ASIC in der Linse

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Medicin & Elektronik - Februari 2013 - p44
2013
Mobile Medizintechnik
MEMS-Treiberschaltung für einen Kontaktlinsen-Drucksensor
ASIC in der Linse
Für die Therapie von Glaukom-Patienten wäre es sehr vorteilhaft,
wenn sich ihr Augeninnendruck kontinuierlich überwachen ließe.
Ein neuartiger Kontaktlinsen-Sensor soll genau dies leisten, er misst
den intraokularen Druck fortlaufend und überträgt die Messwerte
drahtlos. Möglich wurde diese Anwendung erst durch ein hoch spezifisches ASIC, das in die Linse eingebettet ist.
Stephen ellwood
G
laukome (Grüner Star) sind
eine Augenkrankheit, die etwa
vier Prozent der Bevölkerung
im Alter über 40 Jahren befällt und
zu Blindheit führen kann, wenn sie
nicht in einem frühen Stadium be­
handelt wird. Eines der Symptome
bei einem Glaukom ist ein Anstieg
des Augeninnendrucks. Schon lange
ist bekannt, dass eine kontinuier­
liche Überwachung
von Glaukom­Patien­
ten nötig ist, da der
intraokulare Druck
während des Tages
stark schwankt. Die
momentan von Au­
genärzten während
ihrer Praxiszeiten
durchgeführten sta­
tischen Messungen
sind also nicht dazu
geeignet, Änderun­
gen des Spitzen­
drucks zu erkennen.
Sensimed, ein auf
den Entwurf, die
Entwicklung und
die Vermarktung von
integrierten Mikro­
systemen für medi­
zinische Anwendun­
gen spezialisiertes
Schweizer Unter­
nehmen, hat eine
weiche Einmal­Kontaktlinse aus Si­
likon namens »Sensimed Triggerfish«
für die Behandlung von Glaukomen
entwickelt. In die Triggerfish-Sili­
konlinse eingebettete passive und
aktive Dehnungsmesser überwachen
Schwankungen des Augeninnen­
drucks durch die Messung der Än­
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derungen des Augendurchmessers.
Der Patient trägt die Linse bis zu
24 Stunden und unternimmt dabei
normale Aktivitäten inklusive der
Schlafperioden. Sucht der Patient
seinen behandelnden Arzt auf, wer­
den die aufgezeichneten Daten via
Bluetooth auf den Computer des
Arztes übertragen und sofort ana­
lysiert.
Sensimed beauftragte Analog Se­
miconductor (AnSem) mit der Ent­
wicklung des winzigen ASICs, das in
der Linse eingebettet wird. AnSem
kombiniert in seinen ASIC­Lösungen
HF­, analoge und digitale Elemente,
um Inputs aus der realen Welt in die
erwünschten Outputs umzusetzen.
Medizinische Anwendungen haben
dabei oft besondere Anforderungen
bezüglich extrem niedriger Strom­
aufnahme, hoher Integration, gerin­
ger Größe und neuartiger Stromver­
sorgungstechniken. Weil die Wahl
des Prozesses meist entscheidend
für den Erfolg oder Misserfolg eines
solchen Projekts ist, arbeitet AnSem
mit einer ganzen Reihe verschiede­
ner Fabs zusammen.
Drahtlose Versorgung
und Kommunikation
Für das Triggerfish-Projekt musste
der A/D­Wandler als Herzstück des
ASICs so empfindlich sein, dass er
die durch den Herzschlag des Pa­
tienten hervorgerufene Änderung
des Augendrucks (okulare Pulsati­
on) detektieren kann. Da es keine
Möglichkeit gibt, eine Batterie in die
Struktur der Linse zu integrieren,
muss sich das System vollständig
aus einem lokalen Magnetfeld ver­
sorgen können, das von einer um das
Auge herum getra­
genen HF­Antenne
ausgestrahlt wird.
Über dieses HF­Feld
erfolgt nicht nur die
Stromversorgung
des Sensors, son­
dern in der anderen
Richtung auch die
Übertragung der
Daten von der Linse
zu einem tragbaren
Datenrekorder, der
über ein dünnes, fle­
xibles Datenkabel an
die externe Antenne
angebunden ist.
AnSem entwickel­
te für Sensimed ein
ASIC, das direkt in
der Kontaktlinse
montiert wird. Ne­
ben der HF­Antenne
(einer Drahtspule mit
spezifischer Indukti­
vität) und dem Dehnungsaufnehmer
gibt es im System keine anderen
elektrischen Komponenten. Wäh­
rend des Herstellungsprozesses wird
der Die direkt auf Kupferbahnen
innerhalb der Linse gebondet und
dadurch mit der Antenne und dem
MEMS­Array verbunden.
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Weil der Baustein von einer HF-Quelle versorgt wird, muss er zunächst
das von der Antenne kommende
Wechselsignal gleichrichten. Die naheliegende Gleichrichtungsmethode
mithilfe von Schottky-Dioden würde
die Prozessauswahl erheblich einschränken, auf der anderen Seite
weisen normale pn-Dioden zu hohe
Leistungsverluste auf. Stattdessen
entwickelte AnSem einen neuartigen
aktiven Low-Dropout-Gleichrichter mit Spannungsvervielfachung
und HF-Geschwindigkeit. Dessen
Dropout-Leistung liegt sogar noch
über der von Schottky-Dioden, und
der Gleichrichter ist auf fast allen
gängigen 5-V-toleranten Prozessen
implementierbar.
Für die Entkopplung der Stromversorgung ließen sich nur On-ChipKapazitäten nutzen. Diese Kapazitäten belegen einen erheblichen Teil
der Siliziumfläche. Im Anschluss
an die Haupt-Spannungsversorgung
realisierten die Entwickler auf dem
Chip mehrere Spannungsdomänen
mittels interner LDOs (Low-Dropout-Regler), die wiederum nur interne Kapazitäten nutzen, um die
nötige Spannungsstabilität zu gewährleisten.
Durch die Wahl des 0,35-µmProzesses »I3T50« von ON Semiconductor gelang es AnSem, die
Einkopplung und Aufbereitung der
Spannungsversorgung, die HF-Signalverarbeitung, einen hochlinearen
A/D-Wandler und digitale Steuerungsfunktionen auf einem Chip
zu realisieren – und dies innerhalb
des mageren Leistungsbudgets und
zu niedrigen Kosten. Sensimed profitiert durch den nach AutomotiveRichtlinien qualifizierten Prozess
darüber hinaus von der Versorgungssicherheit, die für Unternehmen auf
dem Gebiet der Medizinelektronik
so wichtig ist. Weil die Linsen für
den Einmalgebrauch ausgelegt sind,
waren die Kosten ebenfalls ein wichtiger Faktor.
Das ASIC digitalisiert den Ausgang
des MEMS-Sensors und überträgt
die Messwerte zurück zum Aufzeichnungsgerät über denselben
HF-Kanal, der auch der Versorgung
des Bauteils mittels Lastmodulationstechniken dient. Für eine maximale
Kopplung der HF-Leistung musste
ein interner Abstimmungskondensator an die Antenneninduktivität angepasst werden. Die Toleranz dieses
Kondensators in der Größenordnung
von ±5% war ein entscheidender
Parameter bei der Wahl des Prozesses. ON Semiconductor kontrolliert
seinen I3T50-Prozess sehr gut, daher
konnte AnSem in enger Zusammenarbeit mit dem Unternehmen diese
Anforderung erfüllen.
Bild 1: Mit der »Triggerfish«-Linse lässt
sich der Augeninnendruck kontinuierlich erfassen (Bild: Sensimed)
Je nach Ausrichtung der beiden
Spulen zueinander kann die tatsächliche Kopplung zwischen der
Linsenantenne und der Patch-Antenne um den Faktor drei oder mehr
variieren. Diese breite Streuung der
Eingangsleistung bedeutet, dass die
Schaltung über einen weiten Eingangsleistungsbereich zuverlässig
und sicher funktionieren muss. Die
niedrige Dropout-Spannung des
aktiven Gleichrichters hilft, die Verluste bei niedrigen Leistungspegeln
gering zu halten, während eine Sicherheitsschaltung mit Strom-Shunt
Überspannungen innerhalb des Bausteins bei hohen Eingangsleistungen
vermeidet. Da die Leistungen sich im
Mikrowattbereich bewegen, besteht
keine Gefahr von Irritationen des
Auges durch Selbsterwärmung.
Die Signale vom Dehnungsmessaufnehmer sind so niedrig, dass
das LSB (Least Significant Bit) des
A/D-Wandlers im Mikrovoltbereich
liegt. Durch den Gleichrichter verursachtes Schaltrauschen vom A/D-
Wandler fernzuhalten war also eine
große Herausforderung – sowohl
auf der Schaltungs- als auch auf der
Layout-Ebene. Die Kopplung von
Störungen durch das Substrat wurde durch den besonderen Einsatz
von Hochspannungs-»Taschen« abgeschwächt, die im I3T50-Prozess
verfügbar sind. Weil der Die in dieser
Anwendung direkt auf einer transparenten Linsenstruktur montiert ist,
mussten sich die Ingenieure auch um
die Lichtempfindlichkeit des Schaltkreises kümmern und die Die-Rückseite mit Metall beschichten, damit
kein Licht eindringen kann.
Normalerweise nimmt das Einhalten von Spezifikationen über die
Temperatur einen großen Teil des
Designprozesses in Anspruch, denn
bekanntermaßen schwanken Transistorparameter stark mit der Temperatur. Dankenswerterweise hält
das menschliche Auge in dieser Anwendung den Baustein konstant auf
einer Temperatur von etwa +34 °C
(die Temperatur der Augenoberfläche). Dies sparte Zeit sowohl bei
der Entwicklung als auch bei der
Simulation, die mit einem deutlich
reduzierten Satz an Umgebungsbedingungen laufen konnte.
AnSem war in der Lage, die Anforderungen von Sensimed bezüglich
einer hohen Abtastrate und einer
Digitalisierung mit einem hohen
ENOB-Wert (Effective Number of
Bits) zu erfüllen und zugleich innerhalb der Leistungsressourcen der
Triggerfish-Spulenantenne zu bleiben. Der ON-Semiconductor-Prozess
passte gut zu dieser Applikation,
da er in engen Grenzen geregelt
ist, eine lange Prozesslebensdauer
aufweist und über alle erforderlichen
Hochspannungsstrukturen verfügt.
AnSem wird nun den kompletten
ASIC-Lebenszyklus für Sensimed
managen, inklusive der Überführung
in die industrielle Fertigung und der
Lieferkette für die Massenfertigung,
während sich Sensimed ganz darauf
konzentrieren kann, seinen Markt zu
bedienen.
(cg)
Stephen ellwood
ist Vice president engineering bei
Analog Semiconductor
Analog Semiconductor
Telefon: 00 32/16/38 65 00
www.ansem.com
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