitatorisch gesetzten Passagen ab. Die Solotrompete ist praktisch ständig präsent und erklimmt kurz vor Ende des Satzes das klingende dreigestrichene e. Der Satz ist munter, rhythmisch und gewinnt seinen Witz nicht zuletzt durch die häufigen Taktwechsel. Im zweiten Satz verflechten sich über ruhig schreitendem Streicherfundament die Linien eines Solistenquartetts aus Solotrompete, zwei Violinen und einer Bratsche. Triangel und Glockenspiel, die statt der Pauken des ersten Satzes zum Einsatz kommen, steuern kleine Glanzpunkte bei. Nach einem etwas bewegteren Zwischenteil wird die Stimmung der ersten Takte wieder aufgenommen. Der dritte, wieder schnellere Satz wirkt wie eine Suite frühbarocker Tänze mit bisweilen modalen Wendungen, allerdings stets in harmonisch geschärftem Klanggewand. Nach dem vierten Satz, einem Lento molto espressivo, in dem der Solist sich mit ausdrucksvollen Rezitativen zu Wort melden darf, folgt dann das muntere Finale, in dem der Trompeter noch einmal Gelegenheit bekommt, seine Virtuosität zu demonstrieren – aber auch eine unkomplizierte Melodie in reinem C-Dur anzustimmen. Ein fast vergessener Kapellmeister Philipp Rypinski Was aber ist mit Philipp Rypinski, dem Komponisten des vor der Pause erklingenden „Symphonischen Festprologs“? Sein Name dürfte auch in Heilbronn den wenigsten geläufig sein, und vielleicht ist gerade deshalb die Aufführung dieser festlichen Ouvertüre besonders wichtig. Auch er hat sich nämlich große Verdienste um unsere Heimatstadt erworben, denn er hat besonders in den 1920er Jahren dem Heilbronner Stadttheater als Kapellmeister großen Auftrieb gegeben. Dass man seinen Namen nicht mehr kennt, ist mehr als bedauerlich. Eine Schande sind die Umstände, unter denen seine Karriere beendet wurde. 35 EINFÜHRUNG Heilbronner Theater um 1935 (Stadtarchiv Heilbronn) Philipp Rypinski wurde 1884 in Bamberg als Sohn einer aus Russland stammenden jüdischen Metzgersfamilie geboren. Bereits im Alter von fünf Jahren erhielt er Geigenund Klavierunterricht und setzte diesen Unterricht auch in Nürnberg fort, wohin seine Familie 1896 umzog. Der junge Rypinski hat wohl bereits beträchtliches Talent erkennen lassen, denn ein Stipendium ermöglichte ihm den Studienbeginn am Würzburger Musikkonservatorium, wo er dann schließlich sein Kapellmeister-Examen machte. Seine erste Anstellung erhielt Rypinski am Stadttheater Würzburg. Während des ersten Weltkriegs führte ihn sein beruflicher Werdegang schließlich an das Heilbronner Stadttheater. Mit ihm stieß auch seine Ehefrau Elsa Rypinski, eine virtuose Harfenistin, zum Heilbronner Ensemble. Hans Franke schreibt in seinem Standardwerk „Geschichte der Juden in Heilbronn“: „Die Theaterbesucher jener Jahre haben ihn als peinlich genauen, immer temperamentvollen Orchesterleiter und Einstudierer in bester Erinnerung. Die großen Erfolge der Heilbronner Oper nach dem Neubau an der Allee sind ihm mit zu danken, ihm 36 lag alles, was Temperament, Leidenschaft und Musikalität aufwies, weshalb er vor allem mit Bizets „Carmen“ immer wieder starke Erfolge hatte, ebenso mit allen VerdiOpern. Wagner lag ihm weniger. Infolge seines Temperaments widmete er sich gerne der Operette und seine „Fledermaus“, sein „Bettelstudent“, seine „Zirkusprinzessin“, sein „Orpheus in der Unterwelt“ oder später das „Weiße Rössl“ waren große, berechtigte Serienerfolge.“ Vom Pult weg verhaftet Rypinskis Emigration und Tod in Amerika Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, endete Rypinskis Karriere abrupt. In einem Brief der Zeitzeugin Thekla Sänger, deren Familie in der Sülmer- / Ecke Karlstraße ein Wäschegeschäft betrieb, lesen wir: „Kapellmeister Rypinski sollte eine Wohltätigkeitsveranstaltung zu Gunsten der „Winterhilfe“ dirigieren. Beim Erheben des Taktstockes drang eine Horde Nazis in das Orchester ein und holte ihn heraus. Beide (er und seine Frau) sind nun ohne Stellung und Brot, da beide das Theater nicht mehr betreten dürfen. Auch nach Wildbad, wo doch die Kapelle den Sommer über engagiert ist, darf Else nicht mit. Dabei sagt Eschrich (der Orchesterleiter), er wisse nicht, wie er ohne Else in Wildbad auskommen solle.“ 1938 gelang es der Familie Rypinski schließlich, nach Amerika auszuwandern, wo sie sich in New York niederließ; 1943 starb Philipp Rypinski unter elenden Umständen im New Yorker Stadtteil Bronx. 37 EINFÜHRUNG Fugato, Marsch und Ferntrompeten Rypinskis „Symphonischer Festprolog“ Unter Rypinskis Kompositionen finden sich viele Vokalwerke, was natürlich mit seiner frühen Tätigkeit als Chorleiter zusammenhängt, aber auch eine Oper („Die Brautnacht“, 1920), die von der Dresdener Presse als außergewöhnliches, reifes Werk bezeichnet wurde. Dazu kommen mehrere Orchesterwerke, von denen der „Spanische Tanz“ von den Wiener Philharmonikern mit ungewöhnlichem Erfolg aufgeführt wurde. Der heute zu hörende „Symphonische Festprolog“ entstand 1912, also in Rypinskis Würzburger Zeit. Unbeeindruckt von der musikalischen Avantgarde dieser Zeit geht Rypinski in seinem sehr feierlichen Stück harmonisch kaum über Beethoven hinaus und bleibt auch melodisch und rhythmisch äußerst zurückhaltend. In der Orchesterbesetzung schöpft er allerdings einigermaßen aus dem Vollen des romantischen Orchesters: Zu einer großen Bläser-, Streicher und Schlagzeugbesetzung kommt noch eine Harfe, die bereits in der „Mäßig“ überschriebenen Einleitung prominent hervortritt. Marschrhythmen prägen den „Lebhaft“-Hauptteil, in dem ein melodisches Flötensolo kurzzeitig für lyrische Kontraststimmung sorgt. Als drittes gestalterisches Element kommt noch ein kerniges Fugato dazu, das schließlich in den triumphalen Schlussteil leitet, in dem unter Verwendung von vier zusätzlichen „Bühnentrompeten“ (das im Titel erwähnte „Fernorchester“) und „mit vollster Kraft“ dann noch die Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ angestimmt wird. Grundlage für die heute zu hörende Aufführung ist ein gedruckter Stimmensatz, wohl das einzige vorhandene originale Material zu diesem Werk, der aus einer Berliner Bibliothek stammt und aus dem von Andreas Benz im Auftrag des Heilbronner Stadtarchivs erst einmal eine Partitur erstellt werden musste. Bei der Durchsicht dieser Stimmen durch Benz und Braschkat stellte sich heraus, dass das Werk wohl in großer Eile verlegt wurde, da sich eine Vielzahl von inkonsequenten Notationen und offensichtlichen Flüchtigkeitsfehlern fand, die für die neu gedruckten Stimmen alle korrigiert werden mussten. Das Heilbronner Sinfonie Orchester freut sich sehr, dass mit der heutigen Aufführung diese Herkulesarbeit eine klangliche Realisation finden wird und nicht zuletzt auf diese Weise Philipp Rypinski eine Art später Wiedergutmachung zuteil wird. 38 Ein Leben für die Chormusik Robert Edler Viele Details aus der Biografie Fritz Werners finden wir auch im Leben von Robert Edler, dessen groß angelegte „Orpheus-Sonette“ unsere zweite Konzerthälfte füllen. Auch Edler gehört zu der Generation von Komponisten, die hautnah Erfahrungen mit den Schlachtfeldern des zweiten Weltkriegs machen mussten, auch Edler geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft, und wie Werner hat auch Edler sich unmittelbar nach Kriegsende und der Entlassung aus der Gefangenschaft der Aufgabe gestellt, das kulturelle Leben Heilbronns aus den Ruinen auferstehen zu lassen. Sein Betätigungsfeld war in erster Linie die Chormusik – auch hierin besteht eine offenkundige Parallele zum Wirken Fritz Werners. Robert Edler wurde 1912 in eine alteingesessene Heilbronner Familie geboren und hatte von wenigen Jahren abgesehen seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt ständig in Heilbronn, obwohl er fast während seines gesamten Arbeitslebens freischaffend tätig war. Edlers Vater war Entwerfer und Modelleur für Silberwaren bei der Heilbronner Traditionsfirma Bruckmann und betätigte sich außerdem als freier Kunstmaler. Roberts Interessen scheinen sich aber schon früh der Musik zugewendet zu haben: Eine Aufführung des „Fidelio“ am Heilbronner Theater beeindruckte den Zwölfjährigen so, dass er so viel Zeit wie möglich an diesem Ort verbrachte. Irgendwie muss er dabei Philipp Rypinski, der just zu dieser Zeit ja erster Kapellmeister am Stadttheater war, aufgefallen sein, der ihn fortan häufig einlud, bei Bühnen- und Orchesterproben zuzuhören. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rypinski dem jungen Edler bei dessen ersten Kompositionsversuchen mit Rat und Tat zur Seite stand. Auf jeden Fall verstärkte die intensive Begegnung mit der Welt des Musiktheaters Edlers Wunsch, die Musik zu seinem Beruf zu machen, und 1929 begann er sein Musikstudium am Neuen Konservatorium in Stuttgart. 39 EINFÜHRUNG Musiker am Theater und im Krieg Wechselhafte Karriere Bereits im September 1933 wurde dem 21jährigen eine Stelle als zweiter Kapellmeister und Korrepetitor am Stadttheater Heilbronn angeboten. Wie oben erwähnt wurde, war Edlers Mentor Rypinski ja bereits im Mai 1933 aus seinem Amt gewaltsam entfernt worden. Es kam also zu keinem parallelen Wirken der beiden Musiker unter dem Dach des Theaters. 1934 wurde Edler als jüngster von acht Bewerbern zum Dirigenten des Männergesangvereines „Urbanus“ Heilbronn gewählt, der damals über nicht weniger als 102 aktive Sänger verfügte. Edler muss ein gutes Chorleiterhändchen gehabt haben, denn bereits 1938 gewann der Chor beim Liederfest des Schwäbischen Sängerbundes den 2. Preis in der Kategorie „Schwieriger Kunstgesang“. Doch der Krieg unterbrach auch diese beginnende Karriere. Edler wurde 1941 eingezogen und nach Norwegen versetzt, mit dem Näherrücken der feindlichen Truppen verlegte sich allerdings auch sein Einsatzbereich über Dänemark und Trier zurück in den heftig umkämpften Süden Deutschlands, und 1945 geriet Edler als Kriegsgefangener in die Hände der US-Armee. Zu befürchten hatte er freilich wenig: Da er weder Mitglied der NSDAP noch der Reichsmusikkammer war, durchlief er das Entnazifizierungsverfahren problemlos und erhielt bereits im Oktober 1945 von der US-Militärverwaltung die Arbeitserlaubnis als „conductor of choirs, concerts, and humorious evenings“. „Land des Lächelns“ in der Trümmerwüste Aufbauarbeit im zerstörten Heilbronn Damit war auch der Weg frei für eine Rückkehr an das Heilbronner Stadttheater. Edler wurde als 1. Kapellmeister verpflichtet – aber was hieß das schon? Das Bühnenhaus an der Allee war durch den Krieg so sehr zerstört worden, dass für den Spielbetrieb in den Sontheimer Saalbau „Zur Sonne“ ausgewichen werden musste. Diese Ersatzspielstätte wurde am 9. Februar 1946 mit Franz Lehárs Operette „Land des Lächelns“ eingeweiht; Edler dirigierte das Orchester, das nach Zeitzeugenberichten wohl nur aus 40 einem erweiterten Klavierquintett bestanden haben muss. Als Eintrittsgeld verlangte man ein Stück Brennholz. Im Januar 1948 leitete Edler mit Puccinis „Madame Butterfly“ die erste Heilbronner Opernaufführung nach Kriegsende. 1949 entschloss sich Edler zur freischaffenden Tätigkeit und übernahm nach und nach immer mehr Chöre im Umkreis: 1948 den Gesangverein Kochendorf, 1950 den Männergesangverein Willsbach, 1952 den Männergesangverein „Frohsinn“ Eschenau und 1955 den Liederkranz Frankenbach. Außerdem betätigte er sich verstärkt als Komponist: 1949 gelang es ihm, mit seinem Chorstück „Das Weizenlied“ beim Reutlinger Tonos-Verlag unterzukommen. Die Uraufführung beim Chormusikfest in Ludwigsburg 1950 fand große Beachtung und begeisterte die anwesenden Experten. Bei seinen Chören stieß Edlers ambitionierter Personalstil mit seinen modernen Madrigalklang auf weniger Begeisterung – man wollte einfachere, volkstümlichere und sanglichere Kost. Edler verfiel schließlich auf die List, seine leichteren Chorstücke unter dem Pseudonym „Max Orrel“ zu veröffentlichen – eine Praxis, die er jahrelang ausübte, ohne enttarnt zu werden. Schmunzelnd musste er anhören, wie Chorsänger ihm immer wieder den guten Rat gaben: „Schreib doch solche Sachen wie der Max Orrel! Das mögen die Leut und nicht das krumme Zeug von Dir!“ 41 EINFÜHRUNG Ein Beitrag fürs Festjahr 1971 Edlers „Orpheus-Sonette“ Aber Edler verfuhr weiterhin zweigleisig und komponierte unter seinem echten Namen auch immer wieder höchst ambitionierte Werke. So kam es 1970 schließlich zur Komposition der heute zu hörenden „Sonette an Orpheus“. Anlass hierfür war das Festjahr 1971 der Stadt Heilbronn zur Feier von „600 Jahre Selbstverwaltung“. Hier bemühte sich die Stadt insbesondere darum, dass die auf kulturellem Gebiet tätigen Bürger eine Gelegenheit bekamen, sich selbst darzustellen. Auch Edler wollte einen Beitrag leisten und plante für den 14. Mai 1971, den Vorabend des offiziellen Festaktes, ein Festkonzert mit der Uraufführung einer eigenen Komposition durch„Urbanus“ und den Liederkranz Heilbronn, der damals von Helmut M. Reger geleitet wurde. Als Textvorlage wählte Edlerdie etwas sperrigen „Sonette an Orpheus“ von Rainer Maria Rilke. Lothar Heinle mutmaßt in seinem Beitrag über Edler (in: Heilbronner Köpfe VII): „Ein Thema sprach ihn dabei besonders an: Rilkes Auseinandersetzung mit der Bedrohung der menschlichen Existenz durch die „Maschine“ und deren Überwindung, die mit dem Entstehen von neuem Leben und neuen Ordnungen aus dem Gestern, aus Ruinen und Chaos verbunden ist. Hier findet sich – sicher auch für Edler ein wichtiger Gesichtspunkt – der Bezug zur konkreten Situation der Stadt Heilbronn nach 1945“. Die Partitur entstand zwischen August und Dezember 1970. Die Probenarbeit erwies sich in mehrfacher Hinsicht als schwierig: Zum einen war den Chorsängern sowohl die anspruchsvolle Lyrik Rilkes als auch der ambitionierte Anspruch der Edlerschen Musik fremd, zum anderen stand es zwischen dem Liederkranz und seinem Dirigenten Reger nicht zum Besten – eine Trennung war bereits besprochene Sache, wenn Reger auch verpflichtet wurde, die Orpheus-Sonette noch zu dirigieren. 42 Schließlich entschied man, dass der Liederkranz eine Hälfte der Sonette einstudieren sollte. Für die andere Hälfte stellte Edler aus seinen Chören geeignete Sängerinnen und Sänger zu einem Auswahlchor zusammen, der ab 1971 als „Madrigalchor Edler“ zu seinem Konzertchor für schwierige Aufgaben wurde. Den Orchesterpart übernahm das Schwäbische Symphonieorchester Reutlingen. Edler beschrieb sein Werk mit folgenden Worten: „Mit einem breit dahinfließenden, auf Klang aufgebauten Motiv beginnt das Werk, weitet, wölbt und spannt sich bis zu den Sonetten 8 und 9. Maschinenrhythmen füllen den Raum, zugleich mahnend, denn „Alles Erworbene bedroht die Maschine, solange sie sich erdreistet, im Geist statt im Gehorchen zu sein.“ Dann kommen lyrische wie auch tragische Klänge unvermindert zum Klingen. Das letzte Sonett, „Stiller Freund der vielen Fernen“, beruhigt durch eine einführende Cellomelodie, die in ein orchestrales Spiel übergeht. Hier wurden mit voller Absicht romantische Klangelemente verwendet.“ Über die Uraufführung des Werks berichtete die Heilbronner Stimme am 17. Mai 1971: „Was Edler erreicht, ist ein rhythmisch-metrisch zwingendes, ein gleichsam rhapsodisches Chorwerk. [...] Er spart nicht mit Instrumentier-Effekten und gibt überhaupt mit der Orchesterstruktur sein bestes. Den Chor hingegen hält er – als Sängerbund-Chormeister weiß er schließlich, daß Zwölftongebilde schwer singbar sind – in homophoner, aber gleichwohl akkordspannender Einfachheit.“ Robert Edler starb am 14. August 1986 in Heilbronn. Sein Tod riss eine große Lücke in der Unterländer Chorszene. Der Madrigalchor bestand unter der Leitung von Felix Werner und Bernd Link noch weitere 13 Jahre bis 1999 fort. Seit diesem Jahr verleiht die von Edlers Ehefrau Hedwig, der Stadt Heilbronn und dem Tonos-Verlag gegründete „Robert-Edler-Stiftung“ alljährlich den „Robert-Edler-Preis“ für Chormusik, mit dem bereits so bedeutende Persönlichkeiten wie Tonu Kaljuste oder Frieder Bernius, aber auch unsere musikalischen Partner vom vergangenen Weihnachtskonzert, die Aurelius Sängerknaben Calw, ausgezeichnet wurden. 43 SONETTE Rainer Maria Rilke: Sonette an Orpheus in der Reihenfolge der Vertonung von Robert Edler Erster Teil 44 1.) Sonett 1 (Chor) Da stieg ein Baum. O reine Übersteigung! O Orpheus singt! O hoher Baum im Ohr! Und alles schwieg. Doch selbst in der Verschweigung ging neuer Anfang, Wink und Wandlung vor. Tiere aus Stille drangen aus dem klaren gelösten Wald von Lager und Genist; und da ergab sich, dass sie nicht aus List und nicht aus Angst in sich so leise waren, sondern aus Hören. Brüllen, Schrei, Geröhr schien klein in ihren Herzen. Und wo eben kaum eine Hütte war, dies zu empfangen, ein Unterschlupf aus dunkelstem Verlangen mit einem Zugang, dessen Pfosten beben, – da schufst du ihnen Tempel im Gehör. 3.) Sonett 3 (Chor und Solo) Ein Gott vermags. Wie aber, sag mir, soll ein Mann ihm folgen durch die schmale Leier? Sein Sinn ist Zwiespalt. An der Kreuzung zweier Herzwege steht kein Tempel für Apoll. Gesang, wie du ihn lehrst, ist nicht Begehr, nicht Werbung um ein endlich noch Erreichtes; Gesang ist Dasein. Für den Gott ein Leichtes. Wann aber sind wir? Und wann wendet er an unser Sein die Erde und die Sterne? Dies ist’s nicht, Jüngling, dass du liebst, wenn auch die Stimme dann den Mund dir aufstößt, – lerne vergessen, dass du aufsangst. Das verrinnt. In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch. Ein Hauch um nichts. Ein Wehn im Gott. Ein Wind. 2.) Sonett 2 (Sprecher) Und fast ein Mädchen wars und ging hervor aus diesem einigen Glück von Sang und Leier und glänzte klar durch ihre Frühlingsschleier und machte sich ein Bett in meinem Ohr. Und schlief in mir. Und alles war ihr Schlaf. Die Bäume, die ich je bewundert, diese fühlbar Ferne, die gefühlte Wiese und jedes Staunen, das mich selbst betraf. Sie schlief die Welt. Singender Gott, wie hast du sie vollendet, dass sie nicht begehrte, erst wach zu sein? Sieh, sie erstand und schlief. Wo ist ihr Tod? O wirst du dies Motiv erfinden noch, eh sich dein Lied verzehrte? – Wo sinkt sie hin aus mir? ... Ein Mädchen fast ... 4.) Sonett 7 (Solo mit Männer-Sprechchor) Rühmen, das ist’s! Ein zum Rühmen Bestellter, ging er hervor wie das Erz aus des Steins Schweigen. Sein Herz, o vergängliche Kelter eines den Menschen unendlichen Weins. Nie versagt ihm die Stimme am Staube, wenn ihn das göttliche Beispiel ergreift. Alles wird Weinberg, alles wird Traube, in seinem fühlenden Süden gereift. Nicht in den Grüften der Könige Moder straft ihm die Rühmung Lügen, oder dass von den Göttern ein Schatten fällt. Er ist einer der bleibenden Boten, der noch weit in die Türen der Toten Schalen mit rühmlichen Früchten hält. 5.) Sonett 12 (Chor) Heil dem Geist, der uns verbinden mag; denn wir leben wahrhaft in Figuren. Und mit kleinen Schritten gehen die Uhren neben unserm eigentlichen Tag. Ohne unsern wahren Platz zu kennen, handeln wir aus wirklichem Bezug. Die Antennen fühlen die Antennen, und die leere Ferne trug... Reine Spannung. O Musik der Kräfte! Ist nicht durch die lässlichen Geschäfte jede Störung von dir abgelenkt? Selbst wenn sich der Bauer sorgt und handelt, wo die Saat in Sommer sich verwandelt, reicht er niemals hin. Die Erde schenkt. 7.) Sonett 14 (Chor) Wir gehen um mit Blume, Weinblatt, Frucht. Sie sprechen nicht die Sprache nur des Jahres. Aus Dunkel steigt ein buntes Offenbares und hat vielleicht den Glanz der Eifersucht der Toten an sich, die die Erde stärken. Was wissen wir von ihren Teil an dem? Es ist seit langem ihre Art, den Lehm mit ihrem freien Marke zu durchmärken. Nun fragt sich nur: tun sie es gern? ... Drängt diese Frucht, ein Werk von schweren Sklaven, geballt zu uns empor, zu ihren Herrn? Sind sie die Herren, die bei den Wurzeln schlafen, und gönnen uns aus ihren Überflüssen dies Zwischending aus stummer Kraft und Küssen? 6.) Sonett 13 (Sprecher) Voller Apfel, Birne und Banane, Stachelbeere ... Alles dieses spricht Tod und Leben in den Mund ... Ich ahne ... Lest es einem Kind vom Angesicht, wenn es sie erschmeckt. Dies kommt von weit. Wird euch langsam namenlos im Munde? Wo sonst Worte waren, fließen Funde, aus dem Fruchtfleisch überrascht befreit. Wagt zu sagen, was ihr Apfel nennt. Diese Süße, die sich erst verdichtet, um, im Schmecken leise aufgerichtet, klar zu werden, wach und transparent, doppeldeutig, sonnig, erdig, hiesig –: O Erfahrung, Fühlung, Freude –, riesig! 8.) Sonett 18 (Chor) Hörst du das Neue, Herr, dröhnen und beben? Kommen Verkündiger, die es erheben. Zwar ist kein Hören heil in dem Durchtobtsein. doch der Maschinenteil will jetzt gelobt sein. Sieh, die Maschine: wie sie sich wälzt und rächt und uns entstellt und schwächt. Hat sie aus uns auch Kraft, sie, ohne Leidenschaft, treibe und diene. 45 SONETTE Zweiter Teil 9.) Sonett 10 b (Solo und Chor) Alles Erworbne bedroht die Maschine, solange sie sich erdreistet, im Geist, statt im Gehorchen, zu sein. Dass nicht der herrlichen Hand schöneres Zögern mehr prange, zu dem entschlossenern Bau schneidet sie steifer den Stein. Nirgends bleibt sie zurück, dass wir ihr einmal entrönnen und sie in stiller Fabrik ölend sich selber gehört. Sie ist das Leben, – sie meint es am besten zu können, die mit dem gleichen Entschluss ordnet und schafft und zerstört. Aber noch ist uns das Dasein verzaubert; an hundert Stellen ist es noch Ursprung. Ein Spielen von reinen Kräften, die keiner berührt, der nicht kniet und bewundert. Worte gehen noch zart am Unsäglichen aus ... Und die Musik, immer neu, aus den bebendsten Steinen, baut im unbrauchbaren Raum ihr vergöttlichtes Haus. 10.) Sonett 12 b (Sprecher) Wolle die Wandlung. O sei für die Flamme begeistert, drin sich ein Ding dir entzieht, das mit Verwandlungen prunkt; jener entwerfende Geist, welcher das Irdische meistert, liebt in dem Schwung der Figur nichts wie den wendenden Punkt. Was sich ins Bleiben verschließt, schon ist’s das Erstarrte; wähnt es sich sicher im Schutz des unscheinbaren Grau‘s? Warte, ein Härtestes warnt aus der Ferne das Harte. Wehe –: abwesender Hammer holt aus! Wer sich als Quelle ergießt, den erkennt die Erkennung; und sie führt ihn entzückt durch das heiter Geschaffne, das mit Anfang oft schließt und mit Ende beginnt. Jeder glückliche Raum ist Kind oder Enkel von Trennung, den sie staunend durchgehn. Und die verwandelte Daphne will, seit sie lorbeern fühlt, dass du dich wandelst in Wind. 46 11.) Sonett 17 b (Solo und Chor) Wo, in welchen immer selig bewässerten Gärten, an welchen Bäumen, aus welchen zärtlich entblätterten Blüten-Kelchen reifen die fremdartigen Früchte der Tröstung? Diese köstlichen, deren du eine vielleicht in der zertretenen Wiese deiner Armut findest. Von einem zum anderen Male wunderst du dich über die Größe der Frucht, über ihr Heilsein, über die Sanftheit der Schale und dass sie der Leichtsinn des Vogels dir nicht vorwegnahm und nicht die Eifersucht unten des Wurms. Gibt es denn Bäume, von Engeln beflogen, und von verborgenen langsamen Gärtnern so seltsam gezogen, dass sie uns tragen ohne uns zu gehören? Haben wir niemals vermocht, wir Schatten und Schemen, durch unser voreilig reifes und wieder welkes Benehmen jener gelassenen Sommer Gleichmut zu stören? 12.) Sonett 19 b (Solo und Chor) Irgendwo wohnt das Gold in der verwöhnenden Bank und mit Tausenden tut es vertraulich. Doch jener Blinde, der Bettler, ist selbst dem kupfernen Zehner, wie ein verlorener Ort, wie das staubige Eck unterm Schrank. In den Geschäften entlang ist das Geld wie zuhause und verkleidet sich scheinbar in Seide, Nelken und Pelz. Er, der Schweigende, steht in der Atempause alles des wach oder schlafend atmenden Gelds. O wie mag sie sich schließen bei Nacht, diese immer offene Hand. Morgen holt sie das Schicksal wieder, und täglich hält es sie hin: hell, elend, unendlich zerstörbar. Dass doch einer, ein Schauender, endlich ihren langen Bestand staunend begriffe und rühmte. Nur dem Aufsingenden säglich. Nur dem Göttlichen hörbar. 47 SONETTE 13.) Sonett 20 b (Sprecher) Zwischen den Sternen, wie weit; und doch, um wievieles noch weiter, was man am Hiesigen lernt. Einer, zum Beispiel ein Kind... und ein Nächster, ein Zweiter –, o wie unfasslich entfernt. Schicksal, es misst uns vielleicht mit des Seienden Spanne, dass es uns fremd erscheint; denk, wieviel Spannen allein vom Mädchen zum Manne, wenn es ihn meidet und meint. Alles ist weit –, und nirgends schließt sich der Kreis. Sieh in der Schüssel, auf heiter bereitetem Tische seltsam der Fische Gesicht Fische sind stumm ..., meinte man einmal. Wer weiß? Aber ist nicht am Ende ein Ort, wo man das, was der Fische Sprache wäre, ohne sie spricht? 14.) Sonett 26 b (Sprecher, Solo und Chor) Wie ergreift uns der Vogelschrei... Irgendein einmal erschaffenes Schreien. Selbst die Kinder schon, spielend im Freien, schreien am wirklichen Schreien vorbei. Schreien den Zufall. In Zwischenräume dieses, des Weltraums, (in welchen der heile Vogelschrei eingeht, wie Menschen in Träume –) treiben sie ihre, des Kreischens, Keile. Wehe, wo sind wir? Immer noch freier wie die losgerissenen Drachen jagen wir halbhoch, mit Rändern von Lachen, windig zerfetzten. – Ordne die Schreier, singender Gott! dass sie rauschend erwachen, tragend als Strömung das Haupt und die Leier. 48 15.) Sonett 27 b (gemischter Sprechchor) Gibt es wirklich die Zeit, die zerstörende? Wann, auf dem ruhenden Berg, zerbricht sie die Burg? Dieses Herz, das unendlich den Göttern gehörende, wann vergewaltigt’s der Demiurg? Sind wir wirklich so ängstlich Zerbrechliche, wie das Schicksal uns wahr machen will? Ist die Kindheit, die tiefe versprechliche, in den Wurzeln – später – still? Ach, das Gespenst des Vergänglichen, durch den arglos Empfänglichen geht es, als wär es ein Rauch. Als die, die wir sind, als die Treibenden, gelten wir doch bei bleibenden Kräften als göttlicher Brauch. 16.) Sonett 29 b (Sprecher, Solo und Chor) Stiller Freund der vielen Fernen, fühle, wie dein Atem noch den Raum vermehrt. Im Gebälk der finsteren Glockenstühle lass dich läuten. Das, was an dir zehrt, wird ein Starkes über dieser Nahrung. Geh in der Verwandlung aus und ein. Was ist deine leidendste Erfahrung? Ist dir Trinken bitter, werde Wein. Sei in dieser Nacht aus Übermaß Zauberkraft am Kreuzweg Deiner Sinne, ihrer seltsamen Begegnung Sinn. Und wenn dich das Irdische vergaß, zu der stillen Erde sag: Ich rinne. Zu dem raschen Wasser sprich: Ich bin. WIR GEBEN DEN TON AN. um geht! Wenn’s n e i l i b o imm Gewerbe Immobilien-Treuhand Gesellschaft für Wirtschaftsförderung mbH Moltkestraße 10 74072 Heilbronn Tel. 07131 7878-0 www.78780.eu Wir danken Pflanzen Mauk für die Unterstützung unseres Orchesters mit stimmigen Blumendekorationen! Impressum: Herausgeber: Heilbronner Sinfonie Orchester e.V. Ehrenvorsitzender: Hans A. Hey Redaktion: Harald Friese Hans A. Hey Anne Weidler Vorstand: Harald Friese, 1. Vorsitzender Kurt Schaber, 2. Vorsitzender Text: Harald Friese Claus Kühner Künstlerischer Leiter: Professor Peter Braschkat Gestaltung, Layout und Satz: kuh vadis! Kommunikationsdesign Hagelsteinweg 5 . 74388 Talheim Tel. 07133-2069944 . Fax 2069946 [email protected] www.kuh-vadis.com Geschäftsstelle: Anne Weidler Richard-Wagner-Straße 37 74074 Heilbronn Tel. 07131-205253 . Fax 579157 [email protected] www.hn-sinfonie.de Bildmaterial: Konzertfotos - Rolf Bodmer Archiv, Privat Druck: Druckerei Otto Welker GmbH Friedrichstr. 12 . 74172 Neckarsulm Tel. 07132-3405-0 . 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TENOR WEIHNACHTSKONZERT Mit Werken von Nicolai, Vivaldi, Mozart, Bach, Homilius, Rheinberger, Tschaikowski, Bizet, Händel und Humperdinck Aurelius Sängerknaben Calw Leitung: Bernhard Kugler JUNGE TALENTE Jean Sibelius Johannes Brahms Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39 Violinkonzert D-Dur op. 77 Ungarischer Tanz fis-Moll Lara Boschkor . VIOLINE HEILBRONNER KOMPONISTEN FESTIVAL Rio Gebhardt Fritz Werner Philipp Rypinski Robert Edler Fest der Infantin, Märchenouvertüre Suite concertante Sinfonischer Festprolog Sonette an Orpheus Philharmonischer Chor Heilbronn Leitung: Ulrich Walddörfer Lothar Heinle . SPRECHER Jörge Becker . TROMPETE Thorsten Büttner . TENOR RUSSISCHE SEELE Alexander Glasunow Alexander Skrjabin Peter I. Tschaikowski Stenka Rasin op. 13 Klavierkonzert fis-Moll op. 20 Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Anna Zassimova . KLAVIER 28. September 2014 19. Oktober 2014 14. Dezember 2014 8. Februar 2015 15. März 2015 10. Mai 2015 52